Urteil des OLG Köln vom 12.12.2008

OLG Köln: kennzeichnungskraft, warenform, gestaltung, unternehmen, eugh, verwechslungsgefahr, verbraucher, gebäck, anteil, vergleich

Oberlandesgericht Köln, 6 U 143/04
Datum:
12.12.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 143/04
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 661/02
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. Juni 2004 ver-kündete
Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 661/02 -
abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits - auch des Revisionsverfahrens - hat die
Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung
des Kostenerstattungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Klägerin ist Inhaberin der für "Biscuits, gaufres, pâtisserie, produits de boulangerie,
cacao, chocolat, produits de chocolaterie, confiserie" eingetragenen, nachfolgend
abgebildeten IR-Bildmarke XXXXXX, deren Schutz Ende 1988 auf die Bundesrepublik
Deutschland erstreckt wurde:
3
Die ca. 4,1 cm x 3,2 cm große Klagemarke zeigt ein Salzgebäck mit abgeschrägten
Ecken, dessen Oberfläche die aus 21 lochförmigen Einstanzungen gebildete Aufschrift
U. sowie jeweils vier über und unter der Aufschrift U. befindliche Einstanzungen
aufweist. Ein in dieser Art gestalteter Salzcracker wird in Deutschland seit vielen Jahren
von einem zum selben Konzern wie die Klägerin gehörenden Unternehmen vertrieben.
4
Die Beklagte bot in Deutschland seit Anfang 2002 einen ca. 6,3 cm x 4,7 cm großen
Salzcracker mit abgerundeten Ecken und 17 lochförmigen Einstanzungen in folgender
Anordnung an:
5
6
Die Klägerin meint, der Vertrieb dieses Crackers der Beklagten verletze ihr Markenrecht
und sei wettbewerbswidrig. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Feststellung
ihrer Schadensersatzpflicht und Auskunft in Anspruch genommen. Das Landgericht hat
die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil vom 24.06.2004 antragsgemäß verurteilt,
nachdem es ein demoskopisches Gutachten zu der Frage eingeholt hat, in welchem
Maße die Form des Salzgebäcks U. für sich genommen als Herkunftshinweis auf die
Klägerin verweist. Bei der Verkehrsbefragung wurde den befragten Verkehrsteilnehmern
die ca. 6,9 cm x 5,4 cm große Abbildung eines neutralisierten Crackers der Klägerin
vorgelegt, bei der die Aufschrift U. durch 36 Einstanzungen ersetzt worden war. Diese
waren in drei Felder aufgeteilt, die durch jeweils drei senkrechte Reihen zu je vier
Einstanzungen gebildet wurden.
7
Mit Urteil vom 22.12.2004 hat der Senat auf die Berufung der Beklagten die Klage
abgewiesen. Auf die nach Beschwerde zugelassene Revision der Klägerin hat der
Bundesgerichtshof – I ZR 18/05 – mit Urteil vom 25.10.2007 (GRUR 2008, 505 = WRP
2008, 797 – U.-Salzcracker) dieses erste Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur
neuen Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen. Auf alle
vorgenannten Urteile wird ergänzend Bezug genommen.
8
Die Beklagte verfolgt ihr Klageabweisungsbegehren weiter, während die Klägerin das
Urteil des Landgerichts verteidigt. Beide Parteien vertiefen ihr bisheriges Vorbringen;
die Beklagte regt zudem ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen
Gerichtshof gemäß Art. 234 EGV an.
9
II.
10
Die Berufung hat unter Zugrundelegung der rechtlichen Beurteilung im Revisionsurteil
(§ 563 Abs. 2 ZPO) in der Sache Erfolg, weil die Voraussetzungen einer
Markenverletzung der Beklagten (wettbewerbsrechtliche Ansprüche sind nach ihrer vom
Revisionsgericht unbeanstandeten Verneinung im ersten Berufungsurteil nicht mehr im
Streit) durch Benutzung eines Zeichens, bei dem die Gefahr von Verwechslungen mit
der Klagemarke besteht (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), nicht festgestellt werden können.
11
Nach dem erstinstanzlichen Beweisergebnis und den unstreitigen Umständen sind die
Kennzeichnungskraft der Klagemarke und deren Ähnlichkeit mit dem Cracker der
Beklagten trotz Warenidentität zu gering, um eine Verwechslungsgefahr begründen zu
können, so dass es im Ergebnis nicht auf die dem Senat im Revisionsurteil (Rn. 16, 35)
aufgegebene Beurteilung ankommt, ob gerade die angegriffene Warengestaltung vom
Verkehr als Herkunftshinweis verstanden und somit markenmäßig verwendet wird.
12
1. Die Feststellung, dass die Beklagte die dreidimensionale Gestaltung ihres
Salzcrackers markenmäßig benutzt, vermag der Senat – unabhängig von den
prinzipiellen Bedenken des Bundespatentgerichts (GRUR 2008, 420 [424] – Rocher-
Kugel) gegen das Erfordernis und die Möglichkeit, die markenmäßige Benutzung einer
13
Form demoskopisch zu ermitteln – allerdings nicht auf Grund der in erster Instanz
durchgeführten Verkehrsbefragung zu treffen, denn für eine Übertragung der
Befragungsergebnisse fehlt es an den dafür im Revisionsurteil (Rn. 16) geforderten
Übereinstimmungen oder hinreichenden Ähnlichkeiten in herkunftshinweisenden
Merkmalen zwischen der angegriffenen und der der Verkehrsbefragung zu Grunde
gelegten Form.
a) Weil der Schutz des Markenrechts sich nicht gegen eine Übernahme von
Gebrauchseigenschaften, technischen Lösungen oder ästhetischen
Gestaltungsgedanken durch Mitbewerber für deren Waren richtet und der Verkehr die
Form einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als
Herkunftshinweis auffasst, sondern auch in einer besonderen Warenform zunächst die
funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst erkennt (BGH, GRUR 2005,
414 [416] = WRP 2005, 610 – Russisches Schaumgebäck; BGHZ 171, 89 [Rn. 26] =
GRUR 2007, 780 = WRP 2007, 1090 – Pralinenform; BGH, GRUR 2008, 793 [Rn. 15] =
WRP 2008, 1196 – Rillenkoffer; vgl. EuGH, GRUR 2007, 318 Rdnrn. 21, 24 = WRP
2007, 299 – Adam Opel; EuGH, GRUR Int. 2006, 842 [Rn. 61] = GRUR 2006, 1022 –
Form eines Bonbons II; GRUR Int. 2008, 42 [Rn. 36] – Rot-weiße rechteckige Tablette
mit blauem ovalem Kern; GRUR Int. 2008, 135 [Rn. 80] = GRUR 2008, 339 – Develey-
Plastikflasche), sind für eine markenmäßige Verwendung der Warenform besondere
Anhaltspunkte erforderlich.
14
Diese können sich zum einen aus Gestaltungsgewohnheiten auf dem einschlägigen
Warengebiet ergeben (BGHZ 171, 89 [Rn. 27 f.] = GRUR 2007, 780 = WRP 2007, 1090
– Pralinenform m.w.N.). So wird der Verkehr bei Lebensmitteln, wo er weniger als bei
modischen Kleidungsstücken oder technischen Geräten mit funktionell, ästhetisch oder
technisch bedingten Gestaltungen rechnet, eine erkennbar willkürliche Warenform, die
sich von anderen durch wiederkehrende charakteristische, identitätsstiftende Merkmale
unterscheidet, eher mit einer bestimmten betrieblichen Herkunft verbinden (vgl. BGH,
GRUR 2004, 329 [330] = WRP 2004, 492 – Käse in Blütenform; Bergmann, GRUR
2006, 793 [794]). Doch auch hier muss die Warenform, um markenmäßig benutzt
werden zu können, mehr sein als eine Variante der üblichen Formen dieser
Warengattung, weil nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der
Branchenüblichkeit abweicht, ihre herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann
(EuGH, GRUR Int. 2005, 135 [Rn. 36 f.] – Maglite; GRUR Int. 2006, 226 [Rn. 33] =
GRUR 2006, 233 – Standbeutel; GRUR Int. 2006, 842 [Rn. 26] = GRUR 2006, 1022 –
Form eines Bonbons II; GRUR Int. 2008, 135 [Rn. 81] = GRUR 2008, 339 – Develey-
Plastikflasche; Ströbele / Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rn. 133). Der durchschnittliche
Verbraucher muss in der als markenverletzend angegriffenen Form selbst ohne
besonders aufmerksame Prüfung einen Herkunftshinweis sehen können, wobei die
Umstände zu berücksichtigen sind, unter denen er die ihrer Art nach zum baldigen
Verzehr bestimmte Ware wahrnimmt (BGHZ 171, 89 [Rn. 28 f.] = GRUR 2007, 780 =
WRP 2007, 1090 – Pralinenform).
15
Zum anderen hat auch der Kennzeichnungsgrad einer dreidimensionalen Marke
Auswirkungen darauf, ob der Verkehr dieser Form einen Herkunftshinweis entnimmt,
wenn er ihr als Form einer Ware begegnet (BGH a.a.O. [Rn. 30] m.w.N.; BGH, GRUR
2008, 793 [Rn. 18] – Rillenkoffer).
16
b) Hiervon ausgehend könnte nach dem Revisionsurteil (Rn. 16, 25, 28, 33) im Streitfall
aus einem – für die Annahme einer markenmäßigen Verwendung für sich genommen
17
ausreichenden – Kennzeichnungsgrad der Form, deren Abbildung der erstinstanzlichen
Verkehrsbefragung zu Grunde lag, auf eine markenmäßige Benutzung auch der
angegriffenen Warenform zu schließen sein, wenn zwischen den Formen keine
maßgeblichen Unterschiede, sondern Übereinstimmungen oder hinreichende
Ähnlichkeiten in herkunftshinweisenden Merkmalen bestünden. Dies festzustellen sieht
sich der Senat jedoch auf der Grundlage des bisherigen Akteninhalts außerstande.
Zwischen dem neutralisierten Cracker und dem Cracker der Beklagten bestehen
Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen letztlich nur in Merkmalen, die nach den
Gestaltungsgewohnheiten der Branche und dem Ergebnis der Verkehrsbefragung nicht
als herkunftshinweisend anzusehen sind.
aa) Beide Gestaltungen weisen neben einer für (Salz-) Gebäck typischen goldgelben
Färbung lochförmige Einstanzungen auf, deren Existenz an sich aber wegen ihrer
unstreitigen Bedeutung für die Gleichmäßigkeit des Backvorgangs technisch-funktional
bedingt ist und der üblichen Gestaltung solcher Cracker folgt (vgl. Anlagen K 6-9, Bl. 20
ff. d.A.). Soweit Größe, Zahl und Anordnung der Einstanzungen variieren und bei
wiederkehrender charakteristischer Gestaltung auch identitätsstiftend sein können, sind
die beiden Formen dagegen in hohem Maße unähnlich, denn die Einstanzungen des
neutralisierten Crackers sind zahlreicher und weitaus zierlicher als die größeren Löcher
des Beklagtenprodukts und weichen zudem in ihrer Verteilung deutlich vom
Beklagtenprodukt ab: Während sich die Einstanzungen bei dem neutralisierten Cracker
– in durchaus individueller Art und Weise – um eine gedachte senkrechte und
waagerechte Symmetrieachse gruppieren, sind die Löcher bei dem Cracker der
Beklagten – was warentypischer sein dürfte – senkrecht, waagerecht und insbesondere
auch diagonal völlig gleichmäßig angeordnet.
18
Beide Gestaltungen verfügen außerdem – wie das Landgericht hervorgehoben hat –
über eine rechteckige Grundform (je zwei Seiten sind parallel und gleich lang und der
Winkel zwischen zwei Seiten, die jeweils durch Rundungen oder Abschrägungen
miteinander verbunden sind, misst 90°). Die unterschiedlichen Größen (das
Beklagtenprodukt ist kleiner als die Abbildung des neutralisierten Crackers) und
Proportionen (das Längenverhältnis der Seiten des gedachten Rechtecks beträgt bei
dem neutralisierten Cracker ca. 4 : 5 oder 78 : 100, beim Cracker der Beklagten ca. 3 : 4
oder 74 : 100) mögen dabei weniger stark hervortreten, wenn der Umriss der Form in
seiner Gesamtheit betrachtet wird. Da mehr oder weniger abgewandelte Rechtecke als
solche zu den üblichen (jedenfalls freihaltebedürftigen) Formen für Gebäck gehören und
die einfache geometrische Form des Rechtecks ohnehin nur in Kombination mit
anderen charakteristischen Gestaltungselementen als Herkunftshinweis in Betracht
kommt (vgl. Ströbele / Hacker, a.a.O., § 8 Rn. 125), hat sich die Betrachtung allerdings
gerade auf die (nicht identischen) Größen und Längenverhältnisse und sonstigen
individuellen Merkmale zu konzentrieren. Insoweit aber unterscheidet sich der Cracker
der Beklagten mit seinen abgerundeten Ecken (unabhängig von der Frage, ob die
Abweichung von der streng geometrischen Grundform mit rechtwinkligen Ecken
technisch bedingt ist oder nicht) doch erheblich von den abgeschrägten Ecken der im
Gutachten abgebildeten Form, die eine (backtechnisch eher naheliegende) Abrundung
gerade vermeidet und durch Modifizierung der grundsätzlichen Rechteckform ins
Achteck (mittels gerader Kanten und deutlich erkennbarer Winkel) die strikt polygone
Gestaltung sogar zusätzlich zu betonen scheint.
19
Was die vergleichsweise geringen Abweichungen in den Größenverhältnissen angeht,
so fallen bei einer Gesamtbetrachtung, die neben dem Umriss der Form auch die
20
Oberflächengestaltung der Cracker einbezieht, die deutlichen Unterschiede in der
Ausprägung und Anordnung der eingestanzten Löcher um so mehr ins Gewicht. Nur
eine solche Gesamtbetrachtung entspricht aber der von der Klägerin angeführten
Wahrnehmungssituation: Der Verbraucher, dem die unverpackten Cracker zum Verzehr
angerichtet begegnen, wird – soweit er in dieser Situation überhaupt auf
Herkunftshinweise achtet – eher bestimmte individuell angeordnete lochförmige
Einstanzungen des Crackers wahrnehmen als Größenvergleiche mit einem
Konkurrenzprodukt anzustellen, an das er sich lediglich erinnert.
bb) Fehlt es hiernach für eine Übertragbarkeit der Befragungsergebnisse auf die
angegriffene Form insgesamt an hinreichenden Anhaltspunkten, so ergibt sich eine
andere Beurteilung auch nicht aus dem Ergebnis der Verkehrsbefragung, wonach 51,9
% der sich als Salzgebäck-Konsumenten bezeichnenden Umfrageteilnehmer und 41,4
% der Gesamtbevölkerung, denen der neutralisierte Cracker bekannt vorkam, darin den
Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen oder eine bestimmte Marke erkannten
(Tabellen VJ-2 und BJ-2). Denn unabhängig davon, wie hoch der (um Fehlzuordnungen
bereinigte) Kennzeichnungsgrad der abgefragten Form letztlich ist und in welchem
Maße dieser Kennzeichnungsgrad die Bewertung der Form eines Konkurrenzprodukts
als Herkunftshinweis beeinflussen kann, lassen die weiteren Umstände einschließlich
der übrigen Befragungsergebnisse zumindest bisher nicht den Schluss zu, dass ein
beachtlicher Teil der Verbraucher auch den Cracker der Beklagten als Hinweis auf ein
bestimmtes Unternehmen oder eine bestimmte Marke erkannt hätte. Im Gutachten ist
zwar (bei den Antworten zu Frage 7 unter VJ-6 und BJ-6) wiedergegeben, woran
diejenigen, die den neutralisierten Cracker richtig der Klägerin oder deren Marke
zuordneten, die Herkunft der Ware zu erkennen meinten. Die Zusammenfassung der
Antworten auf die entsprechende "offene" Frage ergibt jedoch kein klares Bild, weil mit
den meistgenannten Kriterien wie der "recht- / achteckigen Form", den "Löchern /
Punkten", den "abgeschrägten Ecken" oder dem "Aussehen" möglicherweise (wenn
auch nicht zwingend) gerade die charakteristischen Merkmale des neutralisierten
Crackers angesprochen sind, in denen er gemäß den vorstehenden Ausführungen mit
dem Beklagtenprodukt nicht übereinstimmt.
21
2. Weiterer Bemühungen zur Feststellung der markenmäßigen Benutzung des
Beklagtenprodukts – etwa der Einholung eines zweiten, nunmehr die angegriffene Form
zu Grunde legenden demoskopischen Gutachtens – bedurfte es indessen nicht. Denn
selbst wenn die markenmäßige Verwendung unterstellt wird, besteht bei umfassender
Beurteilung auf Grund des durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindrucks unter
besonderer Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden
Elemente (vgl. Revisionsurteil Rn. 18 m.w.N.) keine Verwechslungsgefahr.
22
a) Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke sind zu
berücksichtigen insbesondere die Eigenschaften, die die Marke von Hause aus besitzt,
der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung
und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die
Marke und der Teil der beteiligten Verkehrskreise, die die Waren oder Dienstleistungen
(gerade) auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend
erkennen (vgl. BGH, GRUR 2007, 1071 = WRP 2007, 1461 [Rn. 27] – Kinder II m.w.N.),
wobei eine kraft Verkehrsdurchsetzung eingetragene Marke regelmäßig über normale
Kennzeichnungskraft verfügt (BGH, GRUR 2007, 1066 = WRP 2007, 1466 [Rn. 34] –
Kinderzeit m.w.N.).
23
Die Klagemarke in ihrer eingetragenen Form – von der für die Bestimmung des
Schutzumfangs auszugehen war (Revisionsurteil Rn. 19 m.w.N.) – verfügt insgesamt
über nicht mehr als durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Dies gilt auch unter
Berücksichtigung des Kennzeichnungsgrades und der daraus folgenden selbständig
kennzeichnenden Stellung der Warenform innerhalb der Gesamtmarke gemäß den im
Revisionsurteil (Rn. 24 ff.) aufgestellten Grundsätzen und dem Ergebnis der
Verkehrsbefragung.
24
aa) Die orginäre Kennzeichnungskraft der für Back- und Süßwaren eingetragenen, aus
der zweidimensionalen Abbildung einer dreidimensionalen Warenform bestehenden
Klagemarke, deren Grad der Senat als Verletzungsgericht unabhängig von der
Tatsache der Eintragung selbständig zu bestimmen hat (BGH, GRUR 2007, 780 [Tz. 35]
– Pralinenform; GRUR 2007, 1071 = WRP 2007, 1461 [Tz. 24] – Kinder II; GRUR 2007,
1066 = WRP 2007, 1466 [Tz. 30] – Kinderzeit), ist unterdurchschnittlich. Dass ihr nicht
jede Unterscheidungskraft abzusprechen ist, insofern sie über die Darstellung
warentypischer oder dekorativer Merkmale hinaus charakteristische Merkmale aufweist,
in denen der Verkehr einen Herkunfthinweis sieht (BGHZ 159, 57 = GRUR 2004, 683
[684] = WRP 2004, 1040 – Farbige Arzneimittelkapsel; Revisionsurteil Rn. 25 m.w.N.),
steht dem nicht entgegen.
25
Neben und mit dem durch lochförmige Einstanzungen gebildeten Schriftzug U. kann
letztlich nur die scharf konturierte achteckige Form als charakteristisch angesehen
werden, während die bloße Existenz von Einstanzungen wie auch die rechteckige, an
den Ecken leicht abgewandelte Grundform und die Größenverhältnisse über eine
warentypische Gestaltung nicht hinausgehen (vgl. dazu die Erwägungen zu oben Nr. 1
lit. b aa). Im Gesamterscheinungsbild wirken die charakteristischen Merkmale
(Schriftzug und achteckige Konturen), die zu der abgebildeten Warenform nicht
hinzutreten, sondern sich aus besonders gestalteten funktionellen Elementen
(Einstanzungen und Form der Ecken) ergeben, eher unscheinbar, was zur Annahme
einer von Hause aus nicht einmal durchschnittlichen Kennzeichnungskraft führt – auch
bei Berücksichtigung der Buchstabenfolge U., die in der vergleichsweise
kontrastreichen Registerabbildung der Klagemarke deutlicher hervortritt als bei den
Anschauungsstücken der Klägerprodukte und der Abbildung des neutralisierten
Crackers im demoskopischen Gutachten (was auch für die weiteren lochförmigen
Einstanzungen gilt, die im Register größer wirken als im Original und im Gutachten).
26
bb) Angesichts der langjährigen und erfolgreichen Präsenz des U.-Crackers der
Klägerin auf dem deutschen Markt mag für die Klagemarke als Ganzes inzwischen eine
auf einen Durchschnittswert gesteigerte Kennzeichnungskraft anzunehmen sein.
Anhaltspunkte für eine noch höhere Kennzeichnungskraft sind dagegen weder dargetan
noch erkennbar.
27
Unstreitig hatte die Klägerin mit ihrem U.-Cracker in den Jahren vor dem ersten
Marktauftritt des Beklagtenprodukts hohe Umsätze und einen beachtlichen Marktanteil
in Deutschland (68,8 %) erzielt. Soweit sie in diesem Zusammenhang auf ihre
Werbeaufwendungen (4,5 Mio. € in den letzten fünf Jahren bis Ende 2002) verwiesen
hat, betrafen diese allerdings nach ihrem eigenen Vorbringen vorwiegend die auf der
Umverpackung verwendete (Wort- oder Wort / Bild-) Marke U.® und nur in geringem
Umfang auch die (nach den vorstehenden Ausführungen mit der Registerabbildung ihrer
Klagemarke nicht einmal vollständig übereinstimmende) Form ihres Crackers. So zeigt
das Plakat Anlage K 5 neben dem markenmäßig herausgestellten U.®-Schriftzug, wie
28
er auf der Umverpackung der Klägerprodukte verwendet wird, Abbildungen des
Crackers nicht etwa (in erster Linie) als Marke, sondern (ganz überwiegend) zur
Demonstration verschiedener Arten seiner Verwendung als Ware.
cc) Ein höherer Kennzeichnungsgrad der Klagemarke folgt auch nicht aus dem
Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Verkehrsbefragung. Danach wird die (der
Klagemarke folgende, wenn auch nicht vollständig mit der Registerabbildung
übereinstimmende) Form des Crackers, wie sie von der Klägerin benutzt wird und dem
demoskopischen Gutachten (als neutralisierte Abbildung) zu Grunde lag, zwar von
nennenswerten Teilen des Verkehrs als herkunftshinweisend verstanden und verfügt
insofern – ohne auch nur annähernd den für eine selbständige Eintragung als Marke
erforderlichen Durchsetzungsgrad zu erreichen – für sich genommen über eine den
Gesamteindruck der Klagemarke (neben der prägenden Buchstabenkombination U.)
mitbestimmende Kennzeichnungskraft. Von einem (im Sinne des Hinweises zu Rn. 35
des Revisionsurteils) erhöhten Schutzumfang des Gesamtzeichens vermag der Senat
hiernach aber nicht auszugehen.
29
(1) Als für die Bewertung des demoskopischen Gutachtens maßgeblicher Verkehrskreis
ist die Gesamtbevölkerung und nicht der Kreis derjenigen Umfrageteilnehmer
anzusehen, die sich selbst (bei der Antwort auf Frage 10) als gelegentliche
Konsumenten von Salzgebäck bezeichnet haben. Denn abgesehen davon, dass die
Beantwortung dieser Frage mit "Nein, nie" durch fast ein Drittel (32,8 %) der Befragten
(Tabelle BG-11) im Vergleich zur Beantwortung der Fragen 1, 8 und 9 (bei Frage 1
gaben nur 17,1 % an, den präsentierten Cracker noch nicht gesehen zu haben, worin
5,4 % enthalten sind, die bei den Fragen 8 und 9 die Salzgebäck-Marke U. zu kennen
meinten: Tabelle BG-1) hoch erscheint und Anlass zu Rückfragen hätte geben können
(vgl. BPatG, GRUR 2008, 420 [424] – Rocher-Kugel), spricht die Registrierung der
Klagemarke nicht allein für Salzgebäck, sondern für Back- und Süßwaren aller Art
gegen eine Begrenzung des maßgeblichen Verkehrskreises auf die erklärten
Salzgebäck-Konsumenten.
30
Von diesen Befragten sahen 41,4 % – ohne die 1,2 %, die sich erst bei den
Auswahlfragen 8 und 9 an die Marke U. erinnerten – in der abgebildeten Form den
Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb (Tabelle BJ-2). Zieht man davon wegen
offenbarer Fehlzuordnung den Anteil derjenigen ab, die das Zeichen weder der Klägerin
noch ihrer Marke oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen, sondern einem
anderen ausdrücklich genannten Markeninhaber zurechneten (vgl. BGH, GRUR 2007,
1071 [Rn. 30] = WRP 2007, 1461 – Kinder II m.w.N.; Revisionsurteil Rn. 30), also
derjenigen, die bei Frage 3 mit "S." (einer zum Befragungszeitpunkt noch nicht zum
Konzern der Klägerin gehörenden Marke), "C., "M. ", "N.", "D.", "E." oder "F."
antworteten (Tabelle BJ-3), ergibt sich ein Kennzeichnungsgrad von 33,6 % (ca. 1/3)
31
Wenn – entgegen den vorstehenden Erwägungen – auf den Kreis der Befragten
abgestellt würde, die sich selbst als gelegentliche Salzgebäck-Konsumenten
bezeichnet haben, ergäbe sich nach denselben Kriterien ein Kennzeichnungsgrad von
43,6 % (ca. 4/7).
32
(2) Angesichts dieses unterdurchschnittlichen Kennzeichnungsgrades der abgefragten
Warenform, der hinter dem für die Eintragungsfähigkeit an sich nicht
unterscheidungskräftiger Zeichen erforderlichen Durchsetzungsgrad von 50 % oder
mehr (vgl. BGH, GRUR 2006, 760 [Rn. 20] = WRP 2006, 1130 – LOTTO; GRUR 2008,
33
510 [Rn. 23] = WRP 2008, 791 – Milchschnitte; Revisionsurteil Rn. 28; BPatG, GRUR
2008, 420 [426] – Rocher-Kugel, jeweils m.w.N.) deutlich zurückbleibt, sieht der Senat
keinen Anlass, die Kennzeichnungskraft der gesamten Klagemarke – bestehend aus
der Warenform und der aus Einstanzungen gebildeten Buchstabenfolge U. –
abweichend von den Erwägungen zu oben lit. aa und bb bereits als überdurchschnittlich
einzuordnen.
Denn einerseits wird zwar die Klagemarke durch die – in der Abbildung des
neutralisierten Crackers fehlende – Buchstabenfolge U. geprägt. Andererseits begegnet
die der Verkehrsbefragung zu Grunde gelegte Form dem Publikum aber nie isoliert,
sondern – als Teil der Klagemarke – im Zusammenhang mit Produkten der Marke U.
(nach Tabelle BJ-9 / VJ-9 lag der Anteil der Befragten, die bei den offenen Fragen 3, 4
und 8 nach bekannten Marken für Salzcracker die Marke "U." nannte, nur wenig über
dem festgestellten Kennzeichnungsgrad der Form). Das spricht dagegen, die
Kennzeichnungskraft des Gesamtzeichens als wesentlich höher anzusehen als die der
Warenform allein.
34
(3) Obwohl danach angenommen werden muss, dass die Form innerhalb der
Klagemarke eine bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigende
selbständig kennzeichnende Stellung behält (vgl. EuGH, GRUR 2005, 1042 [Tz. 30] –
Thomson Life; BGH, GRUR 2007, 1071 [Tz. 35] – Kinder II, m.w.N.), ist der
Schutzumfang des Zeichens der Klägerin doch auch dadurch begrenzt, dass es aus
einer Kombination von teils funktionell bedingten oder freihaltebedürftigen
(warentypisch rechteckige Grundform für Gebäck mit backtechnisch notwendigen
Einstanzungen) mit schriftbildlichen (aus einem Teil der lochförmigen Einstanzungen
gebildete Buchstabenfolge U.) und weiteren charakteristischen Merkmalen (durch die
Abschrägung der Ecken betonte Achteckform) besteht, von denen nur die
Buchstabenfolge bereits für sich allein selbständigen markenrechtlicher Schutz hätte
beanspruchen können.
35
b) Vor diesem Hintergrund hält der Senat die Ähnlichkeit der Klagemarke mit dem
angegriffenen Cracker der Beklagten – dessen markenmäßige Verwendung unterstellt –
im Gesamterscheinungsbild trotz bestehender Warenidentität weiterhin für zu gering, um
eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr annehmen zu können:
36
Sowohl in Bezug auf das beim Beklagtenprodukt fehlende Wortzeichen als auch in
Bezug auf Zahl und Verteilung der (für sich genommen technisch vorteilhaften)
lochförmigen Einstanzungen sind die Zeichen einander vollständig unähnlich. Soweit
zwischen der Registerabbildung der Klagemarke und dem Cracker der Beklagten bei
der Gestaltung der einzelnen lochförmigen Einstanzungen eine größere Nähe bestehen
mag als (nach den vorstehenden Ausführungen zu Nr. 1 lit. b aa) zwischen dem
Beklagtenprodukt und der Abbildung des neutralisierten Crackers, wird dies durch die
um so deutlichere Abweichung bei dem Schriftzug U. mehr als ausgeglichen.
37
Für die weiteren Übereinstimmungen und Unterschiede gelten dagegen im
Wesentlichen die bereits für den Vergleich zwischen dem Beklagtenprodukt und dem
neutralisierten Cracker angestellten Erwägungen.
38
Insbesondere kann in der übereinstimmenden (nicht herkunftshinweisenden)
Rechteckform als solcher keine relevante Zeichenähnlichkeit gesehen werden, während
die konkrete Ausgestaltung der Ecken (beim Beklagtenprodukt abgerundet, bei der
39
Klagemarke – erst recht nach der stark konturierten Registerabbildung – dagegen betont
scharfkantig-polygon) grundsätzlich voneinander abweicht und die vergleichsweise
geringe Abweichung bei den Proportionen (das Längenverhältnis der gedachten
Rechteckseiten beträgt bei der insgesamt kleineren Registerabbildung der Klagemarke
wie bei dem neutralisierten Cracker ca. 4 : 5 oder 78 : 100), deren herkunftshinweisende
Funktion nach dem Ergebnis der Verkehrsbefragung ohnehin fraglich erscheint, im
Gesamteindruck durch die unterschiedliche Verteilung der (für sich genommen
technisch vorteilhaften) Löcher kompensiert wird.
4. Fehlt es nach alledem an den tatbestandlichen Voraussetzungen eines
markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs der Klägerin gegen die von der Beklagten
vertriebene Gestaltung ihres Crackers, so entfallen zugleich die auf eine
Markenverletzung in der Vergangenheit gestützten Annexansprüche der Klägerin auf
Auskunft und Schadensersatz.
40
III.
41
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
42
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der (neuerlichen) Revision gemäß § 543 Abs.
2 S.1 Nr. 2, 3 ZPO liegen nicht vor. Nachdem die für die Urteilsfindung maßgeblichen
Rechtsfragen mit dem Revisionsurteil hinreichend geklärt worden sind, liegt der
Schwerpunkt der Entscheidung nunmehr ganz auf der Rechtsanwendung im
tatrichterlichen Bereich. Ebenso wenig kam danach ein Vorabentscheidungsersuchen
gemäß Art. 234 EGV in Betracht.
43
Streitwert: 250.000,00 EUR (Beschluss vom 25.08.2004)
44