Urteil des OLG Köln vom 07.06.2004
OLG Köln: anhörung, krankheit, unterlassen, ergänzung, gefahr, mangel, verschuldung, beschwerdekammer, aufmerksamkeit, volljähriger
Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 83/04
Datum:
07.06.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 83/04
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 6 T 89/04
Tenor:
Auf die weitere und sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen wird
der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 6 T 89/04 -
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das
Landgericht Köln zurückverwiesen.
Der Betroffenen wird für das Verfahren der Rechtsbeschwerde
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin D in C
bewilligt.
G r ü n d e :
1
Die Rechtsmittel sind zulässig und insoweit begründet, als sie zur Zurückverweisung
der Sache an das Landgericht führen.
2
Die Beschwerdeentscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die von der
Kammer getroffenen Feststellungen vermögen die Bestellung eines Betreuers für die
Betroffene wie auch die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht zu tragen.
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Kann ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen,
geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise
nicht besorgen, bestellt das Vormundschaftsgericht auf seinen Antrag oder von Amts
wegen für ihn einen Betreuer (§ 1896 Abs. 1 S. 1 BGB), wobei gegen den Willen des
Betroffenen die Betreuerbestellung nur erfolgen darf, wenn der Betroffene
krankheitsbedingt seinen Willen nicht frei bestimmen kann. Voraussetzung ist, dass der
Betroffene nicht imstande ist, seinen Willen unbeeinflusst von der Krankheit zu bilden
und nach zutreffend gewonnenen Einsichten eigenverantwortlich zu handeln (vgl. OLG
Köln FamRZ 2000, 908).
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Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P in dessen Gutachten vom
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15.01.2004 leidet die Betroffene an einem leichten hirnorganischen Psychosyndrom "mit
einem insgesamt etwas umständlichen und weitschweifigen Gedankengang, mit einer
leichten Herabsetzung von Konzentration und Aufmerksamkeit und einer etwas
deutlicheren Herabsetzung des Auffassungsvermögens". Sie sei infolge dessen nicht in
der Lage, ihre finanziellen Angelegenheiten in vollem Umfang zu überblicken, so könne
sie ihre beschränkten finanziellen Mittel nicht langfristig konsequent so weitgehend
einteilen, dass keine Verschuldung entstehe. Diese sachverständigen Feststellungen
sprechen dafür, dass bei der Betroffenen eine nur geringe Normabweichung vorliegt. Es
finden sich zwar in den Gutachten Hinweise auf ein mögliches Fehlen der freien
Willensbestimmung. Diese sind jedoch nur sehr undeutlich und bedürfen einer
Ergänzung. Dem Gutachten kann nicht entnommen werden, dass die Erkrankung der
Betroffenen einen solchen Grad erreicht hat, dass ihre Fähigkeit zur Wahrnehmung
ihres Selbstbestimmungsrechts ausgeschlossen oder erheblich beeinträchtigt ist und sie
deshalb für die Aufgabenbereiche der Betreuung zu eigenverantwortlichen
Entscheidungen nicht in der Lage ist. Auch das Landgericht hat sich mit diesen Fragen
nicht befasst sondern schlicht festgestellt, dass die Betroffene infolge ihrer Erkrankung
außerstande sei, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen.
Das Landgericht hat es zudem verfahrensfehlerhaft unterlassen, die Betroffene
persönlich anzuhören. Nach § 69 g Abs. 5 S. 1 FGG gelten für das
Beschwerdeverfahren die Vorschriften über den ersten Rechtszug entsprechend, somit
auch § 68 Abs. 1 S. 1 FGG, wonach das Gericht den Betroffenen persönlich anzuhören
und sich einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen hat. Gem. § 69 g Abs. 5 S. 3 FGG
kann das Beschwerdegericht von der Anhörung absehen, wenn dies bereits im ersten
Rechtszug vorgenommen worden ist und von einer erneuten Anhörung keine
Erkenntnisse zu erwarten sind. In diesem Fall hat das Beschwerdegericht die
maßgebenden Gründe darzulegen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Anhörung
keinerlei verwertbare Erkenntnisse für die Entscheidung hätte erbringen können. Diese
Grundsätze hat das Landgericht nicht beachtet. Abgesehen von dem Mangel der
fehlenden Begründung durfte die Beschwerdekammer von der erneuten Anhörung der
Betroffenen nicht absehen. Die wiederholte Anhörung war zwingend erforderlich, weil
weder die Sitzungsniederschrift des Vormundschaftsgerichts noch die Beschlussgründe
den persönlichen Eindruck von der Betroffenen ausreichend vermitteln. Bei dem
Anhörungsprotokoll vom 18.02.2004 handelt es sich um ein Formularprotokoll, dem
keinerlei Aussagewert zukommt.
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Zur Nachholung dieser Anhörung war die Sache deshalb an das Landgericht zurück zu
verweisen, das auf der Grundlage der Anhörung der Betroffenen das Gutachten des
Sachverständigen Dr. P selbständig zu würdigen und ggfls. den Sachverständigen
ergänzend zu befragen hat.
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Diese Ausführungen gelten auch hinsichtlich der Anordnung des
Einwilligungsvorbehalts, der aus den genannten Gründen rechtlich gleichfalls zu
beanstanden ist. Auch hier ist die fehlende Fähigkeit zur freien Willensbestimmung
Voraussetzung, wobei außerdem eine erhebliche Gefahr für das Vermögen oder die
Person der Betroffenen hinzukommen muss, die allerdings zu bejahen wäre, wenn der
Vorbehalt erforderlich erschiene, den Lebensbedarf der Betroffenen zu sichern und sie
vor dem Absinken ins soziale Abseits zu bewahren.
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Da die Rechtsbeschwerde der Betroffenen Erfolg hat, war ihr die begehrte
Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren zu bewilligen.
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