Urteil des OLG Köln vom 02.02.1999

OLG Köln (gesellschaft, gründung der gesellschaft, eintragung im handelsregister, errichtung der gesellschaft, gesellschafter, handelsregister, sachlicher zusammenhang, stammkapital, 1995, konto)

Oberlandesgericht Köln, 22 U 116/98
Datum:
02.02.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Teil-Versäumnis- und Schlussurteil
Aktenzeichen:
22 U 116/98
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 42 O 225/97
Normen:
GMBHG §§ 5, 9 a
Leitsätze:
1) Eine verdeckte Sachgründung liegt vor, wenn die eingezahlten
Stammeinlagen der GmbH vor deren Eintragung dazu verwandt werden,
von einem der Gesellschafter den Warenvorrat aus dessen vorher
betriebenem Einzelhandelsgeschäft mit gleichem Geschäftsgegenstand
aufzukaufen. 2) Die Gesellschafter haften in diesem Fall gemäß § 9 a
Abs. 1 GmbHG als Gesamtschuldner auf Zahlung des Stammkapitals,
wenn ihre Absprache über die verdeckte Sachgründung jedenfalls
bereits im Zeitpunkt einer von ihnen eingereichten Ergänzung der
Handelsregisteranmeldung getroffen war und damit die Sachgründung
gegenüber dem Handelsregister verheimlicht worden ist.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Aachen vom 17.04.1998 - 42 O
225/97 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger
50.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.05.1997 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung des Stammkapitals
der Gemeinschuldnerin in Anspruch.
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Die Gemeinschuldnerin wurde von den Beklagten gegründet und am 02.10.1995 zur
Eintragung im Handelsregister angemeldet. Das Stammkapital von 50.000,00 DM war
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nach dem Gesellschaftsvertrag sofort in voller Höhe in bar aufzubringen. Die Beklagte
zu 1) hatte eine Stammeinlage von 20.000,00 DM übernommen, die sie am 29.09.1995
auf das für die Gesellschaft eingerichtete Geschäftskonto einzahlte. Die Stammeinlage
des Beklagten zu 2) von 30.000,00 DM wurde am 20.10.1995 auf dieses Konto
überwiesen. Am 29.11.1995 wurde von dem Geschäftskonto, auf dem inzwischen
weitere Beträge verbucht worden waren, ein Betrag von 90.000,00 DM an den
Beklagten zu 2) ausgezahlt. Hierbei handelte es sich um den Kaufpreis für den Erwerb
des Inventars des von ihm früher geführten Einzelhandelsgeschäfts.
Im Zusammenhang mit der Anmeldung zum Handelsregister verlangte der
beurkundende Notar die Vorlage eines Kontoauszuges, aus dem sich ein
Guthabensaldo über das Stammkapital von 50.000,00 DM ergab. Die Beklagten
eröffneten zu diesem Zweck am 10.1.1996 bei einer Bank ein weiteres Konto der
Gemeinschuldnerin. Auf dieses Konto zahlte die Beklagte zu 1) 20.000,00 DM aus
ihrem Vermögen ein, während der Beklagte zu 2) einen Betrag von 30.000,00 DM
einzahlte, der zuvor von dem Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin, das bereits
debitorisch geführt wurde, abgebucht worden war. Dem Handelsregister wurde sodann
von dem zweiten Konto ein Kontoauszug mit einem Guthaben von 50.000,00 DM
vorgelegt. Kurz darauf wurden die dort eingezahlten 20.000,00 DM an die Beklagte zu 1)
zurückgezahlt und der Betrag von 30.000,00 DM auf das Geschäftskonto der
Gemeinschuldnerin zurücküberwiesen. Das zweite Konto der Gemeinschuldnerin lösten
die Beklagten anschließend auf. Die Gesellschaft wurde am 21.03.1996 in das
Handelsregister eingetragen.
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Das Landgericht hat die auf Zahlung der Stammeinlagen gerichtete Klage abgewiesen,
da die Beklagten ihrer Stammeinlagepflicht genügt und keine falschen Angaben über
den Gegenstand der Einlage gemacht hätten. Mit der Berufung verfolgt der Kläger
seinen Klageanspruch weiter.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg und führt zur antragsgemäßen
Verurteilung der Beklagten.
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Hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung säumigen Beklagten zu 2) ergeht die
Entscheidung als Teilversäumnisurteil (§ 301, 542 Abs. 2 ZPO).
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Der Kläger hat gemäß § 9 a Abs. 1 GmbHG gegen die Beklagten als Gesamtschuldner
einen Anspruch auf Zahlung des Stammkapitals von 50.000,00 DM.
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In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass die in § 9 a GmbHG geregelte
Gründungshaftung auch dann eingreift, wenn von den Gesellschaftern falsche Angaben
über die Einzahlung der Stammeinlagen dadurch gemacht werden, dass die
Verwendung der Einlagen für eine sogenannte verdeckte Sachgründung verschwiegen
wird (BGHZ 113, 335, 346 ff; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 9 a Rdnr. 24;
Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., § 9 a Rdnr. 4; Baumbach/Hueck, GmbHG, 16.
Aufl., § 9 a Rdnr. 5). Ein solcher Fall liegt hier vor.
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Obwohl die Beklagten als Gesellschafter der Gemeinschuldnerin vereinbart hatten, das
Stammkapital in bar aufzubringen, und Beträge in der vereinbarten Höhe auch zunächst
eingezahlt worden sind, handelte es sich in Wahrheit um eine verdeckte Sachgründung.
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Eine solche Sachgründung liegt vor, wenn die Einzahlung des Stammkapitals in einem
zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einem Umsatzgeschäft zwischen der
Gesellschaft und einem ihrer Gesellschafter erfolgt und das Stammkapital für dieses
Umsatzgeschäft verwendet wird (Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 5 Rdnr. 36 ff m.w.N.). Dies
führt zu einem bloßen Hin- und Herzahlen der Geldeinlagen, während der Gesellschaft
lediglich die durch das Umsatzgeschäft erworbenen Vermögensgegenstände, nicht aber
die Bareinlagen zur Verfügung stehen. Hierdurch werden die
Sachgründungsvorschriften umgangen, so dass in entsprechender Anwendung des §
19 Abs. 5 GmbHG die eingezahlten und für die verdeckte Sachgründung verwandten
Geldbeträge die Gesellschafter nicht von ihrer Bareinlagepflicht befreit haben
(Baumbach/Hueck, a.a.O., § 19 Rdnr. 30 c).
Im vorliegenden Fall stellt der Erwerb des Warenvorrats des Beklagten zu 2) durch die
Gemeinschuldnerin am 29.11.1995 eine verdeckte Sachgründung dar; denn dieser
Erwerb steht im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den zuvor
vorgenommenen Einzahlungen auf die Stammeinlagen.
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Für den erforderlichen zeitlichen Zusammenhang genügt es regelmäßig, wenn das
Erwerbsgeschäft während des Gründungsstadiums, jedenfalls aber noch innerhalb
eines Zeitraums von 6 Monaten nach Einzahlung des Barkapitals getätigt wird
(Baumbach/Hueck, a.a.O., § 19 Rdnr. 30 a; Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 5 Rdnr. 40).
Diese Voraussetzungen sind hier zweifelsfrei erfüllt.
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Ebenso ist ein sachlicher Zusammenhang gegeben. Entscheidend ist insoweit, dass die
Bareinlage zunächst erbracht wird, dann jedoch an einen der Gesellschafter als
Vergütung für die Überlassung von Sachwerten zurückfließt (OLG Hamburg, BB 1988,
504, 505). Dies ist hier geschehen. Bei dem Erwerb des Warenlagers des Beklagten zu
2) handelte es sich nicht um ein gewöhnliches Umsatzgeschäft der Gemeinschuldnerin,
das nicht als verdeckte Sachgründung einzuordnen wäre. Ein Warenkauf stellt dann
kein typisches Umsatzgeschäft der Gesellschaft dar, wenn er der Erst- und
Grundausstattung der Gesellschaft dient (OLG Hamburg, a.a.O.). Eine verdeckte
Sacheinlage ist insbesondere dann anzunehmen, wenn Sachwerte auf die Gesellschaft
übertragen werden, die dem veräußernden Gesellschafter bereits bei Begründung
seiner Bareinlagepflicht zur Verfügung standen (Schwaiger in Beck'sches Handbuch
der GmbH, 1995, § 2 Rdnr. 110). Auch dies trifft hier zu, da der Beklagte zu 2) vor
Gründung der Gemeinschuldnerin ein Einzelhandelsgeschäft mit dem selben
Geschäftsgegenstand wie die Gemeinschuldnerin (Einrichtungsgegenstände des
gehobenen Wohnbedarfs) führte. Die Übertragung des Warenlagers diente damit der
Aufnahme des Geschäftsbetriebs der Gemeinschuldnerin und ist auch zu diesem Zweck
erfolgt. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten konnte erst nach Erwerb des
Warenlagers des Beklagten zu 2) der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft in vollem
Umfang aufgenommen werden, da erst danach die für einen Geschäftsbetrieb
erforderliche Grundausstattung zur Verfügung stand. Auch hieraus wird deutlich, dass
die Beklagten in Wahrheit eine Sachgründung vorgenommen haben.
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Ohne Bedeutung ist demgegenüber, dass der für das Warenlager vereinbarte Kaufpreis
von 90.000,00 DM beträchtlich über dem Stammkapital der Gesellschaft lag.
Maßgebend ist hier allein, dass durch diesen Kaufpreis das eingezahlte Stammkapital
vollständig aufgezehrt wurde und im unmittelbaren Zusammenhang mit der Gründung
der Gesellschaft wieder vollständig an einen der Gesellschafter zurückgeflossen ist. Aus
den gleichen Erwägungen kommt es auch nicht darauf an, dass ein Teil des
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Kaufpreises über einen Kredit finanziert worden ist.
Der Einwand der Beklagten, es habe zwischen ihnen keine Vereinbarung über eine
verdeckte Sacheinlage gegeben, ist unbegründet. Auf eine Absicht, die
Sachgründungsvorschriften zu umgehen, kommt es nicht an. Vielmehr reicht die
Kenntnis der Parteien von den Umständen, aus denen sich die verdeckte Sacheinlage
ergibt (OLG Hamburg, a.a.O., Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 5 Rdnr. 42 f.). An der
entsprechenden Kenntnis der Beklagten bestehen keine Zweifel.
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Offen bleiben kann hier die im Schrifttum umstrittene Frage, ob die
gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter aus § 9 a Abs. 1 GmbHG nur
eingreift, wenn die Abrede über die Rückzahlung der Stammeinlage als Austausch für
die Einbringung von Sachwerten bereits vor der Anmeldung zum Handelsregister
getroffen ist (so Lutter/Hommelhoff, a.a.O., § 9 a Rdnr. 4; Hachenburg/Ulmer, a.a.O., § 9
a Rdnr. 24; Scholz, GmbHG, 8. Aufl., § 9 a Rdnr. 16) oder ob maßgeblicher Zeitpunkt die
Eintragung der Gesellschafter im Handelsregister ist (Rowedder/Rittner, GmbHG, 2.
Aufl., § 9 a Rdnr. 11). Die Beklagten haben in erster Instanz eingeräumt, dass der
Warenvorrat des Beklagten zu 2) zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft
erforderlich war, was für eine von Anfang an getroffene Abrede über die Einbringung
dieses Warenvorrats spricht. Jedenfalls hatten die Beklagten aber eine entsprechende
Vereinbarung bereits getroffen, als sie im Januar 1996 ein weiteres Konto der
Gesellschaft einrichteten, um darauf vorübergehend ein Guthaben in Höhe des
Stammkapitals erscheinen zu lassen. Da ein Kontoauszug mit einem solchen Guthaben
von dem beurkundenden Notar verlangt worden war und hiermit die Handelsregister-
Anmeldung ergänzt werden sollte, sind spätestens in diesem Zeitpunkt von den
Beklagten falsche Angaben zum Zweck der Errichtung der Gesellschaft gemacht und
die bereits getroffene (und vollzogene) Abrede über die Rückzahlung der Bareinlagen
verschleiert worden. Erst im Anschluss an die von dem Notar verlangte Ergänzung der
Anmeldungsunterlagen ist die Eintragung in das Handelsregister erfolgt.
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Der Zinsanspruch ist nach § 288 BGB begründet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 4 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 2 und 10, § 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Urteilsbeschwer: 50.000,00 DM
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