Urteil des OLG Köln vom 25.01.2005

OLG Köln: eintritt des versicherungsfalls, vgb, neues vorbringen, entschädigung, gutachter, lieferung, ausschluss, reparaturkosten, räumung, bauleitung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 9 U 85/04
25.01.2005
Oberlandesgericht Köln
9. Zivilsenat
Urteil
9 U 85/04
Landgericht Köln, 24 O 337/99
Die Berufung des Klägers gegen das am 01.04.2004 verkündete Urteil
der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 337/99 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e :
I. Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung für das Objekt G.-T.-
Straße xx in L. abgeschlossen. Dem Versicherungsverhältnis liegen die VGB 88 zugrunde.
Versichert sind u.a. Leitungswasserschäden, wobei ein Risikozuschlag "für Warmwasser-
Fußbodenheizung oder ähnliche, in Decken, Fußböden oder Wänden verlegte
Strahlungsheizung" vereinbart wurde (vgl. Bl. 10 GA). Ende 1998 kam es zu einem
Rohrbruch in der unter einem Marmorboden im Wohnzimmer verlegten Fußbodenheizung.
Eine Leckstelle war 2 bis 3 Meter von der Terrassentür entfernt, eine weitere befand sich in
der Nähe der Tür. Nachdem der Kläger den Schaden bei der Beklagten gemeldet hatte,
beauftragte diese das Ingenieurbüro "C.-Team" mit der Ortung der Leckstellen. Die
Mitarbeiter des Unternehmens nahmen etwa 1,5 qm des Marmorbodens im Wohnzimmer
auf und legten in dem Bereich die Heizungsleitungen frei.
Daraufhin ließ der Kläger im Wohnzimmer die gesamten Fußboden-Rohrleitungen und den
Estrich erneuern sowie den Marmor durch einen anderen Naturstein ersetzen. Die Beklagte
zahlte außergerichtlich auf den Schaden einen Betrag von 4.594,76 DM und lehnte eine
weitergehende Entschädigung mit Schreiben vom 30.07.1999 ab.
Mit der Klage verlangt der Kläger Entschädigung für die von ihm aufgewandten Kosten,
soweit sie über den regulierten Betrag hinausgehen, insgesamt 61.815,74 EUR
(120.901,08 DM).
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Im einzelnen handelt es sich um Aufwendungen für Malerarbeiten (4.852,16 DM),
Schreiner- und Abdichtungsarbeiten (8.137,28 DM), Elektroarbeiten (2.249,36 DM),
Fußbodenheizungs- und Estricharbeiten (35.261,03 DM), Marmorarbeiten (46.400,00 DM),
Ingenieurarbeiten (16.857,62 DM) sowie Arbeiten eines Architekten (11.763,92 DM).
Der Kläger hat vorgetragen, die Erneuerung des gesamten Marmorbodens sei notwendig
gewesen. Der ursprünglich verlegte Marmor sei im Handel nicht mehr erhältlich. Die
geltendgemachten Kosten seien erforderlich und angemessen.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Ursache des Schadens liege im Eindringen von nicht
versichertem Oberflächenwasser unter und hinter der Terrassentür von außen. Außerdem
fehle es an einer ordnungsgemäßen Instandhaltung der Wasserinstallation, so dass ein
Verstoß gegen die Sicherheitsvorschrift des
§ 11 Ziffer 1 b VGB 88 vorliege. Dass ein punktueller Rohrbruch die Folge haben solle,
dass die gesamte Heizungsanlage erneuert werde solle, sei nicht nachvollziehbar.
Das Landgericht hat nach Vernehmung des Zeugen T. und Einholung Gutachten der
Sachverständigen G. und F. der Klage in Höhe von 10.149,19 EUR stattgegeben und im
übrigen den Anspruch nicht als begründet angesehen. Es hat ausgeführt, dem Kläger stehe
für die Reparatur der Fußbodenheizung und des Estrichs ein Entschädigungsanspruch in
Höhe von 3.415,43 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer zu. Der Anspruch beschränke sich auf
die Kosten der Reparatur des Lecks am Heizungsrohr und der zu dieser Reparatur
erforderlichen Aufstemm- und Erneuerungsarbeiten am Estrich. Ersatz der Kosten der
gesamten Heizungsanlage könne nicht verlangt werden. Unter den Versicherungsschutz
falle nur der Ersatz des kausal durch Leitungswasser bereits eingetretenen Schadens.
Kosten für vorbeugende Maßnahmen seien nicht zu entschädigen. Hinsichtlich der
Marmorarbeiten bestehe ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Lieferung und
Verlegung des Marmorbodenteils, der habe aufgenommen werden müssen, um das
konkrete Leck zu beseitigen. Dieser betrage 1.769,07 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer.
Darüber hinaus gehende Kosten der Erneuerung seien vom Versicherungsschutz nicht
umfasst.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass de_ zur Zeit des Rohrbruchs
liegende Marmorboden im Handel noch erhältlich sei und somit eingefügt werden könne.
Malerarbeiten seien in Höhe von 2.480,87 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer zu erstatten.
Kosten für die notwendige Räumung im Schadenbereich und den Schutz der
Gebäudeoberfläche und des Mobiliars seien in Höhe von 317,00 EUR zuzüglich
Mehrwertsteuer zu entschädigen. Kosten für Schreinerarbeiten im Zusammenhang mit der
Demontage und Auslagerung von Möbeln seien nicht zu entschädigen, weil sie nicht
ursächlich bei der Reparatur des Lecks entstanden seien. Kosten der Bauleitung seien nur
in Höhe von 766,93 EUR zu ersetzen. Hinsichtlich der Elektroarbeiten sei die
Erforderlichkeit nicht substantiiert dargelegt.
Auf das angefochtene Urteil, insbesondere seine tatsächlichen Feststellungen, wird Bezug
genommen
Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers. Er macht insbesondere geltend, die
Beklagte schulde die Erstattung des gesamten Reparaturaufwandes im Zusammenhang
mit den Schäden an der Fußbodenheizung einschließlich auch der Wiederherstellung des
Zustandes an dem Fußboden nach Beseitigung der Schäden. Das Landgericht sei
Beweisantritten nicht nachgegangen. Der Kläger habe Bemühungen zur Beschaffung von
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Ersatzmaterial für den Marmor angestellt. Dies sei jedoch nicht gelungen. Es werde
bezweifelt, dass es sich bei dem von dem Sachverständigen Engelhardt angesprochenen
Marmor um solchen gleicher Provenienz handele. Die Beschaffenheit des Kalksteins und
die Maserung der Marmorplatten sei so unterschiedlich, dass der vom Sachverständigen
gefundene Ersatzmarmor zur Reparatur des ursprünglich vorhandenen Marmors nicht
geeignet sei. Alle erfolgten Arbeiten seien Teil der notwendigen
Schadensbeseitigungsmaßnahmen des Klägers.
Der Kläger beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu
verurteilen, an ihn weitere 51.679,55 EUR über den zugesprochenen
Betrag hinaus nebst 4 % Zinsen seit dem 29.11.1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, vom Kläger sei nie beabsichtigt
gewesen, nur eine punktuelle Reparatur vorzunehmen. Es komme im übrigen nur auf die
objektiv notwendigen Reparaturkosten an. Selbst wenn nicht identische Marmorplatten zu
besorgen gewesen seien, so seien jedenfalls geringe Farbunterschiede ohne weiteres zu
akzeptieren. Die geltend gemachte Forderung sei völlig übersetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze Bezug
genommen.
II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist nicht begründet.
1. Die Klägerin steht nach den §§ 1 Ziffer 1, 4 Ziffer 1 b, 6 Ziffer 1 c, 7 Ziffer 1 b VGB 88 kein
über den erstinstanzlich zugesprochenen Betrag hinausgehender weitergehender
Anspruch auf Entschädigung zu.
a) Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der Ausschluss nach § 9 Ziffer 4 b VGB
88 nicht eingreift. Aus der Systematik der Bedingungen, die zwischen Leitungswasser (§ 6
VGB 88) einerseits und Rohrbruch, Frost andererseits (§ 7 VGB 88) differenzieren, ergibt
sich, dass für Rohrbruch der spezielle Ausschluss des § 9 Ziffer 5 VGB 88 gilt. Der
durchschnittliche Versicherungsnehmer wird angesichts der Fassung der Klauseln bei
Rohrbruch nur von einem Ausschluss ausgehen, wenn Schäden durch Erdsenkung oder
Erdrutsch ohne Verursachung durch Leitungswasser entstanden sind. Danach kommt es
nicht darauf an, ob und gegebenenfalls inwieweit von außen eindringendes Grundwasser
oder Witterungsniederschläge den Rohrbruch mitverursacht haben.
Auch für einen Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften im Sinne von § 11 Ziffer 1 b VGB 88
ergeben sich keine Anhaltspunkte. Dass die Heizungsrohre vernachlässigt worden seien,
wird von der Beklagten nur allgemein und nicht substantiiert angedeutet. Auf die Frage der
groben Fahrlässigkeit in diesem Zusammenhang kommt es danach nicht an.
b) Der Umfang der Entschädigung bestimmt sich nach § 15 Ziffer 1 b VGB 88. Bei
beschädigten Sachen werden nach näherer Maßgabe die notwendigen Reparaturkosten
zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls zuzüglich einer etwaigen Wertminderung
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erstattet, höchstens jedoch der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des
Versicherungsfalls.
Die hier maßgebenden notwendigen Reparaturkosten hat das Landgericht zutreffend
begrenzt. Jedenfalls steht dem Kläger ein weiterer Entschädigungsanspruch nicht zu.
Die Kosten für eine Totalerneuerung und die damit im Zusammenhang stehenden
Aufwendungen können nicht verlangt werden. Wenn es auf Farb- und Mustergleichheit
ankommt, kann nur dann zu Recht eine Gesamterneuerung der betroffenen Raumeinheit
gefordert werden, wenn sich ein einheitlicher optischer Eindruck anders nicht herstellen
lässt (vgl. Martin, SVR, 3. Aufl., E I 118; R I 26) und dies auch nur unter Berücksichtigung
der Zumutbarkeit (vgl. Kolhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 15, Rn 1).
Vorliegend ergibt sich aus den Gutachten der Sachverständigen G. und F., dass eine
Ersatzbeschaffung des an der Bruchstelle entfernten Marmors in einer Fläche von etwa 1, 5
qm, in zumutbarer Weise möglich war. Einer Totalerneuerung des Bodens war nicht
notwendig.
Der Sachverständige G. hat ausgeführt, dass der beschädigte Natursteinboden hätte
nachbeschafft werden können. Der Sachverständige F., der öffentlich bestellter und
vereidigter Gutachter für Natur- und Betonwerkstein ist, hat ebenfalls bestätigt, dass
gleichartiger Marmor von circa 1,5 bis 5 qm ohne weiteres zu beschaffen ist. Er hat
ausgeführt, dass es sich bei dem Material um Kalkstein handelt, der aus der Nähe des M.-
Gebietes kommt. Die Vorkommen lägen bei T. nordöstlich von M. (vgl. Bl. 205 GA). Der
Gutachter hat das entsprechende Material gefunden und etwa 1, 5 qm passend
zusammengestellt (vgl. Fotos Nr. 6 und 7, Bl 208, 209 GA). Eine erhebliche optische
Abweichung, die eine Totalerneuerung erfordert hätte, hat der Gutachter nicht festgestellt
und ist auch auf den Fotos nicht zu erkennen.
Dass dieser Fundort und die Beschaffungsmöglichkeit des Natursteins auch in zumutbarer
Weise zu ermitteln gewesen wäre, hat der Sachverständige im einzelnen belegt. Zum
Beispiel wäre es möglich gewesen, den Deutschen Natursteinverband oder einen
Sachverständigen zu befragen. Auch hätte man versuchen können, Unterlagen aus der Zeit
der ursprünglichen Lieferung zu beschaffen. Diesen Ausführungen des Gutachters schließt
sich der Senat an.
Die Frage, ob das vom Kläger beauftragte Fachunternehmen M. vergebliche Bemühungen
unternommen hat, ist danach nicht entscheidend. Einer weiteren Beweiserhebung bedurfte
es demnach nicht.
c) Im Hinblick auf die einzelnen Reparaturmaßnahmen gilt folgendes:
(1) Reparatur der Fußbodenheizung
Nach dem Gutachten des Sachverständigen G. (Bl. 107 ff GA) ergeben sich Kosten der
Reparatur der Fußbodenheizung und Estrichverlegung von 3.415,43 EUR (640,00 DM +
200,00 DM + 2.880,00 DM + 200,00 DM + 2.400,00 + DM 360,00 DM = 6.680,00 DM )
zuzüglich Mehrwertsteuer. Diese Kosten sind zu erstatten. Ein darüber hinausgehender
Anspruch ist nicht begründet.
(2) Marmorarbeiten
Die Kosten der Marmorarbeiten, Materialbestimmung und Lieferung des
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Natursteinmaterials) beziffert der Gutachter auf 1.769,07 EUR (900,00 DM + 2,560,00 DM =
3.460,00 DM) zuzüglich Mehrwertsteuer. Diese Berechnung begegnet keinen Bedenken.
(3) Malerarbeiten
Das Landgericht hat die Kosten für die Malerarbeiten von 2.480,87 EUR zuzüglich
Mehrwertsteuer zugesprochen. In dem vom Kläger geltend gemachten Betrag von 4.852,16
DM ist die Mehrwertsteuer (vgl. die Kostenaufstellung Firma B. Bl. 34 GA) bereits enthalten.
Insoweit wird das Urteil von der Beklagten nicht angegriffen. Jedenfalls steht dem Kläger
ein weitergehender Anspruch nicht zu.
(4) Räumung im Schadenbereich und Schutzaufwendungen
Nach dem Gutachten G. sind Aufwendungen in Höhe von 317,00 EUR (560,00 DM + 60,00
DM = 620,00 DM) für die notwendige Räumung erforderlich. Darin sind die Kosten für den
Schutz der Gebäudeoberfläche und des Mobiliars im Wohnraum erfasst. Weitergehende
Ansprüche ergeben sich in diesem Zusammenhang nicht. Insbesondere sind keine
Schreinerarbeiten zu erstatten, weil diese bei der Reparatur des betroffenen Teils nicht
angefallen wären. Eine Auslagerung von Möbeln wäre nicht erforderlich gewesen.
(5) Bauleitung
Die Kosten der Bauleitung werden von dem Sachverständigen G., dem der Senat auch
insoweit folgt, zutreffend mit 766,93 EUR (1.500,00 DM) angesetzt.
(6) Elektroarbeiten
Zu Recht hat das Landgericht die Elektroarbeiten nicht als notwendig für die Reparatur
angesehen. Die nunmehr vorgelegten Tagelohnzettel der H. Elektro-Service OHG (Bl. 309
ff GA) führen nicht zu einer anderen Beurteilung.
Diese stehen im Zusammenhang mit der Totalerneuerung. Es ist nicht ersichtlich, welche
Kosten den hier maßgebenden Teil betreffen sollen. Im übrigen handelt es sich um neues
Vorbringen, welches nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen ist.
Danach steht dem Kläger jedenfalls ein weiterer Entschädigungsbetrag nicht zu.
2. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 92 Abs. 1 , 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 51.679,55 EUR