Urteil des OLG Köln vom 27.04.2006

OLG Köln: culpa in contrahendo, treuhänder, rechtskräftiges urteil, kaufpreis, wohnung, verschulden, aufklärungspflicht, prospekthaftung, miteigentumsanteil, grundbuch

Oberlandesgericht Köln, 8 U 90/03 (2)
Datum:
27.04.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 90/03 (2)
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 2 O 364/02
Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27. November 2003
verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 2 O 364/02
– und das diesem Urteil zugrundeliegende Verfahren bezüglich der
Beklagten zu 1) aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
bezüglich der Beklagten zu 1) – auch über die Kosten des
Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens – an die 2.
Zivilkammer des Landge-richts Köln zurückverwiesen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
Die Klägerin, die 1992 in dem Objekt "Studentenappartements L, N-Straße" ein
Studentenappartement erwarb, verlangt von den Beklagten Schadensersatz in Form der
Rückabwicklung einer Beteiligung an dem Bauträgermodell.
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Die Beklagte zu 1) war als Abwicklungsbeauftragte bei diversen Bauträgermodellen
tätig, bei denen im Strukturvertrieb Wohnanlagen mit i.d.R. Kleinstwohnungen
(Studentenappartements, Altenwohnungen, etc.) vertrieben wurden. Aufgrund eines
notariell beurkundeten Geschäftsbesorgungsvertrags schloss sie für die Klägerin den
Kauf- und Werklieferungsvertrag mit dem Bauträger sowie sämtliche zur Durchführung
erforderlichen Verträge. Der Beklagte zu 2) war Bevollmächtigter der Beklagten zu 1)
sowie Geschäftsführer einer im Jahre 1994 gegründeten Fa. M-
Steuerberatungsgesellschaft mbH, die sich gleichermaßen wie die Beklagte zu 1) und
unter gleicher Anschrift als Abwicklungsbeauftragte im Rahmen von Bauträgermodellen
betätigte. Der Beklagte zu 3) war der Geschäftsführer der Beklagten zu1). Bauträger bei
den von der Beklagten zu 1) und/oder der Fa. M-Steuerberatungsgesellschaft mbH
abgewickelten Modellen waren in der Regel verschiedene, personell aber teilweise
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miteinander verflochtene Firmen, hier die Fa. GbR R C GmbH, T S und N Ferien-
Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft mbH + Co Ferienanlagen KG, die
zwischenzeitlich insolvent geworden ist.
Im Jahre 1992 vermittelte der Zeuge D für die Fa. U-Treuhand Finanz- und
Wirtschaftsberatungsgesellschaft mbH unter Verwendung eines Prospekts an die
Klägerin eine Wohneinheit in dem Objekt "Studentenappartements L, N-Straße" zu dem
kalkulierten Gesamtaufwand von 105.540 DM zzgl. 3 % Vermittlungsprovision. In dem
Gesamtaufwand war eine nicht gesondert ausgewiesene Innenprovision von weiteren
18, 4 % enthalten.
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Als Prospektherausgeberin bzw. -verantwortliche, als Grundstückseigentümerin,
Bauträgerin, Finanzierungsvermittlerin, Zins-, Nebenkosten- und Mietgarantin sowie
Mietvermittlerin und Leistungserbringerin für Konzeption, Aufbereitung,
Prospektgestaltung und -herausgabe war die Bauträgerin, die Fa. GbR R C GmbH, T S
und N Ferien- Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft mbH + Co Ferienanlagen KG,
genannt (Seite 33, 34 des Prospektes, Bl. 130, 131, 134 GA). Laut Prospekt waren die
für den Erwerb erforderlichen Verträge nach Bevollmächtigung durch den Erwerber und
entsprechend der jeweiligen Beauftragung von einem im Prospekt nicht genannten
unabhängigen Abwicklungsbeauftragten – hier die Beklagte zu 1) – abzuschließen
(Seite 29, 31 des Prospektes, Bl. 126, 128 GA). Dabei war ausdrücklich auf den auf die
Abwicklung beschränkten Aufgabenkreis des Abwicklungsbeauftragten hingewiesen
sowie darauf, dass er weder an der Gestaltung des Prospektes mitgewirkt noch diesen
überprüft noch sonstige Prüfungen vorgenommen hat oder dies zu seinen Aufgaben
gehörte und ihm auch Beratungs- und Aufklärungspflichten hinsichtlich der
ausschließlich vom Erwerber zu treffenden Investitionsentscheidung nicht zukämen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Prospektes wird auf die zur Akte gereichte
Ablichtung (Bl. 100 ff., 126 GA) Bezug genommen.
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Die Klägerin unterbreitete der Beklagen zu 1) am 13.10.1992 ein notariell beurkundetes
"Angebot zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages betreffend das
Bauträgermodell Studentenappartements L, N-Straße" (Bl. 18 ff. GA), das wegen seines
Inhalts im einzelnen auf die sog. Stammurkunde zur Vorbereitung eines
Geschäftsbesorgungsvertrags Bezug nahm, in deren Anlagen wiederum die Beklagte
zu 1) den Inhalt der abzuschließenden Geschäftsbesorgungsverträge zuvor hatte
beurkunden lassen. Die Klägerin erteilte der Beklagten zu 1) auf der Grundlage dieser
Stammurkunde in der Angebotsurkunde eine umfassende, unwiderrufliche Vollmacht,
sie bei der Vorbereitung, Durchführung und gegebenenfalls Rückabwicklung des
Erwerbsvorgangs zu vertreten.
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Die Beklagte zu 1), der die im kalkulierten Gesamtaufwand enthaltene Innenprovision
bekannt war, nahm das Angebot an und erwarb am 22.12.1992 im Namen der Klägerin
die von dieser ausgesuchte Wohnung. Ferner schloss sie für die Klägerin die weiteren
im Angebot bezeichneten Funktionsträgerverträge mit Ausnahme der
Endfinanzierungsvermittlung, weil die Klägerin die Beteiligung vollständig mit eigenen
Mitteln bestritt. Wegen der Einzelheiten der Verträge wird auf die Musterverträge Bezug
genommen (Anlage B 3, gelbes AH).
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Unter dem 25.04.1995 erteilte die Beklagte zu 1) der Klägerin die Schlussabrechnung
über den Eigentumserwerb (Bl. 71 ff. GA). Als "reiner Kaufpreis für den erworbenen
Grundstücks- und Gebäudeanteil" waren darin 81.604,00 DM ausgewiesen, an
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Funktionsträgergebühren einschließlich eines Honorars für die Beklagten zu 1)
12.063,00 DM, an Bauzeitzinsen 1.075,38 DM sowie an Notar- und Gerichtskosten,
Grunderwerbsteuer und übrigen Kosten 4.841,45 DM; insgesamt betrug der
Gesamtaufwand danach 99.583,83 DM (Bl. 73 GA).
Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin Ersatz des ihr angeblich entstandenen
Schadens in Höhe von insgesamt 103.987,03 DM (53.167,72 €) Zug um Zug gegen
Übertragung der von ihr erworbenen Miteigentumsanteile auf die Beklagten. Wegen der
Schadensberechnung im einzelnen wird auf Seite 16 f. der Klageschrift (Bl. 16 f. GA)
Bezug genommen.
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Die Klägerin hat behauptet, der Strukturvertrieb sei von den Beklagten zusammen mit
den Gebrüdern T1 als sog. "T1gruppe, Köln" gesteuert gewesen. Die Beklagte zu 1) und
als deren "Hintermänner" und "Drahtzieher" die Beklagten zu 2) und zu 3) seien die
Initiatoren der jeweils von ihnen entwickelten "Kapitalanlagepakete", auch desjenigen in
L, gewesen. Die Beklagten hätten verschiedene Bauträger in ganz Deutschland
akquiriert, für die sie dann die Konzeptionierung, Prospektierung und Kalkulation sowie
Finanzierung und den Vertrieb übernommen bzw. organisiert hätten. Entgegen den
Anpreisungen des von den Beklagten geschulten Zeugen D sei der Immobilienerwerb
wegen einer für sie, die Klägerin, nicht erkennbaren, im Kaufpreis versteckten
Innenprovision von 18,4 %, die für den Vertrieb bestimmt gewesen sei, von Anfang an
unrentabel und zum Scheitern verurteilt gewesen. Ebenso hätten die von den Beklagten
abgeschlossenen Funktionsträgerverträge nur den Sinn gehabt, diese selbst zu
bereichern. Eine Veräußerung der Wohnung sei nur mit erheblichem Verlust, nämlich
nur zu etwa 30 bis 40 % des Kaufpreises möglich; die Wohnung sei schon im Zeitpunkt
des Kaufes 1992 höchstens 54.810,00 DM wert gewesen. Zudem sei im Prospekt über
die tatsächlichen Darlehenskosten getäuscht worden sowie darüber, dass sie sich quasi
von selbst bezahlten.
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Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagten hafteten ihr aus culpa in
contrahendo des Treuhandvertrages, ferner aus culpa in contrahendo i.V.m. § 278 BGB
für das Verschulden des von ihr bzw. ihrem Mitarbeiter D gesteuerten Vertriebs sowie
aus § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB wegen Verheimlichung der
von ihnen kalkulierten verdeckten Innenprovision und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 1 § 1
RBerG wegen unerlaubter bzw. verhinderter Rechtsberatung. Die Beklagten hätten
auch von Anfang an gewusst bzw. wissen müssen, dass die von ihnen
abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsverträge gegen das Rechtsberatungsgesetz
verstießen.
11
Die Klägerin hat beantragt,
12
die Beklagten zu verurteilen, an sie 53.167,72 Euro nebst 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2002 zu zahlen Zug um Zug gegen
lastenfreie Übertragung aller Rechte der Klägerin an dem in dem Grundbuch
von L beim Amtsgericht L, Band xxx, Blatt ####, Flur xx1, Flurstück Nr. 84/17
LB 8445, N-Straße 80, zu 153,81/10.000 eingetragenen Miteigentumsanteil,
verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung nebst Kellerraum, im
Aufteilungsplan mit Nr. 38 bezeichnet.
13
Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
15
Sie haben behauptet, nicht sie selbst, sondern der im Prospekt genannte
Prospektherausgeber – also die Bauträgerin – habe die Gesamtkonzeption der
Kapitalanlage erstellt; Konzeptionär des Bauvorhabens sei ein Rechtsanwalt F aus O
gewesen. Wegen der ihnen vorgeworfenen Aufklärungspflichtverletzungen haben die
Beklagten auf den Geschäftsbesorgungsvertrag, insbesondere I. Ziffer 6 der
Stammurkunde (Seite 4 f, Anlage B 1, gelber AH), sowie auf die Angaben im Prospekt
(Seite 29, Bl. 126 GA) verwiesen, nach denen ihre Tätigkeit mit eindeutig und
abschließend definiertem Aufgabenkreis auf die abwicklungstechnische Durchführung
des Erwerbsvorganges beschränkt gewesen sei. Auch über die übliche, von dem
Bauträger aus dem Kaufpreis gezahlte Innenprovision sei nicht aufzuklären gewesen.
Im Prospekt sei zudem darauf hingewiesen, dass der kalkulierte Aufwand von 77,32 %
für Grundstück und Gebäude noch Kosten für Vertrieb und Marketing enthielt.
16
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 27.11.2003 abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe weder vertragliche noch
vorvertragliche oder deliktische Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten
dargetan. Besondere Umstände, die eine Durchgriffshaftung gegen die Beklagten zu 2)
und zu 3) begründen könnten, seien ebenfalls nicht ersichtlich. Wegen der Begründung
im einzelnen und wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts
wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (Bl. 363 - 372
GA).
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Die Klägerin hat gegen das Urteil frist- und formgerecht Berufung eingelegt und gerügt,
das Landgericht habe wesentlichen Vortrag außer acht gelassen, so u.a. ihren Vortrag
zu der Initiatorenstellung der Beklagten, den Vortrag zu der von ihnen neben sonstigen
wertlosen Funktionsträgergebühren einkalkulierten verdeckten Innenprovision und zu
der Berechnung einer Finanzierungsvermittlungsgebühr sowie zu der Überteuerung der
Immobilie. Über diese Umstände hätten die Beklagten sie aufklären müssen. Nach der
Vermutung für aufklärungsrichtiges Verhalten hätte das Landgericht bei Beachtung
dessen feststellen müssen, dass sie sich niemals auf das Geschäft eingelassen hätte,
so dass der Klage stattzugeben gewesen wäre.
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Überdies beruhe das Urteil auf fehlerhafter Rechtsanwendung betreffend den aus § 823
Abs. 2 BGB i.V.m. dem Rechtsberatungsgesetz folgenden Schadensersatzanspruch.
Hinsichtlich der Frage des Verschuldens habe das Landgericht fehlerhaft auf die
Stellung eines Notars abgestellt, wohingegen die Beklagten als Steuerberater die
Verbotswidrigkeit ohne weiteres hätten erkennen können. Auch habe das Landgericht
den Schutzbereich der Normen des Rechtsberatungsgesetzes verkannt. Wenn die
Beklagte zu 1) außerdem ihrer Verpflichtung entsprochen und den
Geschäftsbesorgungsvertrag wegen des Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz
nicht angenommen hätte und ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden wäre, hätte dieser
die Klägerin ordnungsgemäß über die Provisionen aufgeklärt und es wäre nicht zum
Abschluss des Geschäftes gekommen. Das gleiche gelte, wenn sie gewusst hätte, dass
die Beklagten den "ihnen angehängten T1-Vertrieb" beauftragt hatten, die
Immobilieninvestition zu vertreiben. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens
wird auf die Berufungsbegründung vom 03.03.2004 (Bl. 422 - 435 GA) Bezug
genommen.
19
Die Klägerin hat beantragt,
20
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 27.11.2003, Az.: 2 O
364/03, die Beklagten zu verurteilen, an sie 53.167,72 Euro nebst 5 % über
dem Basiszinssatz des Diskont-Überleitungs-Gesetzes liegenden Zinsen seit
Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen lastenfreie Übertragung aller
ihrer Rechte an dem in dem Grundbuch von L beim Amtsgericht L, Band xxx,
Blatt ####, Flur xx1, Flurstück Nr. 84/17 LB 8445, N-Straße 80, zu
153,81/10.000 eingetragenen Miteigentumsanteil, verbunden mit dem
Sondereigentum an der Wohnung nebst Kellerraum, im Aufteilungsplan mit
Nr. 38 bezeichnet,
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gegebenenfalls wegen eines Verfahrensfehlers das Urteil und das dem Urteil
zugrundeliegende Verfahren aufzuheben und die Sache an das Landgericht
zurückzuverweisen.
22
Die Beklagten haben beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie haben das angefochtene Urteil verteidigt und sind den ihrer Meinung nach von
Anfang an unsubstantiierten Behauptungen und Rechtsansichten der Klägerin
entgegengetreten. Wegen der Einzelheiten des Beklagtenvorbringens wird auf die
Berufungserwiderung vom 07.04.2004 Bezug genommen (Bl. 468 - 482 GA).
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Durch Urteil vom 13.05.2004 hat der erkennende Senat das Urteil des Landgerichts
aufgehoben und den Rechtsstreit bezüglich aller Beklagten zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen. Die Revision wurde nicht
zugelassen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, das Landgericht habe eine
Haftung der Beklagten aus culpa in contrahendo wegen der fehlenden Aufklärung über
die Unwirksamkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß § 134 BGB i.V.m. Art. 1 §
1 RBerG zu Recht mangels Verschuldens der Beklagten abgelehnt. Auch habe nach
den allgemeinen Grundsätzen der vorvertraglichen Vertrauenshaftung eine
Aufklärungspflicht der Beklagten nicht bestanden. Ein besonderes Vertrauen hätten
weder die Beklagte zu 1) als (vermeintliche) Vertragspartnerin noch die Beklagten zu 2)
und zu 3) als deren Vertreter von der Klägerin in Anspruch genommen. Die Beklagten
hafteten auch nicht für in Anspruch genommenes Vertrauen, weil der Zeuge D als
Vermittler der Immobilienanlage sie insbesondere über die zu erzielende Rendite und
die versteckte Innenprovision nicht richtig und vollständig informiert habe. Schon
mangels Verschuldens schieden ferner Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2
BGB i.V.m. dem Rechtsberatungsgesetz als Schutzgesetz aus. Schließlich bestünden
auch keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagten.
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Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht indessen nicht in Erwägung gezogen, dass
aufgrund des Sachvortrages der Klägerin eine Haftung der Beklagten nach den
Grundsätzen der Prospekthaftung in Betracht komme. Ihr unterlägen in erster Linie
diejenigen, die für die Geschicke des von der Klägerin sogenannten
"Kapitalanlagepaketes" und für die Herausgabe des Prospektes verantwortlich seien,
namentlich die Initiatoren, Gründer und Gestalter, einschließlich der sog. Hintermänner.
Die Klägerin habe dazu in erster Instanz behauptet, dass die Beklagten als Initiatoren
der verschiedenen Bauträgermodelle, auch desjenigen in L, in ganz Deutschland
Bauträger akquiriert und für diese Konzeptionierung, Prospektierung, Kalkulation sowie
27
die Finanzierung und den Vertrieb übernommen bzw. organisiert hätten. Dazu habe sie
umfangreich Unterlagen vorgelegt und sich auf Zeugenaussagen in anderen Verfahren
berufen, in denen diese Behauptungen ausweislich der vorgelegten Sitzungsprotokolle
im einzelnen bestätigt worden seien. Diesen Vortrag hätte das Landgericht nicht
übergehen dürfen, weil die Klägerin hinreichend substantiiert zu den Voraussetzungen
einer Initiatorenstellung der Beklagten im Rahmen der Prospekthaftung vorgetragen
habe. Als Initiatoren der Kapitalanlage und Prospektverantwortliche wären die
Beklagten verpflichtet gewesen, über die verdeckte Innenprovision als für die
Kaufentscheidung wesentlichen Umstand aufzuklären. Da in wesentlichen Punkten
unvollständige und/oder unrichtige Prospektangaben grundsätzlich dazu geeignet
seien, die Investitionsentscheidung eines Anlageinteressenten zu beeinflussen,
bestünde eine Vermutung dafür, dass die Klägerin den Vertrag nicht abgeschlossen
hätte, wenn sie über die vorgenannten wesentlichen und für sie nachteiligen Umstände
aufgeklärt worden wäre. Gegebenenfalls wäre die Klägerin so zu stellen, wie sie stünde,
wenn die für den Prospekt Verantwortlichen ihrer Aufklärungspflicht nachgekommen
wären. Streitentscheidend sei daher die Frage, ob die Beklagten, neben der Stellung
der Beklagten zu 1) als Geschäftsbesorgerin, des Beklagten zu 3) als deren
Geschäftsführer und des Beklagten zu 2) als Bevollmächtigten, Initiatoren des Projektes
bzw. Prospektverantwortliche gewesen seien. Den Beweisantritten der Klägerin durch
Vernehmung der Zeugen S, C1, X, I, A (Bl. 12 GA), B (Bl. 10 GA) und D (Bl. 245 GA)
sowie des von den Beklagten benannten Zeugen Rechtsanwalt F (Bl. 199 GA) werde
das Landgericht zur weiteren Sachaufklärung nachzugehen haben. Angesichts der
erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung, die der Rechtsstreit für die Parteien habe, halte
der Senat es nicht für sachdienlich, die bei der gebotenen Berücksichtigung der
klägerischen Behauptungen erforderliche umfangreiche und aufwändige
Beweisaufnahme zur Sachverhaltsaufklärung selbst durchzuführen und den Parteien
dadurch eine Tatsacheninstanz zu nehmen. Wegen der Begründung im einzelnen wird
auf die Ausführungen in dem Berufungsurteil Bezug genommen (Bl. 523 - 539 GA).
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Bundesgerichtshof durch
Beschluss vom 03.02.2005 die Revision der Klägerin (nur) insoweit zugelassen, als sie
sich gegen die Beklagte zu 1) richtete. Durch Urteil vom 28.07.2005 – III ZR 290/04 – hat
der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil bezüglich der Beklagten zu 1) aufgehoben
und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Entscheidung an den erkennenden
Senat zurückverwiesen.
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Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, die Klägerin könne gegen die Beklagte zu 1)
einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo bzw. wegen Verletzung der
aus § 677 BGB folgenden Pflicht zu einem Hinweis auf die in dem angegebenen
Gesamtaufwand versteckte Innenprovision von 18,4 % haben. Zwar habe es der
Beklagten nicht oblegen, die Rentierlichkeit der von der Klägerin beabsichtigten Anlage
zu überprüfen. Jedoch sei der Beklagten zu 1) positiv bekannt gewesen, dass in dem
den Erwerbern gegenüber angegebenen Gesamtaufwand eine versteckte
Innenprovision von 18,4 % enthalten gewesen sei; dieses Wissen hätte sie der Klägerin
mitteilen müssen, da sie ausschließlich deren Interessen wahrzunehmen habe. Das
Verschulden des Auskunftspflichtigen werde vermutet. Jedoch habe die Beklagte die
Möglichkeit, sich zu entlasten. Um dies zu beurteilen, könne der Stand der
Rechtsprechung im Jahr 1992 zur verborgenen Innenprovision einerseits ebenso von
Bedeutung sein wie andererseits die Antwort auf die Frage, ob die Anlage unter
Berücksichtigung der Innenprovision für den Eingeweihten ersichtlich von vornherein
unrentabel war. Wegen der Begründung im Weiteren wird auf die Ausführungen in dem
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Revisionsurteil Bezug genommen (Bl. 613 - 622 GA).
Die Klägerin tritt den Ausführungen des Bundesgerichtshofs bei. Sie wiederholt ihre
Behauptung, wonach die Beklagte die wahre Initiatorin des in Rede stehenden
Bauträgermodells gewesen und damit verantwortlich für alle auf den wahren Kaufpreis
kalkulierten Gebühren einschließlich der versteckten Innenprovision sei. Sie meint, die
Beklagte zu 1) habe ihr die Innenprovision nicht nur durch unterlassene Aufklärung
verheimlicht, sondern sie habe sie aktiv darüber getäuscht, wie sich aus dem
Auftragsschein (Anl. K 3, Bl. 66), dem persönlichen Berechnungsbeispiel
(Anl. K 13/rotes Anlagenheft) und der Kapitalflussrechnung (Anl. K 5, Bl. 73) ergebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 25.11.2005
Bezug genommen (Bl. 659 – 661 GA) Bezug genommen.
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Die Klägerin beantragt,
31
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 27.11.2003, Az.: 2 O
364/03, die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie 53.167,72 Euro nebst 5 %
über dem Basiszinssatz des Diskont-Überleitungs-Gesetzes liegenden Zinsen
seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen lastenfreie Übertragung
aller ihrer Rechte an dem in dem Grundbuch von L beim Amtsgericht L, Band
xxx, Blatt ####, Flur xx1, Flurstück Nr. 84/17 LB 8445, N-Straße 80, zu
153,81/10.000 eingetragenen Miteigentumsanteil, verbunden mit dem
Sondereigentum an der Wohnung nebst Kellerraum, im Aufteilungsplan mit
Nr. 38 bezeichnet,
32
gegebenenfalls wegen eines Verfahrensfehlers das Urteil und das dem Urteil
zugrundeliegende Verfahren bezüglich der Beklagten zu 1) aufzuheben und
die Sache auch insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen.
33
Die Beklagte zu 1) beantragt,
34
die Berufung zurückzuweisen.
35
Sie verteidigt sich gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs. Sie behauptet, die
versteckte Innenprovision sei ihr nicht positiv bekannt gewesen. Auf Seite 2 des
Kaufvertrages (Anl. B 3 im gelben Anlagenheft) sei darauf hingewiesen worden, dass
der Kaufpreis die Vertriebskosten enthalte. Mehr habe auch sie nicht gewusst,
insbesondere nicht, dass der Bauträger mit dem Vertrieb 18,4 % Innenprovision
vereinbart habe. Es sei auch nicht ihre Aufgabe als Geschäftsbesorgerin gewesen,
Derartiges zu hinterfragen oder zu überprüfen, ob eine Investitionsentscheidung für den
Erwerber im Rahmen seiner individuellen Gegebenheiten wirtschaftlich sinnvoll
gewesen sei.
36
Die Beklagte zu 1) meint, ihr habe jedenfalls das Verschulden gefehlt. Im Jahr 1992
habe es keine Rechtsprechung über Aufklärungspflichten eines
Abwicklungsbeauftragten zu Innenprovision gegeben. Niemand habe seinerzeit an die
Relevanz der Höhe einer Innenprovision gedacht. Im Übrigen habe allein der Umstand,
dass im Kaufpreis eine Innenprovision enthalten gewesen sei, die Kaufentscheidung
nicht von vornherein unrentabel gemacht. Wegen der Begründung im Weiteren wird auf
den Schriftsatz der Beklagten zu 1) vom 24.11.2005 Bezug genommen (Bl. 662 – 671
GA).
37
Beide Parteien haben nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2006 nicht
nachgelassene Schriftsätze eingereicht: die Klägerin den Schriftsatz vom 16.03.2006
(Bl. 699 - 689 GA), die Beklagte zu 1) die Schriftsätze vom 28.02.2006 (Bl. 682 - 687
GA) und 25.04.2006 (Bl. 694 - 709 GA).
38
II.
39
Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch gegenüber der Beklagten zu 1) nur, aber
immerhin insoweit Erfolg, als das angefochtene Urteil des Landgerichts einschließlich
des ihm zugrunde liegenden Verfahrens – entsprechend dem in der mündlichen
Verhandlung vom 09.02.2006 stillschweigend gestellten Antrag der Klägerin – auch
bezüglich der Beklagten zu 1) gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen eines
wesentlichen Verfahrensmangels aufzuheben und an das erstinstanzliche Gericht
zurückzuverweisen ist. Das Landgericht hat schlüssigen und substantiierten Vortrag der
Klägerin, der einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) rechtfertigen
könnte, übergangen und dadurch ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs
gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Ohne positiven Ausgang einer weiteren, indes dem
Landgericht vorzubehaltenden Beweisaufnahme besteht der geltend gemachte
Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) nicht.
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1. Der in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2006 gestellte Antrag der Klägerin ist
dahin auszulegen, dass für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 ZPO vorliegen, die Aufhebung des Urteils, soweit es die Beklagte zu 1) betrifft, und
die Zurückverweisung des Rechtsstreits insoweit an das erstinstanzliche Gericht
begehrt wird. Die Klägerin hat zwar im Termin vom 09.02.2006 ausdrücklich nur den
Antrag aus der Berufungsschrift wiederholt. Indes besteht kein Zweifel daran, dass sie
damit zugleich – stillschweigend – auch den Aufhebungs- und
Zurückverweisungsantrag gestellt hat, so wie sie es in der mündlichen Verhandlung
vom 22.04.2004 ausdrücklich getan hatte. Denn die Klägerin hat ersichtlich kein
Interesse daran, dass ihre Klage für den Fall, dass sie nicht unmittelbar zugesprochen
kann, abgewiesen wird. Hinzu kommt, dass der Rechtsstreit bezüglich der Beklagten zu
2) und 3) bereits durch ein insoweit rechtskräftiges Urteil des Senats vom 13.05.2006 an
das Landgericht zurückverwiesen worden ist. Es widerspräche den erkennbaren
Interessen der Klägerin, die Beklagte zu 1) nicht wenigstens auch an der Fortsetzung
des Verfahrens in erster Instanz teilhaben zu lassen, wenn schon der Klageanspruch
gegen die Beklagte zu 1) keinen unmittelbaren Erfolg haben sollte.
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2. Auch unter Zugrundelegung der Ausführungen des Bundesgerichtshofs kann der
geltend gemachte Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1)
allenfalls nach den Grundsätzen der Prospekthaftung bejaht werden. Ob die Beklagte
zu 1) der Klägerin nach den Grundsätzen der Prospekthaftung haftet, kann – wie der
erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 13.05.2004 ausgesprochen hat – nicht
ohne Beweisaufnahme zu der angeblichen Initiatorenstellung der Klägerin durch
Vernehmung der Zeugen S, C1, X, I, A, B, D und F festgestellt werden. Diese
umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme selbst durchzuführen, erachtet der
Senat auch nach nochmaligem Überdenken für nicht sachdienlich, zumal der
Rechtsstreit überdies hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) wieder bei dem
Landgericht anhängig ist. Die Voraussetzungen einer anderen Anspruchsgrundlage,
namentlich die der Haftung wegen eines Aufklärungsverschuldens der Beklagten zu 1)
gegenüber der Klägerin, sind nicht erfüllt.
42
a) Dass und aus welchen Gründen im einzelnen die Klägerin gegen die Beklagte zu 1)
keinen Anspruch aus culpa in contrahendo wegen fehlender Aufklärung über die
Unwirksamkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages gemäß § 134 BGB i.V.m. Art. 1 § 1
RBerG oder nach den allgemeinen Grundsätzen der vorvertraglichen Vertrauenshaftung
hat sowie weder Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. dem
Rechtsberatungsgesetz noch bereicherungsrechtliche Ansprüche, hat der Senat bereits
in seinem Urteil vom 13.05.2004 dargelegt. An diesen Ausführungen, die auch vor dem
Hintergrund der Revisionsurteils vom 28.07.2005 keiner Änderung oder Ergänzung
bedürfen, wird festgehalten. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf sie Bezug
genommen.
43
b) Die rechtliche Würdigung des Revisionsurteils zugrunde gelegt, der sich der
erkennende Senat anschließt, hätte der Klägerin allerdings ein
Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus culpa in contrahendo bzw.
wegen Verletzung der aus § 677 BGB folgenden Pflicht zu einem Hinweis auf die in
dem angegebenen Gesamtaufwand versteckte Innenprovision von 18,4 % zustehen
können. Denn die Beklagte zu 1) hat objektiv ihre Aufklärungspflicht verletzt. Gleichwohl
scheidet eine Haftung aus. Denn die Beklagte zu 1) hat hierbei nicht schuldhaft
gehandelt. Auf die Fragen nach der Kausalität der Pflichtverletzung und dem
ersatzfähigen Schaden kommt es daher im vorliegenden Rechtsstreit nicht an.
44
aa) Der Beklagten zu 1) hatte es allerdings oblegen, die Klägerin darüber aufzuklären,
dass in dem Gesamtaufwand, der den Erwerbern mitgeteilt worden war, eine versteckte
Innenprovision von 18,4 % enthalten war. Denn sie kannte die versteckte Innenprovision
in Höhe von 18,4 % und hätte der Klägerin dieses Wissen offenbaren müssen, weil eine
Innenprovision in einer 15 % übersteigenden Höhe den wirtschaftlichen Sinn der
Vermögensanlage in Frage zu stellen geeignet war. Da der Prospekt insoweit keine
genügende Aufklärung verschaffte, hätte die Klägerin schon aus diesem Grund von der
Beklagten zu 1) auf die Innenprovision hingewiesen werden müssen.
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(1) Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) ist der Bundesgerichtshof in
Übereinstimmung mit dem erkennenden Senat zutreffend davon ausgegangen, dass die
Beklagte zu 1) die 18,4 %ige Innenprovision kannte. Er hat insoweit die gemäß § 314
ZPO verbindlichen tatbestandlichen Feststellungen aus dem Berufungsurteil
zugrundegelegt, wonach "gegen einen Hinweis auf die versteckte Innenprovision (...)
(spreche), dass die Beklagte zu 1) (...) diese Provision in der Schlussabrechnung als
‚reiner’ Kaufpreis für Grundstück und Gebäude (bezeichnet) und somit die den
Beklagten bekannte versteckte Innenprovision ebenfalls (verschleiert) habe" (S. 15,
Bl. 537 GA; Hervorhebung nur hier).
46
Dass die Beklagte zu 1) nunmehr bestreitet, bei Abschluss der Erwerbsverträge die
Innenprovision von 18,4 % gekannt zu haben, ist unerheblich. Abgesehen davon, dass
die Beklagte zu 1) einen Tatbestandsberichtigungsantrag nicht gestellt hat, hat sie –
entgegen ihrer Behauptung in der Berufungserwiderung – auf den Seiten 38 ff. ihrer
Klageerwiderung (Bl. 187 ff. GA) nicht etwa behauptet, dass ihr die Höhe der
Innenprovisionen unbekannt gewesen sei, sondern dass der Klägerin angeblich der
Anfall von Innenprovisionen bekannt gewesen sei, weil ihr der Prospekt ausgehändigt
worden sei, aus dessen Seite 27 sich die Aufteilung des Gesamtaufwandes in Prozent
ergebe (Anl. B 2, gelbes Anlageheft). Dies ist etwas anderes.
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(2) Die Beklagte zu 1) hätte die Klägerin über die ihr bekannte Innenprovision aufklären
müssen. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird insoweit zunächst auf die
Ausführungen im Revisionsurteil Bezug genommen (S. 11 - 17), denen sich der Senat
anschließt. Das Argument, die Beklagte habe die Klägerin gar nicht gekannt, so dass
sie sie nicht habe aufklären können, überzeugt nicht. Denn spätestens bei Abschluss
des Geschäftsbesorgungsvertrags durch Annahme des notariellen Angebots vom
13.10.1992 am 20.10.1992 kannte die Beklagte zu 1) alle notwendigen Daten der
Klägerin, um mit dieser in Kontakt treten zu können.
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bb) Die objektive Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) ist jedoch ausnahmsweise nicht
schuldhaft begangen worden. Zwar wird das Verschulden des Auskunftspflichtigen, der
die erforderliche Auskunft nicht erteilt, vermutet (§ 282 BGB a.F., jetzt § 280 Abs. 1 Satz
2 BGB). Der Auskunftspflichtige hat demnach schuldhaft gehandelt, sofern er nicht
Umstände vorträgt und erforderlichenfalls beweist, wonach ihn ausnahmsweise kein
Verschulden trifft. Jedoch ist der Beklagten zu 1) vorliegend dieser Nachweis gelungen.
Ihr kann für den hier in Rede stehenden Zeitraum (13.10. bis 22.12.1992) nicht
vorgeworfen werden, ihre Aufklärungspflicht bezüglich der verdeckten Innenprovision
verletzt zu haben. Denn seinerzeit wurde weder in der Rechtsprechung noch in der
Literatur die Frage einer etwaigen Aufklärungspflicht eines Abwicklungsbeauftragten
über eine verborgene Innenprovisionen diskutiert, was die Beklagte zu 1) in dieser
Hinsicht hätte aufmerken lassen müssen, noch konnte die Beklagte zu 1) erkennen,
dass der Erwerb des Objekts unter Berücksichtigung der Innenprovision für den
Eingeweihten ersichtlich von vornherein unrentabel war. Die Beklagte zu 1) hat folglich
ohne Verschulden gehandelt.
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(1) Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Vergütungen, die der Veräußerer
– geschweige denn der allein mit der Abwicklung des Erwerbs befasste Treuhänder –
an eine von ihm beauftragte Vertriebsgesellschaft zahlt (sog. Innenprovision), in einem
Prospekt ausgewiesen werden müssen, ist höchstrichterlich noch nicht einmal im Jahr
2004 geklärt gewesen (vgl. BGH Urt. vom 12.02.2004 – III ZR 359/02 = BGHZ 158, 110,
118, fortgeführt durch BGH, Urt. vom 28.07.2005 – III ZR 290/04 = MDR 2005, 1424).
Auch in den vorausgehenden Urteilen (BGHZ 145, 121; BGH NJW 2004, 288), die
Bauträgermodelle betrafen, hatte der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs diese Frage
stets ausdrücklich offengelassen. Gleiches gilt für den V. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2003, 1811, 1812) für den Fall des Verkaufs von
Eigentumswohnungen. Erst in Entscheidungen vom 12.02.2004 (BGHZ 158, 110, 121)
und – betreffend den vorliegenden Rechtsstreit – vom 28.07.2005 (BGH MDR 2005,
1424) ist der Bundesgerichtshof zu der Auffassung gelangt, dass der Anleger über einen
"Abfluss" an Innenprovisionen jedenfalls dann unterrichtet werden muss, wenn er 15 %
überschreitet, und zwar sowohl von dem Vermittler einer prospektierten Kapitalanlage
(BGHZ 158, 110) als auch von dem Treuhänder im Rahmen eines Bauträgermodells
(BGH MDR 2005, 1424). Diese Entwicklung war Ende des Jahres 1992, als die
Beklagte zu 1) für die Klägerin tätig wurde, nicht absehbar.
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Zwar hatte der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 20.02.1986 – III ZR 223/84
(zitiert nach juris, BORE863958609) bereits festgestellt, dass es grundsätzlich nicht die
Aufgabe des Kreditinstituts sei, über die Gefahren des zu finanzierenden Geschäfts
aufzuklären, sich im Einzelfall aber etwas anderes ergeben könne, wenn die Bank einen
konkreten Wissensvorsprung über die speziellen Risiken des Projekts hat oder einen
besonderen Gefährdungstatbestand für den Anleger selbst geschaffen oder seine
Entscheidung begünstigt hat. Hierdurch mag bereits in allgemeiner Weise die Richtung
51
für eine künftige Haftung, eventuell auch eines Treuhänders, gewiesen worden sein, so
dass es aus heutiger Sicht konsequent erscheint, auch einen Treuhänder verpflichtet zu
sehen, dem Erwerber auch eine im Gesamtaufwand versteckte überdurchschnittlich
hohe Innenprovision zu offenbaren, die den wirtschaftlichen Erfolg eines
Erwerbsgeschäfts zu gefährden geeignet ist. Ex ante betrachtet, stellte aber schon die
Erstreckung von Aufklärungspflichten und daran anknüpfend von Haftungen auf den
Treuhänder einen großen, nicht ohne weiteres zu vermutenden Schritt dar. Denn der
Treuhänder steht bestimmungsgemäß im "Lager" des Erwerbers und nicht in dem des
Veräußerers. Einen noch größeren gedanklichen Schritt hätte es 1992 erfordert, um
unter das Tatbestandsmerkmal "Wissensvorsprung über die speziellen Risiken des
Projekts" sogar die Kenntnis von internen Kalkulationsgrundlagen zu fassen, zu denen
die Innenprovision gehört. Im Jahr 1992 und noch lange Zeit später dürfte vielmehr die
Ansicht vorgeherrscht haben, dass der Bauherr bzw. Erwerber mit dem (korrekt
mitgeteilten) Gesamtaufwand hinreichend informiert sei und eine Offenlegung der
internen Kalkulationsgrundlagen weder erforderlich noch erwünscht sei (vgl. Loritz, WM
2000, 1831).
Auch die höchstrichterlichen Entscheidungen aus den Jahren von 1988 bis 1992
wiesen nicht erkennbar in Richtung einer Treuhänderhaftung. Zwar hat der Treuhänder
gemäß der Entscheidung BGH WM 1988, 54, die Interessen des Treugebers
gewissenhaft zu wahren (so z.B. schon BGH BB 1984, 564, 565); zu seinen
vorvertraglichen und vertraglichen Pflichten sollten auch Beratung und Unterrichtung
des Bauherrn gehören. Der konkrete Umfang des Pflichtenkreises des Treuhänders
wurde jedoch ausdrücklich "von den Umständen des Einzelfalls", "vor allem der
Vertragsausgestaltung" abhängig gemacht. Im Jahr 1991 hat der Bundesgerichtshof
(WM 1991, 695) sogar noch festgestellt, dass das Risiko, eine Immobilie wegen der
zahlreichen bei der Errichtung des Bauvorhabens tätigen Honorare und Provisionen
beanspruchenden Personen auch unter Berücksichtigung von Steuervorteilen mit
höheren Aufwendungen zu erwerben als ihrem Verkehrswert entspricht, bei jedem
Bauherrenmodell besteht und zunächst nichts mit der Unabhängigkeit des Treuhänders
zu tun habe. Dies sprach eher dafür, den Erwerbern eine Nachfragepflicht aufzuerlegen
als dem Treuhänder eine Aufklärungspflicht.
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Eine Zusammenfassung der Rechtsprechung zur "Eigenverantwortlichkeit des Bauherrn
und Haftung des Treuhändlers im Bauherrenmodell" aus dem Jahr 1988 gibt Kürschner
(ZfBR 1988, 2). Sie bekräftigt den Eindruck, wonach zu jener Zeit bei der Abwicklung
von Bauherrenmodellen zwar bereits zum Zwecke der Umgehung der Makler- und
Bauträgerverordnung Treuhänder eingesetzt wurden, ihre Haftung aber noch sehr
unbestimmt war. Der Umfang ihrer Pflichten sollte sich ggf. aus dem Treuhandvertrag
und der dem Treuhänder erteilten Vollmacht ergeben (Kürschner, ZfBR 1988, 2, 3). Eine
Haftung des Treuhänders aus positiver Vertragsverletzung wurde seinerzeit für den Fall
erwogen, dass sein Verhalten "augenfällig schädlich" war (ebd.), wobei aber offen blieb,
wann dies der Fall gewesen sein sollte. Soweit überhaupt vorvertragliche Pflichten des
Treuhänders angesprochen wurden – wie etwa die Pflicht des Treuhänders zur
Aufklärung über wesentliche für die Anlageentscheidung bedeutende Umstände wie
z.B. Zweifel an der rechtlichen, technischen oder finanziellen Durchführbarkeit des
Objektes, die zwar dem Treuhänder, nicht aber dem Bauherrn bekannt war, oder u.U.
auch die Pflicht zur Aufklärung über relevante Verflechtungen zwischen den am
Bauherrenmodell Beteiligten, insbesondere des Treuhänders selbst (Kürschner, ZfBR
1988, 2, 6) – beruhten diese Erkenntnisse (noch) nicht auf entsprechenden Urteilen,
sondern allein auf den theoretischen Überlegungen der Autoren.
53
Ende 1992 bot die Rechtsprechung noch immer ein im wesentlichen gleiches Bild: Dem
Standardwerk von Brych/Pause, "Bauträgerkauf und Baumodelle" ist selbst in der
2. Auflage von 1996 nicht zu entnehmen, dass der im Rahmen eines Bauherrenmodells
eingesetzte Treuhänder über die Höhe versteckter Innenprovisionen aufklären müsste.
Die ihm obliegenden Hauptpflichten (Abschluss und Durchführung der Verträge,
Interessenwahrnehmung gegenüber Behörden, Auskunfts- und
Rechnungslegungspflicht, Rn. 876 bis 911) werden zwar detailliert dargestellt. Auch
wird gesehen, dass wegen der großen Unabhängigkeit des Treuhänders und seiner
sehr weitgehenden Befugnisse die Auskunftspflicht zugunsten des Bauherrn weit zu
fassen ist (Rn. 895). Dass sich aber aus der Verpflichtung gegenüber dem Bauherrn
bzw. Erwerber sogar die Pflicht ergeben könnte, diesen über Interna der Kalkulation
(Innenprovisionen) aufzuklären, wurde (noch) nicht erkannt. Lediglich den Umstand,
dass er selbst Provisionen oder anderer Vergünstigungen erhält, hätte der Treuhänder
seinerzeit offenbaren müssen (Rn. 895).
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(2) Mussten seinerzeit Rechtsprechung und Literatur die Beklagte zu 1) also nicht dazu
veranlassen, die Klägerin über die Höhe der versteckten Innenprovision aufzuklären,
hätte sich ein Verschulden ferner daraus ergeben können, dass die Beklagte zu 1)
aufgrund anderer Umstände von sich aus hätte erkennen müssen, dass der Klägerin die
Höhe der Innenprovision von 18,4 % zu offenbaren war. Dies wäre der Fall gewesen,
wenn der Erwerb der Beteiligung unter Berücksichtigung der Innenprovision von
vornherein ersichtlich unrentabel gewesen wäre. Dies ist jedoch nicht feststellbar.
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Soweit die Beklagte zu 1) einwendet, als Geschäftsbesorgerin habe sie nicht zu
überprüfen gehabt, ob eine Investitionsentscheidung für den Erwerber im Rahmen
seiner individuellen Gegebenheiten wirtschaftlich sinnvoll gewesen sei, überzeugt dies
allerdings nicht. Denn hier geht es nicht um die Prüfung, ob die von der Klägerin
beabsichtigte Anlage wirtschaftlich sinnvoll war, sondern um die Offenbarung von
Wissen, nämlich der Kenntnis von hohen Innenprovisionen, aufgrund deren der Anleger
unwissentlich eine "mit hoher Wahrscheinlichkeit" (BGH, Urteil vom 28.07.2005 – III ZR
290/04, Seite 14) oder gar "ersichtlich" (ebd., Seite 17) verlustbringende Investition
tätigte.
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Grundsätzlich darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Beklagte zu 1) nur
Abwicklungsbeauftragte und nicht Verkäuferin war. In dieser Position waren die ihr
obliegenden Aufklärungspflichten begrenzt. Der Aufgabenkreis der Beklagten zu 1) war
ausweislich des Prospektes (Bl. 100 ff., 126 GA) ausdrücklich auf die Abwicklung
beschränkt. Beratungs- und Aufklärungspflichten hinsichtlich der
Investitionsentscheidung, die ausschließlich von dem Erwerber zu treffen war, kamen
der Beklagten zu 1) daher im Grundsatz nicht zu.
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Greifbare Anhaltspunkte für eine Unrentierlichkeit des Erwerbs der Klägerin, die die
Beklagte zu 1) als (bloße) Treuhänderin hätte erkennen müssen, liegen nicht vor. Etwas
anderes würde allerdings gelten, wenn die Beklagte zu 1) über ihre Treuhandstellung
hinaus auch Initiatorin oder Konzeptionärin des Projekts gewesen sein sollte. In diesen
Funktionen hätten sie weitergehende Aufklärungspflichten gegenüber der Klägerin
getroffen. Die Klägerin hat auch substantiiert unter Beweisantritt dargelegt, dass die
Beklagte zu 1) nicht nur gewusst und verheimlicht habe, dass neben den offen gelegten
3 % Maklerprovision im Kaufpreis eine 18,4 %ige Innenprovision enthalten gewesen sei,
sondern dass die Beklagte zu 1) als wahre Initiatorin oder Konzeptionärin des Projekts
58
selbst für das Aufkalkulieren dieser Innenprovision verantwortlich gewesen sei und aktiv
über deren Anfall getäuscht habe. Dieser Vortrag ist jedoch streitig. Die Klägerin
verkennt nicht, dass ihm im Wege der Beweisaufnahme nachzugehen ist.
Dies soll auch geschehen. Die notwendige Beweisaufnahme selbst durchzuführen, hält
der erkennende Senat jedoch – wie schon im Urteil vom 13.05.2004 ausgeführt – nicht
für sachdienlich. Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung, die der
Rechtsstreit für die Parteien hat, sowie des Umfangs und des Aufwands der
Beweisaufnahme ist es den Parteien nicht zuzumuten, auf eine Tatsacheninstanz zu
verzichten. Dem Vortrag und den Beweisangeboten der Klägerin bezüglich der
angeblichen Initiatorenstellung der Beklagten zu 1) soll daher nicht von dem
erkennenden Senat, sondern von der Zivilkammer bei dem Landgericht nachgegangen
werden, an die das Verfahren zurückverwiesen worden ist.
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c) An diesem Ergebnis ändert es auch nichts, dass der Klägerin mit der
Schlussrechnung vom 25.04.1995 (Bl. 71, 73) zu Unrecht Bauzeitzinsen in Höhe von
1.075,38 DM in Rechnung gestellt wurden, obwohl die Klägerin die Wohnung ohne den
Einsatz von Fremdmitteln finanziert hat und eine Finanzierung daher nicht notwendig
war. Denn wenn die Klägerin die Bauzeitzinsen zu Unrecht gezahlt haben sollte, hätte
es ihr offen gestanden, diesen Betrag nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen
zurückzuverlangen. Der große Schadensersatz einschließlich der Rückabwicklung des
Vertrags, den die Klägerin mit der vorliegenden Klage begehrt, lässt sich wegen dieser
Verfehlung jedenfalls nicht rechtfertigen.
60
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 16.03.2006 und der Beklagten
zu 1) vom 28.02.2006 und 25.04.2006 haben vorgelegen, zu einer Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung aber keine Veranlassung gegeben.
61
III.
62
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung
hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§§ 542 Abs.
1, 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren
überwiegend Tatsachenfragen. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den
konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und
waren nicht zu entscheiden.
63