Urteil des OLG Köln vom 13.03.2017

OLG Köln (gutachten, geschwulst, grund, behandlung, amputation, operation, tumor, diagnose, röntgenuntersuchung, beschwerde)

Oberlandesgericht Köln, 10 W 6/57
Datum:
08.02.1957
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 W 6/57
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
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G r ü n d e
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Die am 15.7.1926 geborene, verheiratete Antrag-stellerin hat den Antragsgegner als
orthopädischen Facharzt zunächst wegen Schmerzen am Unterschenkel des linken
Beines Mitte 1952 in Anspruch genommen; sie ist bei ihm weiterhin - auch wegen
anderer Beschwerden - bis Februar 1953 in Behandlung gewe-sen. Schließlich
wurde sie in das E.-Krankenhaus H. zur Röntgentiefenbestrahlung eingewiesen,
nach-dem eine Anfang Februar 1953 erstmalig veranlaßte Röntgenaufnahme das
Vorhandensein eines Knochentu-mors ergeben hatte. Von dort erfolgte die Verlegung
in das evangelische Krankenhaus W., wo am 2. März 1953 durch Prof. K. der Tumor
durch Teilresektion des Schienbeinkopfes operiert wurde. Dies schien zunächst
Erfolg zu haben, so daß die Antragstel-lerin Ende Juni 1953 entlassen wurde, doch
zeigte sich schon Ende Juli, daß eine endgültige Besserung nicht erzielt worden,
sondern ein neues Wachstum der Geschwulst eingetreten war. Hierauf kam es am
15. September 1953 zur linksseitigen Oberschenkel-amputation.
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Die Antragstellerin beabsichtigt, den Antrags-gegner auf Schadenersatz in Anspruch
zu nehmen. Sie beansprucht ein Schmerzensgeld und Ersatz von Verdienstausfall
mit einem Betrage von insgesamt 10.000,-- DM; weiterhin erstrebt sie die Fest-
stellung, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen,
der ihr durch falsche Behandlung oder Unterlassung rechtzeitiger richtiger
Behandlung und durch die hierdurch be-dingte Amputation ihres linken Beines
entstanden ist.
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Hierzu behauptet sie, der Antragsgegner habe es verabsäumt, rechtzeitig die richtige
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Diagnose zu stellen und habe es vor allem entgegen den Regeln der ärztlichen
Kunst unterlassen, das Bein recht-zeitig röntgen zu lassen. Auf eine solche
Maßnahme aber hätten die Umstände eindeutig hingewiesen, wie auch die
Antragstellerin sie selbst ausdrücklich erbeten habe. Bei sorgfältiger Untersuchung
und früherer Anordnung einer Röntgenaufnahme wäre es möglich gewesen, die
gefährliche Knochenerkrankung noch so rechtzeitig zu erkennen, daß eine sofortige
Operation das Frühstadium der Wucherung erfaßt und diese endgültig beseitigt
haben würde. Damit wäre die später durch zwischenzeitliche Vergrößerung und
letztliches Überhandnehmen der Wucherung erst notwendige Amputation zu
vermeiden gewesen. Die Antragstellerin hat für diese Klage das Armenrecht
nachgesucht.
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Vor der beabsichtigten Zivilklage hat sie Strafan-zeige gegen den Antragsgegner
erstattet, die zu dem Ermittlungsverfahren 3 Js 1050/53 StA Köln geführt hat. In ihm
wurde ein Gutachten des Chefarztes der chirurgischen Klinik der medizinischen
Akademie Düsseldorf, Prof. Dr. D., eingeholt. Auf Grund der Amnestie wurde das
Verfahren am 7. September 1954 eingestellt, nachdem das Gutachten D. zuvor schon
einen Verstoß gegen die Regeln ärztlicher Kunst verneint, die Staatsanwaltschaft
aber weitere Er-mittlungen erwogen hatte.
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In dem Armenrechtsverfahren wurde ein weiteres Gutachten bei dem leitenden Arzt
der chirurgischen Klinik der berufsgenossenschaftlichen Krankenan-stalten "B. H." in
B., Prof. Dr. B. , eingeholt so-wie zusätzlich noch eines der medizinischen Univer-
sitätsklinik K., das von Prof. Dr. K., dem Leiter, sowie Oberarzt Dr. S. und von Dr. A.
erstattet wur-de. Auf Grund des Ergebnisses dieser Gutachten hat das Landgericht
mit dem angefochtenen Beschluß das Armenrecht versagt. Es hat dargelegt, daß
nach dem Ergebnis der eingeholten ärztlichen Gutachten auch eine frühere
Röntgenuntersuchung den schicksalsmä-ßigen Verlauf der Erkrankung bis zur
Amputation aller Wahrscheinlichkeit nach nicht hätte aufhalten und auch eine
frühzeitig angeordnete andere Thera-pie an der Sachlage nichts hätte ändern
können.
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Hiergegen richtet sich die von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde.
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Sie macht Zweifel an der Richtigkeit des entla-stenden Gutachtens von Prof. D.
geltend und hebt hervor, daß der Sachverständige Prof. B. zunächst schon die
frühzeitige Veranlassung einer Röntgenun-tersuchung im gegebenen Falle für
ärztlich geboten erklärt habe. Sodann habe er sich aber nicht mit der Tatsache
auseinandergesetzt, daß bei der Ope-ration vom 2. März 1953 die Geschwulst
offensicht-lich noch von gutartiger Struktur gewesen sei und auch noch bis zum 26.
Juni 1953 die histologische Überprüfung des Gewebes gutartige Befunde ergeben
habe. Erst danach habe sich die Geschwulst bösartig entwickelt, nachdem die
zwischenzeitlichen Eingrif-fe und Ausräumungen einen zur Umwandlung führenden
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Reiz entfaltet hätten. Aus diesen Tatsachen ergebe sich aber die Richtigkeit ihrer
Behauptung, bei einer früheren Röntgenuntersuchung hätte man die Geschwulst, die
anfangs nur begrenzt und klein gewesen sein müsse, nach sofortiger Einweisung ins
Krankenhaus restlos ausräumen können, was aber spä-ter wegen der
zwischenzeitlich erreichten größeren Ausdehnung im Zeitpunkt der Operation vom 2.
März 1953 nicht mehr möglich gewesen sei. Erst mangels restloser Beseitigung und
infolge der Reizungen durch die Ausräumungen und Überprüfungen nach der
Operation sei die Geschwulst im Endstadium bösartig geworden.
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Nach dem Gutachten Prof. K. schließlich hätten eben so viel Gründe für wie gegen
die Vornahme einer Röntgenuntersuchung gesprochen und es sei jedenfalls die
Verletzung vom 24. Dezember 1952 ein sicherer Hinweis auf deren Notwendigkeit
gewesen. Unter solchen Umständen liege eine Fahrlässigkeit in der Unterlassung
dieser Maßnahme - zumindestens für die Zeit nach dem 24. Dezember 1952, nach
Auf-fassung des zuerstgenannten Gutachtens und der Klä-gerin aber schon für den
Anfang der Behandlung im Juni 1952. Auch eine Röntgenaufnahme zum späteren
Zeitpunkt aber hätte zur endgültigen Beseitigung des Tumors führen können, da
dieser damals noch nicht bösartig gewesen sei. Im übrigen zeigten die in dem
Gutachten festgestellten Untersuchungsmetho-den den Mangel an sorgfältiger
Behandlung seitens des Antragsgegners und das Fehlen einer richtigen
Diagnosestellung, wie sie nach den Umständen bereits anfangs möglich gewesen
wäre. Auch hätte schon die lange Dauer der bei der Antragstellerin aufgetretenen und
durch keine Zwischenmaßnahme end-gültig behobenen Beschwerden zu
eingehenderer Er-forschung ihrer Ursache und damit zur Anordnung ei-ner
Röntgenaufnahme genötigt.
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Einer Haftung des Antragsgegners wegen dieser Unterlassung könne nicht entgegen
gehalten werden, auch die frühere Erkenntnis der Geschwulst hätte das Endergebnis
nicht verhindern können. Denn die zum Endergebnis führende Bösartigkeit sei erst
durch die ständigen Probeexzissionen herbeigeführt worden, ein Vorgang der heute
allgemein in der ärztlichen Wissenschaft bekannt sei. Bei frühzeiti-ger Operation mit
endgültiger Beseitigung der da-mals noch kleinen Geschwulst wären solche
Probeex-zissionen nicht nötig gewesen, so daß auch kein An-reiz zur Entartung der
Geschwulst zur Bösartigkeit hätte entstehen können. Diese Fragen seien bisher nicht
hinreichend berücksichtigt worden und müßten durch das ordentliche Verfahren
geklärt werden, in dem auch hierzu ein neues Sachverständigengutachten
einzuholen sei.
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Der an sich zulässigen Beschwerde (§ 128 ZPO) mußte der Erfolg versagt bleiben,
weil auf Grund der ein-gehenden Erhebungen des bisherigen Verfahrens eine
hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage nicht gegeben ist und es
somit an einer unab-dingbaren Voraussetzung für die Armenrechtsbewilli-gung nach
§ 114 ZPO fehlt.
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Das Unterlassen der Röntgenuntersuchung kann zu-nächst als Fahrlässigkeit nur
angesehen werden, wenn die unterlassene Maßnahme nach den Regeln der
ärztlichen Kunst allgemein als geboten anzusehen wäre und der Antragsgegner dies
bei Anwendung der ihm als Facharzt obliegenden Sorgfalt hätte erken-nen können.
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Nun ist nach dem Gutachten von D. das Leiden der Antragstellerin ärztlich gesehen
nie ganz typisch verlaufen und gab auch bei genau durchgeführter ärztlicher
Untersuchung keine sicheren Zeichen einer ernster zu nehmenden organischen
Erkrankung (Bl. 7 d.G. in 3 Js 1050/53). Auch das Gutachten von K. gelangt zu der
Feststellung, daß sich keine sicheren Zeichen einer organischen Erkrankung vor
dem Trauma vom 24. Dezember objektivieren ließen (Bl. 9.- d.G. i.d.A.).
Insbesondere ergaben die während der Behandlungszeit durchgeführten Blut-
senkungen nach den Feststellungen im Gutachten K. keine pathologischen
Veränderungen. Zudem ließen sich die von der Antragstellerin vorgetragenen Be-
schwerden symptomatisch primär auch unterschiedli-chen akuten Erkrankungen
zuordnen, wie sie etwa in Gestalt einer Venenentzündung zeitweise tatsächlich
vorgelegen haben. Demgemäß ist vom Antragsgegner die jeweilige Behandlung
entsprechend dem gera-de vorliegenden, akuten Krankheitsbilde vorgenommen
worden (Bl. 7 d.G. i. d. A.), wie das Gutachten K. bestätigt. Hierin wird kein Verstoß
gegen die Regeln der ärztlichen Kunst zu finden sein, da die von der Antragstellerin
angegebenen, rheumatisch ziehenden Beschwerden einerseits durch die beste-
henden - und auch von den Ärzten der A. als Grund angesehenen - Spreitzfüße wie
durch die akuten interkurrenten Erkrankungen ihrer Stärke erreicht haben konnten.
Die Klage der Antragstellerin über weitere Schmerzen wies daher nicht unbedingt auf
die Diagnose eines Tumors hin. Das hat jedenfalls bis zu dem Besuche zu gelten,
den die Antragstel-lerin wegen Verstärkung der Beschwerden nach einem Trauma
vom 24. Dezember 1953 bei dem Antragsgegner am 2. März 1953 gemacht hat - wie
überzeugend im Gutachten K. dargelegt ist.
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Wenn B. gegensätzlich hierzu in seinem Gutachten die Auffassung vertritt, daß die
nicht ausreichend geklärte Erkrankung der Antragstellerin im Zusam-menhang mit
der langen Dauer der Behandlung und der häufigen Wiederkehr der
Krankschreibungen zu frü-herer Anfertigung eines Röntgenbildes hätte Veran-
lassung geben müssen (Bl. 6 d.G. i.d.A.), so steht dem die Beurteilung der beiden
anderen, gleichfalls auf dem hier fraglichen Fachgebiete durch besondere
Fachkenntnisse legitimierten Gutachter gegenüber.
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Von ihnen beschäftigt sich insbesondere K. mit der Auffassung von B. und gelangt
dabei zu dem Ergebnis, daß zwar atypischer Verlauf, lange Dauer und Trauma eine
frühere Röntgenaufnahme hätten angezeigt erscheinen lassen können, andererseits
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aber dieselbe Beobachtung des atypischen Verlau-fes zusammen mit den
Abheilungen interkurrenter Erkrankungen, dem Mangel an sicheren organischen
Zeichen und der Normalbefund der Blutsenkung gegen die Notwendigkeit früherer
Röntgenaufnahmen gespro-chen hätten. Sieht man von den nach den Angaben der
Antragstellerin selbst erst am 24. Dezember 1952 erfolgten Trauma ab, so ergibt
schon diese Gegenüberstellung für die davorliegende Zeit, daß mehr Gründe einer
Notwendigkeit der Röntgenaufnah-me entgegen standen als solche diese zu fordern
schienen. Die Gegenüberstellung im Gutachten K. läßt sich auch nicht so verstehen,
wie es die Antragstellerin mit der Beschwerde auslegt, daß nämlich nach dem
Stande der Dinge 50 % für und 50 % gegen einen Tumor gesprochen habe: Vielmehr
gab die Sachlage zunächst für einen Tumor zu dieser Zeit überhaupt noch keinen
Anhaltspunkt und allein in der Frage, ob ein Weiteres zur Erforschung der
Grundursache zu den von der Antragstellerin weiterhin geklagten Beschwerden mit
der Maßnahme einer Röntgenuntersuchung geboten sei, standen sich die einen und
die anderen Gesichtspunkte gegenüber. Wenn der Antragsgegner diese Maßnahme
nun nicht für indiziert hielt, weil die Erscheinungen der inter-kurrenten Erkrankung
das eigentliche Krankheitsbild überlagerten (K., Bl. 11 d.G. i.d.A.) und keine
organischen Befunde auf weitergehende Ursachen hinwiesen, so konnte er seine
Auffassung weiterhin noch darauf stützen, daß am Kniegelenk lokalisierte Tumoren
nach den Erfahrungen der Wissenschaft sehr selten sind (K., Bl. 11 d.G. i.d.A.). Es lag
daher auch für den Antragsteller als Facharzt nicht nahe, neben den noch anders
erklärlichen und auch mit Heilerfolg behandelten Zwischenerkrankungen noch an
einen permanenten Krankheitsherd in Gestalt eines Tumors zu denken. Haben zwei
Ärzte von besonderer Fachkenntnis - nämlich die Gutachter D. und K. - nach den
gegebenen Verhältnissen eine frühere Anordnung der Röntgenuntersuchung aus
den Umstän-den nicht für geboten erachtet, so kann es dem Antragsgegner nicht als
Außerachtlassung der durch die ärztliche Wissenschaft und das ärztliche Erfah-
rungswissen gebotenen Sorgfalt angerechnet werden, daß er auch seinerseits eine
Röntgenaufnahme nicht für notwendig erachtet hat - selbst wenn ein weite-rer
Facharzt sich hierzu auf Grund seiner besonde-ren Erfahrung eine andere
Auffassung bildet. Ohne solche Indikation aber konnte und durfte der An-tragsgegner
nach den Bestimmungen der A. auch keine Röntgenüberweisung vornehmen.
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Im übrigen aber hat auch der Sachverständige B. dargelegt, daß man bei
Berücksichtigung der Aussagen des Antragsgegners geneigt sei, sich der Auffassung
des Gutachtens D. anzuschließen (Bl. 4 d.G. i.d.A.). Seine abweichende Auffassung
leitet er demgemäß aus den Berichtigungen her, die sich im wesentlichen aus den
Angaben der Antragstellerin ergeben. Selbst wenn diese Angaben dem
Sachhergang entsprechen, so kann doch nicht verkannt werden, daß die
Antragstellerin in einem Prozesse sich in einer kaum zu behebenden Beweisnot
befinden müßte. Denn der Antragsgegner bestreitet die Darstellung der
Antragstellerin und bei den fraglichen Vorgän-gen handelt es sich hauptsächlich um
Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie um Äußerungen, die in der
Sprechstunde ohne weitere Zeugen abgewickelt wurden bzw. gefallen sind - wenn
man von der sei-tens des Antragsgegners für die Richtigkeit seiner Angaben als
Zeugin genannten Ehefrau des Antrags-gegners absieht. Es kann daher nicht einmal
davon ausgegangen werden, daß die Grundlagen, auf die das Gutachten B.
wesentlich mit aufbaut, tatsächlich als richtig nachgewiesen werden können. Die
Beweis-situation allein müßte danach schon einer hinrei-chenden Erfolgsaussicht
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entgegenstehen.
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Hat nunmehr im Weiteren nach dem Gutachten K. auf Grund der Bekanntgabe einer
am 24. Dezember 1952 erfolgten traumatischen Veränderung nach der Konsultation
am 2. Januar 1953 ein ernsthafter Anlaß zu einer Röntgenaufnahme bestanden, so
kann doch die Unterlassung nicht zu einer Haftung des Antragsgegners wegen des
späteren Verlustes des linken Beines der Antragstellerin durch Amputation führen,
ebensowenig wie eine solche Haftung bei An-nahme einer früher schon bestehenden
Röntgenpflicht bejaht werden könnte.
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Denn alle 3 vorgenannten Sachverständigen stimmen - ungeachtet der
unterschiedlichen Beurteilung zur Frage des Zeitpunktes, in dem eine
röntgenologische Untersuchung geboten war - in der Auffassung über-ein, daß auch
eine früher veranlaßte Röntgenaufnah-me nichts am schicksalsmäßigen Ablauf der
Erkran-kung und der Notwendigkeit einer Amputation geän-dert haben würde.
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Nach ihren überzeugenden Darlegungen hat das seinen Grund in den
diagnostischen Schwierigkeiten, die für die Feststellung einer bösartigen
Geschwulst- (Sarcom) bestehen. Solche sind nach dem Gutachten K. zum Teil
röntgenologisch überhaupt nicht zu erkennen; zumindestens im Frühstadium aber ist
es auch bei Nachweisung einer Wucherung sehr schwie-rig festzustellen, ob es sich
um eine gutartige oder eine lebensgefährdende, bösartige Geschwulst handelt.
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Hat nun das am 11. Februar 1952 hergestellte Rönt-genbild nach B. einen
zerstörenden, schnell wach-senden Tumor gezeigt, der bei diesem Gutachter ei-nen
hochgradigen Verdacht auf Bösartigkeit erweckt, so räumt er doch ein, daß die
Klärung der histolo-gischen Diagnose selbst bei solchem Zustandsbilde auch einem
erfahrenen Chirurgen wie Prof. K. er-hebliche Schwierigkeiten bereiten mußte. Es
hätte daher mit früherer Entdeckung des Tumors keineswegs zugleich auch schon
früher festgestellt werden kön-nen, um welche Art von Tumor es sich hierbei han-
delte, zumal nach dem Gutachten K. eine klare Dia-gnose unter Umständen erst aus
dem Verlaufe der Er-krankung möglich ist. So ist es auch in dem vorlie-genden Falle
gewesen, wie sich daraus ergibt, daß der hocherfahrene Chirurg K. von der
Entdeckung des Tumors an noch 7 Monate gewartet hat, um endgültige Klarheit zu
bekommen. Die für ihn bestehende dia-gnostische Schwierigkeit wäre bei früherer
Röntgen-untersuchung nach Auffassung des Sachverständigen B. noch größer
gewesen (Bl. 7 d.G. i.d.A.) und bei ihrer Behebung durch die endgültige Diagnose
"Sar-com" - sei diese nun früher oder später erfolgt - hätte es auch dann zur
Oberschenkelamputation kommen müssen. Denn ein solcher radikaler Eingriff ist
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nach dem derzeitigen Stande der ärztlichen Wissenschaft und ihrer Erfahrungen bei
bösartigen Knochengeschwülsten der hier vorliegenden Art die einzige Möglichkeit,
das Fortschreiten der Erkran-kung zu verhindern, um das Leben des Patienten zu
retten.
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Daher konnte auch wie im Gutachten K. überzeugend dargelegt, eine
Strahlentherapie - sei es nun Rönt-gentiefentherapie oder harte Gammastrahlen - bei
früherer Erkenntnis nicht zu einem anderen Ergebnis und zur Erhaltung des Beines
bei einer nur teil-weisen Resektion des erkrankten Knochens führen (Bl. 12 bis 15
des G. i.d.A.).
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Gegenüber diesen im angefochtenen Beschlusse schon zutreffend hervorgehobenen
Umständen will die An-tragstellerin jetzt neu geltend machen, der von den Gutachtern
hypothetisch angenommene Kausalverlauf sei um deswillen nicht zwingend, weil es
sich bei der Geschwulst nicht von vornherein um eine bösar-tige gehandelt habe,
sondern um eine gutartige, die erst durch die Art der Behandlung im fortgeschrit-
tenen Stadium sich zum Sarcom umgewandelt habe. Hierfür spreche das Ergebnis
der Untersuchungen bis zum 26. Juni 1953, d.h. der Entlassung der Antrag-stellerin
nach ihrer Operation aus dem Krankenhaus.
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Aber auch mit diesem Gesichtspunkt wird der Klage nicht zum Erfolge verholfen
werden können. Es kann zwar unterstellt werden, daß gutartige Tumoren re-aktiv in
bösartige umschlagen können, wie dies das Gutachten K. (mit G. Bl. 12 d.G.) auch
auf Grund röntgentherapeutischer Einwirkung für möglich er-klärt hat. Wenn keiner
der 3 Sachverständigen bis-her auf diese Möglichkeit eingegangen ist, so liegt der
Grund hierfür aber offensichtlich nicht darin, daß dieser Punkt übersehen worden ist,
sondern der Grund ist in dem Umstande zu finden, daß die von der Antragstellerin
angeführten Grundlagen nicht zur Rechtfertigung des von ihr gezogenen Schlusses
ausreichen und daß insbesondere nicht angenommen werden kann, es habe
anfangs nur eine gutartige Ge-schwulst bestanden.
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Der Sachverständige B. hat aus dem Röntgenbild vom 11. Februar 1953 - ohne
Anknüpfung an die ihm bekannte Endphase - den Eindruck eines "hochgradig auf
Bösartigkeit verdächtigen" Tumors, gehabt und ein ähnlicher Verdacht muß sich auch
für den behan-delnden Chirurgen Prof. K. ergeben haben, wie seine weitere
histologische Überwachung nach dem ersten operativen Eingriff annehmen läßt. Ein
solcher Ver-dacht ist auch nicht durch das histologische Ergeb-nis nach der
Operation vom 2. März 1953 hinreichend widerlegt oder gar ausgeräumt worden.
Denn dieses schloß eine Bösartigkeit der Geschwulst keineswegs aus; die Diagnose
lautete außer auf die gutartigen Wucherungsarten eines Enchodroms oder einer
ostitis fibrosa noch eventualiter auf ein der Natur nach bösartiges Spindelzellsarcom.
Es ist auch nicht so, daß in der weiteren Entwicklung eine Bestätigung für eine
anfängliche Gutartigkeit gefunden werden konnte, ebensowenig wie der Entschluß
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zur Amputa-tion auf einem Ergebnis neuer histologischer Unter-suchungen nach der
Neueinweisung der Antragstelle-rin in das Krankenhaus am 29. Juli 1953 beruhte. Er
hatte vielmehr in dem festgestellten rapiden Wachstum seinen Anlaß. Erst das nach
der Amputa-tion vorliegende Material ergab am 17. September das klare, die
Gesamtentwicklung bestätigende Bild eines Tumors an der Grenze fibrom-
fibrosarcom. Der behandelnde Arzt mag zwar - nachdem die späteren histologischen
Untersuchungen keinen Anhalt mehr für eine Bösartigkeit erbracht hatten, - zunächst
von der Gutartigkeit ausgegangen sein; die spätere eindeutige Sarcomdiagnose
bestätigt die sofort nach dem ersten operativen Eingriff gestellte Diffe-renzialdiagnose
in Richtung des Sarcomes. Damit ist aber klargestellt, daß ursprünglich nicht ein
gutartiger Tumor bestand, der im Anfangsstadium mit Teilresektion des Knochens
leicht entfernbar gewesen wäre, der sodann aber erst durch zwischen-zeitliche
Reizbehandlung zur bösartigen Wucherung umgewandelt worden ist. Vielmehr lag
von Anfang an eine bösartige Geschwulst vor, deren Diagnose zwar zunächst nicht
eindeutig möglich war, die sich aber in der Entwicklung als solche zeigte und die sich
erst an dem aus der Amputation gewonnenen Material endgültig in diesem Sinne
diagnostizieren ließ. In solchem Sinne ist insbesondere das Gutachten K. zu
verstehen. Kann schon deswegen von der Einholung eines weiteren, seitens der
Antragstellerin bean-tragten Sachverständigengutachtens keine weiterge-hende
Klärung erwartet werden, so erübrigt sich eine solche Maßnahme jedenfalls im
Hinblick auf die im März 1953 gestellte Differenzialdiagnose eines Sarcoms. Denn
mit Rücksicht auf diese scheint ein eindeutiger Nachweis für die Richtigkeit der Be-
hauptung, die Geschwulst sei ursprünglich - und je-denfalls vor dem operativen
Eingriff im März 1953 - noch gutartig gewesen, jetzt nicht mehr durchführ-bar. Damit
entfällt auch zu dem jetzt neu vorgetra-genen Gesichtspunkte eine hinreichende
Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Klage.
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Bei dieser Sachlage konnte das Armenrecht nicht be-willigt werden; die Beschwerde
war als unbegründet mit der Kostenfolge aus § 38 Abs. 2 GKG, § 97 ZPO
zurückzuweisen.
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Beschwerdewert: 1.200,-- DM
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