Urteil des OLG Köln vom 10.06.2005
OLG Köln: zukunft, treppenhaus, reparaturkosten, abrede, farbe, duldungspflicht, ermessen, rückerstattung, verzicht, linienführung
Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 39/05
Datum:
10.06.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 39/05
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 186/01
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den
Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20.1.2005 -
29 T 186/01 - wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die
Antragsgegner.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
G r ü n d e :
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Die nach den §§ 45 Abs. 1 WEG, 22, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere
Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat den Sachverhalt fehlerfrei festgestellt und ist ohne Rechtsfehler zu
dem Ergebnis gelangt, dass den Antragstellern der geltend gemachte
Beseitigungsanspruch aus den §§ 1004, 823 BGB in Verbindung mit § 22 WEG zusteht.
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Von Gesetzeswegen ist zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die von
den Antragsgegnern vorgenommenen Veränderungen im Hausflur, und zwar im
Eingangsbereich ihrer Wohnungseinheiten, als bauliche Veränderung im Sinne von §
22 Abs. 1 WEG bewertet, mit der Folge, dass grundsätzlich die - hier fehlende -
Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer erforderlich wäre. Dass die Entfernung
der Kabelkanäle und der Kugelleuchten sowie die Anbringung einer abgehängten
Decke und die Verlegung der Elektroleitungen unter Putz über die ordnungsgemäße
Instandhaltung oder Instandsetzung hinausgehen, bedarf keiner näheren Darlegung und
wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen.
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Die Zustimmung aller Wohnungseigentümer wäre nur dann entbehrlich, wenn sie durch
die baulichen Maßnahmen keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben
unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil erleiden würden (§ 22 Abs. 1 S. 2 i.V.m.
§ 14 Nr. 1 WEG). Unter einem Nachteil im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG ist jede nicht ganz
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unerhebliche konkrete und objektive Beeinträchtigung zu verstehen, wobei
entscheidend ist, ob sich ein Wohnungseigentümer nach der Verkehrsanschauung in
der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann. Dabei
entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass auch eine optische Beeinträchtigung
einen Abwehranspruch begründen kann. Ob eine solche gegeben ist, liegt weitgehend
auf dem Gebiet tatrichterlicher Würdigung, die vom Rechtsbeschwerdegericht nicht auf
ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüft werden kann, ob ihr Ergebnis
auf einem Rechtsfehler beruht. Dabei ist im Rahmen dieser Überprüfung zu
berücksichtigen, dass es im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 22 Abs.1 S.2
WEG verfassungsrechtlich geboten ist, die Schwelle einer Beeinträchtigung der Rechte
der Wohnungseigentümer durch eine bauliche Veränderung eines
Wohnungseigentümers niedrig anzusetzen (BVerfG, Beschluss vom 22.12.2004 - 1 BvR
1806/04 in NJW-RR 2005, 454).
Die Beschwerdeentscheidung weist keine Rechtsfehler auf.
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Das Landgericht hat aufgrund der vorgelegten Lichtbilder über die ausgeführten
baulichen Veränderungen festgestellt, dass durch diese von den Antragsgegnern
durchgeführten Maßnahmen der optische Gesamteindruck der Hausflure nachhaltig
gestört, insbesondere in die architektonisch geplante einheitliche Gestaltung
eingegriffen worden ist. Entgegen den Ausführungen in der Rechtsbeschwerde hat das
Landgericht nicht dadurch gegen § 12 FGG verstoßen, dass es keinen Augenschein
eingenommen hat. Angesichts des aussagekräftigen in den Akten befindlichen
Fotomaterials war die Durchführung eines Ortstermins nicht erforderlich. Aus der von der
Rechtsbeschwerde zitierten Entscheidung des Bayerischen Oberlandesgerichts vom
7.10.1999 - 2 Z BR 82/99 - ergibt sich nichts anderes; das Bayerische
Oberlandesgericht hat es vielmehr in dieser Entscheidung - wie auch in anderen (vgl.
BayObLG ZMR 2001, 176; Beschluss vom 28.7.2004 - 2 ZBR 090/04) - ausdrücklich
gebilligt, dass das Beschwerdegericht seine Entscheidung zu dem behaupteten
Nachteil einer baulichen Veränderung auf aussagekräftige Lichtbilder stützte. Die
vorliegend bei den Akten befindlichen Fotos stellen eine ausreichende Grundlage für
die Würdigung des Beschwerdegerichts dar. Es ist sowohl der ursprüngliche Zustand
als auch die durch die Neugestaltung hervorgerufene Veränderung deutlich zu
erkennen; auch liegen zum Vergleich Lichtbilder anderer Treppenhausbereiche vor (Bl.
301 ff. d.A.). Auch wenn von den Antragsgegnern die farbliche Grundkonzeption nicht
verändert worden sondern die Kombination rot-weiß weiterhin vorhanden ist (roter
Fliesenbelag, weiß gestrichene Wände), so fehlen jedoch nunmehr nach Entfernung der
Kabelkanäle die horizontalen und vertikalen, in den Farben rot-weiß gehaltenen
baulichen Elemente. Im Hinblick darauf, dass - unstreitig - die Kabelkanäle weitgehend
in allen Treppenhäusern des Gebäudekomplexes über Putz und in der Farbgestaltung
rot-weiß verlegt worden sind, insbesondere auch der hier von den Veränderungen
betroffene Flur keine abweichende Ausführung aufweist, lässt die Feststellung des
Landgerichts, dass die baulichen Maßnahmen der Antragsgegner eine ästhetisch
nachteilige Änderung des optischen Gesamteindrucks des Treppenhauses bewirkt
haben, einen Rechtsfehler nicht erkennen. Dabei spielt es keine maßgebliche Rolle,
dass der Gebäudekomplex C acht verschiedene Treppenhäuser aufweist, die aus
unterschiedlichen Baujahren stammen und unterschiedliche Baustile aufweisen, da die
Kabelkanäle - was unstreitig ist - in fast allen Treppenhäusern gleichermaßen über Putz
und in der selben Farbgestaltung - wenn auch teilweise in unterschiedlicher
Linienführung - verlegt sind. Auch die Tatsache, dass im Jahre 1994 im Treppenhaus
des Blocks N-Straße 1 in Teilbereichen von der Verlegung eines Fußbodens in roter
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Farbe abgesehen und ein blauer Teppichboden eingebracht wurde, lässt die Würdigung
des Landgerichts nicht als rechtsfehlerhaft erscheinen. Dies gilt im Hinblick darauf, dass
es sich um ein gesondertes Treppenhaus handelt und die Verlegung eines blauen
Teppichbodens dort den hier in Rede stehenden einheitlich in den Farben rot-weiß
gestalteten Treppenhausbereich nicht unmittelbar tangiert. Soweit die Antragsgegner
die Feststellungen des Beschwerdegerichts in Abrede stellen, wollen sie ihre eigene
Tatsachenwürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts setzen, womit sie im
Verfahren der Rechtsbeschwerde keinen Erfolg haben können.
Das Landgericht, auf dessen Ausführungen insoweit verwiesen wird, hat des weiteren
zutreffend ausgeführt, dass eine konkrete Beeinträchtigung der Antragsteller auch nicht
wegen der jeweiligen Standorte ihrer Wohnungen verneint werden kann und es auch
nicht von Bedeutung ist, ob die antragstellenden Wohnungseigentümer selbst in der
Anlage wohnen. Allenfalls dann, wenn eine bauliche Veränderung völlig den Blicken
der übrigen Wohnungseigentümer entzogen ist, kommt eine Duldungspflicht in Betracht.
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Im übrigen ist ein Nachteil der Antragsteller im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG auch darin zu
sehen, dass die Eigentümergemeinschaft in Zukunft mit der streitigen Frage befasst
werden kann, ob im Falle einer Störung wegen der unter Putz verlegten Kabelkanäle
zusätzliche Reparaturkosten entstehen, die die Antragsgegner zu tragen haben. Auch
wenn die Antragsgegner sich bereit erklärt haben, jedwede Mehrkosten unter Verzicht
auf die Vorauseinrede zu zahlen, kommt nach ihrem Vortrag eine Rückerstattung in dem
Fall in Betracht, dass ihnen auf sachverständigem Wege ein anderer Störungspunkt
bekannt werden sollte. Trotz der Kostenvorleistung der Antragsgegner sind deshalb in
Zukunft Streitereien über die Frage der Ursächlichkeit entstandener Reparaturkosten,
die möglicherweise nur unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären sind,
nicht ausgeschlossen. Die Befassung der Eigentümergemeinschaft mit solchen Fragen,
die sich ohne die bauliche Veränderung der Antragsgegner nicht ergeben würden, stellt
einen Nachteil dar, der nicht als ganz unerheblich angesehen werden kann.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, den
unterlegenen Antragsgegnern die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
aufzuerlegen. Im übrigen besteht keine Veranlassung, von dem in § 47 WEG
bestimmten Kostengrundsatz abzuweichen, wonach die Verfahrensbeteiligten die ihnen
entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.
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Der Geschäftswert für die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 48 Abs. 3 WEG auf
8.000,00 Euro festgesetzt und entspricht der nicht angegriffenen Wertfestsetzung des
Landgerichts.
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