Urteil des OLG Köln vom 13.11.1998
OLG Köln (uwg, werbung, umstand, filiale, nähe, zpo, preis, angebot, wiederholungsgefahr, vorschrift)
Oberlandesgericht Köln, 6 U 77/98
Datum:
13.11.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 77/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 154/97
Tenor:
1.) Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.3.1998 verkündete
Urteil des Landgerichts Köln vom 27.3.1998 - 81 O 154/97 - abgeändert
und im Hauptausspruch wie folgt neu gefaßt: Die Beklagte wird
verurteilt, es bei Meidung eines vom Ge-richt für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM,
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in
der nachfolgend auszugsweise verkleinert wiedergegebenen
Zeitungsbeilage "R.-Center Aktuell" wie aus jener Wiedergabe
ersichtlich zu werben: 2.) Die Kosten Rechtsstreits beider Instanzen hat
die Beklagte zu tragen. 3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 4.) Die
Beschwer der Beklagten wird auf 50.000 DM festgesetzt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist zulässig und gem. § 7 Abs.1 UWG auch begründet.
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Entgegen der Auffassung der Kammer ist die Klägerin klagebefugt. Die Klagebefugnis
ergibt sich unmittelbar aus § 7 Abs.1 UWG, weil die Klägerin durch den beanstandeten
Verstoß unmittelbar verletzt ist. Es kommt damit für die Klagebefugnis nicht auf die
Frage an, ob die Klägerin Waren gleicher Art wie die Beklagte im Sinne des § 13 Abs.1
Ziff.2 UWG auf demselben Markt vertreibt, wobei diese Voraussetzungen allerdings aus
den nachfolgenden Gründen ebenfalls vorliegen.
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Unmittelbarer Verletzter ist derjenige Wettbewerber, der zu dem Verletzer in einem
konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Das setzt voraus, daß der Betreffende durch den
beanstandeten Verstoß im Wettbewerb behindert und insbesondere in seinen
Absatzchancen beeinträchtigt werden kann (vgl. BGH GRUR 66,445 f - "Glutamal").
Diese - auch nach der Neufassung des § 13 Abs.2 UWG fortgeltenden (vgl.
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19.Aufl., § 13 UWG Rz 19 c) - Anforderungen
sind im vorliegenden Falle erfüllt. Insbesondere haben die Parteien - wie dies
regelmäßig Voraussetzung für die Gefahr einer Absatzbeeinträchtigung ist - entgegen
der Auffassung der Kammer überschneidende Kundenkreise. Es ist nämlich ohne
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weiteres davon auszugehen, daß trotz der nicht unerheblichen Distanz zwischen den
betroffenen Geschäftslokalen auch die rechtsrheinisch wohnenden Kunden der Klägerin
über bloße Zufallsgelegenheiten hinaus zu den potentiellen Kunden der Beklagten in
ihrer Filiale in Köln-Weiden gehören. Das kann festgestellt werden, ohne daß es auf den
Streit der Parteien ankäme, in welchen benachbarten Wohnbereichen, zu denen das
Einzugsgebiet der Klägerin ohnehin nicht gehört, die Werbung verteilt worden ist.
Zu den potentiellen Kunden der in dem "R.-Center" zusammengeschlossenen
Verkaufslokale gehören - neben weiteren Kundenkreisen - auch sämtliche in K.
wohnenden oder arbeitenden Verbraucher und mithin auch die Kunden der Klägerin.
Das ergibt sich aus dem Umstand, daß das über seine nähere Umgebung hinaus
bekannte "R.-Center" aus verschiedenen gerichtsbekannten Umständen auch für weit
entfernt lebende Kunden interessant und attraktiv ist und von diesen auch aufgesucht
wird. So sind in dem "R.-Center", das damit bundesweit das größte Einkaufszentrum
dieser Art ist, nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin über 80
Geschäftslokale zusammengeschlossen. Dies ermöglicht es dem Kunden, anläßlich
eines Besuches Einkäufe unterschiedlichster Gegenstände auf engstem Raume zu
tätigen, ohne sich in andere, etwa weit voneinander entfernt gelegene Häuser begeben
zu müssen. Zudem ist das "R.-Center" insbesondere durch seine Nähe zu einem
Anschluß an den K.er Autobahnring verkehrstechnisch gut zu erreichen und verfügt es
über eine ausreichende Anzahl von in unmittelbarer Nähe gelegenen Parkplätzen, was
beides angesichts der Parkplatzsituation in Innenstädten seine Anziehungskraft für
entfernt wohnende Kunden erheblich erhöht.
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Schließlich ist zu berücksichtigen, daß das mit Blick auf seine Größe ersichtlich nicht
ausschließlich oder auch nur in erster Linie für die in der Nähe ansässigen Verbraucher
konzipierte "R.-Center" sogar weit über die Grenzen der Stadt hinaus Werbung betreibt
und damit einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Nach dem unwidersprochenen
Vortrag der Klägerin wirbt das "R.-Center" z.B. landesweit im Rundfunk.
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Gehören danach die potentiellen Kunden der Klägerin auch zu dem potentiellen
Kunden der im "R.-Center" von der Beklagten betriebenen Filiale, so ist die Klägerin
ohne weiteres unmittelbare Verletzte. Das gilt auch mit Blick auf den Umstand, daß die
angegriffene Werbung rechtsrheinisch nicht verteilt worden ist. Denn die Werbung hat
nach der unwidersprochenen Behauptung der Klägerin auch im "R.-Center" selbst für
die Besucher ausgelegen und konnte damit auch von den hier interessierenden
Besuchern aus dem Einzugsbereich der beiden rechtsrheinischen Geschäftslokale der
Klägerin wahrgenommen werden.
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Die aus den vorstehenden Gründen zulässige Klage ist auch begründet, weil die
angegriffene Werbung gegen § 7 Abs.1 UWG verstößt.
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Die Werbung in der Zeitungsbeilage "R.-Center Aktuell" erweckt nämlich den Eindruck,
auch die Beklagte betreibe anläßlich des Jubiläums des "R.-Center" eine
außergewöhnliche, auf die Zeit des Jubiläums beschränkte Veranstaltung mit einem aus
dem Rahmen des Üblichen fallenden, aus dem gegebenen Anlaß im Preis reduzierten
Angebot. Sie erfüllt damit die von der Rechtsprechung des BGH aufgestellten
Voraussetzungen, unter denen eine Jubiläumswerbung, die nicht unter die
Ausnahmevorschrift des § 7 Abs.3 Ziff.2 UWG fällt, gegen § 7 Abs.1 UWG verstößt
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(BGH GRUR 98,483,485 - "Der M. Markt packt aus"; GRUR 98,486 - "Geburtstags-
Angebot", zuletzt Urteil vom 25.6.1998 im Verfahren I ZR 75/96). Im Gegensatz zu der
Auffassung der Beklagten enthält die Werbung nicht etwa lediglich - auch unter Hinweis
auf ein Jubiläum zulässige (vgl. BGH a.a.O.) - Sonderangebote.
Die Beklagte hat mit der Werbung Waren aus insgesamt 6 teilweise ganz
unterschiedlichen Branchen angeboten. Sämtliche dieser Angebote weisen - unter
Gegenüberstellung der alten Preise - einen erheblich reduzierten Preis auf. Bereits dies
spricht deutlich für die Annahme einer Sonderveranstaltung im Sinne des § 7 Abs.1
UWG. Dabei ist von allenfalls untergeordneter Bedeutung, daß die Beklagte über die
dort beworbenen Gegenstände hinaus weitere ca. 50.000 Waren in ihrem im "R.-Center"
geführten Sortiment vertreibt. Denn auch wenn den Kunden das Warenangebot der
bekannten Beklagten in der Größenordnung bekannt ist, ist doch nicht auszuschließen,
daß die Werbung sie zu der Annahme veranlaßt, sämtliche Waren seien im Preis
herabgesetzt und es handele sich bei der Werbeanzeige lediglich um eine Auswahl so
reduzierter Waren. Hierfür spricht neben der Tatsache, daß die erwähnten
unterschiedlichen Branchen von der Werbung erfaßt sind, zunächst auch der Umstand,
daß es in der Überschrift der größeren der beiden angegriffenen Anzeigen u.a. heißt:
"Leistungsbeispiel aus unserem Sortiment". Durch die Verwendung des Begriffes
"Beispiel" wird nämlich der Eindruck erweckt, über die konkret aufgeführten Produkte
hinaus würden auch andere Waren auf die angezeigte Weise preisreduziert angeboten.
Es kommt hinzu, daß das "R.-Center" selber eine - gem. § 7 Abs.3 Ziff.2 UWG zulässige
- Sonderveranstaltung durchführte, die sich nicht zuletzt durch die
Gesamtveröffentlichung, in der die Anzeigen der Beklagten geschaltet waren,
offenbarte. Aus diesem Grunde lag es für den Verkehr ohnehin nahe, auf Grund der
Anzeige mit ihrer generellen Preisreduzierung anzunehmen, daß auch die Beklagte
einen Jubiläumsverkauf durchführte, also gerade aus Anlaß des Jubiläums ihr gesamtes
Angebot bzw. wesentliche Teile des Angebotes erheblich preisreduziert absetzte. Vor
diesem Hintergrund hätte es der Beklagten oblegen, sich so von der übrigen Werbung in
der Beilage abzusetzen, daß nicht der Eindruck entstand, auch sie führe eine
Sonderveranstaltung durch wie sie durch § 7 UWG untersagt ist.
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Die mithin vorliegende Sonderveranstaltung war auch nicht etwa gem. § 7 Abs.3 Ziff.2
UWG gerechtfertigt. Denn die Beklagte selbst erfüllte die Voraussetzungen dieser
Vorschrift nicht. Allein der Umstand, daß das "R.-Center" selbst 25 Jahre bestand, und
die Beklagte dort ein Geschäftslokal betreibt, rechtfertigte einen Sonderverkauf der
Beklagten nicht. Dies bedarf keiner näheren Begründung, weil auch die Beklagte selbst
sich auf die Vorschrift des § 7 Abs.3 Ziff.2 UWG nicht beruft.
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Schließlich besteht auch Wiederholungsgefahr. Diese wird aufgrund des aus den
vorstehenden Gründen vorliegenden Verstoßes vermutet. Dem steht nicht etwa
entgegen, daß erst in 25, bzw. jetzt 24 Jahren ein weiteres Jubiläum des "R.-Center"
bevorsteht, das einen Jubiläumsverkauf rechtfertigt (vgl. zu dieser Fallkonstellation BGH
GRUR 92,318 f - "Jubiläumsverkauf"). Denn der zu beanstandende Verstoß wird -
anders als in dem der vorzitierten Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt -
gerade nicht davon geprägt, daß die Beklagte innerhalb eines ihr erlaubten
Jubiläumsverkaufes die Grenzen wettbewerblicher Lauterkeit nicht eingehalten hätte.
Vielmehr hat sie, wenn auch bei Gelegenheit der Jubiläumsveranstaltungen des "R.-
Center", ihrerseits eine Sonderveranstaltung beworben, die für sich genommen die
Voraussetzungen des § 7 Abs.1 UWG erfüllt. Aus diesem Grunde besteht
Wiederholungsgefahr auch angesichts des Umstandes, daß dem "R.-Center" ein
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Jubiläumsverkauf erst nach dem genannten Zeitraum wieder gestattet ist.
Der mithin begründete Unterlassungsanspruch besteht auch in dem geltendgemachten
Umfang. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, daß der Wettbewerbsverstoß nur in der
Filiale der Beklagten in K.-W. festgestellt worden ist, keine regionale Beschränkung des
Titels etwa auf das Einzugsgebiet jener Filiale. Die sich aus einem Verstoß ergebende
Begehungsgefahr begründet trotz seiner etwa nur regionalen Auswirkungen
grundsätzlich einen räumlich unbeschränkten Unterlassungsanspruch. Das gilt sogar im
Rahmen des - im vorliegenden Fall indes nicht einschlägigen - § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG
und erst Recht für den im Streitfalle betroffenen Anspruch des unmittelbar Verletzten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert
ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.000 DM.
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