Urteil des OLG Köln vom 18.01.1996

OLG Köln (verrechnung, zpo, saldo, zustellung, abrechnung, kontokorrent, frist, vertrag, 1995, gabe)

Oberlandesgericht Köln, 12 U 49/95
Datum:
18.01.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 U 49/95
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 2 O 245/94
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.1.1995 verkündete Urteil
der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 O 245/94 - teilweise
abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Der Vollstreckungsbescheid des
Amtsgerichts Hagen vom 7.4.1993 - 93-2075559-0-0 - wird mit der
Maßgabe aufrechterhalten, daß die Klägerin Zinsen nur in Höhe von 5 %
und erst ab dem 19.2.1993 beanspruchen kann. Im übrigen wird die
Klage unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheids abgewiesen. Die
weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die
weiteren in erster Instanz entstandenen Kosten des Rechtsstreits zu
tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin
auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat im wesentlichen Erfolg.
2
Die Klage ist bis auf einen Teil des Zinsanspruchs zwar nicht mit dem Haupt-, wohl aber
mit dem Hilfsbegehren der Klägerin begründet.
3
1.
4
Ansprüche auf Rückzahlung der - vorschußweise - gewährten Provisionen aus
abgetretenem Recht der Partnergesellschaften der Klägerin bestehen nicht. Hierbei
kann es offen bleiben, ob - wie das Landgericht mit guten Gründen gemeint hat - die
Verjährungseinrede des Beklagten durchgreift und inwieweit Stornierungen erfolgt sind.
5
Aus Stornierungen von Versicherungsverträgen konnten die Partnerunternehmen der
Klägerin Rückzahlungsansprüche nicht herleiten, weil derartige Ansprüche durch den
"Abrechnungsvertrag" vom 24.8.1988 im Wege einer zulässigen Vorausabtretung zum
Zwecke der Verrechnung an die Klägerin abgetreten waren und durch Einstellen in ein
Kontokorrent ihre rechtliche Selbständigkeit verloren hatten.
6
Aufgrund des "Mitarbeitervertrages" vom 13.8.1988 ist zwischen den Parteien ein sog.
"unechter" Handels- bzw. Versicherungsvertretervertrag zustandegekommen, bei dem
zwar der Klägerin als "Generalvertreterin" nur Koordinierungsaufgaben zukamen,
7
während der Beklagte an sich "normaler" Versicherungsvertreter der
Partnerunternehmen war (vgl. hierzu Baumbach/Hopt, HGB 29. Auflage, § 84 Rdn. 31
f.). Bereits in diesem Vertrag hatte indes der Beklagte die Klägerin u. a. ermächtigt, die
bei den Partnerunternehmen geführten Provisionskonten zusammenzuführen und im
Falle von Sollsalden einer Verrechnung zuzuführen (Ziff. 6.11).
Eine nähere Ausgestaltung dieser Verrechnungsmöglichkeit ist wiederum durch den
"Abrechnungsvertrag" zwischen den Parteien erfolgt.
8
Bei dem gesonderten Abrechnungsvertrag, in dem der Klägerin die Funktion einer
Verrechnungsstelle zugewiesen wurde, handelt es sich um einen multilateralen Vertrag,
da die Klägerin diesen nicht nur im eigenen Namen, sondern zugleich auch im Namen
und mit Vollmacht der im einzelnen bezeichneten Partnerunternehmen mit dem
Beklagten geschlossen hat. Inhaltlich liegt in der Provisionskontenzusammenführung
und der der Klägerin eingeräumten Befugnis, Gutschriften und Lastschriften über
Stornos pp. miteinander zu verrechnen, und zwar mit der Maßgabe, daß der Beklagte
nur einen Anspruch auf das sich aus der Verrechnung ergebende Guthaben zu den
nach Ziff. 2 des Vertrages vorgesehenen Abrechnungsterminen hatte, zunächst eine
Kontokorrentabrede im Sinne des § 355 HGB. Die Verrechnungsbefugnis der Klägerin
war wiederum verknüpft mit einer Ermächtigung der Partnerunternehmen an die
Klägerin, in deren Namen zum Zwecke der Verrechnung Forderungen an andere
Partnerunternehmen, gegen die Provisionsansprüche bestanden, sowie - unter
Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB - an sich selbst abzutreten (vgl.
letzter Absatz der Vorbemerkung sowie die in Ziff. 3. getroffenen Abreden zur
Verrechnung). Der Anspruch des Mitarbeiters gegen die Partnerunternehmen sollte
wiederum durch die Verrechnung und die Auszahlung des entsprechenden Guthabens
erfüllt sein (Ziff. 6.). Ferner ist für den Fall eines Widerspruchs des Mitarbeiters gegen
die Verrechnung von Habensalden bei einem Partnerunternehmen mit Sollsalden eines
anderen Unternehmens in Ziff. 6 ein gesondertes Verfahren vorgesehen, nämlich eine
Berechtigung der Klägerin, die Verrechnung (Abtretung) rückgängig zu machen und
eine Rückabtretung sowie einen Kontenausgleich vorzunehmen, wobei es für diesen
Fall Sache des jeweiligen Partnerunternehmens sein sollte, die strittige Lastschrift
außerhalb der Provisionskonten-Zusammenführung unmittelbar gegenüber dem
"Mitarbeiter" geltend zu machen.
9
Damit konnten Forderungen miteinander verrechnet werden, die ursprünglich nicht in
einem Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne des § 387 BGB zueinander standen, also
z.B. eine Gutschrift des Beklagten aus einem Provisionsanspruch gegen den D. mit
einer Lastschrift der I. aus einer Stornierung saldiert werden.
10
Die Zulässigkeit einer derartigen multilateralen Verrechnung, bei der die Aktiva und
Passiva aller Beteiligten des Abrechnungsverhältnisses mit Erfüllungswirkung im Wege
der Skontration miteinander verrechnet werden, ist allgemein anerkannt und vor allem
im Bankwesen bei den Abrechnungsstellen der Deutschen Bundesbank üblich (vgl.
BGH WM 1972, 1379 sowie Canaris, Bankvertragsrecht Rdn. 878 ff., insbes. Rdn. 885).
11
Es ist bei der aufgezeigten Vertragsgestaltung zwar klargestellt, daß die Klägerin bei
den Verrechnungen, soweit es nicht um eigene Forderungen geht, nicht im eigenen,
sondern im fremden Namen handelt. Die Abwicklung der Verrechnung selbst,
insbesondere die Führung des Kontokorrentkontos mit periodischen Abrechnungen 2-
mal im Monat sollte aber wiederum ihre eigene Aufgabe sein. Sie selbst ist auch
12
diejenige, die Schuldnerin eines Auszahlungsanspruchs des Vertreters aus einem
etwaigen positiven Saldo sein sollte.
Die Kontokorrentabrede führt dazu, daß nicht nur die Klägerin, sondern auch die hieran
beteiligten Partnerunternehmen auf die einzelnen Lastschriften nur hätten zurückgreifen
können,
13
wenn zu einem bestimmten Abrechnungsdatum ein Negativsaldo entstanden wäre
und die jeweiligen Partnerunternehmen statt des für diesen Fall in Ziff. 3.2 des
Vertrags grundsätzlich vorgesehenen Saldovortrags Zahlung verlangt hätten
14
oder Forderungen über das Rückabwicklungsverfahren nach Ziff. 5 des
Abrechnungsvertrags gesondert aus dem Kontokorrent herausgelöst worden
wären.
15
Für beide Alternativen hat die Klägerin Tatsachen nicht dargetan.
16
2.
17
Der Klägerin steht indes entsprechend ihrem Hilfsbegehren der Klageanspruch aus
eigenem Recht zu. Sie hat - wie oben näher ausgeführt wurde - einen Anspruch auf den
letzten dem Beklagten mitgeteilten Saldo. Dieser beläuft sich auf 18.360.84 DM
entsprechend der Abrechnung vom 6.2.1993. In dieser Abrechnung sind aber wiederum
nur Kosten von 30,00 DM und 2,50 DM zusätzlich verbucht worden, die wiederum als
Nebenforderungen Gegenstand des Vollstreckungsbescheids sind (GA 3, 4). Exakt der
Klagebetrag ergibt sich unter Außerachtlassung dieser Kosten aufgrund der
vorhergehenden Abrechnung vom 27.1.1993, die mit einem Sollsaldo des
Provisionskontos von 21.627,44 DM und einer Stornoreserve von 3.299,10 endet.
18
Das Bestreiten dieser Salden durch den Beklagten mit Nichtwissen ist unzulässig. Der
Beklagte zeigt mit seinem Vortrag, ihm seien die von der Klägerin mit Schriftsatz vom
11.9.1995 übermittelten Unterlagen "jedenfalls überwiegend erstmals zugänglich"
gemacht worden, nicht nachvollziehbar auf, daß er die letzten Salden vorprozessual
nicht erhalten hat. Im übrigen hat er jedenfalls nunmehr die Abrechnungsunterlagen
erhalten und wäre gehalten gewesen, sich hierzu zu erklären (§ 138 Abs. 2 ZPO).
Nachdem aber eine nähere Äußerung weder innerhalb der gesetzten Frist, noch
nachträglich erfolgt ist, läßt sich dem Vorbringen des Beklagten nicht entnehmen, in
welchen Punkten genau er die Richtigkeit der Abrechnungen angreift, und zwar
unabhängig von der Genehmigungsfiktion der Nr. 7.2 des Abrechnungsvertrags.
19
Eine andere Beurteilung ergäbe sich auch dann nicht, wenn auch das
Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien mit der Beendigung der Tätigkeit des
Beklagten für die Klägerin am 30.9.1992 geendet hätte; denn in den beiden zeitnah mit
dem Ausscheiden gefertigten Abrechnungen Nr. 12 und 13/92 vom 25.9. und
24.10.1992 sind bei einer Stornoreserve von 3.285,38 DM Sollsalden von 21.693,17 DM
20
bzw. 21.691,78 DM ausgewiesen.
Die nach alledem berechtigte Forderung der Klägerin ist auch bei Anwendung der 12-
monatigen Verjährungsfrist der Nr. 8.4 des Mitarbeitervertrags selbst dann nicht verjährt,
wenn auf den Saldo vom 24.9.1992 und nicht auf den letzten vom 6.2.1993 abgestellt
würde; denn die Frist ist durch die Zustellung des Mahnbescheids am 18.2.1993, mit
dem die Klägerin Ansprüche aus eigenem Recht geltend gemacht hatte, gem. § 209
Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB rechtzeitig unterbrochen worden. Die Wirkung dieser
Unterbrechung ist auch nicht gem. den §§ 213, 212 a , 211 Abs. 2 BGB fortgefallen;
denn der lange Zeitraum zwischen dem Erlaß des Vollstreckungsbescheids am
7.4.1993 und dessen Zustellung am 6.5.1994 beruht nach dem Inhalt des
Aktenausdrucks nach § 696 Abs. 2 ZPO nicht auf einem Nichtbetreiben des
Mahnverfahrens der Klägerin, sondern nur darauf, daß Zustellungen zunächst nicht
möglich waren.
21
3.
22
Der Zinsanspruch ist gem. den § 291 BGB, 352 HGB erst ab dem Tag nach Zustellung
des Mahnbescheids begründet. Die Klägerin hätte zwar auch für die Zeit ab Erteilung
des Saldos vom 6.2.1993 Fälligkeitszinsen nach § 353 HGB beanspruchen können. Sie
legt indes nicht dar, wann genau der Beklagte den letzten Saldo erhalten hat. Auch hat
sie ihr Vorbringen über die Inanspruchnahme von Bankkredit trotz Bestreitens durch den
Beklagten nicht näher substantiiert, insbesondere die für diesen Fall angekündigte
Bankbescheinigung nicht vorgelegt.
23
Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gem. § 97 Abs. 2 ZPO der Klägerin
aufzuerlegen, da ihr Obsiegen nur auf neuem Sachvortrag beruht, den sie bereits in
erster Instanz hätte geltend machen können. Im übrigen beruhen die prozessualen
Nebenentscheidungen auf den §§ 91, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
24
Beschwer für beide Parteien: nicht mehr als 60.000,00 DM
25