Urteil des OLG Köln vom 17.05.2002

OLG Köln: einzelrichter, summarisches verfahren, zwangsvollstreckung, sicherheitsleistung, vollstreckbarkeit, kollegialgericht, vergleich, bedürfnis, drucksache, ermessen

Oberlandesgericht Köln, 16 W 13 /02
Datum:
17.05.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 W 13 /02
Tenor:
Der Antrag des Beschwerdeführers auf einstweilige Einstellung der
Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung aus dem vor dem
Friedensrichter zu Maaseik/Belgien am 29.11.1995 geschlossenen
Vergleich wird zurückgewiesen.
Gründe
1
1.
2
Zur Entscheidung berufenes Beschwerdegericht ist am zuständigen
Oberlandesgericht der Senat, nicht der originäre Einzelrichter. Die Vorschrift des §
568 S. 1 ZPO in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung (Gesetz zur Reform des
Zivilprozesses vom 27.7.2001, BGBl. I S. 1887), die auch im Beschwerdeverfahren
den originären Einzelrichter vorsieht und im vorliegenden Fall nach § 26 Nr. 10
EGZPO bereits anzuwenden wäre, gilt nicht für Beschwerden im
Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Artt. 36 ff EuGVÜ in der Fassung vom
29.11.1996 in Verbindung mit §§ 3 ff, 11 ff des Anerkennungs- und
Vollstreckungsausführungsgesetzes (AVAG) vom 19.2.2001. Die EuGVVO vom
22.12.2000, die nunmehr die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen
in Zivil- und Handelssachen regelt, kommt in Anbetracht ihrer
Übergangsvorschriften ( Art. 66 I, II EuGVVO ) hier noch nicht zur Anwendung.
3
Das Zivilprozess-Reformgesetz vom 27.7.2001 hat mit § 568 ZPO den "originären
Einzelrichter", der für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht
vorgesehen ist ( vgl. § 348 ZPO ), in das Beschwerdeverfahren, in dem es bisher
einen Einzelrichter nicht gab, übernommen. Diese Regelung gilt für das
Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht wie dem Oberlandesgericht in gleicher
Weise ( vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 568, Rz. 1 ). Die originäre
Einzelrichterzuständigkeit im Beschwerdeverfahren setzt voraus, dass die
angefochtene Entscheidung von einem Rechtspfleger oder einem "Einzelrichter" im
Sinne des § 568 S. 1 ZPO erlassen wurde.
4
Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da der Vorsitzende der Zivilkammer, der
nach Art. 32 Abs. 1 EuGVÜ, § 3 Abs. 3 AVAG über die Vollstreckbarkeit zu
entscheiden hat, nach Ansicht des Senats nicht der in § 568 S. 1 ZPO genannte
5
Einzelrichter ist. Dieses Ergebnis ist zwar nicht unumstritten ( wie hier:
Thomas/Putzo, ZPO, 24.Aufl., § 568 Rz. 2; a.A. Zöller/Geimer, a.a.O., AVAG, § 13
Rz. 1: Entscheidung durch Einzelrichter). Dafür sprechen aus der Sicht des Senats
jedoch durchgreifende Überlegungen.
Einzelrichter im Sinne der genannten Vorschrift sind neben dem Amtsrichter zum
einen der originäre Einzelrichter gem. § 348 ZPO, zum anderen der obligatorische
Einzelrichter im Sinne des § 348 a ZPO und der Vorsitzende der KfH, § 349 ZPO
(vgl. Zöller/Gummer, a.a.O., § 568 Rz. 2; Thomas/Putzo, a.a.O.). Der Vorsitzende der
Zivilkammer, der nach den Regelungen des EuGVÜ bzw. der seit dem 1.3.2002
geltenden EuGVVO ( dort Anhang II i.V. m. Art 39 Abs. 1 ) zur Entscheidung berufen
ist, kann nicht als "Einzelrichter" im obigen Sinne verstanden werden. Er ist nicht
originärer Einzelrichter im Sinne des § 348 Abs. 1 S.1 ZPO, da die zu
entscheidende Frage zu den Sachgebieten des § 348 Abs. 1 S.2 Nr. 2 ZPO gehört.
Die Entscheidungen über die Vollstreckbarkeitserklärung sind nämlich dem
Landgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesene Streitigkeiten, § 348
Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchstabe k ZPO. Das AVAG weist die Vollstreckbarerklärung
unabhängig vom Streitwert ausschließlich dem Landgericht zu; für die alte Fassung
des AVAG folgt dies aus § 2 Abs. 1, die Neufassung sieht dies in § 3 Abs. 1 vor. Die
Begründung zum Regierungsentwurf des ZPO-Reformgesetzes benennt im
Zusammenhang mit den Sondersachgebieten des § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Buchstaben a - k ZPO ausdrücklich bei den dem Buchstaben k unterfallenden
Sachgebieten die Regelung des - bis 28.2.2001 geltenden - § 2 Abs. 1 AVAG ( BT-
Drucks. 14/4722, S. 89 ). Damit hat der Gesetzgeber das Sachgebiet der
Entscheidungen zur Vollstreckbarkeit nicht in der Zuständigkeit des originären
Einzelrichters belassen, sondern der Sonderzuständigkeit der Zivilkammer
zugeordnet. Deren Vorsitzender ist geschäftsplanmäßig für diese Entscheidungen
zuständig.
6
Der Vorsitzende ist auch nicht obligatorischer Einzelrichter i.S. des § 348 a Abs. 1
ZPO, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die Zivilkammer hat
ihm den Rechtsstreit nicht übertragen. Vielmehr ist der Vorsitzende bereits aufgrund
der Regelungen des Art. 32 EuGVÜ bzw. Art. 39 EuGVVO i.V. m. Anhang I, § 3 Abs.
3 AVAG allein zuständig. Eine Vorlage des Rechtsstreits an die Kammer mit dem
Ziel einer Rückübertragung scheidet ebenfalls aus diesem Grund aus, 348 a Abs. 2
ZPO.
7
Schließlich kommt auch eine direkte oder entsprechende Anwendung des § 349
ZPO nicht in Betracht. Gegen eine entsprechende Anwendung spricht, dass in
Handelssachen sowohl die Kammer als auch der Vorsitzende entscheiden kann, §
349 Abs. 3 ZPO; die Entscheidungsbefugnisse des Vorsitzenden der KfH sind
zunächst auf die Entscheidungen des § 349 Abs. 2 ZPO beschränkt. Hingegen ist -
wie bereits aufgezeigt - im Fall der Artt. 31 ff EuGVÜ bzw. Art. 39 EuGVVO allein der
Vorsitzende der Zivilkammer von vornherein funktionell zuständig, ohne dass die
Kammer tätig werden darf. Sachlicher Grund für die Zuweisung der in § 348 Abs. 1
S. 2 Nr. 2 Buchst. k ZPO aufgeführten Streitigkeiten an die Zivilkammer ist das
Bedürfnis, für diese Streitigkeiten angesichts ihrer Bedeutung eine gleichmäßige
Rechtsprechung herbeizuführen ( vgl. BT-Drucksache 14/4722, S. 89 ). Dies wird
durch eine Zuweisung an das Landgericht und eine Zuordnung zur
Sonderzuständigkeit der Kammer gewährleistet.
8
Das Bestreben des Gesetzgebers im Rahmen der Zivilrechtsreform, bei
Entscheidungen mit Auslandsbezug, bei denen die Anwendung ausländischen
Rechts in Betracht kommt, unabhängig vom Streitwert eine größtmögliche
Einheitlichkeit der Rechtsprechung herbeizuführen, hat sich auch in der Regelung
des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) und c) GVG ( n. F. ) niedergeschlagen, wonach für
Berufungen gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts mit Auslandsbezug
ausnahmsweise das Oberlandesgericht zuständig ist.
9
Schließlich liegt es in Anbetracht der Struktur des Vollstreckbarerklärungsverfahrens
im Interesse der Beteiligten, dass in 2. Instanz ein Kollegialgericht funktionell
zuständig ist. Das Verfahren 1.Instanz ist nämlich ein einseitiges und summarisches
Verfahren. Erst in 2. Instanz werden die Einwände des Schuldners beachtet und
überprüft, so dass für die Parteien nur diese eine Instanz zur umfassenden
Überprüfung in der Sache - soweit diese das EuGVÜ bzw. die EuGVVO zuläßt -
bleibt.
10
11
Angesichts dieser erheblichen Gründe, die eine Zuständigkeit des Senats als
Kollegialgericht verlangen, vermag die Gegenmeinung ( s. Zöller/Geimer, a.a.O. )
nicht zu überzeugen, die zudem eine Auseinandersetzung mit den neuen
Regelungen der ZPO vermissen läßt.
12
2.
13
Der Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners vom 20.4.2002 auf Einstellung der
Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung ist zurückzuweisen, da das
Vollstreckbarkeitsverfahren eine solche Maßnahme nicht vorsieht.
14
Solange über den Rechtsbehelf des Schuldners nicht entschieden ist - wie hier -,
darf die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen ohnehin nicht über Maßnahmen zur
Sicherung hinausgehen, Art. 39 Abs. 1 EuGVÜ, § 18 AVAG.
15
Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt allenfalls nach einer
Sicherheitsleistung des Schuldners in Betracht, was der Schuldner und
Beschwerdeführer hier nicht geltend macht, § 20 AVAG.
16
Ferner sind auch nicht die Voraussetzungen des Art. 38 Abs.1, Abs. 3 EuGVÜ
dargelegt, wonach es im Ermessen des Beschwerdegerichts liegt, die
Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen. Eine
solche Entscheidung kommt nur in Betracht, wenn gegen die Entscheidung im
Ursprungsstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Auch wenn
nunmehr ein Ehescheidungsantrag eingereicht sein sollte, handelt es sich damit
nicht um einen Rechtsbehelf gegen den am 29.11.1995 geschlossenen Vergleich
der Parteien.
17