Urteil des OLG Köln vom 27.10.2000

OLG Köln: anteil, aktivlegitimation, juristische person, geständnis, sorte, auflage, parteifähigkeit, handelsregister, ware, fremder

Oberlandesgericht Köln, 6 U 12/00
Datum:
27.10.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 12/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 192/96
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.12.1999 verkündete Urteil
der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 192/96 -
wird zurück- gewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die
Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die mit diesem
Urteil für die Beklagte verbundene Beschwer wird auf 53.000,00 DM
festgesetzt.
T a t b e s t a n d
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Die am 05.02.1997 in das Handelsregister (AG K. HRB 1761) eingetragene Klägerin ist
ihrem Unternehmensgegenstand nach u.a. mit dem Großhandel mit Kartoffeln und
anderen Landesprodukten befasst. Die Beklagte vertreibt auf der Großhandelsstufe
Speisekartoffeln. Daneben ist sie als Abpackunternehmen tätig, das im Auftrag
überwiegend von Lebensmitteleinzelhandelsketten die von diesen selbst angebauten
oder bei Dritten als Rohware eingekauften Kartoffeln reinigt, sortiert und in
handelsübliche Verkaufseinheiten abpackt. Auf diesen entweder in Plastikbeuteln oder
Netzen abpackten Kartoffelgebinden bringt die Beklagte dabei u.a. die jeweilige
Sortenbezeichnung an.
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Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren im wesentlichen um die Frage, ob die
Beklagte den angesprochenen Verkehr deshalb in die Irre führt, weil der Inhalt der
jeweiligen Kartoffelgebinde entgegen den dort beklagtenseits aufgebrachten
Sortenbezeichnungen in Wirklichkeit in einem Maße Sortenvermischungen aufweist,
das nach den §§ 4 Abs. 1 Nr. 2 lit. a), 6 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über gesetzliche
Handelsklassen für Speisekartoffeln vom 06.03.1985 i.d.F. vom 02.08.1994 (im
folgenden: HandelsklassenVO) nicht tolerabel ist.
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Hintergrund dieser Auseinandersetzung sind dabei zahlreiche, u.a. von dem Zeugen J.
K., dem Bruder der Gesellschafterin E. K. der Klägerin, im Sommer 1996 bundesweit zu
Testzwecken erworbene Kartoffelgebinde, die sodann zur Überprüfung der
Sortenreinheit und ferner auch des angegebenen Gewichts der Sächsischen
Landesanstalt für Landwirtschaft - Fachbereich Landwirtschaftliche Untersuchungen -
(im folgenden: LUFA) übergeben wurden. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten
insoweit wird auf die als Anlagen K 1 - K 12 sowie K 15 - K 28 zu den Akten gereichten
Untersuchungszeugnisse der LUFA verwiesen.
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Die Klägerin hat behauptet, die in ihrem Auftrag u.a. durch den Zeugen K. zu
Testzwecken erworbenen Kartoffelgebinde, die sämtlich durch die Beklagten abgepackt
worden seien, seien der LUFA ungeöffnet und in originalverpacktem Zustand zur
Überprüfung zugeleitet worden. Nach den Prüfungsbefunden der LUFA, die
Repräsentativität für sich beanspruchen könnten, müsse die Beklagte sich eine
systematische, zumindest grob fahrlässig bewerkstelligte unzulässige
Sortenvermischung anlasten lassen, die es ihr ermögliche, zu Preisen anzubieten, die
für gesetzestreue Anbieter nicht auskömmlich seien. Die Klägerin, die ihrer weiteren
Behauptung nach bereits seit Juni 1996 ihren Geschäftsbetrieb aufgenommen hat, hat
die Beklagte daraufhin im September und Oktober 1996 mit mehreren Schreiben
abgemahnt und zur Abgabe diverser, diesen Schreiben jeweils beigefügter
strafbewehrter Unterlassungsverpflichtungserklärungen aufgefordert. Die Beklagte gab
derartige Erklärungen indessen nicht ab, sondern legte zwei Erklärungen vor, in denen
sie sich mit den aus den Anlagen K 29 und K 30 (Bl. 28, 29 AH) ersichtlichen
Erklärungen gegenüber der Vereinigten Saatzuchten e.G. unter dem 04.09.1996 jeweils
vetragsstrafegesichert u.a. zur Unterlassung verpflichtet hatte, Kartoffeln lose oder in
Gebinden unter der Sortenbezeichnung PREMIERE bzw. FRESCO in den Verkehr zu
bringen, "wenn diese Kartoffeln tatsächlich ganz oder teilweise...von der Sorte
PREMIERE bzw. FRESCO verschieden sind".
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Die Klägerin, welche die zunächst ebenfalls geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft
und Feststellung der Schadensersatzpflicht mit Zustimmung der Beklagten
zurückgenommen hat, hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen,
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es zwecks Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhand-
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lung durch das Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes
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bis zur Höhe von 500.000,00 DM zu unterlassen,
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1. Speisekartoffeln unter einer Sortenbezeichnung in
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den Verkehr zu bringen, wenn der Anteil an Knollen
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fremder Sorten mehr als 2% des Gewichts der jeweiligen Partie oder Packung
beträgt, wenn nicht
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eine der Ausnahmeregelungen des § 3 der Handels-
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klassenverordnung vorliegt;
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1. Speisekartoffeln in Fertigpackungen in den Verkehr
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zu bringen, wenn das Gewicht bei Abfüllung mehr als
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1,5 % niedriger als das angegebene Gewicht ist,
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h i l f s w e i s e,
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1. Speisekartoffeln unter den Sortenbezeichnungen Premiere, Fresco, Aminca,
Secura, Rikea, Berber, Velox und Ukama in den Verkehr zu bringen, wenn der
Anteil an Knollen jeweils fremder Sorten mehr als 2 % des Gewichts der
jeweiligen Partie oder Packung beträgt, wenn nicht eine der Ausnahmeregelungen
des § 3 der Handelsklassenverordnung vorliegt;
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1. Speisekartoffeln der Sorten Premiere, Fresco, Rikea und Berber in
Fertigpackungen in den Verkehr zu bringen, wenn das Gewicht bei der Abfüllung
mehr als 1,5 % niedriger als das angegebene Gewicht ist;
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat in Abrede gestellt, dass die Klägerin im Geschäftsverkehr tätig sei,
insbesondere den Handel mit Kartoffeln aufgenommen habe. Der Klägerin, so hat die
Beklagte vertreten, fehle aus diesem Grunde die Aktivlegitimation. Im übrigen
entspreche es zwar den Tatsachen, dass es zu Sortenvermischungen komme. Diese
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könnten indessen auf vielerlei Ursachen, angefangen bei Fehlern der Anpflanzung und
Ernte des Saatgutes, beruhen. Die klägerseits vorgelegten Testergebnisse könnten
keine Repräsentativität beanspruchen, zumal ihr jede Möglichkeit genommen sei, etwa
durch Gegenproben die Richtigkeit der Testergebnisse der LUFA zu überprüfen. Es
müsse bestritten werden, dass die Proben jeweils zu den genannten Daten gekauft
worden seien; auch bleibe unklar, unter welchen Umständen der jeweilige Kauf und
Transport stattgefunden habe. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass es nach dem
Erwerb der Proben nicht noch nachträglich zu Manipulationen des Inhalts - konkret zu
Sortenvermischungen - kommen konnte. Denn die Verpackungen könnten geöffnet und
wieder verschlossen werden, ohne dass dies auffalle. Zu berücksichtigen sei in diesem
Zusammenhang, dass der Zeuge J. K. , der letztlich hinter der Klägerin stehe, nicht
"neutral", sondern von einem Vergeltungsdrang getrieben werde, der daraus resultiere,
dass - wie unstreitig ist - eines seiner früheren Unternehmen nach dessen Konkurs von
ihr, der Beklagten, übernommen worden sei. Schließlich liege auf ihrer, der Beklagten,
Seite auch kein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, sondern - wenn überhaupt - die
bloße Schlechterfüllung der mit ihren Kunden geschlossenen Verträge vor. In
Anbetracht der unter dem Datum des 04.09.1996 bereits abgegebenen
Unterlassungserklärungen sei jedenfalls aber auch die Wiederholungsgefahr entfallen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung bei dem Landgericht am 18.11.1997 hat der
erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten sodann erklärt, dass er die
Aktivlegitimation der Klägerin nicht mehr bestreite (Bl. 150 d.A.).
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Das Landgericht hat anschließend Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom
12.12.1997 und vom 14.08.1998 (Bl. 161, 203 ff d.A.) mit dem aus der Auskunft der
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (Bl. 174-176. A.), den schriftlichen
Angaben der Zeugen Dr. W. und K.(Bl. 216, 218, 238, 240 d.A.) sowie dem Protokoll
über die Vernehmung der Zeugen K. und D. ersichtlichen Ergebnis. Mit Urteil vom
21.12.1999, auf welches zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat es
der Klage daraufhin teilweise, nämlich hinsichtlich des unter lit. a) des Antrags geltend
gemachten Haupt-Unterlassungsbegehrens unter Klageabweisung im übrigen aus § 3
UWG stattgegeben.
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Gegen dieses ihr am 27.12.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.01.2000
Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum
12.04.2000 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Die Klägerin, so macht die ihr erstinstanzliches Vorbringen im übrigen wiederholende
und vertiefende Beklagte zur Begründung ihres Rechtsmittels geltend, sei bereits nicht
aktivlegitimiert. Es handele sich bei ihr um eine reine Scheingesellschaft ohne aktiven
eigenen Geschäftsbetrieb. Sie habe, was der Zeuge K. gegenüber Dritten selbst
eingeräumt habe, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz an den jetzigen Wohnort des
Zeugen in Österreich verlegt, was einen Wechsel des Gesellschaftsstatuts zur Folge
habe. Dass die Gesellschaft an ihrem neuen Sitz in Österreich anerkannt und ohne
Eintragung in das dortige Handelsregister als existent angesehen wird, müsse bestritten
werden (Bl. 407 d.A.). Auch könne das angefochtene Urteil nicht überzeugen, soweit es
auf ihrer, der Beklagten, Seite ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs angenommen
habe. Unterstellt, dass es überhaupt zu auf ihre Tätigkeit zurückzuführende
Sortenverunreinigungen gekommen sei, handele es sich dabei jedenfalls um vereinzelt
und zufällig eintretende bloße Ausreißer, wie sie selbst bei optimal organisierten und
kontrollierten Sortier- und Abpackvorgängen nicht vermieden werden könnten.
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Allerdings beruhe die Annahme des Landgerichts, es sei tatsächlich im Jahre 1996 in
einzelnen Fällen zu Sortenvermischungen gekommen, auf der unvollständigen
Aufklärung des Sachverhalts. Das Landgericht habe nicht hinreichend beachtet, dass
vor dem Hinterund der Vergeltungssucht des Zeugen K. Manipulationen nach dem
Erwerb der Proben nicht nur nicht ausgeschlossen werden könnten, sondern sogar
nahelägen. Verfahrensfehlerhaft sei es daher ihrem Beweisantrag nicht nachgegangen,
dass Manipulationen technisch ohne weiteres mög-lich seien bzw. dass die
Verpackungen sowohl in der Form von Plastikbeuteln als auch in der Form von Netzen
nach Öffnung wieder so verschlossen werden könnten, dass keine optischen
Veränderungen wahrnehmbar sind. Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung
daher die Prüfzeugnisse der LUFA nicht verwerten dürfen, da dies gerade voraussetze,
dass dem genannten Prüfinstitut die jeweiligen Packungen im Originalzustand ohne die
Möglichkeit der Manipulation vorgelegt worden sind.
Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil des Landgerichts teilweise ab-
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zuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auch die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und hält
insbesondere an ihren bereits in erster Instanz vertretenen Standpunkten fest, wonach
das angegriffene Verhalten der Beklagten auch in subjektiver Hinsicht als
Wettbewerbshandlung qualifiziert werden müsse und sie - die Klägerin - aktivlegitimiert
sei, den geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch zu
verfolgen. Der Zeuge K. habe sich im Handel ausnahmslos originalverpackte Ware
verschafft, die er in eben diesem Zustand bei den Prüfinstituten eingereicht habe.
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Hinsichtlich der näheren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf ihre in beiden
Instanzen gewechselten Schriftsätze jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung bleibt in der
Sache erfolglos.
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Zu Recht hat das Landgericht der Beklagten entsprechend dem unter lit a) des
Klageantrags formulierten Unterlassungsbegehren untersagt, innerhalb des
Anwendungsbereiches der HandelsklassenVO (vgl. die dort unter § 3 getroffene
Ausnahmeregelung) Speisekartoffeln unter einer Sortenbezeichnung in den Verkehr zu
bringen, wenn der Anteil an Fremdknollen den Anteil von 2 % des Gewichts der
jeweiligen Packung oder Partie beträgt. Die auf das Verbot dieses Verhaltens gerichtete
Klage erweist sich auch unter Berücksichtigung der mit der Berufung vorgebrachten
Einwände der Beklagten nicht nur als zulässig (I.), sondern aus den §§ 13 Abs. 2 Nr. 1,
3 UWG darüber hinaus ebenfalls als begründet (II.).
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I.
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1. Soweit die Beklagte mit der Behauptung, die Klägerin habe ihren Verwaltungssitz
nach Österreich verlegt, wo sie indessen ohne Eintragung in das dortige
Handelsregister als juristische Person nicht anerkannt bzw. nicht existent sei, die
aktive Parteifähigkeit der klagenden GmbH in Abrede stellt, mithin ein der
Zulässigkeit der Klage entgegenstehendes Prozesshindernis einwendet, vermag
sie damit nicht durchzudringen. Allerdings trifft es dabei im Ausgangspunkt zu,
dass die für die Parteifähigkeit maßgebliche Rechtsfähigkeit einer juristischen
Person anhand ihres Personal- bzw. Gesellschaftsstatuts, also nach demjenigen
Recht zu beurteilen ist, das am Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes gilt (vgl.
BGH LM Nr. 40 zu § 50 ZPO und Nr. 13 zu § 50 ZPO; vgl. EuGH NJW 1989, 2186
-"Daily Mail"-; Palandt-Heldrich, BGB, 59. Auflage, Anhang zu Art. 12 EGBGB
Rdn. 1, 2 m.w.N.). Zu Recht führt die Beklagte ferner aus, dass sich hieran durch
die Entscheidung "Centros" des EuGH (NJW 1999, 2027ff) nichts geändert hat,
weil sich diese Entscheidung nur zur Frage der Niederlassungsfreiheit einer nach
dem Recht eines EG-Mitgliedsstaates wirksam gegründeten Auslandsgesellschaft
verhält, ohne den Mitgliedsstaaten die Wahl eines bestimmten
Anknüpfungspunktes für das Gesellschaftsstatut vorzugeben (vgl. auch EuGH
NJW 1989, 2186/2187 f -"Daily Mail"-). Als für die Ermittlung des
Gesellschaftsstatuts maßgeblicher Verwaltungssitz gilt der Tätigkeitsort der
Geschäftsführung und der dazu berufenen Verwaltungsorgane, also der Ort, wo
die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung bzw. der Leitung
des in Frage stehenden Zusammenschlusses effektiv in laufende
Geschäftsführungs- und Verwaltungsakte umgesetzt werden (vgl. BGH LM Nr. 40
u § 50 ZPO; Palandt-Heldrich, a.a.O., Anhang zu Art. 12 EGBGB Rdn. 3 m.w.N.).
Im Streitfall liegen indessen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass
die nach wie vor in das Handelsregister K. eingetragene Klägerin ihren anhand
dieser Vorgaben zu ermittelnden effektiven Verwaltungssitz nach Österreich
verlegt hat. Angesichts der Widersprüchlichkeit des Vorbringens der Beklagten,
die einerseits behauptet, die Klägerin unterhalte überhaupt keinen aktiven
Geschäftsbetrieb, andererseits aber die Verlagerung des Schwerpunktes des
körperschaftlichen Lebens der Klägerin nach Österreich behauptet, was indessen
wiederum eine eigene unternehmerische Tätigkeit voraussetzt, sieht der Senat
auch unter Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 56 ZPO) keinen Anlass,
dem behaupteten Mangel der Parteifähigkeit nachzugehen. Hinzu kommt weiter
aber auch, dass bei der gegebenen Sachverhaltskonstellation, die nach der
Behauptung der Beklagten die Rechtsfähigkeit der anwaltlich vertretenen Klägerin
nach österreichischem Recht und damit auch ihre aktive Parteifähigkeit für den
vorliegenden Prozess einer endgültigen Klärung zuzuführen hätte, eine Situation
geschaffen ist, die derjenigen zumindest nahe kommt, wie sie der in § 246 ZPO
geregelten Möglichkeit der Aussetzung bei Verlust u.a. der Prozessfähigkeit
zugrunde liegt, was für die analoge Anwendung der genannten Vorschrift im
Streitfall spricht. Dies führte indessen nicht zur Klagabweisung als unzulässig oder
zur Unterbrechung des Verfahrens, sondern auf Antrag allenfalls zur Aussetzung,
so dass - da ein solcher Antrag vorliegend nicht gestellt ist - der Prozess jedenfalls
fortzusetzen ist.
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1. Die Klägerin ist aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG weiter auch klage- bzw.
prozessführungsbefugt, da sie Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben
Markt wie die Beklagte vertreibt bzw. mit dieser in einem zumindest abstrakten
Wettbewerbsverhältnis steht (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21.
Auflage, Rdn. 14 zu § 13 UWG m.w.N.). Denn auch wenn die Beklagte im ganz
überwiegenden Umfang als reiner Dienstleister die Abpackung der von den
Lebensmitteleinzelhandelsketten angelieferten Speisekartoffeln übernimmt, wird
sie ihrem eigenen Vortrag nach jedenfalls im Billigpreissegment als Großhändlerin
tätig, welche die Rohware auf dem freien Kartoffelmarkt selbst einkauft und
verpackt, bevor sie sie an den Lebensmitteleinzelhandel abgibt.
Der Annahme eines zwischen den Parteien bestehenden, die Prozessführungsbefugnis
der Klägerin begründenden zumindest abstrakten Wettbewerbsverhältnisses steht
weiter auch die mit der Berufung wieder aufgegriffene Behauptung der Beklagten nicht
entgegen, die Klägerin sei niemals - erst Recht nicht als Kartoffel-Großhändlerin -
werbend tätig geworden. Allerdings trifft es zu, dass die Frage, ob ein
Gewerbetreibender als Mitbewerber i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG
prozessführungsbefugt ist, nicht theoretisch anhand des beispielsweise in einem
Gesellschaftsvertrag festgelegten Unternehmensgegenstandes, sondern anhand der
tatsächlich ausgeübten oder danach zumindest naheliegenden künftigen Tätigkeit zu
beurteilen ist. Grundsätzlich kann daher nur der tätige Gewerbetreibende, nicht
hingegen derjenige klagebefugt sein, der seinen Betrieb endgültig eingestellt oder noch
überhaupt nicht aufgenommen hat (Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 12 zu § 13 UWG;
Köhler/Piper, UWG, Rdn. 11 zu § 13 UWG - jeweils m.w.N.). Die Behauptung der
Beklagten, bei der Klägerin handele es sich um eine Scheinfirma, die niemals einen
eigenen Geschäftsbetrieb aufgenommen habe, steht der klägerischen
Prozessführungsbefugnis gleichwohl nicht entgegen. Denn die Beklagte muss sich
insoweit an dem in erster Instanz nach Maßgabe von § 288 ZPO erklärten Zugeständnis
der Aufnahme der aktiven Tätigkeit der Klägerin festhalten lassen. Dieser Beurteilung
der beklagtenseits im Termin am 18.11.1997 bei dem Landgericht abgegebenen
Erklärung, "die Aktivlegitimation der Klägerin nicht mehr zu bestreiten", steht es von
vornherein nicht entgegen, dass damit nicht ausdrücklich die von der Klägerin
behauptete Aufnahme einer eigenen werbenden Geschäftstätigkeit zugestanden
worden ist. Ein Geständnis i.S. von § 288 ZPO ist die Erklärung, dass eine von der
Gegenseite behauptete Tatsache wahr ist. Dass eine Behauptung des Gegners nicht
bestritten wird (§ 138 Abs. 3 ZPO), kann einem Geständnis i.S. von § 288 ZPO zwar
nicht gleichgestellt werden. Anders kann jedoch die ausdrückliche Erklärung zu werten
sein, dass eine Behauptung des Prozessgegners nicht (mehr) bestritten werden solle,
wenn weitere Umstände hinzutreten, die den Willen der nichtbestreitenden Partei
erkennen lassen, der gegnerischen Behauptung bewusst nicht entgegentreten zu
wollen und die daher den Schluss auf ein Geständnis nahe legen (vgl. BGH NJW 1994,
3109; Zöller-Greger, ZPO, 21. Auflage, Rdn. 3 zu § 288 ZPO). So liegt der Fall hier: Die
Erklärung der Beklagten, "die Aktivlegitimation" der Klägerin nicht mehr zu bestreiten,
wurde zu einem Zeitpunkt abgegeben, als die Parteien schon seit fast einem Jahr
darüber gestritten hatten, ob die Klägerin überhaupt eine werbende Geschäftstätigkeit
als Kartoffel-Großhändlerin, mithin den Wettbewerb zur Beklagten aufgenommen hatte.
Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der Erklärung der Beklagten, die
"Aktivlegitimation" der Klägerin nicht mehr bestreiten zu wollen, um eine Aussage von
offenkundig wesentlicher Bedeutung für den Prozess, die den Willen der Beklagten
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erkennen lässt, die gegnerische "Aktivlegitimation" bewusst nunmehr außer Streit zu
stellen und diese für den weiteren Prozessverlauf als gegeben zu erachten. Ihrem
Aussagegehalt nach hat die dargestellte Erklärung der Beklagten auch förmliche
Geständniswirkung in bezug auf die Behauptung der Klägerin, eine eigene
Geschäftstätigkeit im Bereich des Großhandels mit Kartoffeln aufgenommen zu haben,
weil gerade dies die Tatsache ist, über welche die Parteien unter dem als solcher nicht
geständnisfähigen Rechtsbegriff der "Aktivlegitimation" gestritten haben. Dass die somit
zugestandene Tatsache - mit Blick auf die "Doppelnatur" der Vorschrift des § 13 Abs. 2
UWG, die Voraussetzungen sowohl der Prozessführungsbefugnis als auch der
Aktivlegitimation formuliert (vgl. Köhler/Piper, a.a.O., Rdn. 4 zu § 13 UWG m.w.N.) -
dabei letztlich nicht zur Bejahung der Aktivlegitimation, sondern dazu führt, die
Prozessführungsbefugnis der Klägerin als gegeben zu erachten, ist aus dem genannten
Grund ebenfalls unschädlich. Denn die Geständniswirkung der im Termin am
18.11.1997 abgegebenen Erklärung der Beklagten umfasst nur die Tatsache der
Aufnahme eines eigenen Geschäftsbetriebs durch die Klägerin, nicht jedoch die
Bezeichnung des rechtlichen Merkmals oder der materiell-rechtlichen
Anspruchsvoraussetzung, das oder die es bejahen lässt.
Hat die Beklagte im Termin am 18.11.1997 die Aufnahme eines eigenen aktiven
Geschäftsbetriebs durch die Klägerin aber i.S. von § 288 ZPO zugestanden, so lässt der
in der Berufung nunmehr vorgenommene Widerruf die Wirksamkeit dieses
Geständnisses nicht entfallen. Gemäß § 290 S. 1 ZPO hat der Widerruf auf die
Wirksamkeit eines Geständnisses i.S. von § 288 ZPO nur dann Einfluss, wenn die
widerrufende Partei beweist, dass das Geständnis der Wahrheit nicht entspricht und
durch einen Irrtum veranlasst worden ist. Jedenfalls letzteres ist bei dem hier zu
beurteilenden Geständnis der Beklagten nicht der Fall. Ein Irrtum im vorgenannten
Sinne setzt die unbewusste Unkenntnis des wirklichen Sachverhalts voraus. Ein als
Widerrufsgrund beachtlicher Irrtum scheidet daher aus, wo der Gestehende sich
entweder bewusst war, den Inhalt der Erklärung nicht zu kennen oder wo er die
Ungewissheit bewusst in Kauf genommen hat (vgl. BGH VersR 1970, 826/827; Zöller-
Greger, a.a.O., Rdn. 2 zu § 290). Letzteres muss die Beklagte sich hier entgegenhalten
lassen. Denn sie hat das im Termin am 18.11.1997 protokollierte Geständnis erklärt,
ohne dass gegenüber dem bis dahin gegebenen Sachstand neues Tatsachenmaterial
in das Verfahren eingeführt worden war, welches die Aufnahme einer eigenen
Geschäftstätigkeit der Klägerin eindeutig belegt und ein Festhalten an dem bisherigen
Bestreiten als prozessual wenig erfolgversprechend dargestellt hätte. Wenn die
Beklagte in dieser Situation zugestanden hat, dass die Klägerin eine werbende Tätigkeit
entfaltet habe, so nahm sie sehenden Auges die Unsicherheit in Kauf, dass diese
zugestandene Tatsache möglicherweise doch unwahr ist. Hat die Beklagte aber bei
Erklärung des Geständnisses bewusst die Unwahrheit der zugestandenen Tatsache in
ihr Kalkül einbezogen und in Kauf genommen, so kann sie nunmehr nicht aufgrund
eines erst nachträglich in Erfahrung gebrachten Sachverhalts, nach dem sich die
zugestandene Tatsache als angeblich unzutreffend herausgestellt habe und sich das
bewusst in Kauf genommene "Risiko" der Unwahrheit der zugestandenen Tatsache
damit realisiert hat, das Geständnis nach Maßgabe von § 290 ZPO widerrufen.
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II.
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Die nach alledem zulässige Klage ist weiter auch begründet.
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Die Beklagte hat, indem sie von ihr abgepackte und mit bestimmten
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Sortenbezeichnungen gekennzeichnete Kartoffelgebinde mit einem Inhalt in den
Verkehr brachte, der einen Anteil von Knollen fremder Sorten von mehr als 2 % des
Gewichts der jeweiligen Packung aufwies, zu Zwecken des Wettbewerbs einen mehr
als nur unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs in wettbewerblich relevanter
Weise über die Beschaffenheit der von ihr vertriebenen Ware in die Irre geführt (§ 3
UWG).
1. Das streitbefangene Verhalten der Beklagten erfüllt - wie dies für die Anwendbarkeit
des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungstatbestandes des § 3 UWG zu fordern ist -
die Kriterien eines Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs. Denn es ist nicht nur
äußerlich geeignet, den Absatz oder den Bezug der Beklagten zum Nachteil u. a. der
Klägerin als Mitbewerberin zu fördern, sondern auch subjektiv von einer
entsprechenden Wettbewerbsförderungsabsicht getragen.
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Dass die Vorteile, welche die Beklagte mit dem Absatz ihrer Kartoffelgebinde zu
erreichen sucht, objektiv geeignet sind, die Absatzmöglichkeiten der klägerseits
vertriebenen Produkte zu schmälern, so dass sich das beanstandete Verhalten der
Beklagten in objektiver Hinsicht als Wettbewerbshandlung bzw. Handeln zu Zwecken
des Wettbewerbs darstellt, kann keinem Zweifel unterliegen. Aber auch in subjektiver
Hinsicht ist das Verhalten der Beklagen als Wettbewerbshandlung zu qualifizieren. Die
Beklagte hat in der Absicht gehandelt, damit ihren eigenen Wettbewerb zu fördern. An
dieser Wertung vermag der Umstand nichts zu ändern, dass die Beklagte mit dem
beanstandeten Vertrieb der Produkte zugleich eine gegenüber ihren Vertragspartnern,
nämlich den Lebensmitteleinzelhändlern, eingegangene vertragliche Abpack- und
Lieferverpflichtung erfüllen will, bzw. - soweit diese Verpflichtungen nicht ordnungemäß
erfüllt werden - eine Schlechtleistung vorliegt. Zwar trifft es zu, dass nach der auch durch
den erkennenden Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wie sie in
den beklagtenseits zitierten Entscheidungen "Ausschank unter Eichstrich I" (GRUR
1983, 451 ff) sowie "Ausschank unter Eichstrich II" (GRUR 1987, 180 f) zum Ausdruck
gebracht ist, allein aus einer vertragswidrigen Minder- oder Schlechterfüllung nicht
darauf geschlossen werden kann, dass der betreffende Kaufmann insoweit auch zur
Förderung seines Wettbewerbs gehandelt hat, selbst wenn dieses vertragswidrige
Verhalten objektiv geeignet ist, seine wettbewerbliche Position im Verhältnis gegenüber
anderen, sich vertragstreu verhaltenden Mitbewerbern zu verbessern. Anders liegt es
indessen dort, wo der Kaufmann von vornherein auf eine Übervorteilung seiner Kunden
abzielt und nicht gewillt ist, sich an seine Ankündigungen zu halten und die darin
liegende Kundentäuschung zum Mittel seines Wettbewerbs macht. So liegt der Fall hier.
Das gilt sowohl im Verhältnis der Beklagten gegenüber den sie als reines
Abpackunternehmen beauftragenden Lebensmitteleinzelhandelsketten als auch im
Verhältnis gegenüber den Lebensmitteleinzelhändlern, an welche sich die Beklagte mit
ihrem Angebot als Großhändlerin wendet. Denn beide erwarten als Kunden der
Beklagten, dass diese die Kartoffeln entsprechend den sodann auf der Verpackung
anzugebenden und angegebenen Sortenbezeichnungen sortiert, abpackt und ausliefert,
so dass sich die Beklagte beiden Kundengruppen gegenüber vertragswidrig verhält,
wenn sie nicht entsprechend vorgeht. Überdies führt sie ihre Kunden damit in die Irre,
weil - wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen im einzelnen ergibt - diese nach
den auf den Verpackungen angegebenen Sortenbezeichnungen erwarten, der Inhalt sei
entsprechend sortiert, in dieser Erwartung indessen enttäuscht werden, da die
tatsächlich in den Gebinden abgepackten Kartoffeln der angegebenen Sorte in
unzulässigem Maße mit Fremdsorten vermischt sind. Die in Frage stehenden
Sortenvermischungen sind dabei auch nicht lediglich als "Ausreißer" einzuordnen, wie
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sie nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Parteien selbst bei einem
optimal organisierten und arbeitenden Sortier- und Abpackunternehmen vorkommen
können. Die aus den nachstehenden Gründen im Streitfall festzustellende Häufung und
Streuung der Fälle unzulässiger Sortenvermischungen spricht dagegen, dass es sich
dabei um bloß zufällige Ereignisse handelte, sondern für ein planmäßiges Verhalten der
Beklagten bzw. dafür, dass sie dieses zumindest auch als Mittel des Wettbewerbs
eingesetzt hat. Die Beklagte hat sich im hier betroffenen Zeitraum, nämlich im
September 1996, auf die Abmahnung der Saatgut-Treuhandverwaltungs mbH vom
25.08.1996 gegenüber der Vereinigten Saatzuchten eG ebenfalls u.a. wegen
Sortenvermischungen strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet. Bereits dies indiziert,
dass diesen Unterlassungserklärungen nicht nur zufällige und als solche auch bei
optimaler Betriebsorganisation unvermeidbare Einzelfälle von Sortenvermischungen
zugrundelagen, sondern eine Anzahl von Fällen zusammentraf, die einen derartigen
Zufall ausschloss. Hinzu kommt der aus den nachfolgend unter Abschnitt 2.
dargestellten Gründen festzustellende Sachverhalt, dass nach den durch die
Prüfzeugnisse der LUFA dokumentierten Fällen innerhalb eines verhältnismäßig
zeitnahen Zeitraums, nämlich in den Monaten Juli und August 1996, zahlreiche von der
Beklagten abgepackte und in verschiedenen Teilen Deutschlands in den Verkehr
gelangte Kartoffelgebinde eingingen, die ebenfalls Sortenvermischungen aufwiesen.
Die aufgezeigte Häufigkeit gleichgelagerter Fälle von Sortenvermischungen spricht aber
dafür, dass es sich hierbei nicht lediglich um vereinzelte wettbewerbsrechtlich
indifferente Fälle von Vertragsstörungen im Verhältnis zwischen der Beklagten und
ihren Handelspartnern handelt, sondern dass dem ein gezieltes und planmäßiges
Verhalten der Beklagten mit dem Zweck zumindest auch der Förderung des eigenen
Wettbewerbs zugrundeliegt. Dabei ist nach dem von der Beklagten zu den Akten
gereichten "Ablaufplan der Speisekartoffel vom Ursprung bis zum Endverbraucher"
auch davon auszugehen, dass sowohl im Stadium der Qualitätskontrolle beim Abpacker
als auch beim Abpacken der Kartoffeln selbst Sortiervorgänge anfallen und
betriebstechnisch zu bewerkstelligen sind, die - je nach dem in Kauf genommenen
Risiko von Fehlsortierungen und Sortenvermischungen - einen sich auch kostenmäßig
auswirkenden unterschiedlichen personellen und technischen Aufwand erfordern. Die
dargestellte Häufigkeit der Sortenvermischungen im Betrieb der Beklagten spricht dabei
dafür, dass die Beklagte eben diesen Aufwand im Verhältnis gegenüber anderen
Wettbewerbern möglichst gering hält, was die Absicht indiziert, dass (unzulässige)
Sortenvermischungen jedenfalls auch als Mittel des Wettbewerbs eingesetzt werden,
um sich dadurch einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern verschaffen zu können, die
Sortenvermischungen durch den entsprechenden Einsatz personeller und sachlicher
Mittel so weit wie möglich auszuschließen trachten.
1. Liegt somit auf Seiten der Beklagten insgesamt ein Handeln zu Zwecken des
Wettbewerbs vor, so sind weiter auch die sonstigen Voraussetzungen des
wettbewerblichen Irreführungstatbestandes des § 3 UWG erfüllt. Denn ein mehr
als nur unbeachtlicher Teil des Verkehrs, an den die Beklagte sich mit ihrem
Angebot wendet, wird durch die auf den Verpackungen angegebenen
Sortenbezeichnungen in wettbewerblich relevanter Weise in die Irre geführt.
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Dabei ist im Ausgangspunkt zu beachten, dass sich die Beklagte mit ihrem Angebot
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nicht unmittelbar an die Endverbraucher, sondern an Wiederverkäufer, konkret den
Lebensmitteleinzelhandel, mithin an ein Fachpublikum wendet. Zumindest ein nicht
unerheblicher Teil dieser Adressaten des Angebots der Beklagten erwarten aber, dass
die mit einer bestimmten Sortenbezeichnung gekennzeichneten Kartoffelgebinde
Knollen eben dieser Sorte mit einem allenfalls innerhalb der zulässigen
Toleranzgrenzen liegenden Anteil an Fremdsorten-Knollen enthalten.
§ 4 Abs. 1 Nr. 2 a) der HandelsklassenVO bestimmt, dass Speisekartoffeln vorbehaltlich
der unter § 6 Abs. 1 dieser Verordnung formulierten Toleranzen bezüglich der jeweiligen
Partie oder Packung sortenrein sein müssen. Gemäß der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 der
HandelsklassenVO getroffenen Regelung ist dieses Erfordernis der Sortenreinheit
gewahrt, wenn der Anteil an Knollen fremder Sorten 2 % des Gewichtes der jeweiligen
Partie oder Packung nicht übersteigt. Die dargestellten gesetzlichen Bestimmungen
betreffend die Sortenreinheit prägen das Vorstellungsbild des vorbezeichneten
Fachverkehrs, der sich mit dem Wiederverkauf u.a. von durch den Großhandel unter
bestimmten Sortenbezeichnungen angebotenen Speisekartoffel-gebinden befasst.
Jedenfalls ein nicht unbeachtlicher Teil dieses Publikums wird daher aufgrund der
Angabe einer auf den beklagtenseits vertriebenen Kartoffelgebinden vorhandenen
Sortenbezeichnung erwarten, dass der Inhalt der Packungen entsprechend der
aufgezeigten Regelung der HandelsklassenVO abgefüllt ist, daher mit Ausnahme eines
sich allenfalls in den Toleranzgrenzen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 HandelsklassenVO
bewegenden Fremdsortenanteils Knollen der angegebenen Sortenbezeichnung in den
Packungen vorhanden sind.
61
In dieser Erwartung wird der angesprochene Verkehr indessen enttäuscht, weil die
Beklagte Packungen in den Verkehr bringt, die einen die Toleranzgrenze von 2%
übersteigenden Anteil an Fremdknollen aufweisen. Die Klägerin hat bewiesen, dass die
durch den Zeugen J. K. erworbenen und bei der LUFA zur Überprüfung eingereichten
Kartoffelgebinde, die sämtlich die Beklagte als Abpackbetrieb angeben, einen deutlich
höheren Anteil an Knollen anderer Sorten als der auf der Verpackung angegebenen
Sorte aufwiesen. Zu Recht hat es das Landgericht auf der Grundlage der erstinstanzlich
durchgeführten Beweisaufnahme und der zu den Akten gereichten
Untersuchungszeugnisse der LUFA, in denen die Beklagte als Abpackunternehmen
erwähnt ist, als erwiesen erachtet, dass die Beklagte Kartoffelpackungen vertreibt, deren
Inhalt nicht den vorstehend dargestellten Vorgaben der HandelsklassenVO
entsprechen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst in vollem
Umfang gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug auf die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils. Dieses hält den mit der Berufung vorgebrachten Einwänden der
Beklagten in jeder Hinsicht stand. Soweit die Beklagte vorbringt, das Landgericht habe
zu Unrecht festgestellt, dass die von der LUFA untersuchten Proben, denen mangelnde
Sortenreinheit attestiert wurde, überhaupt aus ihrem Betrieb stammen, vermag sie damit
nicht durchzudringen. Dem steht der Umstand entgegen, dass die Beklagte ausweislich
der Untersuchungszeugnisse der LUFA auf den Verpackungen der inspizierten Gebinde
als Abpackbetrieb angegeben ist. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben
unzutreffend sind oder insoweit entweder im Verantwortungsbereich der LUFA oder des
Zeugen K. Manipulationen vorgenommen worden sein könnten, lassen sich weder dem
Vortrag der Beklagten, noch dem Sachverhalt im übrigen entnehmen. Soweit die
Beklagte den Vorwurf von Manipulationen erhebt, bezieht sich das nicht etwa darauf,
der als Testkäufer tätig gewesene Zeuge K. habe die auf den Verpackungen
enthaltenen Hinweise verändert, ihr also insoweit aus anderen Abpackbetrieben
stammende Ware untergeschoben. Mit dem erhobenen Manipulationsvorwurf äußert die
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Beklagte vielmehr allein den Verdacht, der Zeuge K. habe aus unlauteren Motiven
Veränderungen am zuvor angeblich beanstandungsfreien Inhalt der von ihm
erworbenen Packungen vorgenommen, die nach der Behauptung der Beklagten
geöffnet und wiederverschlossen werden können, ohne dass dies für einen Dritten
bemerkbar ist. Auch insoweit vermag der Einwand der Beklagten indessen nicht zu
überzeugen. Er vermag weder die prozessuale Rüge zu begründen, das Landgericht
habe zu Unrecht die Beweisanträge betreffend die behauptete Möglichkeit des
unbemerkten Öffnens und Wiederverschlusses der Originalverpackungen übergangen,
noch steht er der Verwertbarkeit der Untersuchungszeugnisse der LUFA entgegen. Ein
Anlass, den dargestellten Beweisangeboten der Beklagten nachzugehen, bestand und
besteht nicht. Denn die damit unter Beweis gestellte Behauptung kann als wahr
unterstellt werden, ohne dass damit der Manipulationsvorwurf als berechtigt anzusehen
ist. Der Frage, ob die Verpackungen selbst für Fachleute unbemerkbar geöffnet und
wieder verschlossen werden können, wäre nur dann nachzugehen, wenn der
beklagtenseits gegenüber dem Zeugen K. geäußerte Verdacht der Manipulationen
Berechtigung hätte bzw. begründete Anhaltspunkte dafür ersichtlich wären, dass der
Zeuge der Versuchung erlegen sein könnte, aus "Vergeltungssucht" oder sonstiger
Böswilligkeit Manipulationen am Inhalt der letztlich bei der LUFA eingereichten
Verpackungen vorzunehmen, um der Beklagten zu schaden. Das ist indessen nicht der
Fall. Allein der Umstand, dass die Beklagte ein ehedem von dem Zeugen geführtes
Unternehmen erworben hat und weiterbetreibt, lässt nicht den Rückschluss darauf zu,
dass der Zeuge, getrieben von "Rachsucht", sich die Möglichkeit der angeblich nicht zu
bemerkenden Öffnung und Wiederverschließbarkeit der Originalverpackungen für
Manipulationen an der von ihm erworbenen Testware zu Nutze gemacht hat. Gegen die
Annahme, dass die von der LUFA ermittelten Ergebnisse auf durch den Zeugen unter
Ausnutzung der dargestellten Möglichkeit vorgenommenen Manipulationen des
jeweiligen Inhalts beruhen, spricht im übrigen der Umstand, dass die Beklagte, wie sich
aus den Drittunterwerfungen ergibt, in anderen Fällen tatsächlich unzulässige
Sortenvermischungen vorgenommen hat. Dass dem Zeugen K. diese
Drittunterwerfungen bzw. der diesen zugrundeliegende Sachverhalt zu der Zeit, als er
die Testware erwarb und bei der LUFA einreichte, bekannt war, und er sich diesen
zunutze machen wollte, um der Beklagten durch die künstliche Herstellung eines
vergleichbaren Sachverhalts einen weitergehenden Schaden zuzufügen, ist ebenfalls
nicht ersichtlich. Denn Vergeltungssucht oder sonstige unlautere Motive können
durchaus auch Triebfeder von als solche berechtigten Beanstandungen sein, deren
Verfolgung - wegen der dargestellten Motivation - dann ein besonderer Eifer gewidmet
wird oder die deshalb überhaupt erst aufgedeckt werden. Lässt die beklagtenseits
behauptete Möglichkeit der angeblich nicht zu bemerkenden Öffnung und
Wiederverschließbarkeit der Originalverpackungen nach alledem daher nicht den
Rückschluss darauf zu, dass der Zeuge K. am Inhalt der bei LUFA eingereichten
Packungen Manipulationen vorgenommen hat, um die dort sodann tatsächlich
festgestellten Prüfergebnisse der unzureichenden Sortenreinheit zu erhalten, war und ist
weder eine Beweiserhebung über die Möglichkeit der nicht feststellbaren Öffnung und
Wiederverschließbarkeit der Originalpackungen veranlasst, noch steht diese der
Verwertbarkeit der Prüfzeugnisse der LUFA entgegen.
Die sich folglich als Fehlvorstellung erweisende Erwartung der angesprochenen
Adressaten, die nach der auf den Verpackungen angegebenen Sortenbezeichnung
davon ausgehen, eben diese Sorte mit einem die Quote von 2% des Gewichts der
Packung nicht übersteigenden Anteil an Fremdknollen geliefert zu erhalten, ist dabei
auch von wettbewerblicher Relevanz. Denn diese Fehlvorstellung ist geeignet, die
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Adressaten für das Angebot der Beklagten zu interessieren bzw. das Interesse an der
Beklagten als Geschäftspartnerin aufrechtzuerhalten, mithin von Einfluss auf die
wirtschaftliche Entscheidung dieses Adressatenkreises.
Der erkennende Senat kann dabei ebenso wie die erstinstanzlich entscheidende
Kammer sowohl die mit der hier fraglichen Angabe der Sortenbezeichnung
hervorgerufene Vorstellung des Verkehrs als auch deren Eignung zur Irreführung aus
eigener Sachkunde und Lebenserfahrung beurteilen, obwohl seine Mitglieder nicht zu
den vom Angebot der Beklagen angesprochenen Fachkreisen gehören. Denn dass die
erwähnten Fachkreise die Angabe der Sortenbezeichnung vor dem aufgezeigten
Hintergrund der in der HandelsklassenVO getroffenen Regelung aufgrund ihres
spezifischen Fachwissens abweichend verstehen könnten, als sich dies aufgrund der
allgemeinen Lebenserfahrung und der allgemeinen Sprachverständnisses erschließt, ist
nicht ersichtlich.
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1. Auch die im Rahmen von § 3 UWG gebotene Interessenabwägung (vgl.
Köhler/Piper, a.a.O., Rdn. 141 ff zu § 3 UWG; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn.
97 zu § 3 UWG) vermag eine Entscheidung zu Gunsten der Beklagten nicht
herbeiführen. Die von der Beklagten im Streitfall bewirkte Fehlvorstellung betrifft
die qualitative Beschaffenheit der von ihr betroffenen Ware, was erhebliche
Interessen der Allgemeinheit und nicht zuletzt der Endverbraucher, an welche die
Verpackungen bzw. Gebinde letztlich abgegeben werden, berührt. Der Beklagten
ist es demgegenüber zumutbar und daher abzuverlangen, bei der Sortierung und
dem Abpacken der Speisekartoffeln Maßnahmen zu ergreifen, die einen Standard
sicherstellen, der die Einhaltung der Toleranzgrenzen mit Ausnahme weniger
Ausreißer, wie sie auch bei einem optimal eingerichteten Betriebsvorgang
vorkommen können, möglichst sicherstellt. Die Beklagte wird durch das
ausgesprochene Verbot auch nicht etwa deshalb in unzumutbarer Weise in ihrer
gewerblichen Tätigkeit beschränkt oder sonst belastet, weil sie nunmehr künftig
bei jeder einzelnen zufälligen Fehlsortierung bzw. unzulässigen
Sortenvermischung die Festsetzung von Ordnungsmitteln zu gewärtigen hat. Denn
der von der Klägerin geltend gemachte und nach den obigen Ausführungen den
Voraussetzungen nach erfüllte Irreführungstatbestand ist auf Handlungen zu
Zwecken des Wettbewerbs beschränkt und setzt daher die Förderung des eigenen
Wettbewerbs durch gezielte und planmäßige Kundentäuschung voraus.
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1. Dass die gegenüber der Vereinigten Saatzuchten e.G. abgegebenen
Unterlassungsverpflichtungserklärungen der Beklagten die für den
Unterlassungsanspruch vorauszusetzende Wiederholungsgefahr nicht in Wegfall
gebracht haben, hat das LG im Ergebnis zu Recht erkannt. Diese, von der
Beklagten mit der Berufung auch nicht ausdrücklich angegriffene Wertung erweist
sich mit Blick darauf als überzeugend, dass die Drittgläubigerin trotz der nach
Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärungen in nicht unerheblichem
Umfang festzustellenden Zuwiderhandlungen keine Sanktionen eingefordert hat,
so dass nicht hinreichend sichergestellt ist, dass die Beklagte aufgrund der
Drittunterwerfungen das beanstandete Verhalten künftig unterlässt (vgl. Teplitzky,
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Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Auflage, 8. Kapitel, Rdn. 41 m.w.N.).
5. Die Klägerin ist schließlich auch aktivlegitimiert, den seinen Voraussetzungen nach
zu bejahenden Wettbewerbsverstoß der Beklagten im Rahmen eines eigenen
Unterlassungsanspruchs geltend zu machen, da dieser eine Handlung betrifft, die
geeignet ist, den Wettbewerb auf dem Markt wesentlich zu beeinträchtigen (§ 13 Abs. 2
Nr. 1 UWG). Mit Blick auf die als nicht unerheblich einzuschätzende
Nachahmungsgefahr durch andere Wettbewerber sowie die damit berührten Interessen
der Allgemeinheit kann das Verhalten der Beklagten nicht lediglich als Bagatellverstoß
qualifiziert werden, sondern ist die in § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG geforderte
Wesentlichkeitsschwelle erreicht.
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III.
68
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den
§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert sich am Wert des
Unterliegens der Beklagten im vorliegenden Berufungsverfahren.
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