Urteil des OLG Köln vom 15.07.1996

OLG Köln (treu und glauben, antragsteller, betriebskosten, miteigentümer, eigentümer, entwässerung, beschwerde, ausdrücklich, zweifel, wasser)

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 100/96
Datum:
15.07.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 100/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 90/95
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den
Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28. März 1996 -
29 T 90/95 - wird zurückgewiesen. Die gerichtlichen Kosten der
sofortigen weiteren Beschwerde trägt der Antragsteller.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e :
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Die zulässige sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers (§§ 43 Abs. 1, 45 Abs. 1
WEG i.V.m. §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG) hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht ist in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht ohne Rechtsfehler zu dem
Ergebnis gelangt, daß die Anfechtung der von der Eigentümerversammlung am
10.05.1994 zu Top 4.1, zu Top 4.2 und zu Top 5 gefaßten Beschlüsse unbegründet ist.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers entsprechen die von der
Eigentümergemeinschaft beschlossene Abrechnung für 1993 und der Wirtschaftsplan
1994 der insoweit maßgeblichen Regelung in § 12 der Teilungserklärung.
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Die Auslegung der Teilungserklärung durch die Vorinstanzen begegnet keinen
Bedenken. Die Teilungserklärung ist nach Wortlaut und Sinn so auszulegen, wie sie
sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung
ergibt (vgl. BayObLGE 1983, 73, 78 f., vgl. auch die weiteren Nachweise bei
Weitnauer/Lüke, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Aufl., § 10, Nr. 44). Hierbei kommt es
darauf an, was der gegenwärtige und zukünftige Betrachter als objektiven Sinn der
Erklärung ansehen muß.
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In § 12 Ziff. 1 ist als Grundsatz zunächst geregelt, daß die Wohnungseigentümer alle
Betriebskosten gemeinsam zu tragen haben. Eine abweichende Verteilung ist nur in
dem ausdrücklich als "Ausnahme" bezeichneten Fall vorgesehen, daß es sich hier um
Kosten handelt, die sich ohne Zweifel einzelnen Miteigentümern zurechnen lassen. Im
Anschluß hieran werden ausdrücklich genannt außergewöhnliche Reparaturen, die auf
Beschädigungen oder unsachgemäße Behandlung zurückzuführen sind oder Kosten für
die Beseitigung von Verstopfungen und ähnliches. Das Amtsgericht hat dabei zu Recht
darauf hingewiesen, daß die genannten Fälle eine Zurechnung auf den einzelnen
Eigentümer deshalb rechtfertigen, weil sie von ihm - ggf. durch ein objektives
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Fehlverhalten - gesondert verursacht worden sind. Wenn auch durch die Aufführung
dieser Beispiele eine abschließende Regelung nicht vorgenommen worden ist, so
verdeutlichen diese beispielhaft aufgeführten Fälle jedoch, daß mit der
Ausnahmeregelung Fälle gemeint sind, in denen aufgrund besonderer Umstände einem
einzelnen Miteigentümer Kosten besonders zugerechnet werden können. Zweck der
Regelung ist ersichtlich, daß besonders auf einzelne Eigentümer entfallende
zusätzliche Kosten diesem auch gesondert zugerechnet werden sollen mit dem
weiteren Zweck, die Gemeinschaft mit diesen - einer Einzelperson zuzurechnenden
Kosten - nicht zu belasten.
Dabei erstreckt sich die Regelung - wie der Antragsteller insoweit zu Recht geltend
macht - nicht nur auf die beispielhaft aufgeführten Reparaturkosten, sondern auf
sämtliche Betriebskosten, wie sie in § 12 Ziff. 1 genannt sind. Wie sich aus dem Kontext
mit den erwähnten Beispielen ergibt, muß es sich jedoch immer um einzelne Kosten
handeln, die sich zweifellos einem Miteigentümer zurechnen lassen und die diesen
zusätzlich belasten. Die Regelung enthält demgegenüber keine generelle Änderung
des Verteilungsschlüssels für die Betriebskosten dergestalt, daß ein einzelner
Miteigentümer dann von Kosten entlastet werden soll, wenn ihm aus bestimmten
Einrichtungen oder Aufwendungen der Gemeinschaft kein unmittelbarer Vorteil
erwächst. Allerdings soll es für den Fall, daß die laufenden Betriebskosten den
einzelnen Wohnungseigentümern unmittelbar von den Behörden in Rechnung gestellt
werden, hiermit nach § 12 1. b sein Bewenden haben. Eine darüber hinausgehende,
weitere Einschränkung der Regelung, wonach die Wohnungseigentümer alle
Betriebskosten gemeinsam zu tragen haben, ergibt sich aus der erwähnten
Ausnahmeregelung nicht. Gerade auch im Hinblick auf die Größe der
Eigentümergemeinschaft, die unterschiedliche Nutzung der Objekte zu Wohn- und
Gewerbezwecken, die unterschiedliche Höhe der Gebäude und damit insbesondere
auch der auf die einzelnen Häusern entfallenden Aufzugskosten kann nicht davon
ausgegangen werden, daß für alle Betriebskosten gesondert geprüft und festgestellt
werden soll, ob und inwieweit sie sich Eigentümergruppen, z.B. den Eigentümern
bestimmter Häuser, zurechnen lassen und ob einzelne Eigentümer, etwa weil sie von
bestimmten Einrichtungen konkret keinen Gebrauch machen, von der Zurechnung
auszuschließen sind.
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Hiernach sind die von der Eigentümergemeinschaft gefaßten Beschlüsse nicht zu
beanstanden.
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Die Beschlüsse sind auch nicht deswegen fehlerhaft, weil dem Antragsteller das
Kaltwasser und die Entwässerung entsprechend seinem Miteigentumsanteil
zugerechnet worden sind. Dies gilt ungeachtet dessen, daß das vom Antragsteller
entnommene Gewerbewasser aufgrund des installierten besonderen Zählers ihm ohne
Zweifel zugerechnet werden könnte. Hieraus kann indessen nicht abgeleitet werden,
daß die Miteigentümergemeinschaft ihn nicht mit den Positionen Kaltwasser und
Entwässerung belasten dürfte. Zu der Belastung mit den Kosten für die "Entwässerung"
hat das Amtsgericht bereits zu Recht darauf hingewiesen, daß hierbei zwischen
Schmutzwasser und Regenwasser differenziert werden muß. Nur das Schmutzwasser
wird nach dem Frischwasserverbrauch berechnet; das Regenwasser nach der
anzusetzenden Gesamtfläche des Objekts. Für die letztere Position scheidet aber eine
gesonderte Zurechnung auf den einzelnen Miteigentümer aus. Auch in Bezug auf das
Kaltwasser, das für die Position Entwässerung mitbestimmend ist, kann entgegen der
Auffassung des Antragstellers nicht davon ausgegangen werden, daß ihm der über den
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Gewerbewasserverbrauch hinausgehende Frischwasserverbrauch nicht zugerechnet
werden könnte. Aus der von ihm vorgelegten Erläuterung der Hausverwaltung vom 12.
April 1994 für die Abrechnung 1993 ergibt sich, daß durchaus auch "Frischwasser für
sommerliches Gießen" und "Wasseraustausch in der Brunnenanlage" mit abgerechnet
worden ist. Der Antragsteller ist auch bereits von der Verwalterin im Schreiben vom 5.
März 1991 darauf hingewiesen worden, daß auch für die Gemeinschaft Wasser
verbraucht wird, nämlich "für das Bewässern der Außenanlagen im Sommer,
Verlustwasser der Heizanlage, Wasser für Reinigungsaufgaben,
Waschmaschinenräume in vier Gebäuden". Selbst wenn daher eine gesonderte
Zurechnung des "Gewerbewassers" auf den Antragsteller in Betracht käme, würde
diese im Ergebnis jedoch nicht dazu führen, daß er von der Position "Kaltwasser" im
übrigen freigestellt werden könnte.
Auch hinsichtlich der übrigen Positionen sind die Hausgeldabrechnungen für 1993 und
der Wirtschaftsplan für 1994 nicht unrichtig. Insoweit kann der Antragsteller sich nicht
darauf berufen, von diesen Einrichtungen keinen Nutzen zu haben. Ein allgemeiner
Grundsatz, wonach Wohnungseigentümer Kosten für solche Einrichtungen nicht
mitzutragen haben, besteht nicht (BGHZ 92, 18, 23). Grundsätzlich könnten zwar von
den Eigentümern abweichende Regelungen getroffen werden, wonach etwa nur die
Eigentümer der beteiligten Häuser die Kosten der jeweiligen Aufzüge zu tragen haben;
eine solche Regelung kann jedoch - wie bereits dargelegt - der Ausnahmeregelung in §
12 Ziff. 1 nicht entnommen werden. Hiernach hat der Antragsteller die Kosten für die
Aufzüge ungeachtet dessen mitzutragen, daß das in seinem Sondereigentum stehende
Objekt mit einem Aufzug nicht ausgestattet ist. Gleiches gilt für die Wasch- und
Trockenräume sowie für den Antennenanschluß, wobei die Verwalterin darauf
hingewiesen hat, daß er durchaus die Räumlichkeiten nutzen bzw. einen
Antennenanschluß für sein Sondereigentum verlangen kann. Hinsichtlich des Mülls ist
der Antragsteller nicht gehindert, soweit bei ihm ebenfalls Hausmüll anfällt, die
Einrichtungen der Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen.
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Dahinstehen kann, ob der Verteilungsschlüssel, wie er sich aus der Teilungserklärung
ergibt, grob unbillig ist und den Antragsteller hierdurch benachteiligt. Es ist zwar
anerkannt, daß ein Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung bestehen kann,
wenn außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an ihr als grob unbillig und damit als
gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen (vgl. BGH NJW 1995, Seite
2791, 2793; OLG Düsseldorf, NJW 1985, Seite 2837, 2838; KG, NJW-RR 1992, Seite
1433, 1434). Auch wenn ein solcher Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung
besteht, wird diese erst mit der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung vollzogen
(BGH a.a.O.). Erst danach ist die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels den
Eigentümerbeschlüssen zugrundezulegen. Vorher kann ein etwaiger Anspruch auf
Änderung des Kostenschlüssels gegenüber bereits ergangenen
Eigentümerbeschlüssen auch nicht einredeweise geltend gemacht werden (BGH,
a.a.O., Seite 2793; KG, a.a.O., Seite 1434).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG.
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Für eine Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht kein Anlaß.
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Wert der weiteren Beschwerde: 10.000,00 DM
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