Urteil des OLG Köln vom 17.09.1996

OLG Köln: safe, widerstand, raub, gewalt, beweiswürdigung, wand, verfügung, vollstreckbarkeit, aufenthalt, energie

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 9 U 177/95
17.09.1996
Oberlandesgericht Köln
9. Zivilsenat
Urteil
9 U 177/95
Landgericht Köln, 24 0 71/94
Die Berufung der Beklagten gegen das am 1. Juni 1995 verkündete Urteil
der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 71/94 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache selbst keinen Erfolg.
Das Landgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben. Der Senat folgt im Hinblick auf den
Nachweis des Versi-cherungsfalles und der vom Landgericht verneinten Frage einer grob
fahrlässigen Herbeiführung des Versiche-rungsfalles gem. § 61 VVG auch der Begründung
des ange-fochtenen Urteils und schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen in vollem
Umfang an (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Die von der Beklagten mit der Berufung gegen das ange-fochtene Urteil vorgebrachten
Einwände geben keinen An-laß, die Entscheidung abzuändern.
Die erstmals im zweiten Rechtszug seitens der Beklagten bestrittenen Voraussetzungen
einer Außenversicherung im Sinne von § 12 VHB 84 liegen im Streitfall vor. Gemäß Abs. 1
dieser Bestimmung sind versicherte Sachen auch versichert, solange sie sich
vorübergehend außerhalb der Wohnung befinden, wobei Zeiträume von mehr als drei
Monaten nicht als vorübergehend gelten. Maßgeblich ist gerade auch für Schmuck, der
regelmäßig im Banktresor aufbewahrt und nur zum Tragen herausgenommen wird, ob der
jeweilige Aufbewahrungszeitraum im Banksafe die Zeitgrenze von drei Monaten
überschreitet, nicht dagegen die Häufigkeit der Entnahme des Schmuckes aus dem
Banktresor (so zutreffend Martin, Sachversiche-rungsrecht, 3. Aufl., G V Rn. 41; a.A. noch
die Vorauf-lage, G V Rn. 37). Nach der Aussage der vor dem Senat erneut vernommenen
Zeugin J., der Mutter des Klägers, waren die beiden hier in Rede stehenden
Schmuckstücke zunächst in einem privaten Safe im Keller des Hauses aufbewahrt, ehe sie
Ende Oktober 1992 von dort in einen Banksafe verbracht worden sind. Aus diesem Safe
sind sie dann nach den weiteren Bekundungen der Zeugin am Tag des Raubüberfalles, am
10. Dezember 1992, herausge-nommen worden, um sie im Juweliergeschäft des Zeugen
B. aufarbeiten zu lassen. Es bestehen für den Senat keine durchgreifenden Anhaltspunkte,
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daß diese Angaben der Zeugin unwahr sind. Aus der zu den Akten gereichten
Besucherkartei der Bank geht hervor, daß die Zeugin am 30. Oktober 1992 und am 10.
Dezember 1992 die Bank-schließfächer aufgesucht hat. Auch die Erläuterung, die die
Zeugin für die Verlagerung der Schmuckstücke des Klägers Ende Oktober 1992 vom
privaten Haussafe in das Bankschließfach gegeben hat, wonach damals ein wertvol-ler
Ring in den Haussafe verbracht worden sei und man in diesem Safe aus
Sicherheitsgründen nicht zu viel Schmuck haben wollte, kann nicht als unglaubhaft, weil
nicht plausibel, angesehen werden. Es ist auch nicht erkennbar, daß sich die Zeugin
aufgrund ihrer verwandt-schaftlichen Beziehung zum Kläger zu einer Falschaussa-ge hatte
verleiten lassen. Auch vom persönlichen Ein-druck her bestehen hinsichtlich ihrer
Glaubwürdigkeit keine durchgreifenden Bedenken.
Ist somit bewiesen, daß sich die beiden Schmuckstücke des Klägers lediglich in der Zeit
vom 30. Oktober 1992 bis 10. Dezember 1992 im Banksafe befunden hatten, war der nach
§ 12 Abs. 1 VHB 84 für längstens drei Monate bestehende Außenversicherungsschutz im
Zeitpunkt des Versicherungsfalles noch nicht erloschen.
Auch die von der Beklagten gegen den vom Landgericht angenommenen Raubtatbestand
vorgebrachten Einwände sind nach Meinung des Senats nicht begründet. Zwar liegt in dem
überraschenden Entreißen einer Tasche, die nicht fester als zum Ausgleich der
Schwerkraft nötig gehalten wird, im allgemeinen keine Wegnahme unter Anwendung von
Gewalt, wie es der Raubtatbestand gem. § 5 Abs. 2 a VHB 84 erfordert (vgl. dazu
Prölss/Martin, VVG, 25. Aufl., Anm. 4 Ba zu der im wesentlichen gleichlautenden
Bestimmung des § 1 Abs. 3 a AERB = S. 895); und der Kläger hatte nach seinen Angaben
bei der Polizei die Tragetasche mit dem Schmuck auch nicht "verkrampft", sondern "ganz
normal" festgehalten (Bl. 12 d. A.); andererseits hatte der Täter jedoch dem Kläger vor dem
Entreißen der Tasche einen Schlag auf den rechten Ober-arm versetzt, der ersichtlich dazu
diente, einen mögli-chen Widerstand beim Wegreißen der Tasche zu beseiti-gen. Damit ist
aber das Merkmal der "Gewalt" im Sinne des Raubtatbestandes erfüllt, das die Anwendung
kör-perlicher oder mechanischer Energie gegen geleisteten oder erwarteten Widerstand
erfordert (Prölss/Martin, a.a.O.).
Soweit die Beklagte die Beweiswürdigung des Landge-richts im Hinblick auf den
Nachweis des Versicherungs-falles beanstandet, vermag der Senat auch diesem Ein-wand
nicht zu folgen. Im Streitfall ist es unerheblich, ob ein Raub allein aufgrund der Angaben
des Klägers schon als hinreichend wahrscheinlich angesehen werden kann, da insoweit in
der Person des Zeugen B. ein un-mittelbarer Tatzeuge zur Verfügung steht.
Schließlich hat das Landgericht entgegen der Auffassung der Beklagten auch eine grob
fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles gem. § 61 VVG zu Recht ver-neint.
Zwar hätte der Kläger möglicherweise einkalku-lieren müssen, daß er, als er vor dem
Juweliergeschäft auf den Zeugen B. wartete, von einem potentiellen Täter beobachtet
worden sein konnte, der aus dem Aufenthalt vor dem Juweliergeschäft und dem
Mitsichführen einer Tragetasche evtl. auf deren Inhalt hätte schließen können. Allerdings ist
dabei auch zu berücksichtigen, daß ein Täter, der den Kläger schon zu diesem Zeitpunkt
beobachtete, vermutlich sofort die Tat ausgeführt hätte und nicht gerade dann, als sich der
Kläger in der Be-gleitung des Zeugen B. befand. Auch fand die Tat nicht zu einer Zeit und
in einer Gegend statt, wo mit Raub-überfällen hätte gerechnet werden können, etwa bei
Dun-kelheit oder in einer Menschenmenge. Ein grob fahrläs-siges Verhalten kann daher
dem Kläger noch nicht vorge-worfen werden.
Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.