Urteil des OLG Köln vom 19.03.2002

OLG Köln: gesellschaft mit beschränkter haftung, niederlande, ware, unternehmen, spediteur, ausstellung, vollstreckung, sicherheitsleistung, fälligkeit, befreiung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 3 U 132/01
19.03.2002
Oberlandesgericht Köln
3. Zivilsenat
Urteil
3 U 132/01
Landgericht Köln, 85 O 143/00
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3. April 2001 verkündete
Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 85 O
143/00 - abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kosten des
Rechtsstreits trägt die Klägerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die
Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 3.500,00 EUR abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Beiden Parteien wird
gestattet, die jeweilige Sicherheitsleistung auch durch
selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Zoll- und Steuerbürge
zugelassenen deutschen Bank oder Sparkasse zu erbringen.
T a t b e s t a n d :
Die Beklagte, eine in A./Niederlande ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung
nach niederländischem Recht, erteilte der Klägerin am 6. April 1999 einen
Speditionsauftrag über die Verbringung von Druckmaschinen nach A./Niederlande. Diese
Druckmaschinen waren zuvor zollfrei aus den USA vorübergehend in das Gebiet der
Europäischen Union zu der in der Zeit vom 2. bis zum 6. Juni 1999 in M. stattfindenden
Ausstellung F. eingeführt worden und sollten nach Beendigung der Ausstellung endgültig
in den Niederlanden verbleiben. Bei den Verhandlungen über die Auftragserteilung, die
seitens der Beklagten durch die Zeugin T. und seitens der Klägerin durch den Zeugen U.
geführt wurden, füllte der Zeuge U. ein als "Speditionsauftrag und Abholschein"
überschriebenes Formular der Klägerin aus, in das er u. a. den handschriftlichen Vermerk
"Clear everything permanent" aufnahm. Das Formular wurde danach vom Zeugen U. und
der Zeugin T. unterschrieben.
Nachdem die Klägerin die Waren übernommen hatte, führte sie noch in Deutschland die
Einfuhrabfertigung durch, wobei sie 58. 241,17 DM an Einfuhrumsatzsteuer zahlte, danach
verbrachte sie die Ware an ihren Bestimmungsort nach A./Niederlande.
Unter dem 23. September 1999 stellte die Klägerin der Beklagten den von ihr gezahlten
Umsatzsteuerbetrag von 58.241,17 DM sowie eine Vorlageprovision in Höhe von 542,41
DM, insgesamt 58.823,58 DM in Rechnung. Die Beklagte stellte unter dem 28. September
1999 beim Bundesamt für Finanzen in B. einen Antrag auf Umsatzsteuervergütung, die
Rechnung der Klägerin bezahlte sie zunächst nicht.
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Die Klägerin hat behauptet, sie arbeite immer auf der Grundlage der ADSp, auf die sie in
ihren Geschäftspapieren verweise. Dies sei der Beklagten, die mit der Klägerin schon vor
dem hier maßgeblichen Rechtsgeschäft in Geschäftsbeziehungen gestanden habe, auch
bekannt gewesen. Zudem werde auf der Rückseite des von der Zeugin T. unterzeichneten
Formulars auf die Geltung der ADSp verwiesen. Die Beklagte habe sie nicht mit dem
Zollversand als Zollgut, sondern mit der endgültigen Einfuhr der Ware beauftragt. Dies
ergebe sich auch aus der Formulierung "Clear everything permanent".
Ursprünglich hat die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 58.823,58 DM nebst 5% Zinsen seit dem 4. Oktober
1999 zu zahlen.
Nachdem die Beklagte einen ihr erstatteten Einfuhrumsatzsteuerbetrag von 58.779,46 DM
am 12. Dezember 2000 an die Klägerin ausgekehrt hatte, hat die Klägerin den Rechtsstreit
insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 58.823,58 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 5. Oktober
1999 abzüglich am 12. Dezember 2000 gezahlter 58.779,46 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat der Erledigungserklärung der Klägerin widersprochen und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, sie habe die Klägerin nicht mit der Einfuhrabfertigung, sondern
nur mit der endgültigen Verbringung der Waren in die Niederlande beauftragt. Der Hinweis
"Clear everything permanent" habe lediglich als Erinnerungsstütze für die Beklagte dienen
sollen. Die Zeugin T. habe gegenüber dem Zeugen U. ausdrücklich erklärt, dass die Waren
erst in den Niederlanden verzollt werden sollten, da die Beklagte berechtigt sei, für die aus
den USA stammenden Waren keinen Umsatzsteuervorschuss zahlen zu müssen.
Durch am 3. April 2001 verkündetes Urteil (das zunächst vermerkte Verkündungsdatum 13.
April 2001 wurde gemäß Beschluss vom 27.04.2001 berichtigt) hat die 5. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Köln die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 58.823,58
DM nebst 5 % Zinsen seit dem 5. Oktober 1999 abzüglich am 12. Dezember 2000 gezahlter
58.779,46 DM zu zahlen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es sei Sache der Beklagten
gewesen, die Klägerin bei der Auftragserteilung darauf hinzuweisen, dass sie von dem ihr
eingeräumten Recht der Umsatzsteuerbefreiung habe Gebrauch machen wollen; für ihre
Behauptung, auf ihre Befreiung von der Umsatzsteuerabgabe in den Niederlanden
hingewiesen zu haben, habe sie jedoch keinen Beweis angetreten.
Gegen dieses an ihre Prozessbevollmächtigten am 5. April 2001 zugestellte Urteil hat die
Beklagte mit am 3. Mai 2001 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Nachdem die
Frist zur Begründung der Berufung auf am 21. Mai 2001 bei Gericht eingegangenen Antrag
der Beklagten bis zum 3. Juli 2001 verlängert worden ist, hat die Beklagte mit am 29. Juni
2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihre Berufung begründet.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet weiter, der
Zeuge U. habe später eingeräumt, dass die Steueranmeldung, mit der die Klägerin nicht
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beauftragt worden sei, versehentlich erfolgt sei. Die Klägerin habe gewusst, dass die
Beklagte berechtigt gewesen sei, eine Umsatzsteuerverlagerung in die Niederlande
vorzunehmen, wo kein Umsatzsteuervorschuss zu zahlen sei.
Die Beklagte beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet weiter, die
Zeugin T. habe mit der von ihr unterzeichneten Erklärung die Klägerin beauftragt, die Ware
nach der Messe in M. dauernd in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland/der
Europäischen Union einzuführen und dabei alle notwendigen zollamtlichen Formalitäten
zu erledigen. Hätte die Beklagte einen unverzollten Transport der Waren in die
Niederlande in Auftrag geben wollen, hätte sie dies in anderer Weise zum Ausdruck
bringen müssen.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 27. November 2001 durch
Vernehmung der Zeugen M. T. und Dirk U.. Wegen des Ergebnises der Beweisaufnahme
wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19. Februar 2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung der
Beklagten hat auch in der Sache in vollem Umfang Erfolg.
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht über den von der Beklagten an die Klägerin
ausgekehrten Betrag von 58.779,46 DM hinaus kein Zahlungsanspruch zu; hinsichtlich des
Betrages von 58.779,46 DM ist keine Erledigung des Rechtsstreits eingetreten, denn
insoweit war die Klage mangels Fälligkeit eines Zahlungsanspruchs der Klägerin ebenfalls
unbegründet.
Die Klägerin kann ihr Zahlungsbegehren nicht aus Ziffer 17.1 ADSp herleiten, denn die
ADSp sind in den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag nicht Wirksam
einbezogen worden. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die ADSp lässt sich der zu den Akten
gereichten Ablichtung der Vertragsurkunde vom 4. Juni 1999 nicht entnehmen. Auf der
Vorderseite dieses Formulars ist nur allgemein von auf der Rückseite befindlichen
geschäftlichen Angaben, Haftungsbestimmungen und weiteren Informationen die Rede,
nicht jedoch von den ADSp. Die Rückseite des Formulars hat die Klägerin nicht vorgelegt.
Die Klägerin hat auch ihre von der Beklagten bestrittene Behauptung, der Beklagten sei
durch frühere Geschäftsverbindungen bekannt gewesen, dass die Klägerin stets auf der
Grundlage der ADSp tätig werde, nicht konkretisiert, so dass es für den Senat nicht möglich
ist, die Richtigkeit dieses Vortrags der Klägerin zu überprüfen. Da es sich bei der Beklagten
um ein ausländisches Unternehmen handelt, das auch nicht als Spediteur tätig ist, lässt
sich die Einbeziehung der ADSp in den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag
auch nicht damit begründen, dass die Beklagte hätte wissen müssen, dass deutsche
Spediteure regelmäßig nach den ADSp arbeiten und die ADSp deshalb auch für
vorliegenden Vertrag Anwendung finden sollten, denn bei ausländischen Unternehmen,
die nicht selbst ein Speditionsunternehmen betreiben, kann nicht erwartet werden, dass sie
über ausreichende Kenntnisse hinsichtlich der Praxis deutscher Spediteure verfügen.
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Ein Zahlungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der von ihr verauslagten
Einfuhrumsatzsteuer ergibt sich auch nicht aus §§ 675, 670 BGB, denn es handelt sich
insoweit nicht um Aufwendungen, die die Klägerin für erforderlich halten durfte.
Eine ausdrückliche Beauftragung der Klägerin, die Einfuhrabfertigung in Deutschland
vorzunehmen und den entsprechenden Einfuhrumsatzsteuerbetrag an die deutschen
Zollbehörden zu entrichten, ist nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen U. und
T. nicht erfolgt. Auch der vom Zeugen U. in das später von der Zeugin T. unterschrieben
Auftragsformular eingefügte Vermerk "Clear everything permanent", besagt nicht, dass die
Klägerin die Einfuhrabfertigung gerade in Deutschland vornehmen und die
Einfuhrumsatzsteuer in Deutschland entrichten sollte.
Zwar sollten die zunächst nur vorübergehend und zollfrei in das Gebiet der Europäischen
Union eingeführten Waren von der Klägerin in die Niederlande transportiert werden, wo sie
endgültig verbleiben sollten, was zur Folge hatte, dass wegen dieses endgültigen
Verbleibs im Gebiet der Europäischen Union auch Einfuhrumsatzsteuer anfiel. Dies
bedeutet jedoch nicht, dass die Klägerin die Einfuhrverzollung in Deutschland vornehmen
und hinsichtlich der dort anfallenden Einfuhrumsatzsteuer für die Beklagte in Vorlage treten
sollte, denn die Beklagte als niederländischer Importeur war berechtigt, die
Einfuhrverzollung in die Niederlande zu verlagern, wo, wie der Zeuge U. bestätigt hat, die
Einfuhrumsatzsteuer nicht sofort fällig wird, sondern über ein Steuerkonto verrechnet wird.
Diese unterschiedliche Praxis in Deutschland und den Niederlanden war, wie der Zeuge U.
ebenfalls eingeräumt hat, auf Seiten der Klägerin bekannt. Wenn es aber für Waren, die
zum endgültigen Verbleib im Gebiet der Europäischen Union in die Niederlande verbracht
werden, zwei Möglichkeiten der Einfuhrverzollung gibt, bei denen nur in einem Fall die
Umsatzsteuer durch den Spediteur zu verauslagen ist, während im anderen Fall eine
Verrechnung über ein Steuerkonto erfolgt, ergibt sich nicht ohne weiteres aus den
Umständen, dass die Klägerin berechtigt war, die Verzollung in Deutschland vorzunehmen
und dabei hinsichtlich des dann anfallenden Einfuhrumsatzsteuerbetrages für die Beklagte
in Vorlage zu treten. Vielmehr hätte es insoweit entweder einer eindeutigen Klarstellung bei
der Auftragserteilung oder aber jedenfalls einer Rückfrage seitens der Klägerin bei der
Beklagten bedurft. Da dies vorliegend nicht erfolgt war, durfte die Klägerin nicht davon
ausgehen, dass sie berechtigt war, für die Beklagte in Deutschland den anfallenden
Einfuhrumsatzsteuerbetrag im Voraus zu zahlen, so dass es sich insoweit nicht um
Aufwendungen handelt, die die Klägerin als Beauftragte für erforderlich ansehen durfte.
Aus den gleichen Gründen entfällt auch ein Aufwendungserstattungsanspruch der Klägerin
aus §§ 677, 683 Satz 1, 667 BGB.
Schließlich kann die Klägerin sich auch nicht auf bereicherungsrechtliche Ansprüche
berufen, denn eine Bereicherung der Beklagten ist erst frühestens mit der Erstattung des
Einfuhrumsatzsteuerbetrages durch die deutschen Zollbehörden entstanden. Bis zu diesem
Zeitpunkt bestand infolgedessen kein fälliger bereicherungsrechtlicher
Auszahlungsanspruch gegen die Beklagte. Nach der Erstattung des Betrages durch die
deutschen Zollbehörden hat die Beklagte die betreffende Summe sogleich an die Klägerin
ausgekehrt, ohne dass zuvor ein entsprechender Anspruch der Klägerin gegen sie
bestanden hatte.
War die Klägerin nach alledem nicht berechtigt, den Einfuhrumsatzsteuerbetrag von
58.241,17 DM für die Beklagte zu entrichten, so steht ihr auch keine Provision für diese von
ihr vorgenommene Zahlung in Höhe von 582,41 DM zu, so dass die Klage auch insoweit
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keinen Erfolg haben konnte.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Klägerin:
bis zu 6.135,50 EUR (12.000,00 DM)