Urteil des OLG Köln vom 27.11.1996
OLG Köln (wirtschaftliche einheit, abrechnung, zpo, höhe, falle, abschreibung, vertrag, umstände, verkäufer, darlehensgeber)
Oberlandesgericht Köln, 2 U 51/96
Datum:
27.11.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 U 51/96
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 3 0 252/95
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. 2. Auf die
Anschlußberufung der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des
Landgerichts Bonn vom 7. Mai 1996 - 3 0 252/95 teilweise abgeändert
und wie folgt neu gefaßt: Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts
Hagen vom 7. Juni 1995 - 95-2095...-.-. - wird mit der Maßgabe
aufrechterhalten, daß die Beklagte verurteilt wird, an die Kläge-rin über
die in erster Instanz zuerkannten 21.683,43 DM nebst 4 % Zinsen seit
dem 11. April 1995 hinaus weitere 1.692,-- DM nebst 4 % Zinsen seit
dem 11. April 1995 aus 1.900,-- DM und seit dem 23. Oktober 1996 aus
1.692,-- DM zu zahlen. 3. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits trägt
die Beklagte. 4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 5.Der Wert der
Beschwer übersteigt für keine der Parteien 60.000,-- DM.
Darlehensauszahlung per Monat 6/89:
55.000,00
DM
Zinsen für Monate 2/90 - 2/95:
+ 5.319,71
DM
60.319,71
DM
Abzüglich geleisteter Zahlungen:
1) Tilgung und Zinsen für Monate 10/89 - 11/91:
- 10.366,28
DM
2) Gutschrift Thekenanlage:
- 23.000,00
DM
3) Versteigerungerlöse Auktionshaus Z. (netto)
a) Abrechnung vom 01.09.92: 608,00 DM b) Abrechnung vom 05.09.92: 3.184,00
DM c) Abrechnung vom 17.10.92: 2.408,00 DM 6.200,00 DM ./. Vers.-Steuer -
930,-- DM
5.270,00 DM
- 5.270,00 DM
d) Abrechnung vom 05.12.92:
208,00 DM - 208,00 DM
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
(Abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 2. Alt. ZPO).
2
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die gleichfalls zulässige
Anschlußberufung der Klägerin ist, soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, begründet.
3
1.
4
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen restlichen Darlehensrückzahlungsanspruch
in Höhe von noch 21.475,43 DM gemäß § 607 Abs. 1 BGB i.V.m. § 6 c des Darlehens-
und Bierlieferungsvertrages vom 24. Mai/1. Juni 1989.
5
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, daß sich die Rückabwicklung des von
der Beklagten durch Einstellung des Gastronomiebetriebs zum 30. November 1991
beendeten (kombinierten) Darlehens- und Bierlieferungsvertrages nicht nach dem
Abzahlungsgesetz richtet. Auf diesen vor Inkrafttreten des Verbraucherkreditgesetzes
(am 1. Januar 1991) abgeschlossenen Vertrag ist nach der Übergangsregelung des Art.
9 Abs. 1 des Gesetzes über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozeßordnung
und anderer Gesetze vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2840) grundsätzlich das
bisherige Recht (mit Ausnahme der §§ 6 a und 6 b des AbzG) anwendbar. Mit Recht hat
das Landgericht den Darlehensvertrag jedoch nicht als Teil-Geschäft eines finanzierten
Abzahlungskaufs im Sinne der §§ 1 ff, 6 AbzG angesehen. Zwar zeigt die gesamte
Vertragsgestaltung eine Reihe (auch typischer) Verbindungselemente zwischen den
verschiedenen Einzel-Verträgen (Darlehensvertrag - Bierlieferungsvertrag -
Inventarkaufverträge). Sie entspricht aber insgesamt nicht den vom Bundesgerichtshof
in ständiger Rechtsprechung gestellten Anforderungen an eine wirtschaftliche Einheit
von Darlehen und Kaufgeschäft. Danach liegt eine die Anwendung des
Abzahlungsgesetzes rechtfertigende notwendige wirtschaftliche Einheit der rechtlich
selbständigen Darlehens- und Kaufverträge nur dann vor, wenn sie sich wechselseitig
bedingen oder der eine Vertrag
6
seinen Sinn erst durch den anderen erhält. Dazu bedarf es zunächst objektiv der
Verbindung beider Geschäfte durch bestimmte Umstände (Verbindungselemente).
Diese müssen aber darüber hinaus subjektiv beim Darlehensnehmer - für den
Darlehensgeber erkennbar - den Eindruck erwecken, Verkäufer und Darlehensgeber
stünden ihm gemeinsam als Vertragspartner gegenüber. Dem Käufer muß beim
Abschluß des Kaufvertrages der Eindruck vermittelt werden, der - mit dem Verkäufer
zusammenarbeitende - Darlehensgeber gewähre ihm das Darlehen nur, um ihm die
Tilgung des Kaufpreises zu ermöglichen (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1072, 1073; NJW
1989, 163, 164 - m. w. N.).
7
Als objektiv verbindende Elemente eines Einheitsvertrages im Sinne eines
Abzahlungskaufs - auch in Form eines Umgehungsgeschäfts gemäß § 6 AbzG -
erscheinen im vorliegenden Falle insbesondere:
8
Der zeitliche und kausale Zusammenhang der verschiedenen Geschäfte mit dem
Hauptziel der Gesamtrenovierung der Gaststätte als Grundlage einer langjährigen
Bierbezugsverpflichtung; die erkennbare Zweckbindung des Darlehens zur
9
Finanzierung der Gaststättenausstattung (Schankanlage, Thekeneinkleidung und
Mobiliar); die Sicherung dieser Zweckverwendung durch unmittelbare Bezahlung der
Lieferanten aus dem Kreditkonto; die Vorlage von Auftragsbestätigungen und
Lieferanten-Rechnungen an die Klägerin.
Für eine rechtlich isolierte Einordnung des Darlehensvertrags sprechen insbesondere
folgende Umstände:
10
Die Klägerin hat die Vermietung/Verpachtung der Gaststätte - anders als die Brauerei in
dem ähnlich gelagerten, vom Bundesgerichtshof entschiedenen Falle NJW 1989, 163 f -
nicht vermittelt; die Beklagte selbst hat sowohl die Initiative zum Vertragsabschluß mit
dem Hauseigentümer/Vermieter ergriffen als auch die Vertragsbeendigung gegen eine
Abstandszahlung vollzogen. Zwischen der Klägerin und den drei verschiedenen
Lieferanten (Verkäufern) bestanden keinerlei Geschäftsbeziehungen. Diese haben
gegenüber der Klägerin keine Mithaftung für den Kredit übernommen. Schließlich hat
die Beklagte - anders auch als im besagten Falle BGH NJW 1989, 163 f - mit den
jeweiligen Lieferanten selbst verhandelt und eigenverantwortlich kontrahiert. Nach dem
eindeutigen Inhalt des Darlehens- und Bierlieferungsvertrages (§ 6 c) mußte für die
Beklagte klar sein, daß die Fälligkeit des gesamten Darlehensrestes von der durch sie
veranlaßten Betriebseinstellung, nicht aber vom Schicksal der verschiedenen, durch die
Lieferanten bereits erfüllten Kaufverträge abhängig war. Die Sicherungsübereignung
des Inventars an die Klägerin ist als solche noch kein zwingendes Indiz für ein
Abzahlungsgeschäft (vgl. MüKo-Westermann, BGB, 2. Aufl., § 6 AbzG Rn. 30 f, 33 - m.
w. N.). Die in § 7 des Vertrages geregelte - durch handschriftlichen Zusatz auch optisch
hervorgehobene - Verpflichtung der Klägerin zur bestmöglichen Verwertung der
sicherungsübereigneten Gegenstände und das zugleich der Beklagten hierzu
eingeräumte Mitwirkungsrecht haben auch für die Beklagte hinreichend deutlich
gemacht, daß das Risiko einer optimalen Sicherungsverwertung bei vorzeitiger
Beendigung der Geschäftsverbindung nicht auf Seiten der darlehensgewährenden
Klägerin liegen sollte. Daß die Sicherungsverwertung durch die Klägerin von der
Beklagten nicht als fiktive Ausübung des (Verkäufer-)Rücktrittsrechts im Sinne des § 5
AbzG mit der Folge einer Haftungsfreistellung aus der
Darlehensrückzahlungsverpflichtung aufgefaßt worden ist, beweist ihr engagiertes
Bemühen um bestmögliche Verwertung des Sicherungsgutes und damit Reduzierung
ihrer - fortbestehenden - Kreditverbindlichkeit.
11
In der Gesamtwürdigung der für und gegen die Annahme eines (verdeckten) finanzierten
Abzahlungsgeschäfts sprechenden Umstände gelangt der Senat in Übereinstimmung
mit dem Landgericht zu dem Ergebnis, daß hier eine wirtschaftliche Einheit zwischen
dem Darlehens- und Bierlieferungsvertrag einerseits und den mit verschiedenen
Lieferanten abgeschlossenen und abgewickelten Kaufverträgen andererseits nach
Maßgabe der vom Bundesgerichtshof vorgegebenen Abgrenzungskriterien zu
verneinen ist.
12
Die Höhe des damit nach § 607 Abs. 1 BGB zustehenden Anspruchs auf Rückzahlung
des restlichen Darlehens hat die Klägerin schlüssig und von der Beklagten nicht
substantiiert bestritten wie folgt dargetan:
13
(Lt. übereinstimmender Erledigungs-
14
erklärung vom 23.10.1996) 21.475,43 DM
15
============
16
2.
17
Über diesen Darlehensrückzahlungsanspruch hinaus kann die Klägerin von der
Beklagten entgegen der Auffassung des Landgerichts eine zeitanteilige Erstattung des
gewährten Zuschusses nach den Regeln über die Rechtsfolgen eines Wegfalls der
Geschäftsgrundlage gemäß den §§ 242, 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB verlangen.
18
Nach den §§ 1 und 5 des Darlehens- und Bierlieferungsvertrages sollte der
Zuschußbetrag in Höhe von 3.000,-- DM zuzüglich 14 % Mehrwertsteuer (420,-- DM)
von der Brauerei "intern abgeschrieben" werden. Nähere Erläuterungen zum Zweck
dieser Zuschußgewährung sowie Regelungen zu den Modalitäten der "internen
Abschreibung" und einer etwaigen Teil-Erstattung enthält der Vertrag nicht. Im Hinblick
auf die von beiden Vertragsparteien in die zehnjährige Laufzeit des Vertrages gesetzten
Erwartungen konnte diese Zuschußgewährung aber erkennbar nicht als ein in jedem
Falle - d.h. auch bei alsbaldiger bzw. sofortiger Vertragsbeendigung - in voller Höhe
"verlorener" Zuschuß angesehen werden. Die Abschreibung des Zuschusses war aus
dem Gesamtzusammenhang von beiden Seiten als eine zeitanteilig - kontinuierliche
Abrechnung zu verstehen. Entsprechend erfolgte dann auch während der etwa
zweijährigen Vertragsdauer eine monatliche Teil-Abrechnung (Gutschrift) von 25,-- DM.
Mit der von der Beklagten veranlaßten vorzeitigen Vertragsbeendigung ist die
Geschäftsgrundlage für Zuschuß-Einbehalt und Rest-Abschreibung entfallen. Da der
Beklagten eine Fortsetzung der Geschäftsbeziehung unter den gegebenen Umständen
nicht zumutbar war und somit eine Vertragsanpassung als Rechtsfolge des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kam, erfolgt die Rückabwicklung des beendeten
Vertrages nach Bereicherungsrecht (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 130 - 132;
LG Tübingen, NJW-RR 1992, 112 f).
19
Danach ist die Beklagte zur zeitanteiligen Erstattung des Zuschusses für die
Restlaufzeit des vorzeitig beendeten Vertrages verpflichtet:
20
Nettozuschuß: 3.000,-- DM
21
./. 44 Monate a 25,-- DM
22
(vom 01.06.89 bis zum 31.01.93) - 1.100,-- DM
23
1.900,-- DM
24
Die der Klägerin noch zustehende Rest-Forderung errechnet sich wie folgt:
25
1. Darlehensrückzahlungsanspruch: 21.475,43 DM
26
2. Zuschuß - Teilerstattung: + 1.900,-- DM
27
23.375,43 DM
28
./. erstinstanzlich zuerkannter - 21.683,43 DM
29
1.692,00 DM
30
===========
31
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 284, 288 BGB.
32
3.
33
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 91 ZPO sowie hinsichtlich des in
der Berufungsverhandlung in Höhe von 208,-- DM nebst Zinsen in der Hauptsache
übereinstimmend für erledigt erklärten Rechtsstreits auf § 91 a ZPO.
34
4.
35
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
36
5.
37
Die von der Beklagten angeregte Zulassung der Revision gemäß § 546 Abs. 1 ZPO ist
nicht veranlaßt.
38
Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (Satz 2 Nr. 1) noch weicht das Urteil
von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab (Satz 2 Nr. 2). Die Problematik des
finanzierten Abzahlungskaufs ist in gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung
geklärt. Der vorliegende Fall enthält keine Ansätze für einen grundlegend -
ergänzenden Klärungsbedarf. Das Urteil hält sich in den Grenzen der in ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien und
unterscheidet sich im Ergebnis von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.
Juli 1988 (NJW 1989, 163 f) nur aufgrund unterschiedlicher Sachlage der beiden Fälle.
39
Streitwert bis zur Teilerledigungserklärung
40
am 22. Oktober 1996: 23.583,43 DM
41
danach: 23.375,43 DM.
42