Urteil des OLG Köln vom 02.09.2008

OLG Köln: eintritt des versicherungsfalls, schweres verschulden, fahrzeug, reparatur, versicherer, versicherungsnehmer, zustand, entschädigung, umbau, erlöschen

Oberlandesgericht Köln, 9 U 3/08
Datum:
02.09.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 3/08
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 20 O 72/07
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5.12.2007 verkündete
Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O 72/07 -
abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
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(abgekürzt nach §§ XX0 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO )
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I. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger aufgrund der bei der Beklagten
abgeschlossenen Kaskoversicherung Entschädigung wegen eines behaupteten Unfalls
vom 26.9.2006 in B, Auffahrt zur B XX in Fahrtrichtung T, betreffend das Fahrzeug
Porsche 997 (rotes Kennzeichen: XY).
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Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen die Beklagte verurteilt, an
den Kläger 18.019,48 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.2.2007 zu
zahlen. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten.
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II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist begründet.
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1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Entschädigung nach § 12
Abs. 1 II e) AKB i.V.m. II Nr. 1 der Sonderbedingungen zur Haftpflicht- und
Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und – Handwerk zu.
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Die Beklagte ist wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit durch den Kläger
leistungsfrei nach den §§ 6 Abs. 3 VVG a. F., 7 I Abs. 2 S. 3, V Abs. 4 AKB.
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a) Der Kläger hat seine Aufklärungsobliegenheit verletzt, indem er vorsätzlich falsche
Angaben im Fragebogen zum Schadensfall gemacht hat.
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Der Versicherungsnehmer ist nach Eintritt des Versicherungsfalls gemäß § 7 Ziffer I Nr.
2 S. 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestand dienlich sein
kann. Dazu gehört auch die Pflicht, den Versicherer vollständig und wahrheitsgemäß
über solche Umstände zu unterrichten, die für die Regulierung von Bedeutung sind. Es
muss dem Versicherer ermöglicht werden, sachgerechte Feststellungen zu treffen. In
diesem Zusammenhang ist die wahrheitsgemäße Mitteilung über den Reparaturzustand
des Fahrzeugs ein maßgeblicher Umstand.
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Der Kläger trug im Fragebogen zum Schadensfall unter dem 19.4.2007 (Bl. 43 ff AH) auf
die Frage: " 2. Wurde der PKW in einwandfreiem oder beschädigten Zustand erworben
?" ein: " Das Fahrzeug wurde in vollständig repariertem Zustand erworben. Der
Verkäufer hatte ausweislich des Kaufvertrages auf einen erheblichen Vorschaden
hingewiesen. Das Fahrzeug war jedoch sach- und fachgerecht repariert worden." Die
Frage: " 3. Mussten an dem gekauften PKW Reparaturarbeiten vorgenommen werden ?"
beantwortete er mit: " Nein. Es war vollständig repariert. ...". Schließlich erklärte er auf
die Fragen: " 6. Lagen vor dem Unfallereignis noch Vorschäden oder Beschädigungen
am Fahrzeug vor? Wenn ja, welche ?" "Nein, das Fahrzeug war von mir als perfekt
repariertes Fahrzeug gekauft worden."
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Hierbei handelte es sich angesichts des Erkenntnisstandes des Klägers als Autohändler
um "Angaben ins Blaue hinein". Wie sich aus dem Kaufvertrag vom 22.9.2006 mit Herrn
G ergibt (Bl. 42 AH), wusste der Kläger genau, dass der Wagen einen "starken Schaden
rundum" gehabt hatte. Von einer vollständigen sach- und fachgerechten Reparatur
konnte der Kläger angesichts dieser Umstände nicht ausgehen und hätte dies
überprüfen müssen. Das Fahrzeug war auf Grund des Vorschadens vom 22./23.12 2005
und der danach erfolgten unvollkommenen Reparatur zum hier maßgeblichen Zeitpunkt
nicht betriebs- und verkehrssicher, jedenfalls konnte von einer "sach- und fachgerechten
Reparatur" keine Rede sein.
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Der Sachverständige L. hat in seinem Gutachten vom 4.10.2007 (Bl. 672 ff) der
beigezogenen Akte Staatsanwaltschaft Münster – 81 Js 446/07 – ausgeführt, dass durch
die vorgenommenen Umbaumaßnahmen am Fahrwerk (Bremsanlage vorne) und der
Karosserie (Bug- und Heckverkleidung, Ersatz durch Bauteile des Modells 911Turbo)
die Betriebserlaubnis erloschen war.
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Der Gutachter hat festgestellt, dass Reparaturmerkmale in Form von
Reparaturschweißungen in den Hohlräumen erkennbar gewesen seien. Die
Seitenwände seien im Radlaufbereich unterschiedlich weit ausgestellt gewesen, was
als Zeichen mangelhafter Reparaturqualität gewertet werden könne. Die am Motor- und
Getriebegehäuse festgestellten Identifikationsnummern ließen den sicheren Schluss zu,
dass der Motor aus einem Vorgängermodell gestammt habe. Schließlich hat der
Sachverständige ausgeführt, dass zur Originalausführung der Bremsen schwarz
eloxierte 4 Kolben-Monobloc Festsattelbremsen an der Vorder- und Hinterachse
gehörten. Der erfolgte Umbau der Bremsanlage (6 Kolben-Monobloc Festsattelbremse
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mit Stahlbremsscheibe 350 mm Durchmesser wie im Modell 911 Turbo) an der
Vorderachse sei nach Fahrzeugherstellerangaben nicht zulässig, was allein schon zum
Erlöschen der Betriebserlaubnis geführt habe (Bl. 696 BA).
Unter diesen Umstände durfte der Kläger in dem Fragebogen das Fahrzeug nicht als
"sach- und fachgerecht" repariert bezeichnen. Der Kläger, der nicht behauptet, sich über
die Vornahme von Reparaturen in hinreichender Weise vergewissert zu haben (zum
Beispiel durch Vorlage einer Rechnung) hat sich damit eindeutig im Sinne eigener
Kenntnis von der Qualität der durchgeführten Reparatur und uneingeschränkt festgelegt
und eine Falschangabe billigend in Kauf genommen. Die Kenntnis der Ungewissheit ist
in einem solchen Fall mit der Kenntnis der Unrichtigkeit gleichzusetzen (vgl. OLG
Hamm, r+s 1995, 208; Senat, r+s 2004, 229). Die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 S. 1
VVG a. F. hat der Kläger damit nicht ausgeräumt.
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b) Die Kläger ist auch im Fragebogen zum Schadensfall entsprechend den
Anforderungen der Rechtsprechung belehrt worden (vgl. BGH, VersR 1998, 447; Senat,
r+s 1999, 362 und 364). Maßgebend ist, ob die Belehrung die Warnfunktion in
ausreichender Weise erfüllt. Das ist vorliegend zu bejahen. Die Belehrung ist
drucktechnisch auffallend gestaltet und befindet sich unmittelbar vor der
Unterschriftzeile. Sie setzt sich durch einen Absatz deutlich von dem übrigen Text ab
(vgl. OLG Hamm, r+s 1997, 146; VersR 1999, 89). Dass die Buchstabengröße dem
übrigen Text entspricht, ist wegen der hervorgehobenen Stellung der Belehrung nicht
entscheidend.
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c) Nach den Grundsätzen der Relevanzrechtsprechung (vgl. BGH, VersR 1984, 228; r+s
1993, 308) besteht für die Beklagte Leistungsfreiheit. Diese tritt bei vorsätzlichen, aber
für den Versicherer folgenlos gebliebenen Verletzungen der Aufklärungspflicht dann ein,
wenn der Verstoß generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu
gefährden und wenn dem Versicherungsnehmer ein schweres Verschulden zur Last
fällt. Die Obliegenheitsverletzung war hier generell geeignet, die Interessen der
Beklagten ernsthaft zu gefährden. Es liegt auf der Hand, dass der Kaskoversicherer bei
der Regulierungsentscheidung über die gesamten Umstände, die den Wert
beeinflussen können, informiert sein muss. Nach dem Umständen kann auch nicht von
einem geringen Verschulden ausgegangen werden.
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Auf die Frage, ob der Unfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde, kommt es nicht mehr
an.
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Der Inhalt des nicht nachgelassenen Schriftsatzes des Klägers vom 15.8.2008 gibt
keinen Anlass zu Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
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2. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § XX3 Abs. 2 ZPO liegen nicht
vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert im
vorliegenden Einzelfall die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 18.019,48 €.
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