Urteil des OLG Köln vom 17.07.1991

OLG Köln (subjektives recht, wert, verfügung, beschwerde, auslegung, erbeinsetzung, erblasser, besitz, grundstück, einziehung)

Oberlandesgericht Köln, 2 Wx 21/91
Datum:
17.07.1991
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Wx 21/91
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 11 T 229/90
Tenor:
1 .
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 5) gegen den Beschluß des
Landgerichts Köln vom 18. April 1991 - 11 T 299/90 - wird
zurückgewiesen.
2.
Die Beteiligte zu 5) hat die im weiteren Beschwerdeverfahren
entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) bis 4) zu
tragen.
G r ü n d e :
1
I.
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Als letztwillige Verfügungen des am 26. Juni 1989 verstorbenen Erblassers wurden am
10. Juli 1989 mehrere von ihm eigenhändig geschriebene und unterschriebene
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Schriftstücke vom 12. und 13. November 1985, 22. Februar, 21. und 22. August sowie
04. und 13. November 1986 eröffnet, die der Erblasser zusammen am 14. November
1986 beim Amtsgericht Leverkusen in amtliche Verwahrung gegeben hatte. Wegen des
Inhalts der Urkunden wird auf die Testamentsakten Bezug genommen.
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Die Beteiligten zu 1) und 5) sind die beiden Töchter des Erblassers aus dessen erster
Ehe, die Beteiligten zu 2) bis 4) die Kinder der Beteiligten zu 5).
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Das Amtsgericht hat der Beteiligten zu 1) einen gemeinschaftlichen Erbschein vom
15.01.1990 erteilt, der sie zu 1/10 und die Beteiligte zu 2), 3) und 4) zu je 3/10 als Erben
ausweist.
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Schon zu Lebzeiten hatte der Erblasser jeweils ein Grundstück an die Beteiligten zu 1)
und 5) übertragen.
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Mit den genannten Verfügungen, in denen sämtliche Beteiligte als "Erben" bezeichnet
waren, bestimmte er weiter, daß seine 10%ige Beteiligung an der Gesellschaft
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Bürgerlichen Rechts "Fa. I. S." der Beteiligten zu 1) zufallen sollte. Der Wert dieser
Beteiligung beträgt nach den Angaben der Beteiligten zu 1) 11.352,00 DM. Weiter
wendete er sein Grundstück C. 0 in M.-T. den Beteiligten zu 2) und 4) zu je 1/3 zu.
Schließlich traf er im Schriftstück vom 22.02.1986 folgende Anordnungen:
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" 1 ...
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2. Das gesamte Inventar-Wohneinrichtung soll solange im Haus Neuland 18
verbleiben, wie meine Frau dort wohnt. Sollte meine Frau das Anwesen verlassen, hat
sie einen Anspruch von 51 % von den gesamten Inventar-Wohneinrichtungen. Der
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Rest geht zu gleichen Teilen an meine beiden Kinder.
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3. Mein persönlicher Besitz geht ebenfalls zu gleichen Teilen an meine beiden Kinder.
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4. ..."
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Die Beteiligte zu 5) begehrt die Einziehung des gemeinschaftlichen Erbscheins durch
das Nachlaßgericht. Sie ist der Auffassung, auch sie sei gemäß Ziffer 3 der Verfügung
vom 22.02.1986 Erbin geworden. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Beteiligte zu 5)
Eigentümer einer Bildersammlung im Wert von 30.000,00 DM gewesen sei, die als
"persönlicher Besitz" zum Nachlaß gehöre.
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Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und die Auffassung vertreten, die
Beteiligte zu 5) sei allenfalls Vermächtnisnehmerin geworden.
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Das Landgericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt und dazu ausgeführt,
daß das Grundstück C. 0 nach seinem Wert ganz eindeutig den Hauptteil des
Nachlasses ausmache. Unter den gegebenen Umständen bestehe kein Zweifel am
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Willen des Erblassers zur testamentarischen Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) bis 4),
während der Beteiligten zu 5) nur ein Vermächtnis zugewandt sei. Selbst wenn man
davon ausgehe, daß die Bilder Eigentum des Erblassers gewesen seien und mit
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30.000,00 DM zu bewerten seien, so seien sie doch in keinem Fall als persönlicher
Besitz nach Ziffer 3 der Verfügung vom 22.02.1986 anzusehen, sondern sie fielen unter
Ziffer 2 dieser Verfügung.
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Ob auch die Beteiligte zu 1) Erbin geworden ist, wovon das Nachlaßgericht
ausgegangen war, hat das Landgericht offengelassen, da dies kein Recht für die
Beteiligte zu 5) begründe, die Einziehung des Erbscheins zu verlangen.
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Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Beteiligte zu.5) mit ihrer
weiteren Beschwerde.
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II.
22
1 .
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Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 Abs. 1Satz 1, Satz 2 Abs. 4, 20 FGG
statthaft und auch ansonsten zulässig. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 5)
ergibt sich schon aus der Zurückweisung ihrer- Beschwerde durch das Landgericht
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(vgl. nur BayObLG Z 1981, 173 (175; Keidel-Kunzte-Winkler, FGG, 12. Aufi., § 20 Rn. 6).
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2.
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In der Sache ist die weitere Beschwerde jedoch nicht begründet. Die Entscheidung des
Landgerichts hält der im Rechtsbeschwerdeverfahren allein möglichen rechtlichen
Nachprüfung (§§ 27 FGG, 550 ZPO) stand, da sie nicht auf einer Verletzung des
Gesetzes beruht. Das Landgericht hat das Testament zutreffend für auslegungsbedürftig
gehalten, da daraus nicht eindeutig hervorgeht, ob und inwieweit die Anordnungen des
Erblassers als Erbeinsetzung (§ 1937 BGB) oder als Vermächtnis (§ 1939 BGB)
anzusehen sind, denn die bloße Bezeichnung der testamentarischen Bedachten als
"Erbe" ist gemäß § 2087 Abs. 1 und Abs. 2 BGB nicht maßgebend für
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die Frage, ob eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis vorliegt. Vielmehr beurteilt sich
nach dem auszulegenden Inhalt der letztwilligen Verfügung, ob ein Bedachter Erbe oder
Vermächtnisnehmer ist (vgl. BayObLG FAMRZ 1990., 1399 (1340).
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Die Auslegung des Landgerichts, daß die Beteiligte zu 5) nach dem Testament nicht
Erbin geworden ist, weist keinen Rechtsfehler auf. Die Testamentsauslegung obliegt
den Richtern der Tatsacheninstanz und bindet das Rechtsbeschwerdegericht, soweit
sie nach den Denkgesetzen unter feststehenden Erfahrungen möglich ist, mit den
gesetzlichen Auslegungsregeln in Einklang steht, .nicht dem klaren Sinn und Wortlaut
des Testaments widerspricht und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (vgl. Senat
FAMRZ 1990, 438) 409 (439); BayObLG FAMRZ 1990, 1399 (1400) m.w.N.). Dagegen
kann der Senat seine Auslegung nicht an die Stelle der tatrichterlichen Auslegung
setzen und mit der Rechtsbeschwerde kann nicht geltend gemacht werden, daß die
Auslegung des Tatrichters nicht die einzig mögliche oder nicht schlechthin zwingend
sei. Es reicht aus, daß die tatrichterliche Auslegung möglich und nicht unvertretbar ist,
selbst wenn andere Schlußfolgerungen ebenso nahe oder sogar noch näher liegen {vgl.
Senat FAMRZ 1989, 449 (450).
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Hier hat sich das Landgericht rechts fehlerfrei auf den Standpunkt gestellt, daß das
Grundstück C. 0 seinem Wert nach den wesentlichen Teil des Nachlasses ausmacht,
denn es ist mit 150.000,00 DM zu bewerten, und daß der Erblasser einen unmittelbaren
Rechtsübergang auf die Bedachten wollte. Zwar ist der Erblasser ersichtlich im
Rechtsunkenntnis davon ausgegangen,. er könne einzelne Gegenstände
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der Erbmasse mit dinglicher Wirkung auf die jeweils Bedachten übertragen, das spricht
jedoch nicht gegen den Willen einer Erbeinsetzung, sondern in Bezug auf die mit den
wesentlichen Vermögensgegenständen Bedachten gerade dafür, wobei die Aufteilung
der einzelnen vermögensgegenstände als Teilungsanordnung nach § 2048 BGB
anzusehen sein kann (vgl. BayObLG NJW-RR 1990, 1230; FAMRZ 1986, 728 (731 mit
weiteren Nachweisen; Palandt-Edenhofer, 50. Aufl., § 2087 BGB Anm. 2).
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Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerdeführerin ist diese Auslegung des
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Landgerichts auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil es den Wert der Bildersammlung
des Erblassers nicht berücksichtigt hat.
Zunächst hat das Landgericht das Testament vom 22.02.1986 rechtsfehlerfrei dahin
ausgelegt, daß die in der Wohnung befindlichen Kunstgegenstände nicht als
"persönlicher Besitz" gemäß Ziffer 3 dieser Verfügung, sondern als Teile der
Wohnungseinrichtung gemäß Ziffer 2 der Verfügung anzusehen sind. Allerdings hat das
Landgericht nicht geprüft, ob nicht auch bei einer Zuordnung der Gegenstände
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zur Wohnungseinrichtung gemäß Ziffer 2 der Verfügung vom 22.02.1986 eine
Erbeinsetzung der Beteiligten zu 5) in Betracht kommt, denn in dieser Ziffer hat der
Erblasser verfügt, daß für den Fall, daß seine Frau das Anwesen verläßt, die Hälfte der
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Wohnungseinrichtung zu gleichen Teilen an die Beteiligten zu 1) und 5) geht. Die
Nichtberücksichtigung dieser - künftigen - Zuwendung führt jedoch nicht zu einer
Fehlerhaftigkeit der Testamentsauslegung des Landgerichts. Insoweit handelt es sich
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nämlich nur um die Zuwendung eines Viertels der Wohneinrichtung an die Beteiligte zu
5), also nach ihren eigenen Angaben in Bezug auf die Bilder um einen Wert von
7.500,00 DM. Im Verhältnis zum Wert des den Beteiligten zu 2) bis 4) zugewandten
Grundstücks ist dieser Anteil so geringfügig, daß die Auffassung des Landgerichts, die
Beteiligte zu 5) sei nur Vermächtnisnehmerin, nicht rechtsfehlerhaft ist.
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3.
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Die Beteiligte zu 5) kann ihre weitere Beschwerde auch nicht darauf stützen, daß der
Erbschein deshalb hätte eingezogen werden müssen, weil zu Unrecht die Beteiligte zu
1) als Erbin aufgeführt ist. Im Verfahren betreffend die Einziehung eines Erbscheins ist
nur der antragsberechtigt, der geltend macht, daß seine erbrechtliehe Stellung im
Erbschein nicht oder nicht richtig ausgewiesen wird, er muß also das für einen anderen
bezeugte Erbrecht ganz oder teilweise für sich selbst in Anspruch nehmen (Senat OLGZ
1971, 94 (96); OLG Hamm Rechtspflege 1984, 273). Wenn aber nach dem Gesagten die
Geltendmachung eines eigenen Erbrechts ausgeschlossen ist, ergibt sich ein
Antragsrecht nicht aus der Stellung der weiteren Beschwerdeführerin als
Vermächtnisnehmerin gemäß § 1939 BGB. Ebenso wie für den Pflichtteilsberechtigten
ergibt sich für den Vermächtnisnehmer ein Antragsrecht auf Einziehung des Erbscheins
nicht daraus, daß er ein Interesse daran hat zu wissen, gegen wen er den
Vermächtnisanspruch richten muß. Die Feststellung des
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Erbrechts im Erbschein enthält nämlich lediglich die Vermutung der Richtigkeit nach §
2365 BGB, hält aber nicht fest, gegen wen die Rechtsverfolgung des
Vermächtnisnehmers zu richten ist. Der bloße Rechtsschein, daß auch die Beteiligte zu
1) Erbin
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ist, beeinträchtigt kein subjektives Recht der Beteiligten zu 5).
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Die Kostenentscheidung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 13 a
Abs. 1 Satz 2 FGG.
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Geschäftswert:
5.000,-- DM
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