Urteil des OLG Köln vom 05.11.1993
OLG Köln (schutz der gesundheit, verpackung, gebrauchsanweisung, uwg, bundesrepublik deutschland, kennzeichnung, höhe, format, inhalt, form)
Oberlandesgericht Köln, 6 U 4/93
Datum:
05.11.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 4/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 486/92
Schlagworte:
Wettbewerb; Pflanzenschutzmittel; Gebrauchsanweisung; Plazierung;
Gefahrenkennzeichnung
Normen:
§ 1 UWG; § 20 ABS. 2 NR. 6 PFLSCHG; § 7 ABS. 1 GFSTOFFVO
Leitsätze:
1. Die nach § 20 Abs. 2 Nr. 6 PflSchG vorgeschriebene
Gebrauchsanleitung muß auf dem Gefäß angebracht sein. Das bloße
Beifügen auf einem gesonderten und nicht mit der vollen Fläche fest mit
dem Behältnis verbundenen Papier genügt nicht den gesetzlichen
Anforderungen. Gleichermaßen unzureichend ist das bloße Einlegen
der losen Gebrauchsanleitung in eine fest auf dem Behältnis
angebrachte Hülle. 2. Der Umstand, daß die Biologische Bundesanstalt
die bisherige, vorstehend beschriebene Praxis möglicherweise nicht
beanstandet hat, läßt die gesetzgeberische Absicht und den Inhalt der
gesetzlichen Regelung unberührt und liefert keinen
Rechtfertigungsgrund. § 20 Abs. 2 Nr. 6 PflSchG enthält eine zwingende
Regelung. 3. Läßt sich - notfalls nach Verkleinerung der Schriftgröße -
die Gebrauchsanleitung unschwer auf den angebotenen Gefäßen
unterbringen, ohne daß die Lesbarkeit hierunter leidet, kann nicht mit
Erfolg geltend gemacht werden, durch das Gesetz werde Unmögliches
verlangt. 4. In dem Vertrieb eines Pflanzenschutzmittels mit einer
Gebrauchsanleitung, die § 20 Abs. 1 Nr. 6 PflSchG nicht genügt, liegt
zugleich ein Verstoß gegen § 1 UWG, § 20 Abs. 2 Nr. 6 PflSchG, der
dem Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier dient, ist eine
wertbezogene Norm. 5. Die Gefahrkennzeichnung muß exakt den
Mindestabmessungen der Gefahrstoffverordnung entsprechen,
andernfalls liegt auch ein Wettbewerbsverstoß vor.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 24. November 1992
verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O
486/92 - wird mit der Maßgabe zurück gewiesen, daß die Beklagte
verurteilt wird, es bei Meidung eines vom Gericht für je- den Fall der
Zuwiderhandlung festzuset zenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu
500.000,- DM - ersatzweise für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben
werden kann, Ordnungshaft - oder Ordnungshaft von bis zu sechs
Monaten, zu unterlassen, die Produkte "B." in einer 1-Liter-Flasche, "D.
KV" in einer 1-Liter-Flasche, "P." in einer 5-Liter-Kanne, "B. S" in einer 1-
Liter-Flasche und "B. S" in einer 5-Liter-Kanne in den Verkehr zu
bringen, a) wenn die Gebrauchsanleitung nicht voll- ständig auf dem
jeweiligen Gebinde aufge bracht ist, sondern sich lose in einer rundum
verschweißten Klarsichthülle befindet, deren Rückseite vollständig auf
das jeweili ge Gebinde aufgeklebt ist, wie nachstehend (in Ablichtung)
wiederge- geben: und/oder b) wenn auf den vorstehend genannten
Produk ten die Gefahrenkennzeichnungen jeweils nur mit den
nachstehend wiedergegebenen Maßen versehen sind: "B.", 1-Liter-
Flasche: 60 x 50 mm "D. KV", 1-Liter-Flasche: 59 x 56 mm "P.", 5-Liter-
Kanne: 95 x 85 mm "B. S", 1-Liter-Flasche: 54 x 60 mm "B. S", 5-Liter-
Kanne: 95 x 80 mm. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der
Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten
wird nachgelassen, die Voll streckung hinsichtlich der Hauptsache durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,- DM und hinsichtlich der
Kosten durch Sicher heitsleistung in Höhe von 26.000,- DM
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet. Die jeweiligen Sicherheiten können auch durch
selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder
öffentlich- rechtlichen Sparkasse erbracht werden. Beschwer der
Beklagten: über 60.000,- DM.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von Pflanzenschutzmitteln. Zu den von
der Beklagten vertriebenen Produkten gehören u.a. "B." in einer 1-Liter-Flasche, "D. KV"
in einer 1-Liter-Flasche, "P." in einer 5-Liter-Kanne, "B. S" in einer 1-Li- ter-Flasche und
"B. S" in einer 5-Liter-Kanne.
2
Bei allen vorgenannten Gebinden befindet sich die Gebrauchsanweisung jeweils lose in
einer rund- um verschweißten Klarsichthülle (Sachet), deren Rückseite vollständig auf
dem Gebinde aufgeklebt ist und deren Vorderseite mehrere senkrechte Ein- schnitte
aufweist, die es ermöglichen, die Klar- sichthülle zu öffnen, um die Gebrauchsanleitung
zu entnehmen.
3
Die auf den Gebinden angebrachten Etiketten weisen Gefahrenkennzeichnungsfelder
jeweils mit den fol- genden Maßen auf:
4
"B.", 1-Liter-Flasche: 60 x 50 mm "D. KV", 1-Liter-Flasche: 59 x 56 mm "P.", 5-Liter-
Kanne: 95 x 85 mm "B. S", 1-Liter-Flasche: 54 x 60 mm "B. S", 5-Liter-Kanne: 95 x 80
mm.
5
Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausstattungen wird auf die mit der Klageschrift als
Anlagen 1-5 überreichten Originalgebinde aller Produkte sowie auf Bl. 58, 59, 62, 63
d.A. ergänzend Bezug ge- nommen.
6
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, den Ver- trieb der oben genannten Produkte in
Ausstattun- gen, die mit den in der vorbeschriebenen Weise angebrachten
Gebrauchsanweisungen und/oder Gefah- renkennzeichnungsfeldern versehen sind, zu
unter- lassen.
7
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Art, in der die Gebrauchsanweisung
8
jeweils an- gebracht sei, verstoße gegen § 20 Abs. 2 Nr. 6 PflSchG und sich zur
Begründung auf die den Parteien bekannte Senatsentscheidung vom 21. Fe- bruar 1992
in der Sache 6 U 99/91 (Ablichtung Bl. 9-34 d.A.) berufen.
Hinsichtlich der Maße des jeweiligen Kennzeich- nungsfeldes hat die Klägerin auf § 7
Abs. 2, 2. und 3. Alternative GefStoffVO verwiesen, der für 1-Liter-Flaschen ein Format
von "mindestens ... 52 x 74 mm" und für 5-Liter-Kannen ein Format von "mindestens ...
74 x 105 mm" vorschreibe.
9
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verur- teilen,
10
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ord- nungsgeldes in Höhe von bis zu 500.000,- DM ersatzweise für den Fall, daß dieses
nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft - oder Ordnungshaft von bis zu sechs
Monaten,
11
zu unterlassen
12
a) die Produkte:
13
"B." in einer 1-Liter-Flasche, "D. KV" in einer 1-Liter-Flasche, "P." in einer 5-Liter-Kanne,
"B. S" in einer 1-Liter-Flasche und "B. S" in einer 5-Liter-Kanne
14
in den Verkehr zu bringen, wenn sich die Gebrauchsanweisung lose in einer rundum
ver- schweißten Klarsichthülle befindet, deren Rückseite vollständig auf das jeweilige
Ge- binde aufgeklebt ist und deren Vorderseite mehrere senkrechte Einschnitte
aufweist, die es ermöglichen, die Klarsichthülle zu öffenen und die
Gebrauchsanweisung zu entnehmen
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und/oder
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b) auf den in Ziffer 1. Buchstabe a) genann- ten Produkten Gefahrenkennzeichnungen
anzu- bringen, die jeweils folgende Größen auf- weisen:
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"B.", 1-Liter-Flasche: 60 x 50 mm2 "D. KV", 1-Liter-Flasche: 59 x 56 mm2 "P.", 5-Liter-
Kanne: 95 x 85 mm2 "B. S", 1-Liter-Flasche: 54 x 60 mm2 "B. S", 5-Liter-Kanne: 95 x 80
mm2.
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Die Beklagte hat beantragt,
19
die Klage abzuweisen.
20
Sie hat die Auffassung vertreten, ein Verstoß ge- gen § 20 Abs. 2 Nr. 6 PflSchG liege
nicht vor. Zum einen sei bei den 1-Liter-Flaschen die notwendige, 12 Seiten
umfassende Gebrauchsanweisung gar nicht anders unterzubringen als in der von ihr
gewählten Weise. Zum anderen genüge die von ihr praktizierte Form der Anbringung
auch den Anforderungen des § 20 Abs. 2 Nr. 6 PflSchG, denn die Klarsichthülle sei fest
mit dem jeweiligen Gebinde verbunden, die Gebrauchsanweisung könne nach Öffnen
der Hülle wieder in diese zurückgesteckt werden, und der Zweck der Vorschrift - daß
nämlich die Gebrauchs- anweisung den Anwender erreiche - werde erfüllt.
21
Was die Abmessungen der Gefahrenkennzeichnungen betrifft, hat die Beklagte die
Ansicht vertre- ten, § 7 GefStoffVO stelle keine zwingende Vor- schrift dar: Die Größen
seien nur Mindestgrößen, und außerdem erlaube Ziff. 8.5 der technischen Regeln für
Gefahrstoffe eine Abweichung von den vorgeschriebenen Formaten, wenn "die dem
Format entsprechende Fläche der Kennzeichnung sowie die Mindestgröße der
Gefahrenstoffsymbole eingehalten" werde. Die Flächeninhalte des
Kennzeichnungsfeldes der 5-Liter-Kanne "P." gehe aber über den gefor- derten
Flächeninhalt gemäß § 7 Abs. 1, 3. Alterna- tive GefStoffVO hinaus, und die
Mindestgröße der Gefahrstoffsymbole sei - unstreitig - sets von ihr eingehalten worden.
22
Durch Urteil vom 24. November 1992, auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat das
Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Gegen das ihr am 4. Dezember 1992
zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 4. Januar 1993 eingegange- nen
Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach entsprechender Fristverlängerung mit einem
am 5. April 1993 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
23
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstin- stanzliches Vorbringen.
24
Im Hinblick auf die auf Verstöße gegen § 20 Abs. 2 Nr. 6 PflSchG gestützte Verurteilung
macht die Beklagte insbesondere geltend, sie sei gemäß §§ 15 Abs. 3, 20 Abs. 2 S. 1
PflSchG bei der Bestimmung von Inhalt und Umfang der Gebrauchsanweisungen nicht
frei. Wenn sie einerseits gesetzlich ge- halten sei, so ausführlich und leicht lesbare
Gebrauchsanleitungen zu verwenden, wie dies akten- kundig sei, dürfe sie andererseits
nicht von Ge- setzes wegen dazu verpflichtet werden, nur solche Behältnisse zu
verwenden, auf denen die langen Gebrauchsanweisungen mit ihrer gesamten Fläche
aufgebracht werden könnten. Dies mache ggfls. die Verwendung handelsüblicher
Behältnisformate und -größen wie der 1-Liter-Flasche unmöglich, die ein vollflächiges
Aufbringen der Gebrauchsanweisungen - hier für "B.", D. KV" und "B. S"
schlechterdings nicht zuließen. Dieses Dilemma habe der Gesetzge- ber abstrakt auch
gesehen. Sonst hätte er nicht in § 20 Abs. 4 Nr. 1 PflSchG eine Ermächtigung
geschaffen, durch Rechtsverordnungen Ausnahmen von § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 PflSchG
zuzulassen. Daß der Verordnungsgeber hiervon bisher noch keinen Ge- brauch
gemacht habe, könne nicht zu Lasten der Be- klagen gehen.
25
Die Risiken, die das Landgericht darin gesehen habe, daß nach dem erstmaligen
Öffnen der ver- schweißten Klarsichthülle in den senkrechten Ein- schnitten diese
Hüllen derart schwer beschädigt seien, daß eine sichere Aufbewahrung der Ge-
brauchsanleitung nicht mehr gewährleistet sei oder die herausgenommenen
Gebrauchsanleitungen nicht mehr zurückgesteckt würden oder verloren gingen,
entsprächen nicht der Erfahrung, die sie, die Beklagte, mit dieser Form der Anbringung
gemacht habe.
26
Was die Gefahrenkennzeichnungen angehe, so seien die erforderlichen Größen, soweit
auf die Größen der Flächen und nicht auf die Seitenlängen abge- stellt werde, auf den
Gebrauchsanweisungen in den Klarsichthüllen eingehalten. Damit sei § 7 Abs. 1 S. 2
GefStoffVO genügt. Insoweit könne sich die Beklagte für die 1-Liter-Flasche von "B.", "D.
KV" und "B. S" zumindest auf § 7 Abs. 2 S. 3 der GefStoffVO stützen. Danach dürfe die
Kennzeichnung auf einem mit der Verpackung verbundenen Schild angebracht werden,
wenn Beschaffenheit und Abmes- sung der Verpackung das Anbringen einer
Kennzeich- nung nach § 7 Abs. 1 GefStoffVO nicht zuließen.
27
Bei der 5-Liter-Kanne von "P." sei die formatbezo- gene Flächengröße der
Gefahrkennzeichnung auf der Verpackung selbst eingehalten.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvor- bringens der Beklagten wird auf
die Berufungsbe- gründungsschrift vom 2. April 1993 (Bl. 103 ff.) ergänzend Bezug
genommen.
29
Die Beklagte beantragt,
30
unter Abänderung des angefochtenen Urteils der 31. Zivilkammer des Landgerichts
Köln vom 24. November 1992 - 31 O 486/92 - die Klage abzuweisen;
31
der Beklagten als Gläubigerin Sicherheitslei- stung, auch durch selbstschuldnerische
Bürg- schaft einer in der Bundesrepublik Deutsch- land ansässigen Großbank oder
öffentlichen- rechtlichen Sparkasse, zu gestatten,
32
hilfsweise
33
der Beklagten für den Fall des teilweisen Un- terliegens nachzulassen,
Sicherheitsleistung, auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der
Bundesrepublik Deutschland an- sässigen Großbank oder öffentlich-rechtlichen
Sparkasse, abzuwenden, und zwar ohne Rück- sicht auf eine Sicherheitsleistung der
Kläge- rin (§ 712 Abs. 1 S. 1 ZPO),
34
äußerst hilfsweise
35
der Beklagten für die streitgegenständlichen Behältnisse eine angemessene
Aufbrauchsfrist zu gewähren.
36
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung mit den aus dem Tenor des Ur- teils ersichtlichen Maßgaben
zurückzuweisen.
38
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und ergänzt und vertieft ebenfalls ihr
erstinstanzliches Vor- bringen.
39
Hinsichtlich der beanstandeten Anbringung der Ge- brauchsanleitungen macht die
Klägerin insbesondere geltend, es sei keineswegs unmöglich, die Ge-
brauchsanweisungen in einer Weise auf den Gebinden anzubringen, die den
Anforderungen des Pflanzen- schutzgesetzes entspräche. Sowohl der Wortlaut als auch
der Sinn und Zweck des § 20 Abs. 2 Nr. 6 machten deutlich, daß die Beklagte mit ihren
An- bringungsformen dem Gesetz nicht genüge.
40
Hinsichtlich des geltend gemachten Verstoßes ge- gen die Gefahrstoffverordnung weist
die Klägerin darauf hin, es komme nicht darauf an, daß die vorgeschriebenen
Abmessungen auf den Gebrauchs- anweisungen eingehalten seien. Nach § 7 Abs. 2 S.
1 GefStoffVO müsse die Kennzeichnung vielmehr "auf einer oder mehreren Flächen der
Verpackung" angebracht werden. Eine Ausnahme hierfür gelte nur dann, wenn
Beschaffenheit und Abmessungen der Verpackung das Anbringen einer
Kennzeichnung nach Abs. 1 nicht zuließen. Davon könne hier jedoch keine Rede sein.
41
Auf Ziff. 8.5 der "Technischen Regeln für Gefahr- stoffe" (TRGS 200) könne sich die
Beklagte nicht berufen. Es sei nämlich nicht ersichtlich, daß einer der Tatbestände
vorliege, die ausnahmsweise ein Abweichen der Kennzeichnungsschildgestaltung von
den gesetzlichen Anforderungen gestatte.
42
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsrechtszug
wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungserwiderung vom 28. Juni 1993 (Bl. 136
ff.) ergänzend Bezug ge- nommen.
43
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
44
Die Berufung ist zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat
zu Recht sowohl die Form, in der die Beklagte die Gebrauchsanleitung auf den
einzelnen Gebinden an- gebracht hat, als auch die Maße der Gefahrenkenn-
zeichnungsfelder auf den Gebinden beanstandet. Zutreffend hat das Landgericht in der
Verletzung der einschlägigen Vorschriften zugleich einen Ver- stoße gegen § 1 UWG
gesehen. Der Tenor des Unter- lassungsgebotes war lediglich entsprechend dem im
Berufungsrechtszug gestellten Antrag der Klägerin deren Begehren und dem
zugrundeliegenden Sachver- halt präziser anzupassen.
45
Der Vertrieb der angegriffenen Gebinde von "B. ", "D. KV", P." und B. S" ist mit der
Bestimmung des § 20 Abs. 2 Nr. 6 PflSchG nicht zu vereinba- ren. Nach dieser
Vorschrift dürfen Pflanzenschutz- mittel vom Hersteller, Vertriebsunternehmer oder
Einführer gewerbsmäßig oder im Rahmen sonstiger wirtschaftlicher Unternehmungen
nur in den Verkehr gebracht werden, wenn auf den Behältnissen und ab- gabefähigen
Packungen in deutscher Sprache und in deutlich sichtbarer, leicht lesbarer Schrift un-
verwischbar die Gebrauchsanleitung angegeben ist.
46
Wie der Senat bereits in den von den Partei- en zitierten Entscheidungen vom 2.
November 1990 - 6 U 140/90 (Bl. 156 ff.) - und vom 21. Febru- ar 1991 - 6 U 99/91 (Bl.
10 ff.) - im einzelnen ausgeführt hat, spricht schon das im Wortlaut der Bestimmung
aufgestellte Erfordernis, daß die Gebrauchsanleitung "auf" dem Behältnis bzw. "auf" der
Verpackung anzugeben ist, gegen die Annahme, ein Beifügen auf einem gesonderten
und nicht mit der vollen Fläche fest mit dem Behältnis verbun- denen Papier könnte
zulässig sein. Daß die in § 20 Abs. 2 PflSchG angeführten Angaben in vollem Umfang
fest auf dem Behältnis angebracht sein müs- sen, ist aber vor allem dem Erfordernis zu
entneh- men, daß die Angaben "unverwischbar" sein müssen. Die Gefahr, daß die
Schrift verwischt werden könn- te, ergibt sich gerade aus dem Umstand, daß sie außen
auf der Verpackung angebracht werden muß und deswegen äußeren Einflüssen
ausgesetzt ist.
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Für die Annahme, daß das bloße Einlegen der losen Gebrauchsanleitung in eine fest
auf das Gebinde geklebte Hülle nicht ausreicht, um den Anforderun- gen des § 20 Abs.
2 Nr. 6 PflSchG genüge zu tun, spricht auch der Sinn des Gesetzes. Die Gebrauchs-
anleitung soll bis zum endgültigen Aufbrauchen des Mittels sichtbar und verfügbar
gehalten werden. Es besteht nämlich stets die Möglichkeit, daß ein Teil des
Packungsinhalts erst später - und möglicherweise durch einen anderen Benutzer - auf-
gebraucht wird. Dies kann angesichts des giftigen Inhalts ein erneutes Lesen der
Anweisung erforder- lich machen, damit Gefahren vermieden werden. Daß dies möglich
ist, ist nur gewährleistet, wenn sich die Gebrauchsanweisung unmittelbar auf der
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Verpak- kung selbst befindet und nicht lediglich irgendwo an dem Gebinde befestigt ist.
Die Gefahr, daß eine Gebrauchsanleitung, die zum Lesen entnommen wird, nicht wieder
angebracht wird und verloren geht, liegt auf der Hand. Ihr sollte ersichtlich entge-
gengewirkt werden.
Die Auslegung, die der Senat in ständiger Recht- sprechung der Anwendung des § 20
Abs. 2 Nr. 6 PflSchG zugrundelegt, steht in Einklang mit der Entstehungsgeschichte der
Vorschrift und der sich aus dieser ergebenden Vorstellung des Gesetzge- bers. Dies ist
den Materialien zu § 20 PflSchG zu entnehmen. Im Entwurf der Bundesregierung zum
Pflanzenschutzgesetz (BT-Drucksache 10/1262) war in der den jetzigen § 20 Abs. 2 Nr.
6 entsprechen- den Bestimmungen des § 18 Abs. 2 Nr. 5 angeordnet, daß auf den
Behältnissen und abgabefähigen Packun- gen in deutscher Sprache und in deutlich
sichtba- rer, leicht lesbarer Schrift unverwischbar u.a. die Gebrauchsinformation
entsprechend den Auflagen des § 13 Abs. 3 des Entwurfs (der § 15 Abs. 3 des später
verabschiedeten Gesetz entspricht) an- zugeben sei. Ebenso wie in § 20 Abs. 4 Nr. 1
des PflSchG in der heute gültigen Fassung war in § 18 Abs. 4 Nr. 1 des
Regierungsentwurfs die Ermächti- gung des Bundesministers für Ernährung, Landwirt-
schaft und Forsten vorgesehen, "Ausnahmen für das Anbringen der Angaben nach § 20
Nr. 4 bis 6 (heu- te: Nr. 5 bis 7) auf den Behältnissen oder Packun- gen zur Erleichterung
der Lesbarkeit zuzulassen, soweit dadurch die in § 1 genannten Zwecke nicht
beeinträchtigt werden ... ".
49
Der vorgenannte § 18 Abs. 4 des Entwurfs war wie folgt begründet (BT-Drucksache
10/1262, S. 27):
50
"Da es nicht immer möglich und erforderlich ist, alle nach Abs. 2 Nr. 5 und 6 geforderten
Angaben auf Behältnissen und Packungen anzu- bringen, können nach Nr. 1 in einer
Verord- nung Ausnahmen für das Anbringen der Angaben über Verfallsdatum,
Gebrauchsinformation so- wie Anwendungsverbote und -beschränkungen ge- regelt
werden. Dies kann z.B. in der Form er- folgen, daß für näher abzugrenzende Kleinpak-
kungen die vorgeschriebenen Angaben auf einem Beipackzettel aufgedruckt werden
können ...".
51
Hieraus ergibt sich, daß bei der Verabschiedung des Gesetzes in seiner jetzigen Form
die Vorstel- lung herrschte, die hier in Rede stehende Bestim- mung ordne an, sämtliche
im einzelnen genannten Angaben - so auch die "Gebrauchsinformation" - seien
unmittelbar auf den Behältnissen und Ver- packungen selbst anzubringen und nicht auf
einem dieser beigefügten oder an diesem befestigten Bei- packzettel. Nur weil sich dies
teilweise als nicht möglich erweisen könnte - so beispielsweise bei den in der
Begründung ausdrücklich angesprochenen Kleinpackung - sollte Abs. 4 das Schaffen
von Aus- nahmetatbeständen im Verordnungswege ermöglichen. In der Begründung
des Regierungsentwurfs ist gera- de die Möglichkeit, die gesetzlich zu fordernden
Angaben auf einem "Beipackzettel" aufzudrucken, als eine ggfls. im Verordnungswege
zu gestattende Ausnahme für Kleinpackungen genannt. Das kann aber nur bedeuten,
daß grundsätzlich die nach Abs. 2 zu fordernden Angaben gerade nicht auf einem
beizufü- genden (Beipack-) Zettel, sondern - unmittelbar - auf den Behältnissen und
Verpackungen selbst an- zubringen sein sollten. Ausnahmen sollten dann in Betracht
kommen, wenn Behältnis oder Packung zu klein sein sollten, um die gesetzlich
geforderten Angaben in "deutlich sichtbarer" und "leicht les- barer" Schrift aufzunehmen.
52
Nach alledem genügt es gerade nicht, die Ge- brauchsanleitung in der von der
53
Beklagten prak- tizierten Art und Weise lose in einer rundum verschweißten
Klarsichthülle unterzubringen, deren Rückseite vollständig auf das jeweilige Gebinde
aufgeklebt ist und deren Vorderseite mehrere senk- rechte Einschnitte aufweist, die es
ermöglichen, die Gebrauchsanweisung zu entnehmen.
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, ihre Praxis sei bisher von den
Pflanzenschutzämtern und der Biologischen Bundesanstalt nicht beanstandet worden.
Gesetzeswortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung ergeben unmißverständlich, wie
bei der Angabe der Gebrauchsanleitung zu verfahren ist. Sollten, wie die Beklagte
behauptet, staatliche Stellen nichts unternehmen, um dem Gesetz Geltung zu
verschaffen, so läßt dies die gesetzgeberische Absicht und den Inhalt der gesetzlichen
Regelung unberührt. Etwas anders könnte allenfalls dann gelten, wenn es hier um die
Anwendung einer Er- messensvorschrift durch eine Behörde ginge. Davon kann im
Streitfall jedoch keine Rede sein: § 20 Nr. 6 PflSchG enthält eine zwingende Regelung.
Ei- ne "großzügige" Handhabung durch zuständige Behör- den vermag hieran nichts zu
ändern.
54
Ebenfalls ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, sie wäre, falls ein ganzflächiges
Aufbringen der Gebrauchsanleitung auf dem Gebinde erforderlich sei, genötigt,
entweder gänzlich auf den Handel mit derartigen Pflanzenschutzmitteln zu verzichten
oder sie nur in Behältnisgrößen auf den Markt zu bringen, die inhaltlich
"Mogelpackungen" seien, weil sich ihre Größen nicht nach dem Inhaltsvo- lumen,
sondern nur nach den Erfordernissen einer vollflächigen Aufbringung der
Gebrauchsanweisung richteten. Die Klägerin bestreitet dieses Vorbrin- gen und macht
ihrerseits geltend, es sei ohne weiteres möglich, die Gebrauchsanweisung auf allen hier
in Rede stehenden Gebinden auf den Verpackun- gen in einer dem § 20 Abs. 2 Nr. 6
PflSchG ent- sprechenden Weise anzubringen.
55
Wie in der Berufungsverhandlung im einzelnen erörtert und anhand von auf 50 % bzw.
70 % ver- kleinernden Ablichtungen der Gebrauchsanleitungen aufgezeigt worden ist,
lassen sich auch auf den kleinsten, also den 1-Liter-Gebinden, bei einer Verkleinerung
auf ca. 65 % die jeweiligen Ge- brauchsanleitungen unschwer unterbringen, ohne daß
gegen die Erfordernisse deutlicher Sichtbarkeit und leichter Lesbarkeit verstoßen
werden muß. Dies gilt auch dann, wenn die Gebinde bzw. die Verpak- kungen ihrerseits
unverändert bleiben. Daneben besteht jeweils die Möglichkeit, das Behältnis bzw. -
etwa durch Verwendung einer eckigen und damit großflächigeren Form - dessen äußere
Fläche geringfügig zu vergrößern, um die Sichtbarkeit und Lesbarkeit der
Gebrauchsanleitung zu erhöhen. Bei lediglich geringer Vergrößerung der Verpackung
könnte von einer "Mogelpackung" nicht die Rede sein, zumal eine Inhaltsangabe
deutlich herausge- stellt werden könnte. Beide Varianten - Vergröße- rung der
Verpackung einerseits und Verkleinerung des Drucks der Gebrauchsanleitung
anderereits - lassen sich überdies in verschiedensten Variatio- nen und Kombinationen
denken. Vor diesem Hinter- grund war es Sache der Beklagten, im einzelnen und
nachvollziehbar darzulegen, daß und aus welchen Gründen es unmöglich ist, die
Gebrauchsanleitung vollständig auf den jeweiligen Gebinden aufzu- bringen. Diesem
Erfordernis wird der pauschale Hinweis, von ihr werde Unmögliches verlangt, wenn sie
die gesamte Gebrauchsanleitung auf der Verpak- kung aufbringen müsse, nicht gerecht.
Trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises in der Be- rufungsverhandlung hat
die Beklagte ihr Vorbringen zu diesem Punkt nicht weiter substantiiert.
56
In dem Vertrieb der Pflanzenschutzmittel mit einer Gebrauchsanleitung, deren
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Anbringung den Anforde- rungen des § 20 PflSchG nicht genügt, liegt zu- gleich ein
Verstoß gegen § 1 UWG. Nach § 1 Abs. 1 PflSchG dienen die Regelungen des
Pflanzenschutz- gesetzes über das Vertreiben von Pflanzenschutz- mitteln u.a. der
Abwendung von Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier. Normen zum
Schutz der menschlichen Gesundheit sind nicht wettbe- werbsneutral; ihre Einhaltung
entspricht vielmehr einer sittlichen Pflicht, so daß ein Verstoß gegen diese Vorschriften
stets wettbewerbswidrig ist (vgl. auch Senat in WRP 1984, 166 m.w.N.).
Das Landgericht hat die Beklagte auch zu Recht verurteilt, es zu unterlassen, die oben
genannten Produkte in den Verkehr zu bringen, sofern die an- gebrachten
Gefahrenkennzeichnungsfelder die im Te- nor im einzelnen genannten Seitenlängen
aufweisen. Das Begehren der Klägerin ist insoweit gemäß §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG
i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 2, 2. und 3. Alternative GefStoffVO gerechtfertigt. Insoweit wird
zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil Bezug
genommen. Im Hin- blick auf das Vorbringen der Beklagten in der Be- rufungsinstanz ist
ergänzend auf folgendes hinzu- weisen:
58
Nach § 7 Abs. 1 GefStoffVO müssen die Abmessungen der Gefahrenkennzeichnungen
bei einem Rauminhalt der Verpackung
59
- von mehr als 0,25 l bis 3 l mindestens dem Format 52 mm x 74 mm
60
- von mehr als 3 l bis 50 l mindestens dem Format 74 mm x 105 mm
61
entsprechen.
62
Im Streitfall weisen die auf den Behältnissen angegebenen
Gefahrenkennzeichnungsfelder folgende Abmessungen auf:
63
- "Be." (1-Liter-Flasche): 60 x 50 mm - "D. KV" (1-Liter-Flasche): 59 x 65 mm - "P." (5-
Liter-Kanne): 95 x 85 mm - "B. S" (1-Liter-Flasche): 54 x 60 mm - "B. S" (5-Liter-Kanne):
95 x 80 mm.
64
Damit genügen die Gefahrenkennzeichnungsfelder den in der Gefahrstoffverordnung
aufgestellten Erfor- dernissen nicht. Die Beklagte verstößt mithin ge- gen die
Kennzeichnungsvorschrift.
65
Entgegen der Ansicht der Beklagten setzen die Kennzeichnungsvorschriften der
Gefahrstoffver- ordnung nicht lediglich einen bestimmten Flächen- inhalt fest, sondern
nennen ausdrücklich "Abmes- sungen", das heißt Seitenlängen. Diese Abmessun- gen
müssen nach dem insoweit unmißverständlichen Wortlaut "mindestens" erreicht sein.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verwendung des Begriffes "entsprechend"
im Wortlaut der Gefahr- stoffverordnung. Dieser Formulierung kann nicht entnommen
werden, daß es nicht auf ein genaues Einhalten der Abmessungen ankomme und
deswegen ggfls. auch ein Einhalten der jeweiligen Gesamt- fläche ausreichen könnte,
sofern die Seitenabmes- sungen in etwa den vorgegebenen Maßen entsprechen. Dem
steht schon entgegen, daß bei einer solchen Auslegung der Kennzeichnungsvorschrift
von Rechts- sicherheit und Klarheit nicht mehr die Rede sein könnte. Dies liefe aber der
an sich strikten Rege- lung zuwider. Das bloße - alternative - Einhalten der geforderten
Gesamtfläche kann überdies deswe- gen nicht ausreichen, weil - wie das Landgericht
zutreffend hervorgehoben hat - dann die Gefahr bestünde, daß unübersichtliche
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Gefahrenkennzeich- nungsfelder geschaffen würden.
Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die vorge- schriebenen Abmessungen seien
jedenfalls auf den Gebrauchsanweisungen eingehalten. Mit dieser Argu- mentation läßt
sie unberücksichtigt, daß die Kenn- zeichnung nach § 7 Abs. 2 GefStoffVO "auf einer
oder mehreren Flächen der Verpackung" angebracht werden muß. Eine Ausnahme
hiervon macht § 7 Abs. 2 S. 3 GefStoffVO nur dann, wenn Beschaffenheit und
Abmessungen der Verpackung das Anbringen einer Kennzeichnung nach Abs. 1 nicht
zulassen. Letzte- res ist hier jedoch nicht dargetan. Die Behält- nisse sind - wie der
Augenschein ganz offenkundig ergibt - vielmehr ausnahmslos so beschaffen, daß die
Gefahrenkennzeichnung unschwer den gesetzli- chen Vorschriften entsprechend
ausgestaltet werden kann. Dies gilt sowohl hinsichtlich der 1-Li- ter-Flasche von "B.",
"D. KV" und "B. S" als auch für die 5-Liter-Kanne von "P." und "B. S". Auf die
Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 2 S. 3 GefStoffVO kann sich die Beklagte unter diesen
Umständen ebenfalls nicht berufen.
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Auch der Hinweis der Beklagten auf Ziff. 8.5 der gemäß § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, S. 2
GefStoffVO erlassenen "technischen Regeln für Gefahrstoffe" (TRGS 200) rechtfertigt
keine abweichende Beurtei- lung. Einer der dort angeführten Ausnahmetatbe- stände für
die Gestaltung des Kennzeichnungsschil- des ist nicht dargetan.
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Die in Ziff. 8.1 TRGS enthaltene Grundregelung verweist zunächst auf die in §§ 4, 5 und
7 Gef- StoffVO gestellten Anforderungen. Eine Ausnahme hiervon macht Ziff. 8.5 für
zwei Fälle. Danach ist es aus Gründen der Drucktechnik oder aus Grün- den lang
überlieferter und mit warenzeichenähnli- cher Qualität verbundener
Kennzeichnungsschildge- staltung zulässig, von dem in § 7 Abs. 1 GefStoff- VO
geforderten Format abzuweichen. "Gründe der Drucktechnik" oder "Gründe lang
überlieferter und mit warenzeichenähnlicher Qualtität verbundener
Kennzeichnungsschildgestaltung" sind nicht darge- tan und auch sonst nicht ersichtlich.
Das Vorbrin- gen der Beklagten beschränkt sich insoweit auf den pauschalen Hinweis
auf Ziff. 8.5 TRGS. Obwohl die Klägerin hierauf ausdrücklich hingewiesen hat, hat die
Beklagte zu den Voraussetzungen der Ausnahme- regelung der Ziff. 8.5 TRGS nicht
substantiiert vorgetragen.
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In dem damit festzustellenden Verstoß gegen § 7 Abs. 2 GefStoffVO liegt zugleich eine
Verletzung des § 1 UWG. Entgegen der Ansicht der Beklagten bedarf es im Falle eines
Verstoßes gegen § 7 Gef- StoffVO keines Wettbewerbsvorsprungs, um einen Un-
terlassungsanspruch aus § 1 UWG zu begründen. Nach § 1 GefStoffVO ist es Zweck der
Verordnung, durch besondere Regelungen über das Inverkehrbringen von gefährlichen
Stoffen und Zubereitungen den Men- schen vor arbeitsbedingten und sonstigen
Gesund- heitsgefahren zu schützen. Bei der Kennzeichnung gefährlicher Stoffe geht es
mithin um die Erhal- tung und den Schutz der Volksgesundheit. Insoweit stellen die
Regelungen der Gefahrstoffverordnung Mindestanforderungen auf, die eine
Kennzeichnung erfüllen muß, um die notwendige Warnfunktion zu erreichen. Dabei hat
sich der Gesetzgeber für bestimmte Mindestabmessungen entschieden, die, wie die
Klägerin zutreffend hervorhebt, nicht zur Disposition der Industrie stehen. Normen, die
sol- chermaßen der Volksgesundheit dienen, sind nicht wettbewerbsneutral. Ihre
Einhaltung entspricht ei- ner sittlichen Pflicht. Ein Verstoß gegen sie ist stets
wettbewerbswidrig (vgl. auch Senat in 6 U 99/91; WRP 1984, 164, 166; Baumbach-
Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., Rdnr. 615 zu § 1 UWG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck- barkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO. Soweit die Beklagte hilfsweise beantragt hat, ihr hin- sichtlich der
streitgegenständlichen Behältnisse eine angemessene Aufbrauchsfrist zu gewähren,
ver- mochte der Senat dem nicht zu entsprechen. Die Be- willigung einer Aufbrauchsfrist
setzt voraus, daß dem jeweiligen Beklagten durch ein unbefristetes Verbot
unverhältnismäßige Nachteile entstehen und der Kläger durch eine befristete
Fortsetzung der Wettbewerbswidrigkeit nicht unzumutbar beeinträch- tigt wird. Welche
Nachteile der Beklagten durch ein unbefristetes Verbot gegebenenfalls entstehen und
daß diese unverhältnismäßig sind, ist im Streitfall nicht dargetan. Dasselbe gilt im Hin-
blick auf den Antrag der Beklagten, ihr die Abwen- dungsbefugnis ohen Rücksicht auf
eine Sicherheits- leistung der Klägerin einzuräumen. Die Vorausset- zungen des § 712
Abs. 1 S. 1 ZPO sind weder darge- tan noch glaubhaft gemacht.
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Die Festsetzung der Beschwer der Beklagten beruht auf § 546 Abs. 2 ZPO, ihre Höhe
entspricht dem Wert ihres Unterliegens.
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