Urteil des OLG Köln vom 13.09.2005
OLG Köln: hamburger, versicherer, sorgfalt, prozessführungsbefugnis, ermächtigung, beschädigung, lagerhalter, einlagerung, gewalt, haftungsbeschränkung
Oberlandesgericht Köln, 3 U 40/05
Datum:
13.09.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 40/05
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 82 O 87/04
Schlagworte:
Prozessführungsbefugnis Hamburger Assekuradeure
vertragswesentliche Pflichten des Lagerhalters bei Unwetterwarnungen
Normen:
ZPO § 51 Abs. 1, HGB § 475 Satz 1, ADSp (2003) Ziffer 22.4.4., 27.1
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 26.01.2005 verkündete Urteil
der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln (82 O 87/04)
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
1
I.
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Die Klägerin, eine Hamburger Assekuradeurin, verlangt im Wege der gewillkürten
Prozessstandschaft für die hinter ihr stehenden Versicherer von der Beklagten als
Lagerhalter Schadensersatz wegen Beschädigung von Lagergut. Wegen des Sach- und
Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils
Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Landgericht hat die
zwischen den Parteien streitige Prozessführungsbefugnis der Klägerin bejaht. Die
Klägerin sei von dem Führungsversicherer, der B, wirksam zur Prozessführung
ermächtigt worden. Zudem sei erwiesen, dass der Schaden von den beteiligten
Versicherern unter Einschaltung eines Versicherungsmaklers gegenüber der
Geschädigten, der Fa. FD GmbH, beglichen worden und etwaige
Schadensersatzansprüche daher gem. § 67 VVG auf die beteiligten Versicherer
übergegangen seien. Die Klage sei auch begründet. Die Beklagte hafte dem Grunde
nach gem. §§ 467, 475 HGB für die unstreitig während der Lagerung in der Lagerhalle
der Beklagten am 21.07.2003 eingetretene Beschädigung der Papierrollen durch in die
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Lagerhalle eingedrungenes Wasser. Auf Haftungsausschlüsse und -beschränkungen
der ADSp könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie hier eine vertragswesentliche
Pflicht im Sinne der Ziff.27 ADSp verletzt habe. Nach dem abgeschlossenen
Lagervertrag habe die Beklagte ausdrücklich die Pflicht gehabt, das Lagergut auch vor
Unwetter zu schützen. Dieser Pflicht sei die Beklagte nur unzureichend nachgekommen,
da die Lagerhalle nicht ausreichend gegen eindringendes Oberflächenwasser geschützt
gewesen sei. Zudem habe die einfache Möglichkeit bestanden, die Papierrollen nicht
unmittelbar auf dem Boden, sondern höher, etwa in Regalen, zu lagern. Dass der
Schaden auch bei Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns eingetreten
wäre, sei hingegen nicht feststellbar. Der Höhe nach sei der von der Beklagten
bestrittene Schaden ausreichend nachgewiesen.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Verurteilung. Sie rügt weiterhin
die fehlende Prozessführungsbefugnis der Klägerin. Voraussetzung einer
Prozessführungsbefugnis der Klägerin sei die Ausstellung von
Assekuradeursvollmachten nicht nur durch den Führungsversicherer, sondern durch
sämtliche Mitversicherer; deren Bestehen habe die Klägerin aber nicht ausreichend
dargelegt, jedenfalls aber nicht nachgewiesen. Zudem hält die Beklagte einen
Schadensersatzanspruch auch in der Sache für nicht gegeben. Eine Haftung der
Beklagten scheitere zunächst an Ziff.22.4.4 ADSp; hier liege angesichts des
"Jahrhundertunwetters" vom 21.07.2003 offensichtlich ein Fall höherer Gewalt bzw. von
Schäden aufgrund Witterungseinflüssen vor, für den die Beklagte nicht einzustehen
habe. Eine Haftung der Beklagten komme auch im Hinblick auf Ziff.15.2 ADSp nicht in
Betracht, da die Lagerhalle von der Fa. FD GmbH besichtigt worden sei, ohne dass
Einwände erhoben worden seien. Zudem finde sich im Vertrag ausdrücklich die
Bestimmung, dass die Beklagte nicht für "Elementarschäden" hafte. Im Übrigen sei eine
etwaige Haftung jedenfalls gem. Ziff.24.1.2. ADSp auf 5.000 Euro begrenzt; keinesfalls
könne der Beklagten ein die Haftungsbeschränkung ausschließender Pflichtverstoß, der
Ziff.27 ADSp unterfällt, angelastet werden.
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Die Beklagte beantragt,
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das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen
Erfolg. Das landgerichtliche Urteil entspricht der Sach- und Rechtslage.
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1.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin prozessführungsbefugt. Im Wege
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der gewillkürten Prozessstandschaft prozessführungsbefugt ist, wer vom Rechtsträger
zur Geltendmachung in eigenem Namen wirksam ermächtigt wurde und ein eigenes
schutzwürdiges rechtliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat; diese
Voraussetzungen sind im Verfahren von Amts wegen zu prüfen und festzustellen (vgl.
nur BGHZ, 100, 217 ff; st. Rspr.).
Ein eigenes schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Geltendmachung von fremden
Forderungen in eigenem Namen haben Hamburger Assekuradeure, soweit sie
Forderungen der von ihnen vertretenen Versicherungen geltend machen (vgl. nur BGH
RIW 1985, 654 f.; zustimmend Sieg, VersR 1995, 1031). Die Klägerin ist Hamburger
Assekuradeur; eine entsprechende notariell beurkundete Vollmacht der C-
Versicherungs-AG ist bei der Hamburger Versicherungsbörse hinterlegt, wie die vom
Senat im Wege des Freibeweises eingeholte Auskunft der Hamburger
Versicherungsbörse ergeben hat.
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Die notariell beurkundete Vollmacht der C-Versicherungs-AG reicht hier aus; entgegen
der Auffassung der Beklagten bedarf es weder einer Bestätigung dieser Vollmacht durch
die B-Versicherung AG noch der Vorlage weiterer (notarieller) Vollmachten der übrigen
beteiligten Versicherer.
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Die B-Versicherung AG ist unstreitig Gesamtrechtsnachfolgerin der C-Versicherungs-
AG; die von dieser erteilte Vollmacht gilt daher auch für die B-Versicherung AG. Für
einen etwaigen Widerruf der Vollmacht ist nach allgemeinen Grundsätzen die Beklagte
darlegungs- und beweispflichtig (BGH NJW 1974, 748), die hierzu nicht konkret
vorgetragen hat.
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Als sog. Führungsversicherer konnte die B-Versicherung AG die Klägerin mit der
Prozessführung betrauen, ohne dass es insoweit noch der Mitwirkung der weiteren
Mitversicherer bedurfte. Dass hier die B-Versicherung AG Führungsversicherer ist,
ergibt sich einem Hamburger Handelsbrauch folgend bereits daraus, dass sie in der
Versicherungspolice als erste genannt ist (dazu OLG Hamburg, VersR 1976, 37 f.;
insoweit zustimmend BGH VersR 1978, 177 f.). Im Übrigen ist aber auch die
ausdrückliche Führungsvereinbarung vom 05.06.2003 wirksam, da die Klägerin
insoweit gem. § 164 Abs.1 BGB auch wirksam in Vertretung der übrigen Mitversicherer
gehandelt hat; die Beklagte hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
klargestellt, dass sie die von der Klägerin behauptete Bevollmächtigung durch die
Mitversicherer, § 167 BGB, nicht bestreite. Die der B-Versicherung-AG als
Führungsversicherer zukommende Vertretungsmacht gegenüber den Mitversicherern
deckt hier ohne weiteres auch die Einschaltung eines Assekuradeurs, wie hier der
Klägerin, bei der Schadensabwicklung. Dabei kann offen bleiben, ob sich dies schon
generell aus ihrer Stellung als Führungsversicherer ergibt (so OLG Hamburg, aaO.).
Denn jedenfalls dann, wenn - wie hier mit der Vereinbarung der Führungsklausel vom
05.06.2003 geschehen - die Mitversicherer im Rahmen einer umfassend erteilten
Ermächtigung des Führungsversicherers zur Prozessführung dessen Handeln als für
sich selbst unmittelbar verbindlich anerkennen (dazu vgl. BGH NJW-RR 2002, 20 ff.),
liegt die entsprechende Befugnis des Führungsversicherers auf der Hand. Den von der
Beklagten in Bezug genommen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-
RR 2002, 20 ff.) und des Kammergerichts (KG VersR 2005, 829 f.) lassen sich keine
weiter gehenden Anforderungen an die Ermächtigung der Klägerin zur Prozessführung
entnehmen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt gerade auf den Sinn und
Zweck einer umfassenden Führungsklausel ab und leitet daraus die Ermächtigung des
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Führungsversicherers zur Prozessführung in eigenem Namen ab, ohne die
Einschaltung eines Assekuradeurs in die Prozessführung auszuschließen; die
Entscheidung des Kammergerichts betraf eine Fallgestaltung, bei der sich eine
wirksame Führungsklausel gerade nicht feststellen ließ und ist daher für den
vorliegenden, anders gelagerten Fall ohne Relevanz.
2.
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Die Beklagte haftet gem. § 475 S.1 HGB dem Grunde nach für die Beschädigung der
Papierrollen der Fa. FD GmbH, die am 21.07.2003 während ihrer vertraglich
vereinbarten Lagerung in der Lagerhalle der Beklagten eingetreten ist.
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Die Beklagte kann sich nicht gem. § 475 S.1 2.HS HGB entlasten, denn sie hat die
Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns bei der Lagerung der Papierrollen hier nicht
beachtet. Die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verlangt vom Lagerhalter, dass er
sich über die Eignung des Lagerraumes für die Einlagerung von Waren Klarheit
verschafft und nur geeignete Räumlichkeiten zur Einlagerung verwendet (vgl. BGH
VersR 1979, 901 ff.; OLG Hamburg, TranspR 2003, 403 f.); vor vorhersehbaren
Gefahren muss das Lagergut im Rahmen des Zumutbaren geschützt werden,
gegebenenfalls schuldet der Lagerhalter dem Einlagerer insoweit ausreichende
Beratung (Staub-Koller, § 416 HGB a.F. Rn27). Diesen Anforderungen ist die Beklagte
hier schon nach ihrem eigenen Vorbringen nicht gerecht geworden. Wie sie selbst
vorgetragen hat, hat die Beklagte im Falle von Unwetterwarnungen regelmäßig
Katzenstreu an den Rolltoren der Lagerhalle verteilt, um etwa eindringendes
Oberflächenwasser aufzuhalten. Wer so handelt, rechnet offensichtlich mit dem
Eindringen von Oberflächenwasser. Die Beklagte hätte daher als ordentlicher Kaufmann
entweder weitere Schutzmaßnahmen zugunsten des eingelagerten Gutes ergreifen
müssen, wie etwa Lagerung in Regalen, die einen ausreichenden Abstand des
Lagerguts zum Hallenboden gewährleisten, oder aber zumindest die Fa. FD GmbH auf
die hier bestehenden - und von der Beklagten ja ganz offensichtlich erkannten -
besonderen Risiken hinweisen müssen. Dass auch in einem solchen Fall der hier
eingetretene Schaden entstanden wäre, ist aber weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
Insoweit kann auf die überzeugenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug
genommen werden.
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Die danach bestehende Haftung der Beklagten wird durch die von ihr angeführten,
vertraglich vereinbarten Haftungsausschlüsse nicht berührt.
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Soweit die Beklagte sich auf den Haftungsausschluss für "Elementarschäden" beruft,
der in Ziff.C.2. des Vertrags enthalten ist, dringt sie damit nicht durch; hieraus ergibt sich
kein Haftungsausschluss für die Folgen aufgrund eines Unwetters eindringenden
Oberflächenwassers. Nach der unstreitig ausdrücklich von den Parteien in der Anlage
zum Lagervertrag getroffenen Vereinbarung hatte die Beklagte das eingelagerte Gut
gerade auch gegen "Unwetter" zu schützen. Ein Haftungsausschluss wegen Vorliegens
eines Elementarschadens konnte danach nur noch für nicht vorhersehbare und nicht
beherrschbare Ereignisse - wie etwa Blitzschlag, Orkan oder großflächige Überflutung
ganzer Landstriche - in Betracht kommen, nicht aber hinsichtlich der Auswirkungen
eines Unwetters, das hinsichtlich seiner Intensität nicht vorhergesehen worden sein
mag, dessen schadensursächliche Auswirkungen - Eindringen von Oberflächenwasser
in die Lagerhalle aufgrund Rückstaus in der Kanalisation - die Beklagte aber generell
voraussehen konnte und entsprechend dem oben zur Verteilung von Katzenstreu an
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den Rolltoren Ausgeführten bei früheren Unwetterwarnungen auch bereits
vorausgesehen hatte.
Einem Haftungsausschluss gem. Ziff.15.2. ADSp wegen unterlassener Beanstandung
des besichtigten Lagerraums steht entgegen, dass die Beklagte hier die Sorgfalt eines
ordentlichen Kaufmanns bei Auswahl des Lagerortes und Unterbringung des
Lagergutes entsprechend dem oben Ausgeführten nicht beachtet hat.
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Einem Haftungsausschluss gem. Ziff.22.4.4. ADSp wegen höherer Gewalt bzw.
Witterungseinflüssen steht entgegen, dass die Beklagte hier gegen vertragswesentliche
Pflichten im Sinne von Ziff.27.1. ADSp verstoßen hat. Sowohl die Auswahl des
Lagerortes als auch die Obhut für das Lagergut stellen vertragswesentliche Pflichten dar
(BGH VersR 1979, 901 ff.; Koller, TransportR, Ziff.27 ADSp Rn6a). Der Verstoß gegen
vertragswesentliche Pflichten aber führt zur Unanwendbarkeit des
Haftungsausschlusses gem. Ziff.22.4.4. ADSp, vgl. Ziff.27.1.ADSp.
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3.
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Die hinter der Klägerin stehenden Versicherer sind auch aktivlegitimiert. Die Ansprüche
der Geschädigten, der Fa. FD GmbH, sind aufgrund Zahlung der O. D GmbH gem. § 67
VVG auf die beteiligten Versicherer übergegangen. Von den diesbezüglichen
Feststellungen des Landgerichts zur erfolgten Zahlung ist gem. § 529 ZPO auszugehen.
Sie sind von der Berufungsbegründung nicht angegriffen worden und es sind auch sonst
keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass sie unzutreffend sein könnten.
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4.
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Schließlich ist die Klage auch der Höhe nach in vollem Umfang begründet. Die
überzeugenden Feststellungen des Landgerichts zum entstandenen Schaden sind von
der Berufungsbegründung nicht angegriffen worden. Sie können daher gem. § 529 ZPO
auch der Entscheidung des Senats ohne weiteres zugrunde gelegt werden. Ziff.24.1.2.
ADSp führt nicht zu einer summenmäßigen Beschränkung der Haftung der Beklagten;
diese Haftungsbeschränkung findet gem. Ziff.27.1. ADSp bei Verletzung
vertragswesentlicher Pflichten (dazu s.o.) keine Anwendung. Der Zinsanspruch ergibt
sich aus §§ 288, 291 BGB.
30
5.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713
ZPO.
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Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die
Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der
Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
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Streitwert: 12.650,90 EUR.
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