Urteil des OLG Köln vom 19.03.1993

OLG Köln (bewährung, stgb, widerruf, verbindung, stpo, sache, strafe, beschwerdeführer, umstand, vollstreckung)

Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 115-116/93
Datum:
19.03.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 115-116/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 103 StVK 670/91 + 103 StVK 954/92
Tenor:
1. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Der Antrag der
Staatsanwaltschaft, die durch Beschluß der Strafvollstreckungskammer
des Landgerichts Köln (103 StVK 831/90) vom 19. September 1990 in
Verbindung mit dem Beschluß derselben Strafvollstreckungskammer
(103 StVK 670/91) vom 3. September 1991 sowie die durch Urteil des
Amtsgerichts Köln (522 Ds 183/91) vom 27. Juni 1991 bewilligte
Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen, wird zurückgewiesen. 2.
a) Die Bewährungszeit aus dem Beschluß der
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln (103 StVK 831/90)
vom 18. September 1990 in Verbindung mit dem Beschluß derselben
Strafvollstreckungskammer (103 StVK 670/91) vom 3. September 1991
wird um 1 Jahr auf nunmehr 6 Jahre verlängert. b) Die Bewährungszeit
aus dem Urteil des Amtsgerichts Köln (522 Ds 183/91) vom 27. Juni
1991 in Verbindung mit dem Bewährungsbeschluß vom selben Tage
wird um 1 Jahr auf 5 Jahre verlängert. c) Im übrigen verbleibt es bei den
Auflagen und Weisungen aus den Bewährungsbeschlüssen der
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln vom 19. September
1990 und des Amtsgerichts Köln vom 27. Juni 1991. 3. Die Kosten des
Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen
Auslagen des Verurteilten hat die Staatskasse zu tragen.
G r ü n d e
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I.
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Durch Urteil des Amtsgerichts Köln (703 Ds 330/89) vom 2. Oktober 1989 ist gegen
den Beschwerdeführer wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in einem
besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den
Straßenverkehr und mit Nötigung sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis eine Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verhängt worden. Im
Berufungsverfahren ist durch Urteil des Landgerichts Köln (153-270/89) vom 9.
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Februar 1990 unter Einbeziehung einer an-derweitigen Strafe auf eine
Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Monaten erkannt worden. Die Strafvollstrek-
kungskammer des Landgerichts Köln (103 StVK 831/90) hat mit Beschluß vom 19.
September 1990 die Voll-streckung des Restes der Strafe mit Wirkung zum 13.
November 1990 gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur Bewäh-rung ausgesetzt und die
Bewährungszeit auf 3 Jahre festgesetzt. Mit Beschluß derselben Strafvollstrek-
kungskammer (103 StVK 670/91) vom 3. September 1991 ist die Bewährungsfrist um
2 Jahre auf 5 Jahre verlängert worden, weil der Verurteilte (wie nach-stehend
wiedergegeben) erneut straffällig geworden war.
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Durch Urteil des Amtsgerichts Köln (522 Ds 183/91) vom 27. Juni 1991 ist gegen den
Beschwerdeführer wegen gemeinschaftlicher Urkundenfälschung (Tat-zeit: bis zum
26. September 1990) eine Freiheits-strafe von 5 Monaten verhängt worden, deren
Voll-streckung auf 4 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wor-den ist.
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In der Folgezeit ist der am 13. November 1990 aus der Strafhaft entlassene
Verurteilte am 14. Ju-ni 1992 erneut straffällig geworden. Er ist durch Urteil des
Amtsgerichts Köln (702 Ds 363/92) vom 11. November 1992 (rechtskräftig seit
demselben Tage) wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit
vorsätzlichen Fahren ohne Fahr-erlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten
verurteilt worden. Die Vollstreckung dieser Frei-heitsstrafe ist wiederum zur
Bewährung ausgesetzt worden. Das Amtsgericht hat die Bewährungszeit auf 5 Jahre
festgesetzt und dem Verurteilten u.a. die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von
2.000,00 DM in monatlichen Raten von 100,00 DM an eine gemein-nützige
Vereinigung aufgegeben.
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In Hinblick auf die erneute Verurteilung vom 11. Juni 1992 hat die
Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln mit Beschluß vom 26. Januar
1993 die durch Beschluß der Strafvollstreckungskammer vom 19. September 1990
sowie durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 25. Januar 1991 bewilligten
Strafaussetzungen zur Bewährung widerrufen.
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Gegen diese am 2. Februar 1993 zugestellte Ent-scheidung richtet sich die sofortige
Beschwerde vom 9. Februar 1993, bei Gericht eingegangen am selben Tage.
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II.
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Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO statthaft und auch
sonst zulässig.
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In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Von einem Widerruf der Aussetzung der
dem Verurteilten bewilligten Strafaussetzungen zur Bewährung nach § 56 f Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 StGB (in der Sache 103 StVK 670/91: in Verbindung mit § 57 Abs. 3 Satz
1 StGB) kann abgesehen werden. Eine Verlänge-rung der Bewährungszeit in der
Sache 522 Ds 183/91 AG Köln = 30 VRs 1291/91 StA Köln nach § 56 f Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 StGB ist angesichts der Beson-derheiten des vorliegenden Falles ausreichend.
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Allerdings hat der Verurteilte nach den Feststel-lungen des rechtskräftigen Urteils des
Amtsgerichts Köln vom 11. November 1992 in der Bewährungszeit (am 14. Juni
1992) eine erneute Straftat begangen. Er hat mit einer Blutalkoholkonzentration von
1,51 Promille und somit fahruntüchtig sowie ohne eine deutsche Fahrerlaubnis mit
einem Pkw am Stra-ßenverkehr teilgenommen.
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Statt eines Widerrufs der Strafaussetzungen zur Bewährung sind aber mildere
Maßnahmen nach § 56 f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB ausreichend. Dies gilt
insbesondere in Hinblick auf den Umstand, daß auch das Amtsgericht Köln in dem
Urteil vom 11. Novem-ber 1992 die Vollstreckung der wegen der Anlaßtat verhängten
Freiheitsstrafe wiederum zur Bewährung ausgesetzt hat, sowie in Hinblick auf die
Darlegun-gen der Bewährungshelferin T. zum Werdegang und den
Resozialisierungsbemühungen des Verurteilten in den laufenden Bewährungszeiten.
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Der angefochtene Beschluß mißt dem Umstand nicht genügende Bedeutung zu, daß
dem Beschwerdeführer wegen der Tat, die Anlaß der Prüfung des Wider-rufs ist, im
Urteil des erkennenden Amtsgerichts Köln vom 11. November 1992 erneut
Strafaussetzung zur Bewährung bewilligt worden ist. Für das Gericht, das über den
Widerruf zu entscheiden hat, ist es naheliegend und im allgemeinen wegen der
besseren Erkenntnismöglichkeiten des letzten Tatgerichts auch geboten, sich der
sach- und zeitnäheren Prognose dieses Gerichts anzuschlie-ßen (vgl. BVerfG NStZ
85, 357; grundsätzlich auch anerkannt in BVerfG NStZ 87, 118; ferner LG Ber-lin
MDR 88, 794; Schönke-Schröder/Stree, StGB, 24. Aufl., § 56 f Rdnr. 5;
Dreher/Tröndle, StGB, 45. Aufl., § 56 f Rdnr. 3 c; auch ständige Recht-sprechung des
Senats, zuletzt Beschluß vom 28. Au-gust 1992, 2 Ws 449/92). Dies gilt zwar nicht,
wenn die erneute Strafaussetzung zur Bewährung der Über-zeugungskraft entbehrt
(vgl. BVerfG NStZ 87, 118) und wesentliche Gesichtspunkte nicht oder völlig
unzureichend bewertet werden (vgl. Senatsbeschluß vom 15. Juni 1992, 2 Ws
299/92). Davon kann vor-liegend aber nicht ausgegangen werden, weil - wie in dem
angefochtenen Beschluß ausgeführt ist - die Strafaussetzung zur Bewährung in dem
Urteil vom 11. November 1992 "mit keinem Wort" begründet worden ist. Es hat sich
bei der Entscheidung vom 11. November 1992 um ein abgekürztes Urteil gemäß §
267 Abs. 4 StPO gehandelt, bei dem lediglich die Nennung der die Rechtsfolge
betreffenden gesetz-lichen Bestimmung (hier: § 56 StGB) erforderlich war. Wie sich
aus den vom Senat nunmehr beigezoge-nen Akten 702 Ds 363/92 AG Köln = 403
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VRs 6731/92 StA Köln ergibt, ist in der Hauptverhandlung vom 11. November 1992
die (erneute) Strafaussetzung zur Bewährung von der Staatsanwaltschaft beantragt
worden. Dies und die Entscheidung des Amtsgerichts beruhen nach dem
Hauptverhandlungsprotokoll auf der Vernehmung der Bewährungshelferin T., die den
Ange-klagten als einsichtsfähig bezeichnet hat, von dem keine Straftaten mehr zu
erwarten seien.
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Auch die Vorstrafen des Angeklagten und die laufen-den Bewährungszeiten sind
dem Amtsgericht bei der Urteilsfindung vom 11. November 1992 bekannt gewe-sen.
Daß wesentliche Gesichtspunkte nicht oder völ-lig unzureichend bewertet worden
seien und deswegen die erneute Strafaussetzung zur Bewährung der Über-
zeugungskraft entbehrt, kann folglich nicht festge-stellt werden.
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Auch aus den eingegangenen Berichten der Bewäh-rungshelferin T. - zuletzt vom 4.
Februar 1993 - kann darauf geschlossen werden, daß gemäß § 56 f. Abs. 2 StGB von
einem Widerruf abgesehen werden kann. Die Trunkenheitsfahrt ohne Führerschein
vom 14. Juni 1992 stellte sich als einmaliges Versagen seit der Haftentlassung vom
13. November 1990 dar. Die Resozialisierungsbemühungen des Angeklagten in der
Bewährungszeit sind insbesondere dadurch ge-kennzeichnet, daß er im Anschluß an
eine mona-telange Arbeitslosigkeit im Jahre 1992 bei der Firma Autohaus B. in Köln
eine Festanstellung als Kfz-Mechaniker gefunden hatte. Nachdem dieses
Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber aus Ratio-nalisierungsgründen beendet
worden war, ist es dem Angeklagten gelungen, am 1. Februar 1993 bei dem
Autohaus I. als Kfz-Mechaniker eingestellt zu wer-den. Wegen dieses
Arbeitsverhältnisses ist der Ver-urteilte auch in der Lage, die Geldbuße aus dem Be-
währungsbeschluß des Amtsgerichts Köln vom 11. No-vember 1992 in monatlichen
Raten zu je 100,00 DM zu erbringen.
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Die sich somit abzeichnende positive Entwicklung soll nicht durch einen Widerruf der
früheren Straf-aussetzungen zur Bewährung unterbrochen werden. Ge-mäß § 56 f
Abs. 2 Nr. 2 StGB hält es der Senat für ausreichend die Bewährungszeiten aus den
Beschlüs-sen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln (103 StVK
831/90 und 103 StVK 670/91) von zu-letzt 5 auf nunmehr 6 Jahre und aus dem Urteil
des Amtsgerichts Köln (522 Ds 183/91) von 4 auf 5 Jahre zu verlängern. Der
Verurteilte bleibt der Aufsicht der Bewährungshelferin T. unterstellt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechen-den Anwendung des § 467 Abs.
1 StPO.
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