Urteil des OLG Köln vom 10.06.2008

OLG Köln: fahrzeug, versicherungsnehmer, versicherer, kaufpreis, entwendung, wohnung, datum, vollstreckung, marke, kennzeichen

Oberlandesgericht Köln, 9 U 226/07
Datum:
10.06.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 226/07
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 9 O 315/07
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 16. November 2007
verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O
315/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
2
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem Teilkaskoversicherungsvertrag wegen eines
nach seiner Darstellung am 22. September 2006 (Freitag) geschehenen Diebstahls
seines Fahrzeugs der Marke BMW Alpina E 46/B3 3,3 Cabrio mit dem amtlichen
Kennzeichen xx–xx xxx in Anspruch. Das Fahrzeug wurde am 17.10.2005 von den
Söhnen des Klägers, den Zeugen U und P B, zum Preis von 24.000 € für den Kläger
erworben. Nach einem unter dem 24.03.2006 erstellten Gutachten des
Sachverständigenbüros L & L in C hatte das Fahrzeug einen Zeitwert von 30.000 €.
Unter dem 22.09.2006 gegen 18.40 Uhr erstattete der Zeuge U B, der das Fahrzeug
zusammen mit seinem Bruder, dem Zeugen P B, fast ausschließlich nutzte, Anzeige
wegen Diebstahls des BMW Alpina und gab an, dass er das Fahrzeug gegen 15.00 Uhr
noch geparkt gesehen habe; bei seiner Rückkehr nach Hause gegen 18.00 Uhr habe er
festgestellt, dass das Fahrzeug entwendet worden sei. Unter dem 25.09.2006
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übersandte die Beklagte an den Kläger einen Fragebogen zum Schadenshergang, den
der Zeuge U B für den Kläger ausfüllte und den der Kläger unterschrieb. Dabei gab der
Zeuge u.a. an, dass das Fahrzeug 73.000 km gelaufen sei und beim Kauf 3 Schlüssel
ausgehändigt worden seien. In einem weiteren Fragebogen, datiert auf den 28.09.2006,
gab der Zeuge U B an, dass das Fahrzeug durch ihn abgestellt und auch durch ihn der
Diebstahl bemerkt worden sei. Die Frage "Wo befanden Sie bzw. der Benutzer sich zur
Diebstahlszeit?" ist mit "unterwegs" beantwortet, die Frage nach Zeugen ist verneint.
Der Kläger, der auch diesen Fragebogen unterschrieb, befand sich nach eigenen
Angaben am Tattag von 13.00 Uhr bis 19.00 Uhr in einem ca. 200 Meter von seiner
Wohnung entfernt gelegenen türkischen Café. Am Ende des Fragebogens, unmittelbar
vor der Unterschriftenzeile, befand sich – ohne optisch besonders hervorgehoben zu
sein – die Belehrung über die Folgen einer möglichen Obliegenheitsverletzung durch
vorsätzlich falsche Angaben des Versicherungsnehmers (Bl.37 d.A.). Unter dem
09.10.2006 sandte die Beklagte die eigentliche Schadensanzeige an den Kläger
zurück, da er die Rückseite des Formulars weder ausgefüllt noch unterschrieben hatte.
Die wiederum durch den Zeugen U B ausgefüllte Schadensanzeige unterschrieb der
Kläger unter dem 24.10.2006. Unmittelbar über der Unterschriftenleiste auf der
Rückseite des Formulars befand sich eine durch Fettdruck hervorgehobene Belehrung
über die Leistungsfreiheit des Versicherers auch bei folgenlos gebliebener vorsätzlicher
Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers (Bl.56 d.A.). Am 09.10.2006
beauftragte die Beklagte den Sachverständigen X mit der Untersuchung der 3 von dem
Kläger überreichten Schlüssel. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 24.10.2006 fest,
dass zu dem kompletten Schlüsselsatz 1 Originalschlüssel fehlte, dass 1 Schlüssel eine
von ausgeprägten Gebrauchsspuren überlagerte Spurenzeichnung von einem
mechanischen Abtasten auf einer Schlüssel-Kopiermaschine aufwies und der
Kilometerstand nach Auslesung der in den Schlüsseln befindlichen Transponder 77.119
km betrug. Des weiteren war nach den Ausführungen des Sachverständigen zum
Fahrzeugbetrieb immer ein werkseitig gelieferter Transponder notwendig. Mit Schreiben
vom 18.12.2006 lehnte die Beklagte eine Leistung ab, weil ein erstattungsfähiger
Diebstahl des Fahrzeugs nicht nachgewiesen sei.
Der Kläger hat behauptet, dass ihm das Fahrzeug am 22.09.2006 entwendet worden
sei. Er habe nachfolgend weder Aufklärungsobliegenheiten verletzt noch falsche
Angaben gemacht. Soweit die Beklagte auf Diskrepanzen zwischen den ausgefüllten
Fragebögen und dem Vortrag in der Klageschrift abstelle, könnten diese nicht
Grundlage für die außergerichtliche Regulierungsablehnung gewesen sein; darüber
hinaus habe die Beklagte seine Ausführungen falsch interpretiert. Die Frage: Wo
befanden Sie bzw. der Benutzer sich zur Diebstahlszeit?" habe er auf sich bezogen und
damit richtig beantwortet; im übrigen sei die Frage missverständlich formuliert. Was die
Anzahl der Fahrzeugschlüssel angehe, habe sein Sohn, der Zeuge U B, bei Übergabe
des Fahrzeugs entgegen der in dem Kaufvertrag enthaltenen Angabe, es seien dem
Käufer 4 Schlüssel überlassen worden, nur 3 Schlüssel erhalten. Weder durch ihn noch
durch seine Söhne seien weitere Schlüssel angefertigt worden. Dass die Auslesung
eines Fahrzeugschlüssels einen Kilometerstand von 77.119 ergeben hat, hat der Kläger
mit Nichtwissen bestritten.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.943,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2006 sowie weitere
1.093,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
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seit Rechtshängigkeit, also seit dem 03.08.2007, zu zahlen, hilfsweise hiervon
freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
7
die Klage abzuweisen.
8
Sie hat behauptet, der Versicherungsfall sei vorgetäuscht; außerdem hat sie sich auf
Leistungsfreiheit wegen Falschangaben in der Schadensanzeige berufen. Der Kläger
habe sowohl die eindeutig formulierte Frage nach dem Aufenthaltsort des letzten
Benutzers als auch die Frage nach Zeugen für das Bemerken des Diebstahls falsch
beantwortet. Darüber hinaus seien seine Angaben zur Anzahl der Fahrzeugschlüssel
und zum Kilometerstand unrichtig.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Beklagte wegen vorsätzlicher
Obliegenheitsverletzung dem Kläger gegenüber leistungsfrei geworden sei. Der Kläger
habe bewusst falsche Angaben zu seinem Aufenthaltsort sowie zu möglichen Zeugen
gemacht. Über die Folgen einer möglichen Obliegenheitsverletzung durch vorsätzlich
falsche Angaben sei der Kläger im Fragebogen ordnungsgemäß belehrt worden. Dem
Erfordernis der Deutlichkeit sei durch die Platzierung unmittelbar vor der
Unterschriftszeile in einem eigenen Absatz Rechnung getragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Urteil und die Entscheidungsgründe Bezug
genommen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er fehlerhafte
Rechtsanwendung und eine unrichtige bzw. unvollständige Tatsachenfeststellung durch
das Landgericht rügt. Die Frage nach dem Aufenthaltsort habe er nicht falsch
beantwortet. Seine Aussage, er sei ab 13.30 Uhr im Café gewesen, beinhalte nicht,
dass er dort bis abends gewesen sei. Zudem sei die Beklagte angesichts der
Unbestimmtheit des Begriffs "unterwegs" zur weiteren Aufklärung verpflichtet gewesen.
Dass er die Frage aus seiner Sicht beantwortet habe, sei ihm aufgrund der
missverständlichen Formulierung nicht vorwerfbar. Jedenfalls sei die
Obliegenheitsverletzung folgenlos geblieben und habe die Beklagte nicht ernsthaft
gefährdet. Schließlich fehle es an einer ordnungsgemäßen Belehrung. Soweit sich die
Beklagte für ihre Leistungsfreiheit auf falsche Angaben betreffend die Anzahl der
Fahrzeugschlüssel und den Kilometerstand sowie auf durch den Sachverständigen X
festgestellte Kopierspuren bezogen habe, handele es sich um noch
aufklärungsbedürftige Gesichtspunkte.
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Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2008 beantragt hat,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Aachen vom 16.11.2007 – 9 O 315/07 -
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.943,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2006 sowie weitere 1.093,37 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
03.08.2007 zu zahlen, hat er die Berufung durch anwaltlichen Schriftsatz vom
30.05.2008 in Höhe des zehnprozentigen Kaskoselbstbeteiligungsbetrages von 2.400 €
zurückgenommen.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Aachen vom 16.11.2007 – 9 O
315/07 - die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.600,00 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2006 sowie
weitere 1.023,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, also seit dem 03.08.2007, zu zahlen,
hilfsweise insoweit Freistellung.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Zu Recht sei das Landgericht davon
ausgegangen, dass der Kläger die Fragen zum Aufenthaltsort und etwaiger Zeugen
objektiv falsch beantwortet habe. Über die Folgen einer möglichen
Obliegenheitsverletzung durch bewusst unrichtige Angaben sei der Kläger auch
ordnungsgemäß belehrt worden, denn die Belehrung befinde sich am Ende des
Fragebogens unmittelbar vor der Unterschrift und unterscheide sich deutlich vom Bild
der zuvor gestellten Fragen mit den Antwortkästchen und Leerzeichen. Einer weiteren
drucktechnischen Hervorhebung habe es daher nicht bedurft. Darüber hinaus habe der
Kläger falsche Angaben zu der Anzahl der Fahrzeugschlüssel, den gefahrenen
Kilometern und der Anfertigung eines Nachschlüssels gemacht. Die Gesamtschau
dieser Umstände spreche für das Vortäuschen eines Versicherungsfalls.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die beigezogenen Akten 903 UJs
1165/06 StA Aachen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
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Der Senat hat zu dem äußeren Bild des von dem Kläger behaupteten Diebstahls seines
Fahrzeugs BMW Alpina Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen U und P B.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom
06. Mai 2008 Bezug genommen.
20
II.
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Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Dem
Kläger steht ein Entschädigungsanspruch nach § 12 Abs. 1 I b) AKB wegen des
behaupteten Diebstahls des Fahrzeugs der Marke BMW Alpina E 46/B3 3,3 Cabrio mit
dem amtlichen Kennzeichen xx–xx xxx am 22.09.2006 nicht zu.
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Abweichend von der landgerichtlichen Auffassung ist der Senat allerdings der Ansicht,
dass die Klage nicht bereits deshalb unbegründet ist, weil sich die Beklagte auf
Leistungsfreiheit nach § 7 V Abs. 4 AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG a. F. wegen
vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung des Klägers durch falsche Angaben im
Fragebogen vom 28.09.2006 beruft. Leistungsfreiheit des Versicherers bei vorsätzlicher
Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers setzt bei Folgenlosigkeit – die das
Landgericht unterstellt hat – nach der vom Landgericht zutreffend dargestellten
"Relevanzrechtsprechung" eine ordnungsgemäße Belehrung des
Versicherungsnehmers über die Folgen einer möglichen Obliegenheitsverletzung durch
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bewusst unrichtige Angaben voraus. Daran fehlt es hier.
Der Fragebogen vom 25.09.2006 enthält überhaupt keine Belehrung.
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Die Belehrung in dem Fragebogen mit Datum vom 28.09.2006 genügt zwar den
Anforderungen, die der Bundesgerichtshof an den Inhalt einer Belehrung stellt, denn die
von der Beklagten gewählte Formulierung ist "klar und unmissverständlich" (so schon
BGH VersR 1973, 174) und "inhaltlich zutreffend" (BGH VersR 1998, 447 f; VersR 2007,
683), jedoch ist die drucktechnische Gestaltung nicht ausreichend. Soweit sich die
Belehrung am Ende des Fragebogens über der Unterschriftenzeile befindet, hat dies
zwar den Vorteil, dass dem Versicherungsnehmer die Rechtsfolgen bewusst unrichtiger
Angaben unmittelbar vor Augen geführt werden. Drucktechnisch setzt sich die
Belehrung allerdings nicht von dem übrigen Formulartext ab, denn sie ist in der gleichen
Größe gedruckt und auch nicht durch Fettdruck hervorgehoben.
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Der Bundesgerichtshof hatte bisher keinen Anlass, sich mit den drucktechnischen
Anforderungen zu befassen. Das OLG Nürnberg (VersR 1996, 746) und das OLG Hamm
(VersR 1999, 89) haben entschieden, dass eine Belehrung, die in gleicher Größe
gedruckt ist wie die Formularfragen und sich aus dem Text des Formulars nicht
hervorhebt, nicht ausreichend ist. Das OLG Oldenburg ist dem für den Fall gefolgt, in
dem sich die Belehrung – wie hier – am Schluss der Schadensanzeige unmittelbar vor
dem vorgesehenen Raum für die Unterschrift befand, hat aber eine solche Belehrung
am Anfang des Formulars in einem eigenständigen Absatz für ausreichend gehalten
(VersR 1999, 1406). In Ansehung der ebenfalls vom Bundesgerichtshof gewählten
Formulierung, dass "der Versicherungsnehmer durch einen äußerlich auffallenden und
allgemein verständlichen Hinweis auf dem Fragebogen oder einem Begleitzettel
ausdrücklich belehrt werden muss" (NJW 1969, 607), ist mit den Oberlandesgerichten
Nürnberg, Hamm und Oldenburg eine drucktechnische Hervorhebung zu fordern, der
die Belehrung der Beklagten in dem Fragebogen vom 28.09.2006 nicht gerecht wird. Da
die Schriftgröße der Belehrung sich nicht von der des übrigen Textes unterscheidet und
der Belehrungstext auch ansonsten nicht besonders hervorgehoben ist, besteht –
entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Beklagten – die Gefahr, dass der
Versicherungsnehmer die Belehrung überliest.
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Eine ordnungsgemäße Belehrung war auch nicht entbehrlich. Zwar kann das Bedürfnis
einer erneuten Belehrung entfallen, wenn der Versicherungsnehmer einmal
ordnungsgemäß belehrt worden ist (vgl. BGH VersR 2007, 683); zum Zeitpunkt des
Ausfüllens des Fragebogens am 28.09.2006 war der Kläger aber nicht ordnungsgemäß
belehrt. Die eigentliche Schadensanzeige (Bl.73, 74), die vor der Unterschriftenzeile
eine durch Fettdruck hervorgehobene und damit ordnungsgemäße Belehrung enthält,
unterzeichnete der Kläger erst am 24.10.2006. Dass dem Kläger zu diesem Zeitpunkt
die in den Fragebögen enthaltenen Angaben und deren Korrekturbedürftigkeit vor
Augen gestanden hätten, kann nicht unterstellt werden. Soweit der Kläger in dieser
Schadensanzeige den Kilometerstand des Fahrzeugs mit 73.000 angegeben hat, führt
dies auch dann nicht zur Leistungsfreiheit der Beklagten, wenn entsprechend den
Ausführungen des Sachverständigen X von tatsächlich gefahrenen 77.119 km
auszugehen ist. Zwar besteht die Verpflichtung des Versicherungsnehmers, den
Versicherer wahrheitsgemäß und vollständig über solche Umstände zu unterrichten, die
für die Feststellung des Hergangs des Schadenereignisses und die Höhe des
Schadens von Bedeutung sind, auch im Hinblick auf die Laufleistung (vgl. Senat, r+s
1998, 320; r+s 2001, 278); die Obliegenheitsverletzung war allerdings nicht generell
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geeignet, die Interessen der Beklagten als Versicherer ernsthaft zu gefährden. Bei der
Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes (§ 13 AKB) ist die Laufleistung zwar ein
wesentlicher Bewertungsfaktor, so dass dem Versicherer die Ermittlung des konkreten
Wertes durch falsche Angaben des Versicherungsnehmers unmöglich gemacht wird. In
Entwendungsfällen ist der Versicherer erst recht auf zuverlässige und zutreffende
Angaben des Versicherungsnehmers angewiesen, weil das Fahrzeug für eine
Begutachtung durch einen Sachverständigen nicht mehr zur Verfügung steht. Es sind
aber nur solche Abweichungen der Kilometerleistung generell geeignet, die
berechtigten Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, die mehr als 10 %
betragen (vgl. Senat r+s 1994, 401; 2001, 278; OLG Saarbrücken, r+s 2005, 322); denn
es liegt auf der Hand, dass sich eine solche Kilometerdifferenz nicht nur marginal auf
den Kaufpreis auswirkt. Hier beträgt die Kilometerabweichung nur 4.119 und damit
prozentual 5 %, so dass eine Beeinflussung der Ermittlung des
Wiederbeschaffungswertes und folglich eine ernsthafte Gefährdung der Interessen der
Beklagten nicht in Betracht kommt.
Die Berufung hat jedoch deshalb keinen Erfolg, weil der Versicherungsfall nicht
nachgewiesen ist.
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Zwar ist in der Diebstahlversicherung durch die Rechtsprechung anerkannt, dass der
Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht den Vollbeweis für die geltend gemachte
Entwendung erbringen muss. Vielmehr genügt es, wenn Tatsachen feststehen, die nach
ihrem äußeren Bild mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme des
Fahrzeugs gegen den Willen des Versicherungsnehmers schließen lassen. Dieses
"äußere Bild", für das der Versicherungsnehmer beweispflichtig ist, ist dann gegeben,
wenn ein Kraftfahrzeug an einer bestimmten Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt
abgestellt wird und es dort später nicht mehr vorgefunden wird (BGH VersR 1991, 1047 ;
VersR 1995, 909; VersR 1996, 319; 1997, 53). Für diesen (Mindest-) Sachverhalt muss
der Versicherungsnehmer aber den Vollbeweis erbringen (BGH VersR 1993, 571). Den
Beweis hat der Kläger nicht geführt.
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Der Kläger selbst kann zu den Tatsachen des äußeren Bildes keine Angaben machen,
weil er das Fahrzeug zur Tatzeit nicht benutzt hat. Auf Grund der Aussagen der von ihm
benannten Zeugen U und P B kann das äußere Bild der Entwendung nicht als
nachgewiesen angesehen werden. Ihre Aussagen sind nicht glaubhaft. Maßgeblich
gegen ihre Überzeugungskraft spricht der Umstand, dass die Zeugen, die das Fahrzeug
fast ausschließlich genutzt haben – so auch der Zeuge U B am Tattag - und es am
Tattag zuletzt gesehen und den Diebstahl gemeinsam festgestellt haben wollen, sich
nicht daran erinnern können, was sie zur Tatzeit gemacht haben. Der Berufung ist zwar
zuzugeben, dass es grundsätzlich nicht ungewöhnlich ist, dass man sich nicht daran
erinnern kann, wie man einen über 1 ½ Jahre zurückliegenden, im Regelfall
gleichförmig verlaufenden Tag verbracht hat; gerade im Hinblick auf die Gleichförmigkeit
ist dieses Erinnerungs-Unvermögen aber dann nicht mehr plausibel, wenn an dem Tag
ein besonderes Ereignis stattgefunden hat, welches naturgemäß dazu führt, dass sich
der Tag samt seinem Ablauf im Gedächtnis einprägt. Ein solches besonderes Ereignis
war der behauptete Diebstahl des Fahrzeugs, das beide Zeugen mehrfach als
Liebhaber- und Traumfahrzeug bezeichneten und dessen Verlust den Zeugen U B nach
eigener Aussage "in Panik" geraten ließ. Dass es den Zeugen trotz dieses für sie
einschneidenden Ereignisses bereits zum Zeitpunkt des Ausfüllens des Fragebogens
nur 6 Tage nach dem behaupteten Diebstahl unmöglich war, zu auch nur einem der von
ihnen am Tattag angeblich aufgesuchten Verkaufsinteressenten nähere Angaben zu
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machen, ist nicht nachvollziehbar; dies auch deshalb nicht, weil es für die Zeugen schon
unmittelbar nach der Entdeckung des angeblichen Diebstahls offenkundig gewesen
sein muss, dass ihr genauer Aufenthaltsort während der möglichen Entwendungszeit
sowohl im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen als auch in versicherungsrechtlicher
Hinsicht von Bedeutung sein werde. Darüber hinaus ist das Unvermögen zur
konkreteren Angabe des Aufenthaltsortes nicht nachvollziehbar, weil sich die Zeugen
an das Randgeschehen detailreich und mit fast identischem Wortlaut zu erinnern
vermochten. So konnten die Zeugen die Uhrzeit des gemeinsamen Fahrtantritts und die
Dauer der Fahrt angeben sowie den Umstand, dass es der Zeuge U B gewesen sei, der
zuerst gesehen habe, dass das Fahrzeug nicht mehr an seinem Abstellort gestanden
und darauf hin sofort den Zeugen P B informiert habe. Ebenso konnten sie
übereinstimmend angeben, dass sie zunächst an dem türkischen Café vorbeigefahren
seien, um sich zu vergewissern, dass der dort aufhältige Vater, der Kläger, nicht mit dem
BMW gefahren sei, und sich anschließend – nach Überprüfung, dass zu Hause
niemand gewesen sei - sofort zur Polizei begaben. Der Senat vermag nicht
nachzuvollziehen, dass Details zum Abstellen des Fahrzeugs und das Geschehen nach
Entdeckung des behaupteten Diebstahls noch vollständig erinnert, zu dem dazwischen
liegenden Zeitraum aber überhaupt keine konkreten Angaben gemacht werden können.
Im übrigen weist auch das geschilderte Randgeschehen Unschlüssigkeiten auf. So ist
der von den Zeugen benannte Zweck für die Vorbeifahrt an dem türkischen Café nicht
verständlich. Denn nach der Aussage des Zeugen U B hat der Kläger das Fahrzeug
kaum, nach Aussage des Zeugen P B überhaupt nicht benutzt; jedenfalls aber dürfte
auszuschließen gewesen sein, dass der Kläger den BMW Alpina benutzt hatte, um in
das 200 m von seiner Wohnung entfernt gelegene Café zu fahren. Es entsteht daher der
Eindruck, dass dieser Sachverhalt nur geschildert wurde, um den Vortrag des Klägers,
er habe sich zur Tatzeit in einem Café aufgehalten, zu bestätigen. Eine solche
Bestätigung mag den Zeugen sinnvoll erschienen sein, da der Kläger für seinen
Aufenthalt im Café keine weiteren Zeugen benannt hat. Gewichtige Bedenken gegen
die Zuverlässigkeit der Zeugen ergeben sich des weiteren aus dem Umstand, dass die
Zeugen den auf den 28.09.2006 datierten Fragebogen der Beklagten nicht
wahrheitsgemäß ausgefüllt haben. Nach Aussage des Zeugen P B hat sein Bruder, der
Zeuge U B, den Fragebogen in seinem Beisein ausgefüllt und die Frage: "Wo befanden
Sie bzw. der Benutzer sich zur Diebstahlszeit ?" auf sich bezogen. Abgesehen davon,
dass diese Aussage nicht mit den Angaben des Klägers übereinstimmt, der vorgetragen
hat, er habe die Frage auf sich bezogen, mag zwar die Antwort "unterwegs" pauschal
richtig sein; die Antwort, dass es dafür keine Zeugen gebe, ist jedoch falsch. Denn die
Richtigkeit der Zeugenaussagen unterstellt, hätte der Zeuge P B für das
"Unterwegssein" seines Bruders als Zeuge benannt werden müssen. Ebenfalls falsch
beantwortet wurde die Frage nach Zeugen für das Abstellen des Fahrzeugs. Während
diese im Fragebogen verneint wurde, hat der Zeuge P B bekundet, er habe das
Fahrzeug auf dem öffentlichen Parkplatz stehen sehen, als er seinen Bruder gegen
15.00 Uhr abgeholt habe. Bedenken ergeben sich auch im Hinblick auf die
Beantwortung der Frage, von wem der Diebstahl bemerkt wurde. An der Benennung
allein des Zeugen U B ist zwar richtig, dass diesem nach Angaben der Zeugen zuerst
die behauptete Entwendung aufgefallen sein soll; da aber der Zeuge P B dabei
gewesen und unmittelbar anschließend auch den Diebstahl festgestellt haben will, liegt
es auf der Hand, dass zur vollständigen Beantwortung des Fragebogens auch die
Benennung des Zeugen P B gehört hätte. Entgegen der Ansicht des Klägers steht die
nicht ordnungsgemäße Belehrung der Berücksichtigung der Obliegenheitsverletzungen
im Rahmen der Prüfung des Nachweises des Versicherungsfalls nicht entgegen. Denn
bei dieser Beurteilung kommt es auf die ordnungsgemäße Belehrung wegen der Folgen
der Obliegenheitsverletzung nicht an.
Des weiteren spricht im Rahmen der Gesamtschau der Vortrag zur Erstellung des
Wertgutachtens vom 24.03.2006 gegen die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen. Beide
Zeugen haben bekundet, dass sie nicht beabsichtigten, das Fahrzeug zu verkaufen, so
dass eine Feststellung des Wertes des Fahrzeugs zu diesem Zeitpunkt weder
notwendig noch sinnvoll erscheint. Soweit die Zeugen angegeben haben, dass sie das
Wertgutachten allein aus persönlichem Interesse in Auftrag gegeben hätten, ist dies
angesichts der eigenen Sachkunde – beide Zeugen befassten sich nach eigener
Aussage mit dem Kfz-Handel - und der Kosten eines solchen Gutachtens, aber auch der
Wertveränderung in Folge der Nutzung nicht plausibel.
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Schließlich können auch die Bekundungen zum Fahrzeugkauf nicht überzeugen. So
konnte sich der Zeuge U B zwar noch an den Kaufpreis des BMW Alpina und an die
Inzahlungsgabe eines alten Fahrzeugs, aber nicht mehr an den tatsächlich zu
entrichtenden Restbetrag erinnern. Dies ist angesichts des Umstandes, dass es sich für
den Zeugen um den Kauf eines für ihn besonderen Fahrzeugs handelte, wenig
nachvollziehbar; überhaupt nicht plausibel ist die Aussage des Zeugen P B, der sich
trotz hälftiger Kaufpreisbeteiligung weder an den Kaufpreis, die Art der Bezahlung, die
ungefähre Höhe seiner Beteiligung noch an die Inzahlungsgabe eines alten Fahrzeugs
erinnern konnte.
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Nach allem geben die aufgezeigten Umstände dem Senat erheblichen Anlass, an der
Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen U und P B zu zweifeln. Hat damit der Kläger
bereits das äußere Bild eines Diebstahls nicht bewiesen, kam es nicht mehr darauf an,
ob die Beklagte Tatsachen dargelegt und bewiesen hat, die eine Vortäuschung des
Versicherungsfalles mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe legen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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Das in den Schriftsätzen des Klägers vom 30.05.2008 und der Beklagten vom
21.05.2008 enthaltene nicht nachgelassene Vorbringen – die Parteien hatten lediglich
Gelegenheit erhalten, zu dem Vergleichsvorschlag des Senats Stellung zu nehmen –
enthält weder Tatsachenvortrag noch neue rechtliche Gesichtspunkte, die über den
Sach- und Streitstoff bei Schluss der mündlichen Verhandlung hinausgingen und gibt
deshalb auch keinen Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
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Ein Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die
Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des
Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: bis zum 30.05.2008: 24.943,37 €
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ab dem 31.05.2008: 21.600,00 €
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