Urteil des OLG Köln vom 10.11.1995
OLG Köln (zpo, antragsteller, einkommen, fehlbetrag, dritter, eltern, 1995, rechnung, berechnung, betrag)
Oberlandesgericht Köln, 16 W 52/95
Datum:
10.11.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 W 52/95
Schlagworte:
FREIWILLIGE ZUWENDUNGEN DRITTER
Normen:
ZPO § 115
Leitsätze:
Bei der Ermittlung des Einkommens des Prozeßkostenhilfe
Beantragenden sind auch regelmäßige freiwillige Zuwendungen Dritter
(b.B. der Eltern oder des Lebenspartners) zu berücksichtigen. Sie sind,
wenn der Antragsteller insoweit unzureichende Angaben macht, anhand
der Gesamtumstände zu schätzen.
G r ü n d e
1
Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 1. Alt. ZPO zulässige Beschwerde hat in der
Sache teilweise Erfolg.
2
Dem Antragsteller ist Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, denn er hat glaubhaft gemacht,
daß er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der
Prozeßführung nicht aufbringen kann, § 114 ZPO.
3
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Erklärung des Antragstellers über
seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse insoweit vollständig und nicht
ergänzungsbedürftig, als ihr eine vorläufige Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr
1994 beigefügt ist.
4
Der Gewerbetreibende kann seine Einkünfte zwar nicht mit einem Steuerbescheid für
ein längst vergangenes Jahr belegen, eine Einnahmen- Überschußrechnung für das
Vorjahr genügt indes; diese braucht grundsätzlich nicht um eine solche für die ersten
Monate das laufenden Jahres ergänzt zu werden (BGH JurBüro 1993, 105, 106; Zöller-
Philippi, ZPO, 19. Aufl. 1995, § 115 Rdnr. 13) . Dagegen spricht nicht, daß eine
Einnahmen- Überschußrechnung nur vorläufigen Charakter hat und, wenn sie sich auf
das Vorjahr bezieht, nicht dem aktuellen Stand der Einkommensverhältnisse entspricht.
Dies ist hinzunehmen, denn es wird dem Gewerbetreibenden in aller Regel nicht ohne
unverhältnismäßigen Aufwand möglich sein, verbindliche und endgültige Angaben
während eines laufenden Geschäftsjahres zu machen. Allerdings muß die Einnahmen-
Überschußrechnung die Angaben enthalten, die das Gericht in die Lage versetzen, die
nach § 115 Abs. 1 ZPO erforderliche Berechnung anzustellen.
5
Bei Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ist ebenfalls von den Bruttoeinnahmen
6
auszugehen, abzuziehen sind sodann die Aufwendungen entsprechend § 76 Abs. 2, 2a
BSHG sowie die besonderen Belastungen nach § 115 Abs. 1 S. 2 ZPO, nicht jedoch
weitere, steuerrechtlich zulässige und wirksame Abzüge vom Einkommen (vgl.
MünchKommZPO-Wax, 1992, § 115 Rdnr. 10).
Das Einkommen des Antragstellers berechnet sich danach wie folgt: Umsatzerlöse
18.562,40 DM ./. Materialaufwand 3.918,98 DM ./. sonstige betriebliche Aufwendungen
17.934,78 DM Jahresfehlbetrag 2.990,96 DM.
7
Die Abschreibungen, Zinsen und ähnlichen Aufwendungen sowie die darüber hinaus in
die Summen- und Saldenliste Sachkonto eingestellten Beträge für die Büroeinrichtung
und die - zum Teil durchlaufenden - Positionen betreffend das Bankkonto, das
Verrechnungskonto, die Vorsteuer, die Privatentnahmen, die Sonderausgaben und die
Privateinlagen, die lediglich steuerrechtliche Bedeutung haben, bleiben außer Betracht.
8
Der von dem Antragsteller erwirtschaftete Fehlbetrag beläuft sich auf monatlich 249,25
DM.
9
Davon abzusetzen sind der Betrag nach § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ZPO - 64 % des
Grundbetrages nach § 79 Abs. 1 Nr. 1, 82 BSHG - in Höhe von 643,- DM und der nach §
115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO zu berücksichtigende Aufwand für Unterkunft und Heizung,
der sich auf insgesamt 280,- DM (Heizung und übrige Nebenkosten) beläuft. Miete zahlt
der Antragsteller, der ein Einfamilienhaus sein eigen nennt, ersichtlich nicht, die
diesbezügliche Angabe betrifft offenbar die monatliche Belastung für das Eigenheim, auf
die derzeit keine Zahlungen erbracht werden.
10
Auf der Grundlage dieser Berechnung ergibt sich ein Fehlbetrag von monatlich 1.172,25
DM
11
Geht man von diesem berechneten bereinigten Einkommen aus, führt auch die
Tatsache, daß der Antragsteller von seinen Eltern beköstigt wird und nach den
gesamten Umständen auch Barunterhalt erhält, nicht zur Auferlegung von
Ratenzahlungen oder zur Versagung der Prozeßkostenhilfe.
12
Allerdings läßt der Antragsteller zum Barunterhalt lediglich vortragen, er beziehe seinen
Lebensunterhalt durch Unterstützung seiner Eltern. Eine solche Angabe ohne Nennung
eines konkreten Betrages ist grundsätzlich nicht ausreichend. Das Amtsgericht rügt
insoweit zu Recht die Unvollständigkeit der Erklärung des Antragstellers.
13
Auch freiwillige Zuwendungen Dritter sind nach der umfassenden Definition des § 115
ZPO grundsätzlich dem Einkommen hinzuzurechnen (vgl. Zöller-Philippi, 19. Aufl. 1995,
Rdnr. 11); jedenfalls dann, wenn sie regelmäßig und in nennenswertem Umfang
gewährt werden (vgl. MünchKommZPO-Wax, 1. Aufl. 1992, § 115 Rdnr. 15;
Kalthoener/Büttner, 1988, Rdnr. 221; OLG Bamberg JurBüro 1985, 1108; OLG Celle
FamRZ 1993, 1343).
14
Der Senat hat deshalb erwogen, die amtsgerichtliche Entscheidung aufzuheben und die
Sache zur Ermittlung der Höhe der Barunterhaltszahlungen an das Amtsgericht
zurückzuverweisen.
15
Davon kann indes im Hinblick auf das vorstehend errechnete bereinigte
16
Nettoeinkommens abgesehen werden. Nach den gesamten Umständen hält der Senat
dafür, daß die Leistungen der Eltern - Natural- und Barunterhalt zusammengenommen -
nicht höher zu bewerten sind als der Fehlbetrag von 1.172,25 DM.
Es kann dahinstehen, wie hoch genau der Barunterhaltsbetrag ist und ob und in welcher
Art und Weise der Naturalunterhalt zusätzlich zu bewerten ist (vgl. dazu Zöller/ Philippi,
a.a.O., § 115 Rdnr. 10; Kalthoener/ Büttner, 1988, Rdnr. 201f). Sollte sich im Einzelfall
ein höherer Betrag als der Fehlbetrag ergeben, wäre die Berücksichtigung des
Unterhaltes jedenfalls unbillig, da sich der Gewerbebetrieb des Antragstellers noch im
Aufbau befindet und der erwirtschaftete Jahresumsatz sich bislang noch in einem höchst
bescheidenen Rahmen hält (vgl. zur Nichtberücksichtigung von Unterhalt aus
Billigkeitsgründen etwa OLG Bamberg JurBüro 1986, 1871).
17
Die Beschwerde ist zurückzuweisen, soweit der Antragsteller die Beiordnung seines
Verfahrensbevollmächtigten als Rechtsanwalt nach § 121 Abs. 2 ZPO erstrebt.
18
Denn der Prozeß ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach gelagert, weil der
Antragsteller bereits seit Juni 1994, ein Jahr vor der Geburt des Antragsgegners, von
dessen Mutter getrennt lebte und in dieser Zeit keinen Geschlechtsverkehr mehr mit ihr
hatte, so daß er gar nicht der Erzeuger des Antragsgegners sein kann und auch seitens
der Mutter des Antragsgegners ein Dritter als Vater des Antragsgegners angegeben
wird.
19
Dieses Ergebnis entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senates.
20
Der vorliegende Fall bietet auch unter Berücksichtigung der seitens des Antragstellers
vorgetragenen Umstände keinen Anlaß für eine abweichende Wertung.
21
Darüber, daß sich für ihn die Sach- und Rechtslage einfach und problemlos darstellt,
mußte allerdings der Antragsteller einmal belehrt werden. Dafür aber bedarf es mit
Rücksicht auf die generell gebotene sparsame Verwendung der zur Verfügung
stehenden öffentlichen Mittel nicht der Beiordnung eines Anwalts für das gesamte
Verfahren im Wege der Prozeßkostenhilfe. Vielmehr ist die Partei darauf zu verweisen,
daß sie zur Wahrnehmung ihrer Interessen lediglich die - für sie kostenlose - einmalige
Beratung durch einen Rechtsanwalt hätte in Anspruch nehmen können, wofür ihr
Beratungshilfe nach dem Gesetz vom 18.06.1980 (Bundesgesetz Bl. I Seite 689) zu
bewilligen gewesen wäre.
22
Bei der Beratung hätte darauf hingewiesen werden können, daß in Kindschaftssachen
der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, daß die Klage innerhalb einer Frist von 2 Jahren
beim Amtsgericht zu erheben ist, daß eine Partei dort nicht anwaltlich vertreten sein
muß, selbst Prozeßkostenhilfe beantragen und in der mündlichen Verhandlung selbst
auftreten kann.
23
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.
24
- 5 -
25