Urteil des OLG Köln vom 26.05.1998
OLG Köln (treu und glauben, kläger, einkünfte, auskunft, leistungsfähigkeit, abänderungsklage, tätigkeit, unterhalt, höhe, umstände)
Oberlandesgericht Köln, 4 UF 8/98
Datum:
26.05.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 UF 8/98
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 45 F 80/97
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Dezember 1997
verkündete Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn (Akz. 45
F 80/97) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
2
1)
3
Die Auskunftswiderklage der Beklagten ist zulässig; insbesondere fehlt ihr entgegen der
abweichenden Auffassung des Klägers nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Ein einfacherer und kostengünstigerer Weg zur Erlangung der begehrten Auskunft steht
der Beklagten nicht zur Verfügung.
4
2)
5
Nach Auffassung des Senats kann die Beklagte bereits zur zweckentsprechenden
Verteidigung als Abänderungsbeklagte Auskunft verlangen. Das Rechtsschutzbedürfnis
entfällt auch nicht im Hinblick darauf, daß der Kläger im Rahmen seiner
Abänderungsklage zu deren Schlüssigkeit grundsätzlich seine Leistungsfähigkeit und
damit seine unterhaltsrelevanten Einkommensverhältnisse substantiiert darzulegen
hätte. Zweck des auf den §§ 1580, 1605 BGB beruhenden Auskunftsanspruches ist es,
daß der Unterhaltsberechtigte und der Unterhaltsverpflichtete in gleicher Weise in die
Lage versetzt werden sollen, sich rechtzeitig Gewißheit über die gegenseitigen
Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu verschaffen, soweit dies zur Feststellung
eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Dadurch
soll den Beteiligten ermöglicht werden, einen Rechtsstreit zu vermeiden oder in einem
Prozeß ihre Forderungen richtig zu bemessen und zu begründen und Einwendungen
vorzubringen (Bundestagsdrucksache 7/650 Seite 172; vgl. dazu auch
Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 6. Aufl., Rn. 589).
Auskunftsberechtigt sind daher grundsätzlich beide Ehegatten - derjenige, der Unterhalt
begehrt, und derjenige, der in Anspruch genommen wird (Johannsen/Voelskow,
Eherecht, 2. A., § 1580 Rn. 7). Es bedarf keiner weiteren Darlegung dazu, daß sich der
6
Kläger der - inzwischen in der Hauptsache für erledigt erklärten - Auskunftsklage
(Stufenklage im Abänderungsprozeß) bedienen durfte, um durch das in der
Auskunftsstufe festgestellte Maß der Bedürftigkeit der Beklagten seinen Klageantrag
richtig zu bemessen und das Kostenrisiko gering zu halten. Der Grundsatz der
prozessualen Waffengleichheit erfordert es, daß auch die Abänderungsbeklagte nicht
schlechter gestellt wird. Auch noch nach Rechtshängigkeit hat sie ein schützenwertes
Interesse daran, das Maß der Leistungsfähigkeit des Abänderungsklägers zuverlässig
zu ermitteln, notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung aus einem entsprechenden
Teilurteil auf Auskunft. Andernfalls wäre die Abänderungsbeklagte möglicherweise
gezwungen, sozusagen "ins Blaue hinein" unsubstantiiert vorzutragen und
unzulässigen Ausforschungsbeweis anzutreten. Das gilt hier umsomehr deshalb, weil
das Amtsgericht die Abänderungsklage des Klägers trotz fehlenden substantierten
Vortrages zu dessen Einkommensverhältnissen nicht als unschlüssig angesehen und
nicht sogleich abgewiesen hat.
Schließlich ist zu beachten, daß auf Beklagtenseite in gleicher Weise wie auf
Klägerseite Kostengesichtspunkte beachtlich sind. Durch zuverlässige Erkenntnisse
über die - in Zweifel eheprägende - Leistungsfähigkeit des Klägers wird der Beklagten
die Überprüfung ermöglicht, ob und in welchem Umfange eine Verteidigung gegen das
Abänderungsbegehren bzw. ein Anerkanntnis der Abänderungsklage zur Begrenzung
des Kostenrisikos sinnvoll ist.
7
Aus allem folgt, daß die Darlegungslast des Klägers zu seiner Leistungsfähigkeit hier
der Beklagten keinen der Auskunftswiderklage gleichkommenden Rechtsschutz bietet.
8
3)
9
Letztlich konnte der Senat dies jedoch hier deshalb offen lassen, weil die Beklagte der
Auskunft auch zur Überprüfung ihres eigenen Erhöhungsverlangens bedarf. Nach dem
Zweck der gesetzlichen Auskunftsregelung soll sie in die Lage versetzt werden, den
Unterhaltsanspruch aktuell konkret zu berechnen und im Verfahren einen
entsprechenden bezifferten Klageantrag zu stellen.
10
Die Auskunft kann nur dann ausnahmsweise nicht verlangt werden, wenn sie unter
keinem Gesichtspunkt den bestehenden Unterhaltsanspruch beeinflussen kann (BGH
FamRZ 82, 996; FamRZ 83, 473; 94, 1169), etwa weil ein Unterhaltsanspruch unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr in Betracht kommen kann, oder weil die
Leistungsfähigkeit des Verpflichteten außer Streit steht und kein Quotenunterhalt
sondern ausnahmsweise ein konkret zu bestimmender Unterhalt geschuldet wird. Keine
dieser Ausnahmen ist hier überprüfbar dargetan oder sonst ersichtlich.
11
4)
12
Das Erhöhungsverlangen der Beklagten ist nicht bereits jetzt ohne Rücksicht auf die
wahren Einkommensverhältnisse des Klägers offensichtlich unbegründet.
13
a)
14
Zwar bildet die Rechtskraft der Ehescheidung den Endzeitpunkt der Bemessung des
Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB), die
hier durch Erwerbseinkünfte der früheren Ehegatten geprägt waren. Wird aber die
15
gleiche Erwerbstätigkeit fortgesetzt - wie hier - sind sowohl die Tätigkeit als solche als
auch die Einkommensänderungen hieraus in der Ehe angelegt und als prägend
unterhaltsrelevant.
Soweit also der Kläger auf eine Steigerung der Eigenmittel der Beklagten abhebt, ist
gleichwohl eine Unterhaltserhöhung je nach Steigerung seiner eigenen Einkünfte nicht
von vornherein ausgeschlossen. Denn das ggfls. abzuändernde Senatsurteil hat einen
Quotenunterhalt und keinen unabhängig von den Einkünften des Klägers bemessenen
Bedarfsunterhalt der Beklagten festgesetzt; darin liegt der maßgebende Unterschied zu
dem Fall, welcher der vom Kläger zitierten Entscheidung BGH FamRZ 1994, 1169,
1170 zugrundelag. Zur entsprechenden Anpassung des Unterhalts bedarf es also der
Klärung der aktuellen Einkommensverhältnisse des Klägers.
16
b)
17
Eine vom Kläger eingewandte zeitliche Begrenzung des Aufstockungsunterhalts nach §
1573 Abs. 5 BGB läßt den Auskunftsanspruch der Beklagten ebenfalls nicht entfallen.
Denn entgegen der abweichenden Auffassung des Klägers führt § 1573 Abs. 5 BGB
nicht anhand bestimmter Ehedauer sozusagen im Wege einer Automatik ab einem
bestimmten Zeitpunkt zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs. Erforderlich ist vielmehr
eine umfassende Prüfung aller für eine zeitliche Unterhaltsbegrenzung relevanten
Umstände im Wege einer Billigkeitsabwägung; die Befristung soll Ausnahme bleiben
(vgl. Bundestagdrucksache 10/5414 Seite 21). Ein gewichtiger Anhaltspunkt für die
Billigkeitsprüfung ist dabei insbesondere auch das Verhältnis des Unterhaltsbetrages zu
den dem Verpflichteten verbleibenden Mitteln (vgl. BGH FamRZ 88, 817, 820). Dazu
aber bedarf es ebenfalls der Klärung der Einkommensverhältnisse des Klägers.
18
c)
19
Was die Einkünfte des Klägers aus seiner selbständigen Tätigkeit als Anwalt angeht, so
sind sie in der Erstentscheidung des Senats ebenso wie im gegebenenfalls
abzuändernden Senatsurteil als eheprägendes, unterhaltsrelevantes Einkommen
berücksichtigt worden. Selbst wenn es sich hierbei, wie der Kläger erneut im
Senatstermin ausgeführt hat, nicht um ein berufstypisches Nebenprodukt seiner
Haupttätigkeit als Verbandsgeschäftsführer sondern um echte Nebenarbeit handelt, wie
sie die Ehe der Parteien bereits prägte, kommt gleichwohl eine Teilanrechnung nach
Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles in Betracht
(vgl. dazu Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rn. 744 m.w.N.). Da diese Einkünfte also nicht von
vornherein ohne weiteres bei der Unterhaltsbemessung ausscheiden, ihre Höhe ein
wesentliches Element der Billigkeitsabwägung darstellt, bedarf es auch insoweit der
konkreten Klärung und Auskunftserteilung.
20
5)
21
Sachlich ist die Auskunftswiderklage ebenfalls gerechtfertigt. Im
Unterhaltsrechtsverhältnis der Parteien besteht ein Auskunftsanspruch nach §§ 1580,
1605 BGB, weil der Kläger weder in den letzten zwei Jahren vor der angeordneten
Verpflichtung noch für die hier erfaßten Zeiträume 1994 bis März 1997 - wie unstreitig ist
- seiner Auskunftsverpflichtung über seine Einkünfte genügt hat.
22
Die abhängigen Einkünfte sind aus dem Durchschnittseinkommen des letzten
23
Kalenderjahres bzw. der letzten 12 Monate, die selbständigen Einkünfte aus den letzten
drei Kalenderjahren mitzuteilen (vgl. Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rn. 597, 600;
Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 3. Aufl., § 1 Rn.
572). Auf Verlangen - wie hier - sind auch die entsprechenden Belege vorzulegen (§
1605 Abs. 1 Satz 2 BGB; Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rn. 604 ff.; Wendl/Staudigl, a.a.O.,
Rn. 579, 580), insbesondere die entsprechenden Gehaltsbescheinigungen, die
Lohnsteuerkarte, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Steuererklärungen und
Steuerbescheide. Dem wird das angefochtene Urteil gerecht.
Durch die Erklärung im Senatstermin, aus seiner Verbandstätigkeit erziele er monatliche
Nettoeinnahmen von 10.000,00 DM, ist die Verpflichtung des Klägers ersichtlich nicht
erfüllt; denn unabhängig davon, daß der Kläger auch Auskunft zu den Einkünften aus
selbständiger Tätigkeit schuldet, fehlen insgesamt die erforderlichen Belege.
24
6)
25
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
26
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat. Die Entscheidung des Senats beruht auf den Umständen des
Einzelfalles und weicht nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab. Der Antrag des
Klägers zielte darauf ab, die Fragen defensiven Auskunftsanspruches des
Abänderungsbeklagten zur Überprüfung zu stellen. Hierauf hat aber der Senat nicht
entscheidend abgestellt.
27