Urteil des OLG Köln vom 09.03.2009
OLG Köln: vergleich, kostenregelung, auflage, gebühr, akte, vertretung, parteivertreter, rechtsgrundlage, mehrwert, nebenintervenient
Oberlandesgericht Köln, 17 W 39/09
Datum:
09.03.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 W 39/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 17 O 242/07
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten und ihrer vier Streithelfer
wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim
Landgericht Köln vom 28. Oktober 2008 - 17 O 242/07 - in der Fassung
des Teilabhilfebeschlusses vom 16. Januar 2009 - 17 O 242/07 –-
teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Aufgrund des Beschlusses der 17. Zivilkammer des Landgerichts Köln
vom 30. November 2007 sind von dem Kläger an die Beklagte 6.058,56
€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
nach § 247 BGB seit dem 13. Dezember 2007 zu erstatten.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu 20 % sowie
die Beklagte und ihre vier Streithelfer zu je 16 %.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 2.603,19 €.
G r ü n d e
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I.
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Im Klagewege nahm der Kläger die beklagte Versicherung auf materiellen und
immateriellen Schadenersatz sowie eine Geldrente in Anspruch. Nachdem sich für die
Beklagte der heutige Verfahrensbevollmächtigte als Prozessbevollmächtigter bestellt
und angekündigt hatte, Klageabweisung zu beantragen, teilte der
Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, die Parteien hätten sich im Vergleichswege
geeinigt und bäten um Protokollierung gemäß § 278 Abs. 6 ZPO. Das Landgericht
verfuhr antragsgemäß. Entsprechend der Einigung der Parteien traten dem Vergleich
auf Seiten der Beklagten vier Streithelfer bei, für die sich zum Zwecke des
Vergleichsabschlusses ebenfalls Rechtsanwalt Dr. L. bestellte. Die Kostenregelung im
Vergleich lautete dahingehend, dass der Kläger die Kosten des Rechtsstreites zu 9/10
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und die Beklagte zu 1/10 zu tragen hat. Der Streitwert für das Verfahren wurde auf
126.145,06 €, derjenige für den Vergleich auf 146.145,06 € festgesetzt. Der
Mehrvergleich deckt die Ausgleichsquittung des Zukunftsrisikos ab.
Zur Festsetzung angemeldet worden durch Rechtsanwalt Dr. L. sind u.a. eine 1,2
Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG i. H. v. 1.902,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer = 2.263,38
€ sowie eine 1,3 Geschäftsgebühr aus dem Streitwert für den Mehrvergleich (20.000,00
€) i. H. v. 839,80 € zuzüglich Mehrwertsteuer = 999,36 €. Der Rechtspfleger hat die
Erhöhungsgebühr nicht festgesetzt mit der Begründung, es fehle im Vergleich eine
Kostenentscheidung zu Gunsten der vier Streithelfer. Die Geschäftsgebühr hat er unter
Hinweis auf die Anrechnungsrechtsprechung des BGH lediglich zu ½ festgesetzt. Des
Weiteren hat er für das vorprozessuale Tätigwerden die Verfahrensgebühr ebenfalls auf
½ gekürzt.
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Auf das durch Rechtsanwalt Dr. L. eingelegte Rechtsmittel hat er die zweite Hälfte der
Geschäftsgebühr für die Besprechung des Mehrvergleichs zusätzlich festgesetzt, die
Sache im Übrigen dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
5
II.
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Die gemäß § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch
ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der
Sache selbst nur zu einem geringen Teil Erfolg.
7
1.
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Entgegen der Rüge des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagtenseite entspricht die
Vorgehensweise des Rechtspflegers, die Sache dem Beschwerdegericht vorzulegen,
soweit er ihr auf das eingelegte Rechtsmittel nicht abgeholfen hat, dem Gesetz, § 572
Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG.
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2.
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Zutreffend im Ausgangspunkt ist der Rechtspfleger auch davon ausgegangen, dass für
den Kläger und die Beklagte grundsätzlich insgesamt jeweils 7.568,40 € in die
Kostenausgleichung einzustellen sind entsprechend des Kostenfestsetzungsantrages
des Beklagten vom 12. September 2008. Allein diese Berechnung entspricht dem
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (s. die Berechnungsbeispiele bei: Müller-Rabe, in:
Gerold/Schmidt u. a., RVG, 18. Auflage, Nr. 1003, 1004 VV RVG Rn. 76, 98). Im Detail
begegnet die Festsetzung jedoch mehreren Bedenken, und es gilt Folgendes:
11
a.
12
Rechtsirrig ist der Rechtspfleger davon ausgegangen, dass auf Seiten der Beklagten die
vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte auf die prozessuale
Verfahrensgebühr anzurechnen sei. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten hat in
seiner Rechtsmittelschrift zu Recht und unbestritten eingewendet, da er das Mandat erst
als Prozessmandat erhalten habe, sei eine Geschäftsgebühr zu seinen Gunsten nie zur
Entstehung gelangt. Wenn aber zu Gunsten eines Anwalts mangels entsprechender
Beauftragung und mangels entsprechendem Tätigwerden eine bestimmte Gebühr nie
entstanden ist, so kann sie bereits denknotwendigerweise nicht auf eine andere zur
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Hälfte oder sonstwie angerechnet werden. Soweit der Rechtspfleger seine
Entscheidung damit begründet hat, der Umstand, dass im Kostenfestsetzungsantrag der
Beklagten eine Geschäftsgebühr geltend gemacht werde, belege bereits das
vorprozessuale Tätigwerden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, so hat er den
– zum Teil allerdings nur schwer nachvollziehbaren – Vortrag des
Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten nicht richtig erfasst. Unbehelflich ist des
Weiteren der Hinweis des Rechtspflegers auf den Beschluss des Senates vom 29.
Dezember 2008 – 17 W 230/08 -. Diesem lag offensichtlich ein anderer Sachverhalt
zugrunde, der mit dem vorliegend gegebenen nicht vergleichbar ist.
b.
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Rechtsfehlerhaft ist die Festsetzung auch insoweit, als der Rechtspfleger auf Seiten des
Klägers der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zuwider eine 0,65
Geschäftsgebühr nicht auf die 1,3 Verfahrensgebühr angerechnet hat. Aus Anlage K 1
bereits ergibt sich, dass die späteren Prozessbevollmächtigten und jetzigen
Verfahrensbevollmächtigten für den Kläger bereits vorprozessual tätig waren, so dass
anstatt 2.332,88 € (1.960,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer) lediglich 1.166,44 € insoweit
zu Gunsten des Klägers in die Kostenausgleichung einzustellen sind. Mithin reduziert
sich der Gesamtbetrag zu Gunsten des Klägers von 7.568,40 € auf 6.401,96 €.
15
3.
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Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten die Festsetzung einer "1,3
Geschäfts-/Besprechungsgebühr, VV 2400, 1,3-fach (20.000,00 €) = 839,80 €" (netto)
zur Festsetzung angemeldet hat, mangelt es an einer Rechtsgrundlage.
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a.
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Zunächst ist im Wege der Auslegung zu Gunsten der Beklagten davon auszugehen,
dass richtigerweise auf Nr. 2300 VV RVG seitens des Verfahrensbevollmächtigten der
Beklagten abgestellt werden soll, da Nr. 2400 VV RVG entgegen der ursprünglichen
Fassung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes nunmehr seit Jahren die "Vertretung in
sozialrechtlichen Angelegenheiten" betrifft, ein solcher Bezug der Akte aber nicht zu
entnehmen ist.
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b.
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Ist eine Klage anhängig und wird ein Anspruch, der bisher nicht rechtshängig ist, in
einen Vergleich einbezogen, der deshalb den rechtshängigen und den nicht
rechtshängigen Anspruch umfasst, so fällt, worauf der zunächst sachbearbeitende
Rechtspfleger die Parteivertreter mit Schreiben vom 02. September 2008
zutreffenderweise hingewiesen hat, eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG
auf der Basis des rechtshängigen Anspruches sowie eine 1,5 Einigungsgebühr nach
Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG auf der Grundlage des Mehrwertes an. Unter Anwendung des §
15 Abs. 3 RVG reduziert sich der Gebührenanfall allerdings auf einer 1,5
Einigungsgebühr nach dem Gesamtstreitwert (Müller-Rabe, a. a. O.). Eine zusätzliche
1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auf der Grundlage des Mehrwertes
entsteht zusätzlich und darüber hinaus nur dann, wenn der Rechtsanwalt wegen dieses
nicht rechtshängigen Anspruches aufgrund eines gesonderten Auftrages schon zuvor
außergerichtlich tätig war, nicht aber dann, wenn allein eine Besprechung dahingehend
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erfolgt, ob in den ins Auge gefassten Vergleich über die rechtshängig gemachten
Ansprüche hinaus eine nicht rechtshängige Position einbezogen werden soll (Müller-
Rabe, a. a. O., Rn. 78).
So liegt der Fall hier. Den Mehrwert für die Ausgleichsquittung des Zukunftsrisikos
haben die Parteien einvernehmlich auf 20.000,00 € geschätzt. Die Summe wurde als
Gegenstandswert für den Mehrvergleich festgesetzt und ist gebührenmäßig erfasst
durch die 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG.
22
4.
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Zu Recht hat der Rechtspfleger des Weiteren die Festsetzung einer Erhöhungsgebühr
nach Nr. 1008 VV RVG abgelehnt. Dies kommt aus mehreren Gründen nicht in Betracht.
24
a.
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Zum einen fehlt es an einem diesbezüglichen Kostenfestsetzungsantrag. Da mehrere
Auftraggeber eines einzigen Rechtsanwaltes im Festsetzungsverfahren dem
Kostenschuldner als Einzel- und nicht als Gesamtgläubiger gegenüberstehen, muss der
Kostenfestsetzungsantrag erkennen lassen, zu Gunsten welchen Antragstellers welcher
Erstattungsbetrag verlangt wird (Zöller/Herget, ZPO, 27. Auflage, § 104 Rn. 21
"Streitgenossen"). Denn der Erstattungsanspruch gegen den Prozessgegner steht
aufgrund des Prozessrechtsverhältnisses dem Mandanten und nicht dem Rechtsanwalt
zu, wovon allerdings Rechtsanwalt Dr. L. auszugehen scheint.
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b.
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Weiterer Kostenfestsetzungsanträge zu Gunsten der vier Streithelfer bedarf es allerdings
nicht. Denn eine Kostenfestsetzung scheitert, worauf der Rechtspfleger im Rahmen
seiner Nichtabhilfeentscheidung zutreffend hingewiesen hat, an einer
Kostengrundentscheidung zu Gunsten der vier Streithelfer.
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Schließen die Parteien ohne Beteiligung der Nebenintervenienten einen Vergleich, so
ist es in Rechtsprechung und Literatur unbestritten, dass der Nebenintervenient einen
Kostenerstattungsanspruch hat, und zwar unabhängig davon, ob die Parteien das
Treffen einer Kostenregelung insoweit übersehen, ausdrücklich ausgeschlossen oder
bewusst ausgeklammert haben (BGH MDR 1967, 392; Senat, Beschluss vom 09.
November 2005 – 17 W 209/05 - = OLGR 2006, 380; Zöller/Herget, § 101 Rn. 8 m. w. N.;
Musielak/Wolst, ZPO, 6. Auflage, § 101 Rn. 7).
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Anders liegt es aber dann, wenn der Streithelfer an dem Vergleichsschluss beteiligt ist.
Stimmt er diesem zu, obwohl die Frage der Kostenerstattung zu seinen Gunsten
ungeregelt bleibt, dann steht ihm ein solcher Anspruch infolge Verzichts nicht zu (BGH,
a. a. O.; Zöller/Herget, Rn. 7). Angesichts dieser eindeutigen höchstrichterlichen
Rechtsprechung vermag der Senat der entgegenstehenden Entscheidung des OLG
Koblenz (MDR 2006, 1078), die sich zudem noch nicht einmal mit der Entscheidung des
BGH befasst, nicht zu folgen.
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Im vorliegenden Fall wurden die Nebenintervenienten zu 1. bis 4. anlässlich des
Vergleichsschlusses zwischen Kläger und Beklagter durch denselben
Prozessbevollmächtigten wie die Beklagte vertreten. Angesichts des Umstandes, dass
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sie mithin anwaltlich vertreten, dem Vergleich zwischen den Hauptparteien zugestimmt
haben, der in der Kostenregelung allein diejenigen des Klägers und der Beklagten
erfasst, steht den Nebenintervenienten ein eigener Kostenerstattungsanspruch nicht
(mehr) zu.
5.
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Unter Bezugnahme auf die Berechnung im Kostenfestsetzungsbeschluss bzw. im
Teilabhilfebeschluss des Rechtspflegers ergibt sich damit folgende Berechnung der zu
Gunsten der Beklagten festzusetzenden Summe:
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die klagende Partei hat angemeldet, 6.401,96 €
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die beklagte Partei hat angemeldet 7.568,40 €
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ausgleichungsfähige Kosten insgesamt 13.970,36 €
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Hiervon trägt die klagende Partei 9/10, somit 12.573,32 €
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abzüglich eigene Kosten des Klägers 6.401,96 €
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Erstattungsanspruch der Beklagten 6.171,36 €
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abzüglich Gerichtskosten 112,80 €
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Festzusetzen somit 6.058,56 €
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6.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 ZPO.
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Für eine Ermäßigung gemäß Nr. 1812 KV-GKG besteht kein Anlass.
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