Urteil des OLG Köln vom 03.12.2001

OLG Köln: freier mitarbeiter, steuerberater, geschäftsführer, abhängigkeit, abgrenzung, arbeitnehmereigenschaft, arbeitsorganisation, einkünfte, aufgabenbereich, post

Oberlandesgericht Köln, 8 W 15/01
Datum:
03.12.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 W 15/01
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 15 O 743/00
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 15.
Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2001 - 15 O 743/00 -
abgeändert und wie folgt neu gefasst: Der Rechtsweg zu den
ordentlichen Gerichten wird für zulässig erklärt. Die Kosten des
Beschwerdeverfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Die weitere
Beschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts nach §
17 a GVG ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. § 577 ZPO zulässig, sie ist
insbesondere rechtzeitig binnen der Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung
des Beschlusses am 15.05.2001 begonnen hat, mit Schriftsatz vom 29.05.2001, bei
Gericht eingegangen am selben Tage, eingelegt worden.
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Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
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Entgegen der Auffassung im angefochtenen Beschluss sind für diesen Rechtsstreit über
die Zahlung einer Vertragsstrafe wegen angeblicher Verletzung einer
Mandantenschutzklausel durch den Beklagten als Steuerberater nicht gemäß § 2
ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen zuständig, sondern vielmehr gemäß § 13 GVG
die ordentlichen Gerichte. Während des hier maßgebenden Zeitraums vom 01.07.1996
bis 30.06.2000 war der Beklagte weder Arbeitnehmer der Klägerin
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gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, c ArbGG, noch war er als arbeitnehmerähnliche Person im
Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen. Die anders lautende Auffassung des
Landgerichts im angefochtenen Beschluss, die vom Beklagten mit umfangreichen
Ausführungen verteidigt wird, vermag der Senat nicht zu teilen. Die hiergegen
gerichteten Angriffe der Beschwerde sind in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht
begründet.
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1. Für die Beurteilung der angeblichen Arbeitnehmereigenschaft eines
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Steuerberaters ist von den Grundsätzen auszugehen, die das
Bundesarbeitsgericht und der Bundesgerichtshof zur Abgrenzung eines
Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters sowie
einer arbeitnehmerähnlichen Person aufgestellt haben. Beide unterscheiden sich
wesentlich durch den Grad der persönlichen bzw. wirtschaftlichen Abhängigkeit, in
der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet.
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Arbeitnehmer ist derjenige, der seine vertraglich geschuldete Leistung im Rahmen
einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Die Eingliederung in die
fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere daran, dass der Beschäftigte
einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgeber) unterliegt, das Inhalt,
Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen kann. Für die Abgrenzung
von Bedeutung sind demnach in erster Linie die Umstände, unter denen die
Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem
Rechtsverhältnis gegeben haben, oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Der
jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum
folgt aus den getroffenen Vereinbarungen oder aus der tatsächlichen Durchführung
des Vertrags. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, so ist
letztere maßgebend (BAGE 78, 343, 347; BAG NJW 1998, 3661).
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Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt auch von der Eigenart der jeweiligen
Tätigkeit ab. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines
Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses
erbracht werden, andere regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.
Letztlich kommt es zur Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im
konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung der maßgebenden Umstände des
Ein-
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zelfalls an. Arbeitnehmer ist insbesondere der Mitarbeiter, der nicht im wesentlichen
frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1
Satz 2, Abs. 2 HGB; vgl. BAGE a. a. O.).
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1. In Anwendung dieser Grundsätze ist der beklagte Steuerberater, der unstreitig
neben seiner Tätigkeit für die Klägerin eine Einzelpraxis betrieben hat, als freier
Mitarbeiter der Klägerin anzusehen.
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Unter Anwendung der Kriterien der örtlichen, zeitlichen und inhaltlichen
Weisungsbindung sowie der Einbindung in die Organisation gelangt der Senat zu
einem Gesamtbild der Mitwirkung des Beklagten im Aufgabenbereich der Klägerin,
das eine Arbeitnehmereigenschaft des Beklagten ausschließt.
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a)
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Auf der Grundlage der zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarung
vom 05.07.1996, die dem Inhalt nach zwischen den Parteien unstreitig ist, steht nach
deren klarem Wortlaut außer Zweifel, dass eine Tätigkeit des Beklagten als freier
Mitarbeiter vorgesehen war. Dies folgt ausdrücklich aus der Vorbemerkung der
Vereinbarung ("freiberuflich") und aus § 1 des Vertrages, wonach eine
Zusammenarbeit in "freiberuflicher Form" beabsichtigt war. Diese Konstruktion wird in
§ 2 der Vereinbarung konsequent fortgeschrieben, soweit dort eine Vergütungsreglung
getroffen ist, die eine lediglich vorschussweise Auszahlung nach Zeitaufwand mit
einem bestimmten Stundensatz vorsieht, der zzgl. Umsatzsteuer berechnet werden
sollte. Danach war also nicht die Auszahlung einer festen Vergütung, sondern ein
steuerbarer Umsatz angestrebt.
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Die Auftragserledigung durch den Beklagten sollte ausweislich § 3 der Vereinbarung
auch nicht im Rahmen einer ständigen Präsenzpflicht erfolgen; vielmehr war dem
Beklagten auch gestattet, die ihm übertragenen Arbeiten in der Regel auch außerhalb
des Büros des Auftraggebers zu erledigen.
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Nach der vertraglichen Regelung war der Beklagte zudem bei der Erledigung der
Arbeiten im wesentlichen frei von fachlichen Weisungen. Lediglich im Rahmen der
Vergütungsregelung hatte sich die Klägerin ausbedungen, dass der Beklagte im Falle
der Notwendigkeit eines atypischen hohen Zeitaufwandes für die Bearbeitung einer
Einzelangelegenheit dies der Klägerin unverzüglich anzuzeigen und deren
Entscheidung einzuholen hatte. Dass dieser Umstand allein nicht gegen die
Einordnung als freier Mitarbeiter spricht, folgt bereits aus der naheliegenden
Erwägung, dass die Klägerin ihrerseits Absprachen über den jeweiligen
Mandatsumfang und die dabei entstehenden Kosten mit dem Mandanten treffen muss
und auch für den Mandanten ein außergewöhnlich hoher kostenpflichtiger Zeitaufwand
möglichst frühzeitig erkennbar sein muss.
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b)
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Soweit der Beklagte im Beschwerdeverfahren unter Wiederholung und Vertiefung
seines erstinstanzlichen Sachvortrags ein enges fachliches Weisungsrecht der
Klägerin im Hinblick auf die ihm übertragenen Arbeiten behauptet, fehlt diesem
Vorbringen die erforderliche inhaltliche Substanz; insbesondere ist nicht ansatzweise
nachvollziehbar dargetan worden, in welcher Weise und mit welchem Inhalt der
Geschäftsführer der Klägerin auf die konkreten Arbeiten des Beklagten im Wege eines
angenommenen Direktionsrechts inhaltlich-fachlich Einfluss genommen haben soll.
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Entgegen der Darstellung des Beklagten vermag der Senat auch eine zeitliche
Weisungsbindung nicht festzustellen. Es ist nicht streitentscheidend, ob der
Geschäftsführer der Klägerin tatsächlich dem Beklagten die Weisung erteilt hat, täglich
spätestens um 8.30 Uhr seine Arbeit aufzunehmen. Wie die zwischen den Parteien
unstreitige Vertragspraxis belegt, hat die tatsächliche Durchführung des Vertrages
keine ständige Präsenzpflicht des Beklagten während dieser Zeit ergeben. Hierzu wird
vom Beklagten nicht in Abrede gestellt, dass sein Arbeitsbeginn im Zeitraum von Mai
bis Juli 2000 zwischen den Anfangszeiten von 8.45 Uhr und 11.30 Uhr schwankte, so
dass von einem regelmäßigem Beginn der Dienstleistung zu den von der Klägerin
angeblich exakt vorgegebenen Tageszeiten nicht die Rede sein kann. Die vom
Beklagten für diese Schwankungen gegebene Erklärung, die Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses habe bereits festgestanden und er habe Zeit benötigt, um
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die Weiterführung seiner beruflichen Laufbahn innerhalb seiner eigenen Praxis zu
organisieren, vermag nicht plausibel zu erläutern, wieso es ihm als angeblich
festangestelltem und einem Direktionsrecht unterworfenem Arbeitnehmer nunmehr
erlaubt gewesen sein soll, den Beginn der Arbeitszeit nach eigenem Belieben zu
gestalten. Auch im übrigen fehlt es zum Beginn der täglichen Arbeitszeit an
substantiiertem Vorbringen des Beklagten, der seinen Standpunkt zu anderen
Gesichtspunkten stets sehr ausführlich dargelegt
hat. Hierzu wird indessen nur vorgetragen, er sei regelmäßig spätestens ab ca. 9.00
Uhr in der Praxis der Klägerin anwesend gewesen. Diese Ausführungen belegen nicht
nur, dass sich der Beklagte tatsächlich nicht an einen angeblich angeordneten
Arbeitsbeginn um 8.30 Uhr gehalten hat, sondern zeichnen sich darüber hinaus durch
eine eine Reihe allzu vager und unbestimmter Komponenten aus.
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Die vom Beklagten nach der tatsächlichen Vertragspraxis für sich in Anspruch
genommene Flexibilität hinsichtlich seiner Arbeitszeit wird auch durch die erheblichen
Schwankungen bestätigt, die die vom Beklagten während eines Monatszeitraums
erbrachten und der Klägerin in Rechnung gestellten Arbeitszeiten ausweisen. Nach
Maßgabe der vom Beklagten der Klägerin übersandten Gebührenrechnungen, die
jeweils auch nach der Steuerberatergebührenverordnung abgefasst und spezifiziert
sind und deren Richtigkeit hinsichtlich der Stundenzahlen vom Beklagten nicht in
Abrede gestellt worden ist, bewegen sich die vom Beklagten abgerechneten
Stundenzahlen innerhalb einer Spanne von 62,5 Stunden bis zu 249,25 Stunden je
Monat.
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Dies unterstreicht die Richtigkeit der Annahme einer freien Zeiteinteilung des
Beklagten und stimmt schließlich auch mit der Handhabung der Urlaubsregelung
überein, der ebenfalls Bedeutung bei der Einordnung des Vertragsverhältnisses
zuzumessen ist. Denn der Beklagte bedurfte für den Antritt von Erholungsurlaub
unstreitig keiner Genehmigung der Klägerin,;er hat dieser lediglich mitgeteilt und
gemeldet, wann er Urlaub nehmen werde. Dass der Beklagte seinen Urlaub mit
anderen bei der Klägerin tätigen (freien) Mitarbeitern abstimmte, macht den Beklagten
ersichtlich nicht zum Angestellten der Klägerin, weil die bloße Abstimmung mit Dritten
kein Weisungsrecht der Klägerin begründete, sondern allenfalls im wohlverstanden
Eigeninteressen des Beklagten erfolgte.
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Aus alle dem ergibt sich für die Beurteilung durch den Senat, dass der Beklagte nicht
verpflichtet war, der Klägerin seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.
Vielmehr sollte der Beklagte weiter in der Lage sein, als Steuerberater die von ihm
unstreitig betriebene eigene Praxis fortzuführen. Dies belegen auch die in der Zeit von
1996 bis zum Ende des ersten Quartals 2000 erwirtschafteten stei-genden
Umsatzzahlen aus der Einzelpraxis des Beklagten, in der er ab 1997 bereits weitere
Mitarbeiter beschäftigte (dazu nachfolgend unter 3.).
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c)
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Auch die vom Beklagten umfangreich vorgetragenen Schilderungen der weiteren
Arbeitsabläufe bei der Auftragserledigung für die Klägerin führen zu keiner der
Auffassung des Beklagten günstigeren Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Die
vom Beklagten behauptete sog. Arbeitszuweisung durch den Geschäftsführer der
Klägerin schließt seine Einordnung als freiberuflicher Mitarbeiter nicht aus und
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begründet keine Arbeitnehmerstellung. Nach seiner eigenen Darstellung war der
Beklagte in der Auftragsabwicklung frei. Dass eingehende Mandate auf die zur
Verfügung stehenden Mitarbeiter verteilt werden müssen, ist ein typisches Merkmal
freiberuflicher und damit auch steuerberatender Tätigkeit. Diese Aufgabe steht
regelmäßig der Geschäftsführung zu und gehört nicht zum Aufgabenbereich eines
jeden Mitarbeiters. Der Aufgabenbereich auch eines freiberuflich tätigen Mitarbeiters
ist nicht dadurch gekennzeichnet, dass er über den eigentlichen Gegenstand seiner
Tätigkeit selbst entscheiden, sich also gleichsam die Arbeit nach eigenem Belieben
frei aussuchen kann. Maßgeblich ist vielmehr die Art und Weise der Ausführung
einmal übernommener Aufgaben.
Dass die Methode der Postverteilung bei der Klägerin die Arbeitnehmereigenschaft
des beklagten Steuerberaters begründe, ist zumindest fernliegend. Die Feststellung,
dass eingehende Post, die alle Mandate betreffen kann oder auch sogar
unternehmseigene Vorgänge, zunächst von einem der verantwortlichen
Geschäftsführer durchgesehen wird, ist für die rechtliche Beurteilung des
Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beklagten ohne Bedeutung;
denn es ist eine wenig plausible Annahme, dass der Beklagte nur dann freier
Mitarbeiter gewesen wäre, wenn ihm die gesamte Post zugänglich gemacht worden
wäre.
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Dass die an einen Mandanten adressierte Post von einem der Geschäftsführer mit
unterschrieben wird, ist nach Auffassung des Senats gleichfalls kein entscheidender
Gesichtspunkt für die Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft des beklagen
Steuerberaters. Maßgeblich ist - wie bereits mehrfach ausgeführt - , ob der Beklagte
gegenüber seinem Vertragspartner die zu erledigenden Arbeiten frei ausführt, nicht
indessen, ob ein Mitarbeiter gegenüber der Mandantschaft völlig selbstständig auftritt.
Insoweit wird die freiberufliche Tätigkeit des Beklagten auch nicht dadurch in Zweifel
gezogen, dass der Geschäftsführer Vorgaben hinsichtlich der Reihenfolge der zu
bearbeitenden Mandate gemacht haben mag, zumal die Erledigung von
Steuerangelegenheiten zum einen fristgebunden und zum anderen auch von den
Vorgaben des Auftraggebers, also der Mandanten, abhängig ist. Richtigerweise geht
es im Streitfall nicht um die Klärung der Frage, ob der Beklagte über die rechtlichen
Kompetenzen und die tatsächliche Stellung verfügte, die der eines Geschäftsführers
entspricht; entscheidend ist vielmehr die Qualifizierung seines Mitarbeiterstatus im
Rahmen der Tätigkeit für die Klägerin.
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d)
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Dass die Mitarbeit des Beklagten bei der Klägerin sich als Teil seiner selbstständigen
unternehmerischen Tätigkeit als Steuerberater darstellt, wird im übrigen durch weitere
Umstände bestätigt. Der Beklagte selbst hat stets die Auffassung vertreten, dass seine
Tätigkeit während des hier maßgebenden Zeitraumes ab 01.07.1996 eine
selbstständige Tätigkeit als freier Mitarbeiter ist. Das ergibt sich bereits als
Absichtserklärung für die Zeit vor Abschluss des Vertrages vom 05.07.1996 aus einem
dem Inhalt nach unstreitigen Ergebnisprotokoll über ein Gespräch zwischen Vertretern
der Klägerin und dem Beklagten vom 21.05.1996. Darin ist festgehalten, dass der
Beklagte zusätzlich eine eigene selbstständige Tätigkeit aufzubauen beabsichtigt und
deshalb wünscht, ab 01.07.1996 als freier Mitarbeiter tätig zu sein.
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Darüber hinaus hat der Beklagte aus Anlass der Problematik einer möglichen
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Scheinselbstständigkeit von Arbeitnehmern in einer schriftlichen Stellungnahme vom
23.03.1999 die Selbsteinschätzung festgehalten, dass er die Voraussetzungen eines
versicherungspflichtigen Arbeitnehmers nicht erfülle. Er sei insbesondere nicht in die
Arbeitsorganisation der Klägerin als eines Auftraggebers eingegliedert, da er die Zeit,
die Dauer, den Ort und die Art der Arbeitsausführung selbst bestimmen könne; zudem
beziehe er rund 25 % seiner Einnahmen von Dritten und erwarte im Jahre 1999 eine
weitere Steigerung der privaten Einnahmen. Es bedarf keiner näheren Begründung,
dass die Selbsteinschätzung des Beklagten nicht abschließend über die Rechtsfrage,
ob seine Rechtsstellung als die eines freien Mitarbeiters oder Arbeitnehmers
einzuordnen ist, entscheiden kann. Zudem ist diese Selbsteinschätzung durch die
besondere Problematik des § 7 SGB IV veranlasst, dessen Neufassung auf dem
Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 beruht. Die
Vermutungsregelung in § 7 Abs. 4 SGB IV stellt Grundsätze zur Abgrenzung zwischen
abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit auf und enthält eine
Klarstellung hinsichtlich des Amtsermitlungsgrundsatzes in der Sozialversicherung.
Die Vermutungsregelung ist indessen auf die sozialversicherungsrechtliche
Zuordnung beschränkt. Auch wenn die Vermutung nicht widerlegt wird, hat sie deshalb
keine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis. Gesetzestext und Entstehungsgeschichte
bestätigen, dass die in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB IV genannten Merkmale keine
Bewertungskriterien für eine Neudefinition des Arbeitnehmerbegriffs darstellen (vgl.
Richardi, in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2000, § 24 Rz. 11 m. w.
N.; Baumbach/Hopt, HGB, § 84 Rn. 35 jeweils m. w. N.).
Unbeschadet dieser Einschränkung ist die Selbsteinschätzung des Beklagten für die
rechtliche Beurteilung gleichwohl von Bedeutung. Denn wie eingangs bereits
dargelegt, ergibt sich der jeweilige Vertragstyp bei Abgrenzung zwischen einer
selbstständigen Tätigkeit und einer Arbeitnehmereigenschaft aus dem wirklichen
Geschäftsinhalt. Dieser wiederum folgt aus den getroffenen Vereinbarungen oder aus
der tatsächlichen Durchführung des Vertrags. Widersprechen sich Vereinbarung und
tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend. Auf der Grundlage der
Selbsteinschätzung des Beklagten sind aber die im Vertrag von 05.07.1996
getroffenen Vereinbarungen, die auf das vorstehend erwähnte Gespräch vom
21.05.1996 zurückzuführen sind, und die tatsächliche Durchführung des Vertrages
deckungsgleich.
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Bei einer Gesamtwürdigung aller vom Beklagten vorgetragene Umstände vermag der
Senat die für eine Arbeitnehmerstellung geforderte Weisungsbefugnis des
Arbeitgebers in zeitlicher, örtlicher und fachlicher Hinsicht sowie eine Eingliederung in
die Arbeitsorganisation der Klägerin nicht festzustellen. Vielmehr sind die Umstände,
die der Beklagte zur Begründung der behaupteten Arbeitnehmerstellung anführt,
darunter auch die Arbeitsverteilung und das Anvertrauen von Überwachungsaufgaben
hinsichtlich der Arbeitserledigung durch Dritte, für die Ausführung steuerberatender
Tätigkeiten und einen entsprechenden Praxisbetrieb allgemein wesensgemäß und
hinsichtlich der vorliegenden Abgrenzung nicht aussagekräftig.
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1. Der Beklagte ist schließlich auch nicht als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne
des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen.
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Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts und des
Bundesgerichtshofs unterscheiden sich die arbeitnehmerähnlichen Personen von den
Arbeitnehmern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, wobei vor allem die
Eigenart der jeweiligen Tätigkeit zu berücksichtigen ist. Arbeitnehmerähnliche
Personen sind wegen ihrer fehlenden Eingliederung in eine betriebliche Organisation
und im wesentlichen freie Zeitbestimmung nicht im gleichen Maß persönlich abhängig
wie Arbeitnehmer; an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und
Weisungsgebundenheit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Ferner
muss der wirtschaftlich Abhängige auch seiner gesamten sozialen Stellung nach
einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sein (BAGE 66, 113, 116;
BAG NJW 1996, 3293; BGH NJW 1999, 218, 220 jeweils m. w. N.).
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Diese Voraussetzungen sind hier schon nach der vom Beklagten vorgetragenen
Schilderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht erfüllt. Gegen die wirtschaftliche
Abhängigkeit des Beklagten spricht insbesondere der Umstand, dass er neben seinem
Verdienst aus der Tätigkeit für die Klägerin über erhebliche anderweitige Einkünfte
verfügte. Die Einkünfte aus der Tätigkeit für die Klägerin
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stellten gerade nicht seine alleinige Existenzgrundlage dar.
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Ausweislich der Selbsteinschätzung des Beklagten vom 23.03.1999, deren Richtigkeit
durch die von ihm in erster Instanz dargelegten Umsatzzahlen bestätigt wird, hat der
Beklagte rund 25 % seiner Einnahmen von Dritten bezogen. Die Erheblichkeit seiner
Einkünfte aus der selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit als Steuerberater wird
auch dadurch unterstrichen, dass der Beklagte nach seiner Darstellung bereits seit
1997 seinerseits einen freien Mitarbeiter für die Auftragserledigung in seiner
Einzelpraxis beschäftigt hatte, den er seit dem 01.06.1999 als Arbeitnehmer anstellte,
und er darüber hinaus ab Mitte 1999 zusätzlich durch einen weiteren freien Mitarbeiter
unterstützt worden ist, er mithin im Bereich seiner eigenen Steuerberaterpraxis zwei
Mitarbeiter beschäftigen konnte.
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Vor diesem Hintergrund stellt sich die Mitarbeit des Beklagten bei der Klägerin
lediglich als Teil seiner selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit als Steuerberater
dar. Seine Tätigkeit für die Klägerin hat sich damit nicht von der Betreuung eines
Großmandats oder der Wahrnehmung eines umfangreichen Beratervertrags mit
weitgehender Beanspruchung der Arbeitskraft unterschieden.
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Schließlich fehlt es auch an der sozialen Schutzbedürftigkeit des
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Beklagten.
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Der Beklagte war nicht gleich einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig. Seine
Stellung entsprach nicht der eines angestellten Mitarbeiters. Der Beklagte war kein
Berufsanfänger, der sich unter Anleitung und Aufsicht erfahrener Steuerberater oder
anderer Mitarbeiter der Klägerin erst in die Materie einarbeiten sollte. Er hatte vielmehr
von Beginn an selbstständig zu arbeiten und zwar im wesentlichen frei von fachlichen
Weisungen, ohne dass ihm dem zeitlichen Umfang und der inhaltlichen Gestaltung
nach die Ausführung der Tätigkeit im einzelnen vorgeschrieben gewesen wäre. Er war
nicht vollständig in die Organisation der Klägerin eingebunden, und die Tätigkeit bei
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der Klägerin ließ in nennenswertem und im Laufe der Jahre auch erheblich
zunehmendem Umfang eine anderweitige Berufsausübung in seiner Einzelpraxis zu.
Deswegen war der Beklagte entgegen seiner Auffassung nicht vergleichbar mit
angestellten Steuerberatern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Der Zulassung der weiteren Beschwerde bedurfte es nicht, weil die hier zu
entscheidende Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung hat und weil der Senat mit
seiner Entscheidung nicht von einer Entscheidung des BAG oder BGH abweicht (§ 17 a
Abs. 4 GVG).
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Beschwerdewert: 41.000,00 DM (1/3 des Hauptsachewertes).
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