Urteil des OLG Köln vom 06.02.2009

OLG Köln: sucht, unterscheidungskraft, gestaltung, verkehr, postkarte, werbung, kennzeichnungskraft, fernsehsendung, logo, verwechslungsgefahr

Oberlandesgericht Köln, 6 U 147/08
Datum:
06.02.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 147/08
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 253/07
Normen:
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 5 und 6; GG Art. 5 Abs. 1 S. 1
Tenor:
1.) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln
vom 20.6.2008 - 81 O 253/07 - wird zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die
Vollstreckung des Unterlassungs- und Auskunftsausspruchs durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 € abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die
Vollstreckung im Übrigen kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4.) Die Revision wird nicht zugelassen.
G R Ü N D E :
1
I.
2
Die Klägerin ist Inhaberin der Wortmarke "Deutschland sucht den Superstar" (Nr. xxx1)
und zweier Wort-/Bildmarken mit diesem Wortbestandteil, die jeweils bis spätestens
Oktober 2003 auch für den Warenbereich Möbel eingetragen worden sind (Nr. xxx2 und
xxx3) wie nachfolgend in schwarz-weißer Abbildung wiedergegeben:
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pp.
4
Am 6.3.2008 (Nr. xxx4) und am 15.9.2008 (Nr. xxx5) sind für die Klägerin zudem zwei
weitere Wort-/Bildmarken mit dem gleichen Textbestandteil, auch für den Warenbereich
Möbel, eingetragen worden. Außerdem ist sie Inhaberin der Wortmarke "Deutschland
sucht den Superstar Junior" (Nr. xxx6) und von zwei Wort-/Bildmarken mit dem
Wortbestandteil "Superstar weltweit" (Nr. xxx7 und xxx8).
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Die Beklagte, die bundesweit Möbel- und Einrichtungshäuser betreibt, veranstaltete im
August 2007 unter Verwendung des in der konkreten Verletzungsform dargestellten
Logos mit dem Slogan "S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer" ein
Gewinnspiel, das sie im Internet und wie nachfolgend in schwarz-weißer Abbildung
wiedergegeben in Werbeprospekten bewarb (Einsendeschluss 19.8.2007):
6
pp.
7
Die Klägerin mahnte die Beklagte deswegen ab und erwirkte am 17.8.2007 gegen die
Beklagte eine einstweilige Unterlassungsverfügung. In der Folgezeit veranstaltete die
Beklagte ein vergleichbares Gewinnspiel mit einem veränderten Logo unter dem Slogan
"S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer" (Einsendeschluss 9.9.2007) wie
nachfolgend in schwarz-weißer Abbildung wiedergegeben:
8
pp.
9
Im Übrigen wird wegen des Sachverhalts gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, das Logo "S sucht
Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer" in der konkreten Verletzungsform zur
Bewerbung von Möbeln und Wohnbedarf zu benutzen oder benutzen zu lassen und der
Klägerin unter Vorlage eines detaillierten Verzeichnisses Auskunft über die bisherige
Werbung mit diesem und dem in einer konkreten Verletzungsform wiedergegebenen
Logo "S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer" zu erteilen; außerdem hat das
Landgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den durch die
Werbung unter dem Slogan "S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer"
entstandenen oder zukünftig entstehenden Schaden zu ersetzen.
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Mit der Berufung, mit der die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen will, macht sie
geltend, eine Verletzungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG liege nicht vor,
insbesondere habe die Klägerin die angegriffenen Zeichen nicht markenmäßig benutzt.
Für einen Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG habe die Klägerin nicht zur
Bekanntheit ihrer Marken hinreichend vorgetragen; zudem sei die Werbung durch die
verfassungsrechtlich garantierte Kunstfreiheit gedeckt, hinter die der Schutz der Marken
der Klägerin zurücktreten müsse. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
12
II.
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Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend der Klägerin
einen Anspruch auf Unterlassung und Auskunft wegen der Verwendung der Logos "S
sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer" und "S sucht Deutschlands
hässlichstes Wohnzimmer" zuerkannt sowie die Schadensersatzpflicht der Beklagten
dem Grunde nach festgestellt.
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1. Allerdings hat die Beklagte nicht § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zuwidergehandelt.
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a) Es ist bereits fraglich, ob die Beklagte die angegriffenen Zeichen markenmäßig
verwendet hat. Eine markenmäßige Verwendung im Sinne dieser Bestimmung setzt
voraus, dass die angegriffene Bezeichnung oder Gestaltungsform im Rahmen des
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Produktabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren eines Unternehmens
von denen anderer Unternehmen dient (BGH GRUR 2008, 793 Rz. 15 – Rillenkoffer).
Daran dürfte es fehlen. Die angegriffenen Logos werden ausschließlich zur Bewerbung
eines Gewinnspiels verwendet, das selbst keine Ware oder Dienstleistung der
Beklagten darstellt. Durch die Verwendung ihres, ebenfalls markenmäßig geschützten
Unternehmenskennzeichens stellt sich die Beklagte dem Verkehr als Veranstalterin des
Gewinnspiels vor. Insoweit greift die Klägerin das angegriffene Zeichen nicht an. Dass
der Verkehr dem angegriffenen Zeichen im Übrigen einen Herkunftshinweis hinsichtlich
der beworbenen Waren entnehmen könnte, erscheint fernliegend. Denn es ist ganz
ungebräuchlich, dass durch die Verwendung des Zeichens eines Dritten im Rahmen
eines Gewinnspiels auf die Herkunft von Waren oder Dienstleistungen außerhalb
dieses Gewinnspiels hingewiesen wird. So wäre es ganz abwegig anzunehmen, von
der Beklagten angebotene Ware stamme von dem Fußballverein "G T", weil die
Beklagte dessen Zeichen in ihrem Internetauftritt verwendet hat.
b) Jedenfalls fehlt es an der Verwechslungsgefahr.
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Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht
eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere
der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren
oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein
geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren
Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der
älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt. Bei dieser umfassenden
Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen
Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und
dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (ständ. Rspr. vgl. BGH GRUR 2008,
1002 Rz. 28 - Schuhpark).
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Die Kennzeichnungskraft der Klagemarken, die den Textbestandteil "Deutschland sucht
den Superstar" enthalten, ist bei der Verwendung für ein Fernsehprogramm hoch. Ob
sich das Warenangebot der Beklagten hiervon so sehr unterscheidet, dass es an der
von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorausgesetzten Ähnlichkeit der Waren oder
Dienstleistungen vollständig fehlt, kann aus den im Folgenden dargelegten Gründen
offenbleiben.
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Soweit die Klägerin unter Verwendung dieser Marken Bettwäsche vertrieben hat, ist die
Kennzeichnungskraft geringer, mag allerdings immer noch gesteigert sein. Insoweit
bestehen Ähnlichkeiten zu den von der Beklagten mit dem Gewinnspiel beworbenen
Möbeln für ein Jugendzimmer, weil Bettwäsche häufig gemeinsam mit Bettmöbeln
angeboten wird. Diese Ähnlichkeit kann als durchschnittlich bewertet werden.
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Soweit die Klägerin die "Deutschland sucht den Superstar" enthaltenden Marken auch
für den Warenbereich Möbel hat eintragen lassen, kann sie hieraus mangels Benutzung
gemäß § 25 Abs. 1 MarkenG Rechte nicht mehr herleiten. Auf die für diese
Warengruppe eingetragenen neuen Marken kann sich die Klägerin nicht stützen, weil
die Beklagte die angegriffenen Zeichen nach der Eintragung dieser Marken nicht mehr
verwendet hat.
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Die Klagemarken mit dem Textbestandteil "Superstar weltweit", die auch für Möbel
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eingetragen sind und hinsichtlich derer die Benutzungsfrist zum Zeitpunkt der
Berufungsverhandlung noch nicht abgelaufen war, verfügen nur über eine
durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
Der Abstand der angegriffenen Zeichen zu den den Titel der Fernsehsendungen der
Klägerin enthaltenden Klagemarken ist hoch. Das von der Beklagten verwendete
Zeichen ist lediglich geeignet, Assoziationen zu den Marken der Klägerin hervorzurufen.
Es unterscheidet sich aber von den Klagemarken derart auffällig, dass die Gefahr einer
Verwechslung ausgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann
insofern nicht vorwiegend auf die graphische Gestaltung abgestellt werden. Diese ist
nicht so ungewöhnlich, dass der Verkehr ohne den Text wahrzunehmen, ein auf diese
Weise beworbenes Produkt der Klägerin zuordnen würde. Vielmehr sind ovale, blaue
Zeichen auf denen in weißer Farbe mit Schreibschrifttypen gestalteter Text abgebildet
ist, Allgemeingut. So könnte eine solche graphische Gestaltung anstatt die Marken der
Klägerin die bekannte Marke des Fahrzeugherstellers "Ford" in Erinnerung rufen. Die
Verbindung zu den Wort-/Bildmarken der Klägerin wird daher maßgeblich durch den
Textbestandteil des angegriffenen Zeichens hergestellt. Dieser greift den Titel der
Fernsehsendung der Klägerin und den Textbestandteil ihrer Marken auf; dies geschieht
jedoch mit einer ironischen Distanz, die den angesprochenen Verkehrskreisen nicht
verborgen bleiben kann. Soweit der angesprochene Verkehr eine gedankliche
Verbindung zu den Klagemarken herstellt, wird ihm daher zugleich deutlich erkennbar
gemacht, dass die angegriffenen Zeichen nicht von der Klägerin stammen.
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Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht demnach bei der gebotenen
normativen Gesamtbetrachtung nicht. Die allenfalls ganz geringe Ähnlichkeit von
Fernsehsendung und Möbeln und der erhebliche Abstand, den die angegriffenen
Zeichen von den Marken der Klägerin halten, werden durch die hohe
Kennzeichnungskraft hinsichtlich der Verwendung der Marken für eine Fernsehsendung
nicht aufgewogen. Soweit die Klagemarken für Bettwäsche verwendet worden sind, ist
zwar die Ähnlichkeit der Waren durchschnittlich, die Kennzeichnungskraft aber weniger
hoch. Auch insofern gilt jedoch vor allem, dass die angegriffenen Zeichen den Abstand
zu den Klagemarken hinreichend deutlich machen. Soweit sich die Klägerin auf die
Marken mit dem Wortbestandteil "Superstar weltweit" stützt, fehlt es diesen an dem
Textbestandteil, auf den die angegriffenen Zeichen Bezug nehmen; erst durch diesen
Bezug wird jedoch – wie dargelegt – erst die notwendige gedankliche Verknüpfung
zwischen den Zeichen hergestellt.
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Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne liegt nicht vor. Eine solche besteht
dann, wenn die Gefahr besteht, dass die maßgeblichen Verkehrskreise trotz Erkennens
von Zeichenunterschieden annehmen können, es bestehe eine organisatorische oder
wirtschaftliche Verbindung zwischen den beteiligten Unternehmen (vgl. BGH GRUR
2002, 171, 175 – Marlboro-Dach). Die nicht zu übersehende ironische Distanz in dem
angegriffenen Zeichen zu den Klagemarken schließt die Annahme eines gemeinsamen
Marktauftritts der Parteien aus.
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2. Die Beklagte hat aber, indem sie mit dem angegriffenen Zeichen geworben hat, die
Wertschätzung der bekannten Marken der Klägerin ungerechtfertigt und in unlauterer
Weise ausgenutzt (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG).
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a) "S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer"
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aa) Die Beklagte hat das angegriffene Zeichen markenmäßig benutzt. Hierfür ist es nicht
erforderlich, dass der Verkehr annimmt, die beworbene Ware stamme von dem
Markeninhaber; ausreichend ist es, dass der Verkehr die Gestaltung des angegriffenen
Zeichens mit den verteidigten Marken gedanklich verknüpft (BGH GRUR 2005, 583, 584
– Lila Postkarte). Die Anforderungen an eine markenmäßige Benutzung sind insoweit in
Nr. 3 des § 14 Abs. 2 MarkenG geringer als in der Bestimmung der Nr. 2 (BGH, wie vor,
S. 584 sub II 1 b aa, letzter Absatz).
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Diese Voraussetzungen sind erfüllt; das angegriffene Zeichen weist unmissverständlich
auf die Marken der Klägerin hin. Bereits der Text "S sucht Deutschlands hässlichstes
Wohnzimmer" weckt Assoziationen zu den Marken der Klägerin. Zwar ist in dem Text
der geschützten Marken der Klägerin "Deutschland" das Subjekt, während in dem Logo
der Beklagten die Länderbezeichnung Attribut des gesuchten Objekts ist. Dies hindert
die Entstehung einer gedanklichen Verknüpfung aber nicht. Dabei ist auch zu
berücksichtigen, dass – wie der Verkehr weiß – auch in der mit den verteidigten Marken
beworbenen Fernsehsendung der Klägerin "Deutschland" nicht handelndes Subjekt ist,
sondern – wie in dem angegriffenen Zeichen – den geographischen Raum bezeichnet,
auf den sich die "Suche" bezieht. Diese Assoziationen werden – wie das Landgericht
insofern zutreffend ausgeführt hat – durch die graphische Gestaltung bestätigt und
verstärkt. Die den Gesamteindruck besonders prägenden Elemente der Wort-
/Bildmarken der Klägerin Nr. xxx2 und xxx3, nämlich die ovale Form, die blaue Farbe
mit hellerem Rand und die Darstellung von Lichteffekten finden sich ebenso in dem
angegriffenen Zeichen. Hinzukommt die Verwendung eines recht schmucklosen,
weißen Schreibschrifttyps, wobei ein Wort besonders groß geschrieben ist. Dahinter
treten im Gesamteindruck die unterschiedlichen Gestaltungsmerkmale, wie die Sterne
am Rand des angegriffenen Zeichens und die Unterstreichung des hervorgehobenen
Wortes in den Klagemarken, deutlich zurück.
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bb) Die Wortmarke der Klägerin "Deutschland sucht den Superstar" sowie ihre Wort-
/Bildmarken mit gleichlautendem Textbestandteil waren zum Zeitpunkt der
Zeichengegenüberstellung bekannt im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Es ist
allgemein geläufig und daher offenkundig im Sinne des § 291 ZPO, dass die
Fernsehsendung und die dort verwendeten Marken der Klägerin Gegenstand intensiver
Berichterstattung nicht nur in dem von der Klägerin betriebenen Fernsehsender,
sondern einem breiten Medienspektrum waren und weiten Teilen der Öffentlichkeit
daher auch dann gegenwärtig waren, wenn diese die fragliche Fernsehsendung nicht
verfolgt haben. Diese allgemeine Bekanntheit zeigt sich auch in den von der Beklagten
auf Seite 4/5 des Schriftsatzes vom 17.12.2008 geschilderten (wenn auch späteren)
Fällen der Anspielung auf die Marken in der Werbung anderer Unternehmen und – in
humorvoller Weise – in einer Nachrichtensendung.
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cc) Unerheblich ist es, ob das angegriffene Zeichen der Beklagten auch zur Bewerbung
von Bettwäsche gedacht und damit für eine Ware genutzt wurde, für die auch die
Klägerin ihre Marke benutzt hat. Denn ein Erfordernis der Unähnlichkeit der Waren
besteht im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht (EuGH GRUR
2004, 58 – Adidas/Fitnessworld; BGH GRUR 2004, 235, 238 – Davidoff II).
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dd) Die Beklagte hat mit der angegriffenen Werbung die Unterscheidungskraft der
bekannten Marken der Klägerin ausgenutzt.
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Hinsichtlich der Gestaltung einer Postkarte hat es der Bundesgerichtshof für die
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Annahme, dass der Verwender des angegriffenen Zeichens das besondere Maß an
Aufmerksamkeit, das mit der Verwendung von bekannten Marken verbunden ist,
ausnutzt, genügen lassen, dass der scherzhafte Charakter der Postkarte nur dadurch
erreicht werden kann, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Anspielung auf die
bekannten Marken erkennen (BGH, GRUR 2005, 583, 584 – Lila Postkarte).
So liegt es auch hier. Das angegriffene Zeichen nimmt auf die bekannten Marken der
Klägerin Bezug. Gerade darin liegt der Witz der Werbeaktion, indem durch die Suche
nach etwas Hässlichem darauf angespielt wird, dass der Publikumserfolg der mit den
Marken der Klägerin beworbenen Fernsehsendung nicht nur darin liegt, einen
"Superstar" zu ermitteln, sondern auch darin, solche Bewerber vorzustellen, die gerade
nicht einen strahlenden Superstar, sondern eher ein hässliches Entlein abgeben.
Dadurch nutzt die Beklagte die besondere Aufmerksamkeit aus, die die Assoziation
einer Bezeichnung mit den bekannten Marken der Klägerin wecken kann.
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ee) Die Ausnutzung der Unterscheidungskraft der bekannten Marken der Klägerin war
unlauter.
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Die Ausnutzung der Unterscheidungskraft der bekannten Marke eines Dritten ist
grundsätzlich unlauter (BGH, GRUR 2005, 583, 584 – Lila Postkarte). Umstände, die die
Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten ausschließen, liegen nicht vor. Insbesondere
wird die Beklagte durch ein Verbot der angegriffenen Werbung nicht in ihren
Grundrechten verletzt.
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(1) Der Werbeslogan "S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer" fällt nach
keinem Verständnis unter den Begriff der Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG;
vielmehr handelt es sich um eine rein werbliche Gestaltung, die eine vertiefte
gedankliche Auseinandersetzung nicht erkennen lässt. Dagegen stellt das angegriffene
Zeichen weder eine freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und
Erlebnisse eines Künstlers zur Anschauung gebracht werden (vgl. BVerfG NJW 2008,
39, 40), dar noch handelt es sich um eine klassische Form künstlerischer Äußerung (vgl.
BVerfG NJW 1985, 261, 262) und schließlich lässt sich dem angegriffenen Zeichen
auch eine eigenständige interpretationsfähige und -bedürftige Aussage (vgl. BVerfG
NJW 1990, 1982, 1983; s. auch BVerfG NJW 1985, 261, 262) nicht entnehmen.
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(2) Auch auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen.
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Es ist bereits zweifelhaft, ob die Bezugnahme auf die Marken der Klägerin in der
angegriffenen Werbung durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt ist.
Zwar erstreckt sich der Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf Wirtschaftswerbung,
Voraussetzung ist aber, dass diese einen wertenden meinungsbildenden Inhalt hat (vgl.
BVerfGE 71, 162, 175 – Arztwerbung; BGH, GRUR 2008, 1124, 1125 – Zerknitterte
Zigarettenschachtel). Meinungen sind durch das Element der Stellungnahme, des
Dafürhaltens, der Beurteilung geprägt (BVerfGE 61, 1, 8). Die Bezugnahme auf die
Marken der Klägerin ist aber nicht geeignet, meinungsbildend zu wirken; eine Wertung,
ein Dafürhalten oder irgendwelche Anhaltspunkte, die darauf schließen ließen, dass die
Beklagte sich durch die Veröffentlichung des angegriffenen Zeichens an einer
öffentlichen Diskussion beteiligten wollte, sind nicht ersichtlich.
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Selbst wenn man den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG für betroffen erachtet, fehlt es
jedenfalls daran, dass das Verbot des angegriffenen Zeichens das Recht auf freie
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Meinungsäußerung verletzt. Bei der Abwägung mit den eigentumsrechtlich (Art. 14 GG)
geschützten Markenrechten der Klägerin muss das Recht der Beklagten aus Art. 5 Abs.
1 Satz 1 GG zurückstehen. Bei dieser Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das
angegriffene Zeichen wenn nicht ausschließlich, so doch jedenfalls ganz überwiegend
kommerziellen Interessen dient. Soweit man darin eine Meinungsäußerung erkennen
will, so würde diese gänzlich hinter den von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht geschützten
Zweck, Aufmerksamkeit für die beworbenen Waren zu wecken, zurücktreten. Dagegen
ist das auch europarechtlich geschützte Interesse der Klägerin, dass die
Unterscheidungskraft ihrer Marken nicht von Dritten ausgenutzt wird, abzuwägen.
Dieser Schutz liefe leer, wenn eine Bezugnahme auf diese Marken durch Art. 5 Abs. 1
Satz 1 GG auch dann durchgreifend geschützt würde, wenn der Verwender des
angegriffenen Zeichens ganz überwiegend kommerzielle Interessen, nämlich die
Förderung des eigenen Absatzes, verfolgt.
Dass die Abwägung hier zu einem anderen Ergebnis als in "Lila Postkarte" (BGH
GRUR 2005, 583) führt, ist zum einen dadurch begründet, dass dort die Freiheit der
Kunst in Rede stand, deren Grenzen anders als bei der Meinungsfreiheit nur von der
Verfassung selbst zu bestimmen sind (BVerfG NJW 1971, 1645, 1646). Zum anderen
beschränkte sich das kommerzielle Interesse in "Lila Postkarte" darauf, das Kunstwerk
selbst zu verkaufen, wie dies bei jedem Kunstwerk, das ein Berufskünstler erstellt hat,
der Fall ist; hier dagegen hat das angegriffene Zeichen keine eigenständige Bedeutung
als Meinungsäußerung, sondern eine gegenüber den kommerziellen Interessen der
Beklagten rein dienende Funktion.
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ff) Weitere Voraussetzungen des Anspruchs der Klägerin bestehen nicht. Insbesondere
ergibt sich – entgegen der Auffassung der Beklagten – aus dem Urteil des Europäischen
Gerichtshofs vom 27.11.2008 (GRUR 2009, 56) nicht, dass die Klägerin Gesichtspunkte
hätte darlegen müssen, aus denen auf die ernsthafte Gefahr einen künftigen
Beeinträchtigung der Marken der Klägerin geschlossen werden kann. Die von der
Beklagten angeführten Stellen aus dem genannten Urteil des Europäischen
Gerichtshofs befassen sich mit der Tatbestandsvariante der Beeinträchtigung der
Wertschätzung oder Unterscheidungskraft einer Marke. Hiervon ist die hier relevante
Fallgruppe des Ausnutzens der Unterscheidungskraft zu unterscheiden (vgl. Rz. 27). Es
wäre verfehlt, auch hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "Ausnutzen" der
Unterscheidungskraft die Darlegung einer "Beeinträchtigung" der Unterscheidungskraft
zu fordern. Daher lässt sich aus dem genannten Urteil allenfalls schließen, dass auch
das Ausnutzen der Unterscheidungskraft durch konkrete Tatsachen belegt sein muss.
Dies ist hier aber, wie dargelegt, der Fall.
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gg) Wegen der Verletzung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG stehen der Klägerin gegen
die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5 MarkenG
und – da nichts für ein fehlendes Verschulden ersichtlich ist – ein Anspruch auf
Schadensersatz aus § 14 Abs. 6 MarkenG sowie gemäß § 242 BGB ein Anspruch auf
Erteilung der zur Berechnung dieses Schadensersatzes erforderlichen Auskünfte zu.
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b) "S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer"
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Auch durch die Verwendung des abgewandelten Logos mit dem Textbestandteil "S
sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer" hat die Beklagte gegen § 14 Abs. 2
Nr. 3 MarkenG verstoßen, indem sie die Unterscheidungskraft der bekannten Marken
der Klägerin ausgenutzt hat.
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Wie bereits ausgeführt, weckt bereits der Textbestandteil des angegriffenen Zeichens
Assoziationen zu den bekannten Marken der Klägerin. Diese Assoziationen werden hier
zwar durch die graphische Gestaltung allein nicht in gleicher Weise wie bei der
Gestaltung des Logos "S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer" verstärkt,
weil sich das Logo "S sucht Deutschlands hässlichstes Wohnzimmer" hinsichtlich
weiterer wesentlicher Gestaltungsmerkmale von der Gestaltung der Wort-/Bildmarken
Nr. Nr. xxx2 und xxx3 der Klägerin unterscheidet, so dass an Gemeinsamkeiten lediglich
die weiße Schrift auf blauem, mit Lichteffekten gestaltetem Hintergrund verbleiben. Die
erforderliche gedankliche Verknüpfung wird aber jedenfalls durch den engen zeitlichen
Zusammenhang mit dem vorangegangen Gewinnspiel "S sucht Deutschlands
hässlichstes Jugendzimmer" von weniger als einem Monat begründet. Aufgrund dieses
Zusammenhangs musste dem Verkehr, der regelmäßig mit den Werbeprospekten der
Beklagten bedient wird, das abgeänderte Logo als Fortsetzung der Werbekampagne
erscheinen. Die von "S sucht Deutschlands hässlichstes Jugendzimmer"
hervorgerufene Erinnerung an die verteidigten Marken wurde durch diese Fortsetzung
aufgefrischt, so dass sich dem Verkehr die gedankliche Verknüpfung mit den
Klagemarken, die auch hier den Witz des angegriffenen Zeichens ausmacht, auch bei
geringerer graphischer Ähnlichkeit aufdrängte.
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Im Übrigen kann auf die Ausführungen unter a) Bezug genommen werden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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4. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die streitentscheidenden Fragen
sind durch die Entscheidung "Lila Postkarte" (BGH GRUR 2005, 283) hinreichend
geklärt.
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5. Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000 €.
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