Urteil des OLG Köln vom 26.05.1999
OLG Köln (höhe, freiwillige versicherung, eintritt des schadens, abweisung der klage, klage auf zahlung, aufnahme einer erwerbstätigkeit, betrag, zahlung, entstehen, verhandlung)
Oberlandesgericht Köln, 5 U 236/98
Datum:
26.05.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 236/98
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 9 O 140/98
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten sowie die Anschlußberufung der
Klägerin wird das am 9. November 1998 verkündete Teilanerkenntnis-
und Schlußurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts B. - 9 O 140/98 -
teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Die Beklagten werden
verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin a) 105.265,55 DM nebst
4 % Zinsen seit dem 08.06.1998 sowie ferner b) ab dem 01.04.1998
monatlich 1.830,60 DM jeweils bis zum letzten Kalendertag eines jeden
Monats zu zahlen. Der Beklagte zu 1) wird ferner verurteilt, an die
Klägerin a) ein weiteres Schmerzensgeld von 50.000,00 DM nebst 4 %
Zinsen seit dem 08.06.1998 sowie b) ab dem 01.04.1999 eine
Schmerzensgeldrente von monatlich 300,00 DM zu zahlen. Es wird
festgestellt, daß 1) die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind,
der Klägerin sämtliche weitere Schäden materieller Art zu ersetzen, die
ihr in Zukunft aufgrund der während der Behandlung der Klägerin im
Krankenhaus der Beklagten zu 2) in der Zeit vom 20.01.1993 bis
28.01.1993 erlittenen Fehlbehandlung entstehen, 2) der Beklagte zu 1)
verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden immaterieller
Art, die ihr in Zukunft aufgrund der während der Behandlung der
Klägerin im Krankenhaus der Beklagten zu 2) in der Zeit vom
20.01.1993 bis 28.01.1993 erlittenen Fehlbehandlung entstehen, zu
ersetzen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehenden
Rechtsmittel der Parteien werden zurückgewiesen. Von den Kosten der
ersten Instanz tragen: Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen
Kosten der Klägerin die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu
39 %, die Beklagte zu 2) zu 8 % alleine und die Klägerin zu 53 %, die
außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) die Klägerin zu 55 % und
der Beklagte zu 1) selbst zu 45 %, die außergerichtlichen Kosten der
Beklagten zu 2) die Klägerin zu 45 % und der Beklagte zu 2) selbst zu
55 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen: Die
Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin die
Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 69 %, die Beklagte zu 2)
zu 8 % alleine und die Klägerin zu 23 %, die außergerichtlichen Kosten
des Beklagten zu 1) die Klägerin zu 21 % und der Beklagte zu 1) zu 79
%, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) die Klägerin zu 23
% und die Beklagte zu 2) zu 77 %. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 250.000,-- DM abwenden, wenn die Klägerin
nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die
Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 13.000,-- DM
abwenden, wenn die Beklagten nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leisten. Den Beklagten wird nachgelassen, die
Sicherheiten auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer
deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
Monatsbrutto Zeitraum Pflegeversicherung RV-
Beitrag
KV-
Beitrag
AV-
Beitrag
sonst.Kosten Schadens-
ersatzrente
2.132,70 DM 4/93 -
6/93
204,57
DM
134,25
DM
69,25
DM
450,- DM
mtl.
3.823,89 DM
2.302,70 DM 7/93 -
12/95
220,55
DM
144,74
DM
74,67
DM
450,- DM
mtl.
42.382,20
DM
2.302,70 DM 1/96 -
6/96
11,49 DM
220,55
DM
144,74
DM
74,67
DM
11.107,50
DM
2.302,70 DM 7/96 -
12/97
19,53 DM
220,55
DM
144,74
DM
74,67
DM
33.177,78
DM
2.302,70 DM 1/98 -
3/98
19,53 DM
233,19
DM
144,74
DM
74,64
DM
5.491,80 DM
Summe
!Syntaxfehler,
(
T a t b e s t a n d :
1
Die am 21.07.1958 geborene Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche wegen
fehlerhafter ärztlicher Behandlung geltend.
2
Am 19.01.1993 begab sich die Klägerin zur Entbindung ihres zweiten Kindes in das
Krankenhaus der Beklagten zu 2) in B.. Dort wurde sie auf der gynäkologisch-
geburtshilflichen Abteilung noch am selben Tage spontan von ihrer Tochter Tina
entbunden. Nach der zunächst unkompliziert verlaufenden Geburt stellte sich bei der
Klägerin eine linksseitige Ovarialvenenthrombose ein, die am 20.01.1993 ebenfalls
noch in der gynäkologisch-geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses operativ im
Rahmen einer Laparotomie mit Adnexexstirpation links und Hysterektomie behandelt
wurde. Da die Klägerin unter einer hämorrhagischen Schocksymptomatik mit
anhaltendem Blutdruckabfall litt, wurde sie mit zahlreichen Infusionen behandelt.
Außerdem wurde noch während der Operation eine Kombinationstherapie antibiotischer
Medikamente begonnen. Nach der Durchführung des Eingriffs wurde die Klägerin,
ebenfalls noch am 20.01.1993, zur weiteren Betreuung auf die Intensivstation der
Beklagten zu 2) verlegt, wo sie von dem Beklagten zu 1) weiterbehandelt wurde. Neben
der die Vitalfunktion unterstützenden Intensivtherapie erhielt die Klägerin hier eine aus
den Medikamenten Refobacin, Hyromedin und Lasix kombinierte antibiotische
Behandlung. Bei der Verabreichung dieser Antibiotika kam es aufgrund fehlerhafter
Überwachung der Tal- und Peak-Konzentrationen des in dem Medikament Refobacin
enthaltenen Wirkstoffs Gentamycin zu einer erheblichen Überdosierung dieses
3
ototoxisch wirkenden Antibiotikums. Dies hatte, insbesondere in Verbindung mit der
gleichzeitig erfolgenden Gabe weiterer ototoxischer Antibiotika, schwerwiegende
Schädigungen der Gesundheit der Klägerin zur Folge, die unstreitig auf vermeidbare
Sorgfaltsverstöße der behandelnden Ärzte zurückzuführen sind. Insbesondere verlor die
Klägerin auf Dauer das Hörvermögen auf beiden Ohren. Ferner erlitt sie bleibende
Gleichgewichtsstörungen, einen Tinnitus aufgrund einer Schädigung des nervus stato-
acusticus sowie eine Gentamycinbedingte toxische Polineuropathie im Bereich des
peripheren Nervensystems mit motorischer und sensibler Symptomatik. Letztere wirkt
sich in einer allgemeinen Muskelhypotrophie sowie einem Taubheitsgefühl am ganzen
Körper bei einer Hyperästhesie im Bereich der Hände und Füße mit einem verminderten
Vibrationsempfinden und Geschmacksstörungen aus.
Während der Behandlung der zu dieser Zeit komatösen Klägerin vom 20.01. bis
28.01.1993 kam es ferner zu einem weiteren ärztlichen Versäumnis. Trotz der
bekannten Immobilität der Klägerin wurden die erforderlichen Maßnahmen zur
Dekubitus-Prophylaxe nicht ergriffen. Dies führte bei der Klägerin zur Ausbildung von
Hautnekrosen, Druckgeschwüren und entstellender Narbenbildung, insbesondere im
Bereich des Hinterkopfes.
4
Aufgrund der erlittenen Gesundheitsschäden ist die Klägerin seitdem in ihrer
Lebensführung stark beeinträchtigt. Es besteht eine Schwerbehinderung mit einem Grad
von 100 %. Auch in ihrem erlernten und zuletzt noch in der Zeit zwischen der Geburt
ihrer beiden Kinder ausgeübten Beruf als Personalfachfrau kann die Klägerin nicht mehr
tätig sein; es besteht auf Dauer eine ebenfalls 100 %ige Arbeits- und
Erwerbsunfähigkeit.
5
Aufgrund ihrer zahlreichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, verschiedener, von
der Klägerin seither unternommenen Versuche, ihren Gesundheitszustand durch eine
Vielzahl von Behandlungen zu verbessern, sowie der mit ihrem Zustand verbundenen
psychischen Belastung war die Klägerin in der Zeit von März 1993 bis März 1994 nicht
in der Lage, den Familienhaushalt zu führen.
6
Im September 1993 wurde der Klägerin zur Verbesserung ihres Hörvermögens ein
sogenanntes Cochlear-Implantat eingesetzt, wofür unstreitig Kosten in Höhe von
3.592,77 DM entstanden sind (weitere 2.160,00 DM waren in erster Instanz zwischen
den Parteien streitig). Ferner entstanden Kosten für eine Akupunkturtherapie in Höhe
von 1.527,80 DM, für weitere Heilbehandlungsmaßnahmen Kosten in Höhe von
3.370,17 DM, sowie Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 2.728,32 DM.
7
Bei Verwendung des Cochlear-Implantats ist der Klägerin in gewissem Rahmen
inzwischen eine sprachliche Verständigung mit ihrer Umgebung möglich, wenn die
Umstände ein gleichzeitiges Lippenablesen erlauben. Bei Umgebungsgeräuschen,
Gesprächen mit mehreren Personen und schnell wechselnden Gesprächsinhalten kann
sie jedoch auch unter Inanspruchnahme dieses Hilfsmittels ein ausreichendes
Verständnis nicht stets erreichen. Auch das Telefonieren ist der Klägerin nur in sehr
eingeschränktem Maße möglich. Die ebenfalls aufgrund der ärztlichen Fehlbehandlung
aufgetretenen Öhrgeräusche (Tinnitus) und der Drehschwindel sind bei der Klägerin
stets, jedoch in wechselndem Ausmaß vorhanden.
8
Die Klägerin hat mit der Klage zunächst Zahlung der oben genannten, unstreitig
entstandenen Kosten geltend gemacht. Daneben hat sie für die Zeit von Oktober 1993
9
bis März 1998 die Erstattung von Betriebskosten für das Cochlear-Implantat in Höhe von
insgesamt 2.160,00 DM verlangt und hierzu behauptet, für notwendige Batterien und die
Wartung des Implantates seien monatliche Ausgaben in Höhe von mindestens 40,00
DM entstanden.
Im übrigen hat sie einen Betrag von 16.848,00 DM als fiktive Kosten für eine
Haushaltshilfe in der Zeit von März 1993 bis März 1994 geltend gemacht.
10
Ferner hat die Klägerin behauptet, ihr sei in der Zeit von April 1993 bis März 1998 ein
Verdienstausfallschaden in Höhe von 137.652,00 DM entstanden. Seit März 1998
entstehe ihr darüber hinaus aufgrund der infolge fehlerhafter Behandlung eingetretenen
Erwerbsunfähigkeit ein Verdienstausfall von monatlich 2.302,70 DM brutto. Hierzu hat
sie behauptet, sie habe ab spätestens April 1993 einen Arbeitsplatz in der
Personalabteilung des Kaufhauses H. in B. konkret in Aussicht gehabt. Auf ihre
damalige Bewerbung hin habe sie mit dem Leiter der Personalabteilung dieses
Unternehmens, dem Zeugen W., ein Bewerbungsgespräch geführt und mit ihm
vereinbart, daß sie nach der Entbindung von ihrem zweiten Kind an 5 Tagen in der
Woche jeweils 4,5 Stunden als Personalfachfrau arbeiten solle. Als Gehalt hierfür sei für
die ersten drei Monate ein Bruttogehalt von 2.132,70 DM, danach in Höhe von 2.302,70
DM jeweils monatlich vereinbart worden. Die Klägerin hat weiter behauptet, die
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in dem beschriebenen Umfang sei mit ihrem Ehemann,
der als Beamter im gehobenen Dienst der Bundestagsverwaltung tätig sei und der seine
Arbeitszeit flexibel gestalten könne, abgesprochen gewesen. Die im Zusammenhang
mit dem Haushalt und der Betreuung der Kinder anfallenden Arbeiten habe man sich
teilen wollen. Auch im Februar und März 1993 habe die ihr angebotene Stelle bei der
Firma H. noch zur Verfügung gestanden, was ihrer Mutter, der Zeugin R., telefonisch
mitgeteilt worden sei. Nur wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Erwerbsunfähigkeit
habe die Stelle nicht angetreten werden können.
11
Von dem Beklagten zu 1) hat die Klägerin weiterhin ein angemessenes
Schmerzensgeld sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von mindestens
650,00 DM verlangt.
12
Von der Ha. Ersatzkasse erhielt die Klägerin einen Betrag von 944,68 DM, den sie mit
den geltend gemachten Forderungen verrechnete. Ferner zahlte der
Haftpflichtversicherer der Beklagten an die Klägerin vorgerichtlich einen Betrag in Höhe
von 120.000,00 DM unter dem Vorbehalt der beliebigen Verrechnung. Dieser Vorbehalt
wurde von den Beklagten bzw. der hinter ihnen stehenden Haftpflichtversicherung
zunächst nicht ausgeübt. In der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz
erklärten die Parteien sodann übereinstimmend, daß von dem gezahlten Betrag
100.000,00 DM auf das zu zahlende, ursprünglich in Höhe von 200.000,00 DM geltend
gemachte Schmerzensgeld verrechnet werden solle. Daraufhin hat die Klägerin den
zunächst angekündigten Klageantrag zu 1 a) auf Zahlung von 46.934,38 DM um
100.000,00 DM erweitert und sodann beantragt,
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1.
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a) Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 146.934,38 DM
abzüglich geleisteter Zahlungen in Höhe von 20.000,00 DM) nebst 4 % Zinsen seit
08.06.1998 zu zahlen sowie,
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21
b) mit Wirkung ab 01.04.1998 einen monatlichen Erwerbsausfallschaden in Höhe
von 2.302,70 DM jeweils bis zum letzten Kalendertag eines Monats zu zahlen.
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2. Den Beklagten zu 1) zu verurteilen,
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a) an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen ab 08.06.1998 zu
zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber mindestens
weitere 100.000,00 DM betragen soll;
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29
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30
b) an die Klägerin eine angemessene monatliche Schmerzensgeldrente mit
Wirkung ab 01.04.1998, in Höhe von mindestens 650,00 DM zu zahlen.
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3. festzustellen, daß
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a) die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche
weiteren Schäden materieller Art, die ihr in Zukunft aus den Behandlungsfehlern
vom 20.01.1993 bis 28.01.1993 über die Verurteilung zu Ziffer 1) hinaus entstehen,
zu ersetzen;
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b) der Beklagte zu 1) darüber hinaus verpflichtet ist, sämtliche Schäden
immaterieller Art, die auf die Behandlungsfehler vom 20.01.1993 bis 28.01.1993
zukünftig entstehen und über die in Ziffer 2) geltend gemachten Ansprüche
hinausgehen, zu ersetzen.
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Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 07.08.1998 den Klageantrag zu 3) anerkannt
und im übrigen beantragt,
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die Klage abzuweisen.
44
Sie haben die von der Klägerin geltend gemachten monatlichen Kosten für das
Cochlear-Implantat mit Nichtwissen bestritten. Ferner haben sie die Auffassung
vertreten, zur Erstattung der Kosten für die Akupunkturtherapie, für eine Haushaltshilfe
sowie Fahrtkosten in Höhe von 60,48 DM nicht verpflichtet zu sein. Im Hinblick auf den
geltend gemachten Verdienstausfall haben die Beklagten die von der Klägerin
behaupteten Absprachen hinsichtlich einer Tätigkeit bei der Firma H. in B. mit
Nichtwissen bestritten. Im übrigen haben sie geltend gemacht, es sei nicht vorstellbar,
daß die Klägerin kurze Zeit nach der Geburt ihres zweiten Kindes eine Berufstätigkeit
aufgenommen hätte. Sie haben ferner die Ansicht vertreten, bei der Berechnung eines
Verdienstausfallschadens seien zumindest jedoch ersparte Steuern und
Sozialversicherungsbeiträge in Abzug zu bringen.
45
Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugen W., T. und R. die Beklagten als
Gesamtschuldner verurteilt,
46
1) an die Klägerin 146.934,38 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 08.06.1998 zu zahlen,
47
2) an die Klägerin ab dem 01.04.1998 monatlich 2.302,70 DM jeweils bis zum letzten
Kalendertag eines Monats zu zahlen.
48
Ferner hat es den Beklagten zu 1) verurteilt,
49
an die Klägerin ab 01.04.1998 monatlich eine Schmerzensgeldrente in Höhe von
300,00 DM zu zahlen.
50
Im Wege des Teilanerkenntnisurteils hat das Landgericht ferner festgestellt, daß
51
1) die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weitere
Schäden materieller Art, die ihr in Zukunft aus den Behandlungsfehlern vom 20.01.1993
bis 28.01.1993 entstehen, zu ersetzen,
52
2) der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden
immaterieller Art, die ihr in Zukunft aus den Behandlungsfehlern vom 20.01.1993 bis
53
28.01.1993 entstehen, zu ersetzen.
Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
54
Als Schmerzensgeld hat das Landgericht für die erlittenen Beeinträchtigungen den unter
Anrechnung der vorgerichtlichen Zahlung bereits erbrachten Betrag von 100.000,00 DM
sowie die zuerkannte monatliche Schmerzensgeldrente für ausreichend gehalten.
Ferner wurden der Klägerin ein Verdienstausfallschaden für die Zeit von April 1993 bis
März 1998 in Höhe von 137.652,00 DM sowie die geltend gemachten weiteren
materiellen Schäden in Höhe von 30.227,06 DM unter Anrechnung der ebenfalls
vorgerichtlich hierauf gezahlten Summe von insgesamt 20.944,68 DM zuerkannt. Bei
der Berechnung des Verdienstausfallschadens für die Vergangenheit, wie auch für die
Zukunft hat das Landgericht den von der Klägerin geltend gemachten fiktiven Bruttolohn
als Erwerbsschaden in voller Höhe in Ansatz gebracht.
55
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten, sowie prozeßordnungsgemäß begründeten
Berufung begehren die Beklagten die Abweisung der Klage hinsichtlich des geltend
gemachten Erwerbsausfallschadens der Klägerin sowohl für die Vergangenheit, als
auch für die Zukunft. Sie machen geltend, es könne nicht davon ausgegangen werden,
daß die Klägerin, die zwei Kinder zu versorgen gehabt hätte, ohne das schädigende
Ereignis alsbald nach der Entbindung wieder eine Berufstätigkeit aufgenommen hätte.
Zumindest wären in diesem Falle so erhebliche Kosten für die Kinderbetreuung
angefallen, daß eine Berufstätigkeit überhaupt nicht lohnend gewesen wäre. Jedenfalls
müßten aber im Wege des Vorteilsausgleichs die von der Klägerin ersparten
Sozialabgaben wie Krankenversicherung, Renten- und Arbeitslosenversicherung von
dem als Verdienstausfallschaden geltend gemachten Bruttolohn abgesetzt werden.
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Die Beklagten beantragen,
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das Teil-Anerkenntnis- und Schlußurteil 9 O 140/98 vom 09.11.1998 teilweise
abzuändern, nämlich wegen der Klageanträge zu 1 und 2 und dahin, daß
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1) die Beklagten als Gesamtschuldner nur verurteilt werden, an die Klägerin
9.282,38 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 08.06.1998 zu zahlen,
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2) die Klage auf Zahlung des Verdienstausfallschadens in Höhe von monatlich
2.302,70 DM ab dem 01.04.1998 abgewiesen wird.
66
Die Klägerin beantragt,
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68
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die Berufung zurückzuweisen.
70
Im Wege der Anschlußberufung beantragt sie ferner,
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72
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unter Abänderung des Teil-Anerkenntnis- und Schlußurteils des Landgerichts Bonn
- 9 O 140/98 - vom 09.01.1998 den Beklagten zu 1) zu verurteilen,
74
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76
a) an die Klägerin ein angemessenes weiteres Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen
ab 08.06.1998 zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,
aber mindestens 50.000,00 DM betragen soll;
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79
b) an die Klägerin eine angemessene monatliche Schmerzensgeldrente mit
Wirkung ab 01.04.1998 in Höhe von mindestens 400,00 DM zu zahlen.
80
Zur Berufung der Beklagten wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches
Vorbringen.
81
Hinsichtlich der Berechnung des von ihr geltend gemachten Verdienstausfalls vertritt sie
die Auffassung, es obliege den Beklagten, eventuelle Abzüge vom geltend gemachten
Bruttolohn substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
82
Im übrigen sei sie aufgrund der erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen
gezwungen, eine freiwillige und kostenintensive Mitgliedschaft in der gesetzlichen
Krankenversicherung zu unterhalten. Sie behält sich vor, hierdurch entstehende
Mehraufwendungen ebenfalls klageweise geltend zu machen.
83
In einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27.04.1999 trägt die Klägerin ergänzend
vor, ihr seien ab 1993 erhebliche, von ihr im einzelnen näher bezifferte Aufwendungen
für die Betreuung ihrer beiden Kinder durch eine Kindertagesstätte entstanden, die
ebenfalls bei der Berechnung ihres Verdienstausfallschadens berücksichtigt werden
müßten. Darüber hinaus beziffert die Klägern im vorgenannten Schriftsatz die in der Zeit
seit dem 19.01.1995 entstandenen Mehraufwendungen für die Krankenversicherung.
84
Zur Begründung ihrer Anschlußberufung vertritt die Klägerin die Auffassung, zum
Ausgleich der erlittenen Gesundheitsschäden sei ein Schmerzensgeld in Höhe von
85
insgesamt 150.000,00 DM sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente von
mindestens 400,00 DM angemessen. Hierzu behauptet sie, als Folge der erlittenen
ärztlichen Fehlbehandlung sei inzwischen auch eine erhebliche Beeinträchtigung der
Geruchs- und Geschmacksempfindung eingetreten.
Die Beklagten beantragen,
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87
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die Anschlußberufung zurückzuweisen.
89
Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie den Inhalt der im
Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen.
90
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
91
I.
92
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Beklagten hat in der Sache nur
teilweise Erfolg.
93
Die Beklagten sind verpflichtet, der Klägerin im Rahmen des von ihnen unstreitig für die
ihr zugefügten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leistenden Schandesersatzes
auch den seit April 1993 entstandenen Verdienstausfallschaden zu ersetzen. Die
Klägerin ist insoweit von den Beklagten so zu stellen, wie sie ohne das
schadensstiftende Ereignis gestanden hätte.
94
Zu Recht hat die Kammer in diesem Zusammenhang auf der Grundlage der von ihnen
durchgeführten Beweisaufnahme angenommen, daß die Klägerin, wäre sie nicht
aufgrund der erheblichen, ihr zugefügten Gesundheitsverletzungen zu diesem Zeitpunkt
bereits zu 100 % erwerbsunfähig gewesen, beginnend mit dem Monat April 1993 eine
Erwerbstätigkeit als Teilzeitkraft bei dem Unternehmen K./H. in B. zu den von ihr
behaupteten Bedingungen, mithin zu einem Gehalt von zunächst 2.132,70 DM bzw.
nach 3 Monaten in Höhe von 2.302,70 DM brutto monatlich ausgeübt hätte.
95
Ein Erwerbsschaden kann auch von nichtselbständig Beschäftigten nicht nur dann
geltend gemacht werden, wenn diese sich zur Zeit des schädigenden Ereignisses
bereits in einem festen Anstellungsverhältnis befanden. Hat der Verletzte kein festes,
regelmäßiges Arbeitseinkommen, das der Schadensberechnung zugrunde gelegt
werden kann, oder war sein beruflicher Werdegang wechselhaft, so ist zur Ermittlung
des ersatzfähigen Schadens der Verdienst zu ermitteln, den er ohne das
schadensstiftende Ereignis bei einem gewöhnlichen Lauf der Dinge und unter den
besonderen Umständen des Einzelfalles mit Wahrscheinlichkeit hätte erzielen können
(vgl. Geigel-Rixecker, Der Haftpflichtprozeß, Abschnitt 4, Rdnr. 125). Der Verletzte muß
in einem solchen Fall konkrete Anhaltspunkte darlegen und beweisen, aus denen sich
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (§ 287 ZPO) ergibt, daß er beruflich tätig
geworden wäre und Einkünfte erzielt hätte. Dabei kann an seiner beruflichen
Entwicklung in den Jahren vor dem Schadensereignis, oder an Vorkehrungen wie Aus-
96
und Fortbildung, Arbeitsplatzsuche, Arbeitsangebote zum Aufbau oder zur
Weiterführung einer beruflichen Existenz angeknüpft werden (BGH VersR 95, 422; 95,
469; 90, 284; Geige a.a.O.).
Diese Voraussetzungen, an die keine überzogenen Anforderungen gestellt werden
dürfen, hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung als erfüllt
angesehen. Die Klägerin verfügt über eine fundierte und brauchbare Berufsausbildung.
Sie war in ihrem erlernten Beruf als Personalfachfrau durchaus über längere Zeiträume
hinweg tätig, dies auch noch nach der Geburt ihres ersten Sohnes im Jahre 1987. Diese
Berufstätigkeit dauerte ausweislich des von ihr vorgelegten Zeugnisses ihres früheren
Arbeitgebers zumindest bis zum Jahre 1991 an; wie der Klägerin in diesem Zeugnis
bescheinigt wird, auch noch darüber hinaus. Im übrigen hat die Klägerin insoweit
unbestritten vorgetragen, sie habe sich zum Zeitpunkt des Schadenseintrittes in
Erziehungsurlaub befunden.
97
Aufgrund der Bekundungen der vom Landgericht vernommenen Zeugen ist ferner
bewiesen, daß die Klägerin eine ganz konkrete Aussicht hatte, ab April 1993 in ein
Beschäftigungsverhältnis bei der Firma H. in B. zu den von ihr genannten Konditionen
einzutreten. Sie hatte sich, wie auch von den beiden Personalsachbearbeitern der Firma
H. in der erstinstanzlichen Beweisaufnahme bestätigt wurde, mit Erfolg um diese Stelle
beworben. Die Firma H. war bereit, die Klägerin auch als Halbtagskraft nach der
Entbindung des zweiten Kindes einzustellen. An der Richtigkeit der diesbezüglichen
Bekundungen der Zeugen W., T. und R., die das Vorstehende bestätigt haben, hat auch
der Senat keinerlei Zweifel.
98
Demgegenüber überzeugt der Einwand der Beklagten, die Aufnahme einer solchen
Tätigkeit wäre der Klägerin wegen ihrer häuslichen Verpflichtungen insbesondere nach
der Geburt ihres zweiten Kindes auch ohne das schadenstiftende Ereignis nicht möglich
gewesen, nicht. Es ist heute durchaus nicht unüblich, daß auch Mütter von mehreren
Kleinkindern halbtags berufstätig sind. Eine Berufstätigkeit - jedenfalls als Teilzeitkraft -
ist, zumindest unter Inanspruchnahme fremder Hilfe, auch schon unmittelbar nach dem
Ende des Mutterschutzes möglich; dies wird, wie auch dem Senat bekannt ist, vielfach
praktiziert.
99
Auch die Lebensführung der Klägerin in der Vergangenheit spricht nicht gegen die
Annahme, diese würde sich im Falle des Fortbestandes ihres Erwerbsfähigkeit ebenso
verhalten haben, denn immerhin hat die Klägerin alsbald nach der Geburt ihres ersten
Kindes wieder berufliche Tätigkeiten im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung entfaltet
und sogar noch berufliche Weiterbildung mit Erfolg betrieben.
100
Auch der Einwand, die Aufnahme einer Berufstätigkeit sei finanziell nicht lohnend
gewesen, überzeugt nicht. Für die Kinderbetreuung müssen keinesfalls die von den
Beklagten behaupteten Beträge (12,00 DM je/Stunde zuzüglich Lohnnebenkosten)
aufgewandt werden. Dies mag zwar zutreffend sein, wenn zur Betreuung der Kinder
eine Kinderfrau angestellt wird, die täglich in den Familienhaushalt kommt und dort
sozialversicherungspflichtig arbeitet. Dies entspricht jedoch in den meisten Fällen nicht
der gängigen Praxis. Zumeist erfolgt die Betreuung der Kinder berufstätiger Mütter
vielmehr durch sogenannte Tagesmütter in deren Haushalt. Eine solche Handhabung
war, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, auch von dieser beabsichtigt.
Da auf diese Weise tätige Tagesmütter meist mehrere Kinder gleichzeitig und dazu
noch ihre eigenen Kinder betreuen, kann ein solcher Betreuungsplatz zu wesentlich
101
günstigeren Konditionen, als von der Beklagten angegeben, gefunden werden. Es
entspricht dem allgemeinen Erfahrungsschatz, daß ein Betreuungsplatz für ein
Kleinkind unter den vorgenannten Bedingungen ganztägig, d. h. beispielsweise von
08:00 Uhr bis 16:30 Uhr für weniger als 600,00 DM monatlich zu finden ist.
Hinzu kommt, daß Kinder ab 3 Jahren zumindest bis zum frühen Nachmittag problemlos
in Kindergärten untergebracht werden können. Die entsprechende Organisation,
beispielsweise der Transport zu den entsprechenden Kindertagesstätten und zurück
kann, wenn der Ehemann der Klägerin - wie hier unstreitig ist - seine Arbeitszeiten
einigermaßen flexibel gestaltet werden kann, von diesem ohne weiteres geleistet
werden.
102
Nach den im Streitfall vorliegenden Umständen spricht somit alles dafür, daß die
Klägerin ohne das schädigende Ereignis, wie von ihr behauptet, ab April 1993 die ihr
zur Verfügung stehende Halbtagsstelle wahrgenommen hätte. Die Beklagten haben
daher der Klägerin auch den Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist und
künftig entstehen wird, daß sie hierzu aufgrund der ärztlichen Fehlbehandlung durch
den Beklagten zu 1) nicht in der Lage war und ist.
103
Erfolg hat die Berufung der Beklagten im Hinblick auf den geltend gemachten
Verdienstausfall der Klägerin lediglich insoweit, als geltend gemacht wird, das
Landgericht habe bei der Berechnung des insoweit entstandenen Schadens nicht den
ungeschmälerten fiktiven Bruttoverdienst der Klägerin in Ansatz bringen dürfen, sondern
hiervon im Wege des Vorteilsausgleichs den Betrag in Abzug bringen müssen, den die
Klägerin dadurch, daß sie einer Berufstätigkeit tatsächlich nicht nachgehen konnte und
kann, erspart hat, bzw. künftig ersparen wird. Mit dem Vorteilsausgleichsgedanken wird
im Schadensrecht dem Umstand Rechnung getragen, daß der Geschädigte durch den
vom Schädiger zu leistenden Schadenersatz zwar einen Ausgleich für die erlittenen
Vermögenseinbußen erhalten, letztlich aber wirtschaftlich nicht besser gestellt werden
soll, als dies ohne die Schädigung der Fall gewesen wäre.
104
Die Anwendung dieses Rechtsgedanken führt zunächst dazu, daß die fiktiven
Bruttoeinkünfte der Klägerin um den Betrag zu mindern sind, den sie im Falle einer
tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit für die Betreuung ihrer Kinder hätte aufwenden
müssen. Diesen Betrag schätzt der Senat im Rahmen des ihm gemäß § 287 ZPO
eingeräumten Ermessens auf 450,00 DM monatlich. Diese Schätzung trägt einerseits
den bereits dargestellten Erwägungen zu den Kosten für die Inanspruchnahme einer
Tagesmutter und andererseits dem Umstand Rechnung, daß die Klägerin bei ihrer
Schadensberechnung von einer arbeitstäglichen Beschäftigungszeit von 4,5 Stunden,
mithin unter Berücksichtigung der An- und Abfahrtszeiten einer Betreuungszeit von etwa
5, 5 bis 6 Stunden ausgeht.
105
Für die ersten drei Lebensjahre der jüngsten Tochter der Klägerin, mithin bis zum
Januar 1996 ist dieser Betrag von dem monatlichen Bruttogehalt der Klägerin
abzusetzen.
106
Den neuen Vortrag der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27.04.1999
vermochte der Senat, da das darin enthaltene Vorbringen nach Schluß der letzten
mündlichen Verhandlung erfolgt ist, aus Rechtsgründen nicht zu berücksichtigen. Die
Klägerin beruft sich in diesem Schriftsatz darauf, durch den oben dargestellten Abzug
von Kosten für die Kinderbetreuung vom fiktiven Einkommen sei sie im Ergebnis doppelt
107
belastet, denn aufgrund der durch das schadenstiftende Ereignis erlittenen
gesundheitlichen Beeinträchtigungen habe sie, obwohl sie nicht habe arbeiten können,
gleichwohl nicht unerhebliche Kosten für die Kinderbetreuung aufwenden müssen.
Sollte der diesbezügliche Vortrag der Klägerin, zu dem Stellung zu nehmen die
Beklagten keine Gelegenheit hatten, zutreffend sein, so würden die von ihr im einzelnen
dargelegten Betreuungskosten gegebenenfalls eine weitere Schadensposition
darstellen, die im vorliegenden Verfahren jedoch bis zur maßgeblichen letzten
mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz nicht zum Streitgegenstand erhoben
wurde. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kommt nicht in Betracht.
Ebenfalls im Wege des Vorteilsausgleichs von dem fiktiven Bruttogehalt der Klägerin in
Abzug zu bringen sind ferner die Aufwendungen, die die Klägerin im Falle einer
Erwerbstätigkeit monatlich an Kranken- Renten- Pflege- und
Arbeitslosenversicherungsbeiträgen hätte tätigen müssen. Das Landgericht, das der
Klägerin einen Anspruch auf Ersatz ihres Erwerbsschadens in Höhe des vollen
Bruttolohnes zuerkennen will, verkennt die von der Rechtsprechung im Rahmen der
sogenannten Netto- bzw. modifizierten Bruttolohnmethode entwickelten Grundsätze zur
Berechnung des Erwerbsschadens bei unselbständig Beschäftigten bzw. es überspannt
die Anforderungen an die die Beklagten treffende Darlegungslast. Zwar ist es
grundsätzlich möglich, den Erwerbsschaden eines Verletzten auf der Basis des
Bruttolohnes zu berechnen (vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, 58. Aufl., § 252 Rdnr. 10;
Geigel, a.a.O. Rdnr. 128 ff; BGH NJW 89, 389 ff). In diesem Falle kann der Schädiger
jedoch geltend machen, daß im Wege des Vorteilsausgleichs die Beträge vom fiktiven
Bruttolohn des Geschädigten abgezogen werden, die dieser infolge des schädigenden
Ereignisses erspart (BGH a.a.O. m.w.N.). Im Gegensatz zur ebenfalls zulässigen
Nettolohnmethode liegt die Darlegungslast für diesen Vorteilsausgleich zwar
grundsätzlich beim Schädiger, es reicht jedoch aus, wenn dieser die nach seiner
Auffassung im Wege des Vorteilsausgleichs abzugsfähigen Posten pauschal benennt.
Die Einzelheiten und gegebenenfalls das Zahlenwerk müssen sodann wiederum vom
Geschädigten, aus dessen Sphäre diese Tatsachen stammen, dargelegt und
gegebenenfalls bewiesen werden (vgl. BGH a.a.O.).
108
Diesen Anforderungen haben die Beklagten jedenfalls in der Berufungsinstanz genüge
getan, indem sie sich darauf berufen haben, von dem geltend gemachten Nettolohn
seien die von der Klägerin nunmehr ersparten Sozialbeiträge für Kranken- Renten-
Pflege- und Arbeitslosenversicherung abzusetzen.
109
Die hierzu von den Beklagten vertretene Auffassung ist im wesentlichen zutreffend.
110
Die Klägerin muß sich grundsätzlich den Arbeitnehmeranteil zur Kranken- und
Pflegeversicherung von ihrem fiktiven Bruttolohn in Abzug bringen lassen. Etwas
anderes würde allenfalls dann geltend gemacht, wenn die Klägerin Lohnfortzahlung
oder Krankengeld erhielte, § 224 SGB V (vgl. Geigel-Plagemann, Abschnitt 4, Rdnr. 32).
Da die Klägerin hierzu nichts vorgetragen hat, kann vom Bezug einer solchen Rente
oder von Krankengeld nicht ausgegangen werden.
111
Soweit die Klägerin geltend macht, sie müsse sich auch derzeit anderweitig
krankenversichern, mag sie diese Beträge geltend machen. Gleiches gilt hinsichtlich
möglicherweise anfallender Beiträge für die Pflegeversicherung, die gegebenenfalls
vom Ehemann der Klägerin für diese abgeführt werden müssen. Auch insoweit gilt,
soweit die Klägerin hierzu im Schriftsatz vom 27.04.1999 nach Schluß der letzten
112
mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen hat, daß dieser Vortrag aus
Rechtsgründen im vorliegenden Verfahren nicht mehr berücksichtigungsfähig ist.
Auch die fiktiven Beiträge der Klägerin zur Rentenversicherung sind im Rahmen der
Schadensberechnung vom Bruttogehalt abzuziehen. Zwar ist der Schädiger verpflichtet,
alle Nachteile auszugleichen, die dem Geschädigten durch die Nicht- bzw. verkürzte
Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen entstehen. Dies kann unter Umständen
auch die Verpflichtung beinhalten, schon bei Entstehen der Beiträgslücken dafür Sorge
zu tragen, daß die schadensbedingte Verkürzung späterer Versicherungsleistungen von
vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH NJW 94, 131; Senatsurteil vom 15.01.1997 - 5
U 39/95 -). Eine Pflicht des Schädigers zur Erstattung von
Rentenversicherungsbeiträgen besteht jedoch nur insoweit, als der Geschädigte nach
der Rentenversicherungssystematik die Möglichkeit hat, durch Beitragsnachentrichtung
einem späteren Rentennachteil vorzubeugen. Hierzu hat die Klägerin indessen nichts
vorgetragen. Nach § 7 SGB VI ist im übrigen eine freiwillige Versicherung nur den
Personen möglich, die nicht versicherungspflichtig sind. Dies war bei der Klägerin indes
nicht der Fall, weil diese stets eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat,
aufgrund derer laufend Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu
entrichten waren. Dies schließt eine freiwillige Versicherung und die Nachentrichtung
von Beiträgen hierauf aus. Auch die Einzahlung zusätzlicher
Rentenversicherungsbeiträge wegen einer Höherversicherung zur Aufstockung der
Rentenansprüche der Klägerin kommt nach dem Inkrafttreten des SGB VI zum
01.01.1992 nicht mehr in Betracht (vgl. Senatsurteil a.a.O.).
113
Der insoweit entstehende Schaden der Klägerin besteht vielmehr darin, daß dieser
gegebenenfalls nach Eintritt des Rentenalters durch die Nichtzahlung von Beiträgen
eine geringere Rente zur Verfügung steht. Dieser Schaden muß sodann zum Zeitpunkt
seines Entstehens im Rahmen der schon durch das erstinstanzliche Urteil insoweit
rechtskräftig festgestellten Ersatzpflicht der Beklagten geltend gemacht werden.
114
Eine Ersatzpflicht der Beklagten besteht schließlich auch nicht im Hinblick auf die von
der Klägerin im Falle einer Erwerbstätigkeit zu zahlenden Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung (vgl. hierzu BGHZ 87, 187; BGH VersR 86, 915; Palandt-
Heinrichs, 58. Aufl., § 252 Rdnr. 13).
115
Demgegenüber müssen die von der Geschädigten von ihrem Bruttolohn abzuführenden
Steuern bei der Berechnung des Schadensersatzanspruches außer Ansatz bleiben (vgl.
Palandt a.a.O. Rdnr. 11; Geigel a.a.O. Rdnr. 130; BGH a.a.O.). Dies erscheint
angesichts des Umstandes, daß nach § 24 Nr. 1 EStG auch Schadensersatzrenten
wegen Erwerbsunfähigkeit der Einkommensteuer unterliegen, durchaus gerechtfertigt.
Lediglich dann, wenn der Geschädigte wegen seiner gesundheitlichen Schädigung
Steuervorteile hat, die nach ihrem Sinn und Zweck nicht ausschließlich ihm zugute
kommen sollen, können solche Steuervorteile zur Minderung des Ersatzanspruches
gegenüber dem Schädiger führen (BGH a.a.O.). Derartige Umstände sind hier indes
nicht ersichtlich. Die Klägerin wird die von den Beklagten zu zahlenden
Schadensersatzbeträge voll zu versteuern haben. Es besteht daher kein Anlaß, insoweit
einen Abzug vom geltend gemachten Bruttolohn vorzunehmen.
116
Dies gilt auch für die die Vergangenheit betreffenden Schadensersatzbeträge. Die
Klägerin hat insoweit nicht geltend gemacht, etwa dadurch benachteiligt zu sein, daß
der entgangene Arbeitsverdienst als Schadensersatz nicht sukzessive, sondern auf
117
einmal ausgezahlt wird.
Zur Höhe der demnach abzugsfähigen Beträge haben weder die Klägerin noch die
Beklagten Angaben gemacht. Der Senat hat im Rahmen der nach § 287 ZPO
vorzunehmenden Schadensschätzung die insoweit in Ansatz zu bringenden
Sozialversicherungsbeiträge den gängigen "Stollfuß-Tabellen" entnommen. Hiernach
stellt sich der von der Klägerin im Zeitraum von April 1993 bis März 1998 erlittene
Verdienstausfallschaden wie folgt dar:
118
Für die Zeit ab April 1998 bis längstens zur Vollendung des 65. Lebensjahres haben die
Beklagten an die Klägerin demnach vorbehaltlich eventueller künftiger
Einkommensänderungen monatlich 1.830,60 DM zu zahlen.
119
Auf die Berufung der Beklagten waren die der Klägerin vom Landgericht zuerkannten
Schadensersatzbeträge mithin wie tenoriert zu kürzen. Der ausgeurteilte
Schadensersatzbetrag errechnet sich wie folgt:
120
Materieller Schaden
121
(nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens): 30.227,06 DM
122
Verdienstausfall für die Zeit
123
von April 1993 bis März 1998: 95.983,17 DM
124
126.210,23 DM
125
abzüglich geleisteter Zahlung 944,68 DM
126
abzüglich geleisteter Zahlung 20.000,00 DM
127
105.265,55 DM
128
II.
129
Die zulässige Anschlußberufung der Klägerin hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
130
Der Senat hat die von der Klägerin aufgrund des ärztlichen Behandlungsfehlers des
Beklagten zu 1) erlittenen gravierenden Gesundheitsschäden und die hiervon
ausgehenden Beeinträchtigungen nochmals umfassend gewürdigt. Hierbei fiel
besonders ins Gewicht, daß die Klägerin seit dem Vorfall auf beiden Ohren taub ist, was
naturgemäß stets eine besonders einschneidende und schwerwiegende
Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens der betroffenen
Person nach sich zieht. In diesem Zusammenhang kann nicht außer Betracht bleiben,
daß die Klägerin zum Zeitpunkt des Eintritts dieses Gesundheitsschadens erst 34 Jahre
alt war und daher noch viele Jahre unter den Folgen des ärztlichen Behandlungsfehlers
zu leiden haben wird. Von der erlittenen Taubheit und der hiermit verbundenen Störung
der Kommunikationsfähigkeit ist die Klägerin nicht zuletzt deshalb besonders betroffen,
weil sie auf diese Fähigkeit als Mutter von zwei noch sehr jungen Kindern in
besonderem Maße angewiesen ist. Hinzu kommt, daß der Klägerin, die bis zur
Entbindung von ihrem zweiten Kind nicht nur vollständig gesund, sondern auch
131
durchaus beruflich erfolgreich war, infolge der erlittenen Gesundheitsschäden die
Ausübung adäquater beruflicher Tätigkeit auf Dauer versagt sein wird. Auch dies stellt
für eine in den Lebensumständen der Klägerin lebende Person nach der Überzeugung
des Senats einen besonders schwerwiegenden und auch psychisch stark belastenden
Nachteil dar.
Schmerzensgelderhöhend haben sich ferner die weiteren, auch für sich genommen
schon sehr schwerwiegenden Folgen der ärztlichen Fehlbehandlung der Klägerin
ausgewirkt. Gerade im Hinblick auf die infolge der Taubheit eingetretene
Beeinträchtigung der Wahrnehmungsfähigkeit wiegen diese weiteren
Beeinträchtigungen wie vermindertes Vibrationsempfinden, Hyperästhesien im Bereich
der Hände und Füße sowie eine allgemeine Muskelhypotrophie mit Taubheitsgefühl am
ganzen Körper und Beeinträchtigung des Geschmacksempfindens und das Auftreten
von Gleichgewichtsstörungen und Ohrgeräuschen schwer.
132
Andererseits hat der Senat bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht
unberücksichtigt gelassen, daß der Klägerin nach dem Inhalt des von ihr selbst
vorgelegten Gutachtens des Sachverständigen P. durch die Benutzung des Cochlear-
Implantats zumindest eine Kommunikation mit der Außenwelt, wenn auch nur unter
schwierigen Bedingungen und in eingeschränktem Maße möglich ist.
133
Unter Würdigung dieser Beeinträchtigungen, aber auch des Maßes des den Beklagten
zu 1) treffenden Verschuldens erschien dem Senat die Zuerkennung eines
Schmerzensgeldes in der beantragten Höhe von insgesamt 150.000,00 DM, sowie der
bereits vom Landgericht zuerkannten monatlichen Schmerzensgeldrente von 300,00
DM angemessen und ausreichend. Eine Erhöhung der monatlichen
Schmerzengeldrente bedurfte es hingegen nicht. Bei dieser Entscheidung hat der Senat
auch die in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang zu ähnlichen oder
zumindest in Teilen vergleichbaren Beeinträchtigungen ergangenen Entscheidungen,
insbesondere die des OLG Köln in VersR 80, 434 (50.000,00 DM und 100,00 DM
monatliche Rente bei völliger Taubheit eines 15-jährigen Jungen) des BGH in VersR
92, 1263 (150.000,00 DM wegen völliger Taubheit und eine Vielzahl weiterer
gravierender Hirnschäden eines Neugeborenen aufgrund ärztlichen
Behandlungsfehlers bei der Entbindung) berücksichtigt.
134
III.
135
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 91 a, 93 ZPO.
136
Soweit die Parteien in der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz den
Rechtsstreit hinsichtlich eines Betrages von 100.000,00 DM für erledigt erklärt haben,
waren die Kosten, wie schon die Kammer zutreffend ausgeführt hat, der Klägerin
aufzuerlegen, weil die von dieser erhobene Schmerzensgeldklage vor der in der
mündlichen Verhandlung von den Parteien einverständlich getroffenen
Verrechnungsabrede jedenfalls in Höhe von 120.000,00 DM unbegründet war. Insoweit
hatte die Haftpflichtversicherung der Beklagten eine Zahlung unstreitig bereits geleistet.
Bei dieser Leistung hatten weder die Beklagten, noch ihre Haftpflichtversicherer eine
Leistungsbestimmung getroffen, sondern sich eine solche lediglich vorbehalten, was
grundsätzlich zulässig ist (vgl. Palandt-Heinrichs, § 366 Rdnr. 4 m.w.N.). Allerdings
haben die Beklagten in der Folgezeit nicht innerhalb einer angemessenen Frist eine
Leistungsbestimmung getroffen, so daß ihr Bestimmungsrecht erloschen war (Palandt
137
a.a.O.). Gleichwohl war die Klägerin nicht zu der von ihr vorgenommenen freien
Verrechnung der geleisteten Zahlung auf beliebige Schadenspositionen berechtigt. In
derartigen Fällen greift vielmehr die Bestimmung des § 366 BGB ein (Palandt a.a.O.),
mit der Folge, daß die geleisteten Zahlungen, sofern sie nicht zur Begleichung
sämtlicher Forderungen den Gläubigers ausreichen, zuerst auf die ältesten Forderungen
zu verrechnen ist. Da die Schmerzensgeldforderung der Klägerin schon mit dem Eintritt
des Schadens entstanden ist, war die geleistete Zahlung mithin auf diese Forderung zu
verrechnen. Dies hätte die Klägerin bei der Klageerhebung berücksichtigen und ihren
Schmerzensgeldanteil entsprechend reduzieren müssen.
Nachdem die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht
eine abweichende Verrechnungsabrede getroffen und den Rechtsstreit wegen des
Schmerzensgeldanspruches in Höhe von 100.000,00 DM für erledigt erklärt haben, sind
die insoweit angefallenen Kosten mithin im Rahmen der zu treffenden
Kostenentscheidung der Klägerin aufzuerlegen.
138
Bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen war ferner, daß die Beklagten
hinsichtlich der von der Klägerin gestellten Feststellungsanträge ein sofortiges
Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO abgegeben und insoweit keine Veranlassung zur
Klageerhebung gegeben haben mit der Folge, daß die hierdurch entstandenen Kosten
ebenfalls der Klägerin zu belasten waren.
139
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
140
Streitwert für das Berufungsverfahren: 331.814,00 DM
141
Beschwer für die Klägerin: unter 60.000,00 DM
142
Beschwer für die Beklagten: über 60.000,00 DM
143