Urteil des OLG Köln vom 14.12.1995

OLG Köln (verhältnis zu, kläger, öffentlich, gvg, beschwerde, verhältnis, uwg, wirtschaftsrecht, 1995, verhalten)

Oberlandesgericht Köln, 6 W 84/95
Datum:
14.12.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 W 84/95
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 122/95
Tenor:
1.) Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des
Landgerichts Köln - 31 O 122/95 - vom 1.8.1995, durch den der
ordentliche Rechtsweg für zulässig erklärt worden ist, wird
zurückgewiesen. 2.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die
Beklagte zu tragen. 3.) Die weitere Beschwerde zum Bundesgerichtshof
wird zugelassen.
G R Ü N D E
1
I.
2
Der Kläger ist ein bei dem LG K. zugelassener Rechtsanwalt. Die Beklagte ist eine in N.
ansässige Fachhochschule.
3
Im Jahre 1994 beschloß die Beklagte eine nach Genehmigung und Veröffentlichung
inzwischen in Kraft getretene Diplom-Püfungs-ordnung für den von ihr angebotenen
Studiengang "Wirtschafts-recht". Absolventen dieses Studienganges von 8 Semestern
Dauer, in dem die Beklagte zum Wintersemester 1994/1995 den Lehrbetrieb
aufgenommen hat, sollen mit dessen erfolgreichem Abschluß den akademischen Grad
"Diplom-Wirtschaftsjurist [-in] (Fach-hochschule)" erwerben, der nach § 2 S.3 der
Prüfungsordnung auch in der kürzeren Form "Diplom-Wirtschaftsjurist [-in] (FH)" geführt
werden kann.
4
Der Kläger beanstandet die vorgesehene Verleihung dieses Titels als irreführend im
Sinne des § 3 UWG. Er behauptet, die Absolventen des neuen Studienganges würden
alsbald die Zusätze "Di-plom-" und "(Fachhochschule)" bzw. "(FH)" weglassen und
unter der Bezeichnung "Wirtschaftsjurist" auftreten. Hierdurch werde indes aus
bestimmten von dem Kläger näher dargelegten Gründen bei den betroffenen
Verkehrskreisen die irrige Vorstellung hervorgerufen, der Betreffende sei Volljurist mit
der Befähigung zum Richteramt. Diese Fehlvorstellung werde im übrigen auch ohne
eine derartige Verkürzung schon durch den Wortbestandteil "Ju-rist" in dem Titel
bewirkt. Der Kläger vertritt die Auffassung, bezüglich dieses wettbewerbswidrigen
Handelns der zukünftigen Absolventen des neuen Studienganges sei durch die
Verleihung des Titels auch die Klägerin Störerin.
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Er hat b e a n t r a g t,
6
die Beklagte unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu
unterlassen,
7
Absolventen des von ihr eingerichteten Studienganges "Wirtschaftsrecht" die
akademische Graduierung "Diplom-Wirtschaftsjurist (Fachhochschule)" zu verleihen.
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Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
9
die Klage abzuweisen.
10
Sie stellt einen Verstoß gegen § 3 UWG in Abrede und behauptet, der Begriff "Jurist"
stelle einen Oberbegriff für zahlreiche berufliche Tätigkeiten im Bereich des Rechts dar
und sei daher nicht geeignet, die behauptete Irreführung hervorzurufen.
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Im übrigen vertritt sie die Auffassung, daß für den vorliegenden Rechtsstreit der
Zivilrechtsweg nicht eröffnet sei, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit
handele.
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Das L a n d g e r i c h t hat durch Beschluß vom 1.8.1995 gemäß § 17 a Abs.3 GVG
vorab entschieden, daß der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zulässig sei, weil
die Natur des betroffenen Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien privatrechtlich
sei.
13
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, die
diese im wesentlichen wie folgt begründet:
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Auf die Natur des Klageanspruches dürfe im vorliegenden Einzelfall deswegen nicht
abgestellt werden, weil der Anspruch offensichtlich unbegründet sei. Dies ergebe sich
daraus, daß sie die akademischen Grade durch Hoheitsakt verleihe und dabei den
Bindungen des Zivilrechtes nicht unterliege. Sie sei als öffentlich-rechtliche
Körperschaft Hoheitsträgerin und werde deswegen grundsätzlich und auch bei der
Verleihung akademischer Grade hoheitlich tätig. Es sei zwar anerkannt, daß auch
Hoheitsträger in bestimmten Bereichen ausnahmsweise privatrechtlich tätig würden, es
liege indes keine der insoweit anerkannten Fallkonstellationen vor. Die Bejahung des
ordentlichen Rechtsweges stelle einen Eingriff in ihre Satzungsautonomie und damit in
die grundgesetzlich normierte Gesetzgebungskompetenz dar.
15
Die Beklagte b e a n t r a g t,
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unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts K. vom 1.8.1995 den Rechtsweg
zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig zu erklären.
17
Der Kläger b e a n t r a g t,
18
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
19
Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen zur Frage der Zulässigkeit
des Rechtsweges und tritt der angefochtenen Entscheidung bei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen und den Wortlaut der angefochtenen Entscheidung Bezug
genommen.
21
II.
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Die gemäß § 17 a Abs.4 S.3 GVG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, hat aber
in der Sache keinen Erfolg.
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Der von dem Kläger beschrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist aus den
bereits ausführlich von dem Landgericht dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung
von Wiederholungen zunächst in entsprechender Anwendung des § 543 Abs.2 ZPO
Bezug genommen wird, zulässig.
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Das Beschwerdeverfahren gibt lediglich zu folgenden ergänzenden Ausführungen
Anlaß:
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Es entspricht - ausgehend von der Entscheidung des großen Senats für Zivilsachen des
Bundesgerichtshofes vom 22.3.1976 (GRUR 76,658 - "Studentenversicherung"), auf die
wegen der Begründung Bezug genommen wird und von der abzuweichen kein Anlaß
besteht - gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß dieselbe Handlung im
Verhältnis zu den unterschiedlichen Betroffenen einerseits öffentlich-rechtlicher und
andererseits privatrechtlicher Natur sein kann (vgl. die Nachweise bei
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18.Aufl., § 1 UWG RZ 919 f). Ein derartiger
Fall ist - wie bereits das Landgericht ausgeführt hat (S.8 der Beschlussausfertigung) -
auch hier gegeben.
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Der Große Senat des Bundesgerichtshofes hat in seiner weiteren grundlegenden
Entscheidung ebenfalls vom 22.3.1976 (GRUR 77,51 - "Auto-Analyzer"), der eine Klage
der Betreiberin einer medizinischen Anlage zur Untersuchung von Blut gegen eine
kassenärztliche Vereinigung und eine Landesärztekammer zugrundegelegen hatte, in
Fortsetzung der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung folgendes ausgeführt: Für
die Frage der Zulässigkeit des ordentlichen Rechtsweges sei maßgeblich, ob sich das
Klagebegehren nach der ihm gegebenen tatsächlichen Begründung als Folge eines
Sachverhaltes darstelle, der nach bürgerlichem Recht zu beurteilen sei. Sofern diese
Frage zu bejahen sei, weil zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis bestehe, das
von dem Prinzip der Gleichordnung geprägt sei, sei der ordentliche Rechtsweg auch
dann gegeben, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten im Verhältnis zu ihren
Mitgliedern hoheitlicher Art sei (a.a.O., S.52). Hinsichtlich des Rechtsverhältnisses zum
privaten Unternehmen gehe es - anders als bei einer etwaigen Klage eines Mitgliedes
der Beklagten gegen deren Vorgehen - nicht darum, ob der Träger öffentlicher
Verwaltung in rechtswidriger Weise hoheitlich tätig geworden sei, sondern um die
Entscheidung darüber, ob die öffentliche Verwaltung die vom Privatrecht gezogenen
Grenzen eingehalten habe, die sie beachten müsse, wenn und soweit sie am
allgemeinen Rechts- und Wirtschaftsverkehr teilnehme (a.a.O., S.53).
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Die Anwendung dieser Grundsätze, an denen der Bundesgerichtshof in ständiger
Rechtssprechung festgehalten hat (vgl. die Nachweise z.B. bei Teplitzky,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche Band 2, 6. Auflage, Kap. 45 RZ 1 FN 5 und Zöller-
Gummer, ZPO, 19. Auflage, § 13 GVG RZ 25) und auf die die Beklagte in ihrer
Beschwerdebegründung nur beiläufig eingegangen ist, führt zur Bestätigung der
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angegriffenen Entscheidung:
Der ordentliche Rechtsweg ist deswegen eröffnet, weil ausgehend von dem Begehren
des Klägers und der für dieses Begehren von ihm gegebenen Begründung zwischen
den Parteien ein Rechtsverhältnis besteht, das - unabhängig von der unzweifelhaft
hoheitlichen Tätigkeit der Beklagten bei der Graduierung der erfolgreichen Absolventen
ihres Studienganges "Wirtschaftsrecht" - aus den nachfolgenden Gründen vom Prinzip
der Gleichordnung geprägt ist.
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Ziel des Klägers ist es, ein wettbewerbswidriges Verhalten der zukünftigen Absolventen
zu verhindern, das nach seiner Auffassung darin liegt, daß diese den ihnen verliehenen
Titel - sei es unverändert, sei es in der Kurzfassung "Wirtschaftsjurist" - führen werden.
Die Beklagte nimmt der Kläger (nur) deswegen als Störerin in Anspruch, weil sie durch
die Graduierung ihre Absolventen erst in die Lage versetzt, sich auf die beschriebene,
von dem Kläger als wettbewerbswidrig angesehene Weise zu verhalten. Vor diesem
Hintergrund kommt der Frage maßgebliche Bedeutung zu, welcher Natur das
Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und den einzelnen zukünftigen Absolventen des
Studienganges "Wirtschaftsrecht" ist. Denn was diesbezüglich für jenes
Rechtsverhältnis gilt, muß auch für das Verhältnis zur Beklagten als neben bzw. hinter
den zukünftigen Absolventen stehende (Mit-)Störerin gelten.
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Das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und den zukünftigen Absolventen des
Studienganges "Wirtschaftsrecht" ist indes bürgerlich-rechtlicher Natur. Der Absolvent,
der nach seiner Graduierung durch die Beklagte als "Diplom-Wirtschaftsjurist
(Fachhochschule [oder: FH])" im Rechtsverkehr auftritt, tritt dem Kläger auf
gleichgeordneter rechtlicher Ebene, nämlich als Wettbewerber im
Dienstleistungsbereich der rechtsberatenden Berufe, gegenüber. Die Tatsache, daß
seine dem zugrundeliegende Graduierung einen hoheitlichen Rechtsakt darstellt, macht
die potentielle Auseinandersetzung mit dem Kläger nicht zu einer öffentlich-rechtlichen
Streitigkeit im Sinne des § 40 VWGO. Denn sie ändert nichts daran, daß ein Verhältnis
der Über- und Unterordnung zwischen dem zukünftigen Absolventen des neuen
Studienganges "Wirtschaftsrecht" und dem Kläger ersichtlich nicht bestehen wird (vgl.
zu dieser Fallkonstellation auch HdB. WettbewerbsR/Seibt § 64 RZ 2 m.w.N.).
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Diese Feststellung bedeutet nicht etwa, daß bei der materiellen Prüfung der
Begründetheit einer zukünftigen Unterlassungsklage des Klägers gegen einen jener
Absolventen der Tatsache, daß dessen Graduierung auf öffentlich-rechtlicher Grundlage
beruht, keine Bedeutung zukäme. Vielmehr haben die zuständigen ordentlichen
Gerichte gemäß § 17 Abs.2 S.1 GVG, wonach der Rechtsstreit von dem Gericht des
zulässigen Rechtsweges unter allen in Betracht kommenden rechtlichen
Gesichtspunkten zu entscheiden ist, diesen Umstand zu beachten und - worauf in
anderem Zusammenhang ebenfalls bereits das Landgericht abgestellt hat -
dementsprechend alle einschlägigen Normen anzuwenden, auch soweit diese
öffentlich-rechtlicher Natur sind. Zu einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit wird eine
derartige zukünftige Auseindersetzung zwischen dem Kläger und Absolventen der
Beklagten deswegen mit Blick auf das offenkundig bestehende
Gleichordnungsverhältnis zwischen beiden gleichwohl nicht.
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Das gilt erst recht für die nach der Behauptung des Klägers zu erwartende
mißbräuchliche Benutzung des Titels durch die zukünftigen Absolventen des
Studienganges "Wirtschaftsrecht". Sollten diese tatsächlich entgegen § 2 der
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angegriffenen Diplomprüfungsordnung eine dort nicht vorgesehene Kurzfassung, etwa
"Wirtschaftsjurist", als Bezeichnung verwenden, so wird umso deutlicher, daß dieses
nach Auffassung des Klägers wettbewerbswidrige Verhalten nicht allein wegen der ihm
zugrundeliegenden hoheitlich erfolgenden Graduierung zur öffentlich-rechtlichen
Streitigkeit wird.
Ausgehend hiervon kann es keinem Zweifel unterliegen, daß auch im vorliegenden
Verfahren eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit besteht, für die gemäß § 13 GVG der
ordentliche Rechtsweg eröffnet ist. Die Störereigenschaft der Beklagten und damit deren
Passivlegitimation begründet der Kläger nämlich allein damit, daß diese durch die
Graduierung die von den einzelnen Absolventen zu erwartende Störung erst
ermögliche. Der Kläger stützt sich damit gerade auf einen Sachverhalt, der aus den
soeben dargelegten Gründen nach bürgerlichem Recht zu beurteilen ist. Allein der
Umstand, daß der Beitrag, den die Beklagte nach dem Vorbringen des Klägers bei
dieser Störung leistet, im Verhältnis zu den einzelnen Absolventen einen Hoheitsakt
darstellt, führt nicht dazu, daß die ihrer Natur nach privatrechtliche Auseinandersetzung
zu einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit wird.
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Vielmehr ist für das Verfahren wegen des trotz dieses Umstandes bürgerlich-rechtlichen
Charakters der Streitigkeit gemäß § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen
Gerichten eröffnet, die indes gemäß § 17 Abs.2 GVG uneingeschränkt befugt und im
Rahmen des Erforderlichen auch verpflichtet sind, wegen des hoheitlichen Charakters
der Graduierung der Absolventen auch Normen und sonstige Rechtssätze öffentlich-
rechtlicher Art zur Anwendung zu bringen.
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Der Senat hat in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden, ob die Beklagte
tatsächlich (Mit-)Störerin ist. Im Rahmen der vorliegenden Auseinandersetzung über die
Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges ist vielmehr von dem Vorbringen des
Klägers auszugehen. Aus diesem Grunde hat der Senat auch nicht etwa zu
untersuchen, ob die Verwendung des Titels - sei es in seinen von der
Diplomprüfungsordnung vorgesehenen Fassungen, sei es in einer etwaigen, § 2 der
Diplomprüfungsordnung widersprechenden Kurzfassung, etwa als "Wirtschaftsjurist" -
wirklich wettbewerbswidrig ist. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, daß der Kläger
sich auf eine privatrechtliche Norm stützt, indem er zur Klagebegründung § 3 UWG
anführt. Maßgeblich ist vielmehr allein die wahre Natur des geltendgemachten
Anspruches (BGH a.a.O., S.53), deren Voraussetzungen daher für die Prüfung des
Rechtsweges als gegeben anzusehen sind. Unterstellt man indes die
Wettbewerbswidrigkeit der Verwendung des Titels und die diesbezügliche
Störereigenschaft der Beklagten, die im übrigen gegebenenfalls wegen des weiten
Störerbegriffs im Wettbewerbsrecht (vgl. Teplitzky, a.a.O., Kap.14, RZ 2 ff, insb. 7 ff
m.w.N.) naheliegt, so ist aus den vorstehenden Gründen der Zivilrechtsweg eröffnet.
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Die Beklagte nimmt allerdings nicht selbst und im eigenen wirtschaftlichen Interesse am
Wettbewerb teil. Hierdurch unterscheidet sich der vorliegende Fall - soweit ersichtlich -
von den Konstellationen, die der bislang veröffentlichten Rechtssprechung
zugrundelagen (vgl. dazu näher die Darstellung bei GroßKomm/Jacobs vor § 13 D RZ
26 ff). Gleichwohl handelt es sich um eine privatrechtliche Streitigkeit, zu deren
Erledigung gemäß § 13 GVG die ordentlichen Gerichte berufen sind.
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Der BGH hat in seiner eingangs erwähnten grundlegenden Entscheidung vom
22.3.1976 (GRUR 76,658,660 - Studentenversicherung") im Zusammenhang mit der
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Feststellung, daß dieselbe Handlung je nach der Beziehung, in der sie Wirkungen
äußere, einmal als hoheitlich und zum anderen als privatrechtlich zu qualifizieren sein
könne, ausgeführt, daß eine privatrechtliche Qualifizierung dann geboten sei, wenn die
öffentliche Hand zu privaten Mitbewerbern in einem echten Wettbewerbsverhältnis
stehe, beide sich also als Anbieter auf dem Boden der Gleichordnung
gegenüberstünden. Die privatrechtliche Qualifizierung ist indes aus den dargestellten
Gründen auch dann geboten, wenn ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis zwischen
dem Träger hoheitlicher Befugnisse und dem Betroffenen auch nach dessen eigener
Darstellung zwar nicht besteht, jener aber durch sein Verhalten in ein zukünftiges
privatrechtliches Wettbewerbsverhältnis eingreift bzw. dessen Entstehen sogar erst
ermöglicht, wie die Beklagte dies nach dem zugrundezulegenden Vortrag des Klägers
durch die Verleihung des angegriffenen Titels aufgrund der Diplomprüfungsordnung tun
wird. Die öffentliche Hand unterliegt nach der ausdrücklichen Formulierung des BGH
(a.a.O.) im Falle einer wirtschaftlichen Betätigung den Schranken des allgemeinen
Wettbewerbsrechts unabhängig davon, ob die Leistungsbeziehungen zu ihren
Abnehmern, Mitgliedern oder Benutzern privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich gestaltet
sind. Dies gilt aus den oben im einzelnen dargelegten Gründen auch dann, wenn die
öffentliche Hand sich nicht unmittelbar selbst wirtschaftlich betätigt, sondern die
Personen, zu denen sie in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis steht, in ihrer Position
im Wirtschafts- und Rechtsleben stärkt, wie dies die Beklagte durch die Verleihung von
Titeln an ihre Absolventen zu tun beabsichtigt.
Gebieten schon die vorstehenden Gesichtspunkte die Qualifizierung der Streitigkeit als
eine solche privatrechtlicher Art, für die gemäß § 13 GVG der Rechtsweg zu den
ordentlichen Gerichten eröffnet ist, so kommt hinzu, daß auf diese Weise eine
Befassung der sachnäheren Gerichte mit dem Fall erreicht wird, worauf der BGH
ebenfalls in ständiger Rechtsprechung abstellt (vgl. a.a.O. GRUR 77,51,53 -
"Autoanalyzer" und die Nachweise bei Zöller-Gummer, a.a.O. RZ 21). Sachnäher sind
die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit deswegen, weil der Sachverhalt - und
zwar unabhängig von der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges - entscheidend von
der Materie des Wettbewerbsrechts geprägt wird.
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Vor dem Hintergrund der vorstehenden Darlegungen erübrigt sich schließlich ein
näheres Eingehen auf die Beschwerdebegründung. Dieser liegt - was jedenfalls für den
weit überwiegenden Teil der Ausführungen der Beklagten gilt, in der diese den
öffentlich-rechtlichen Charakter der durch sie zukünftig erfolgenden Verleihung
akademischer Grade begründet - die aus den vorstehenden Gründen unzutreffende
Auffassung zugrunde, daß ihr Handeln nur einheitlich entweder nach Privatrecht oder
nach öffentlichem Recht zu beurteilen sei. Es kann - wie oben geschehen - ohne
weiteres unterstellt werden, daß die Beklagte bei der Verleihung akademischer Grade
gegenüber ihren Absolventen hoheitlich handelt. Dies bedeutet jedoch entgegen der auf
Seite 3 der Beschwerdebegründung hervorgehobenen Auffassung der Beklagten
gerade nicht, daß diese nur den Bindungen des öffentlichen Rechts und nicht auch
denjenigen des UWG unterworfen wäre.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.
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Die Zulassung der weiteren Beschwerde gegen den vorliegenden Beschluß beruht auf
§ 17 a Abs.4 S.4 f GVG, 567 Abs.4 S.2 ZPO.
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Die Entscheidung hat deswegen grundsätzliche Bedeutung, weil - soweit ersichtlich -
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höchstrichterlich noch nicht über die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges in dem
hier vorliegenden Fall entschieden worden ist, in dem ein Träger hoheitlicher Gewalt
zwar nicht unmittelbar selbst und in eigenem wirtschaftlichen Interesse, wohl aber durch
Förderung einzelner Personen am Wettbewerb teilnimmt, zu denen er in einem
öffentlich-rechtlichen Verhältnis steht.
Die Einlegung der durch diese Zulassung ermöglichten weiteren Beschwerde führt
allerdings zu einer weiteren Verzögerung einer Entscheidung in der Sache, die -
insbesondere mit Blick auf die betroffenen Studenten - nicht im Interesse der Beklagten
liegen kann. Dies kann jedoch nicht dazu führen, die weitere Beschwerde trotz
Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen. Die Beklagte hat es im
übrigen in der Hand, die mit dem Verfahren der weiteren Beschwerde zum
Bundesgerichtshof notwendigerweise verbundene Verzögerung durch einen Verzicht
auf die Einlegung des Rechtsmittels abzuwenden.
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Beschwerdewert: 70.000 DM.
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Der Beschwerdewert entspricht dem Streitwert in der Hauptsache, weil die Frage
beschieden wird, ob der in der Hauptsache geltendgemachte Anspruch vor den
ordentlichen Gerichten verfolgt werden kann, und daher der gesamte Klageanspruch
auch im Beschwerdeverfahren im Streit ist (vgl. OLG Köln OLGR 93, 140 f; Schneider,
Streitwertkommentar, 10.Auflage, RZ 1250 mit Hinweis auf RGZ 40,416). Der von Zöller-
Gummer (a.a.O., § 17 a GVG RZ 20) geteilten Auffassung des OLG Karlsruhe, das für
einen Fall der Abgrenzung zwischen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der
Arbeitsgerichtsbarkeit mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 12 a ArbGG die geschätzten
Anwaltskosten im Hauptsacheverfahren zugrundegelegt hat, vermag der Senat daher
nicht zu folgen.
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Der Streitwert der Hauptsache beträgt entsprechend der Angabe des Klägers 70.000
DM. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung auch des erkennenden Senats, daß für
den Streitwert das Interesse der klagenden Partei maßgebend ist (vgl. z.B. Baumbach/
Hefermehl a.a.O., Einl.UWG RZ 510, Teplitzky a.a.O. Kap.49, RZ 5 ff, jew. m.w.N.). Bei
der Bewertung des Interesses der klagenden Partei kommt deren Angabe zu Beginn
des Verfahrens maßgebliche indizielle Bedeutung zu, zumal in jenem
Verfahrensstadium der Ausgang des Verfahrens noch offen ist.
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Anhaltspunkte dafür, daß das Interesse des Klägers objektiv tatsächlich höher als von
ihm angegeben sein könnte, bestehen nicht. Zweifelhaft könnte im Gegenteil allenfalls
sein, ob der Wert nicht sogar niedriger ist, weil der Kläger in seiner Replik vom 9.6.1995
die Angabe des Wertes von 70.000 DM ausdrücklich u.a. mit dem Motiv begründet hat,
die Revisionssumme von 60.000 DM zu überschreiten. Angesichts der Tatsache, daß
der Kläger erklärtermaßen nicht nur seine eigenen, sondern auch Standesinteressen
wahrnimmt, sieht der Senat indes für die Festsetzung eines niedrigeren Wertes als
70.000 DM keinen Anlaß. Demgegenüber ist auf die Folgen, die eine etwa zu ihrem
Nachteil ergehende Entscheidung für die Beklagte haben könnte, nicht abzustellen, so
daß es auf sich beruhen kann, ob diese Folgen tatsächlich - wie die Beklagte in der
Klageeerwiderung vorgetragen hat - mit 1.000.000,00 DM zu bewerten wären.
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