Urteil des OLG Köln vom 12.08.1998

OLG Köln (kläger, sicherheit, erlös, verwertung, zahlung, eröffnung, entlastung, höhe, bestand, eigenkapital)

Oberlandesgericht Köln, 11 U 12/98
Datum:
12.08.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 12/98
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 9 O 320/97
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 5. Dezember 1997 verkündete
Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 320/97 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitslei-stung in Höhe von 12.000,00 DM abzuwenden, sofern
nicht die Beklagte vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit
leistet.
Die Sicherheit kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer
deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht
werden.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger hat als Konkursverwalter über das Vermögen der P.-S.D. Möbelmarkt
GmbH &Co. KG in H. den bei der Gemeinschuldnerin vorhandenen Warenbestand
verwertet und aus dem erzielten Erlös am 12.2.1997 126.141,66 DM an die H.
Landesbank (im folgenden: HLB) zur Tilgung eines der Gemeinschuldnerin
gewährten Geschäftskredits abgeführt. Mit der Behauptung, hierdurch sei die
Beklagte von der Haftung aus einer der HLB gegebenen Sicherheit befreit worden,
deren Bestellung oder zumindest deren Aufrechterhaltung einer Eigenkapital
ersetzenden Kreditbeschaffung gleichgekommen sei, fordert er von der Beklagten
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die Rückerstattung eines gleich hohen Betrages zur Konkursmasse.
Wegen der Verhältnisse, aufgrund deren der Kläger die Beklagte als einen einem
Gesellschafter der Gemeinschuldnerin gleichzusetzenden Dritten und das an die
HLB gerichtete unwiderrufliche Kaufangebot der Beklagten vom 11.10.1993 als
Eigenkapital ersetzende Kapitalbeschaffung für die Gemeinschuldnerin ansieht,
wird auf die Darstellung im Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug
genommen, wegen des genauen Inhalts des Kaufangebotes auf die Kopie Bl. 9
d.A..
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Die HLB hat sich im Konkurs der Gemeinschuldnerin auf ihr durch einen
Raumsicherungsvertrag begründetes Sicherungseigentum an dem Warenbestand
der Gemeinschuldnerin berufen. Die Verwertung der Sachen, an denen außerdem
Lieferanten Vorbehaltseigentum und die Vermieterin der Geschäftsräume ein
Vermieterpfandrecht geltend machten, hat sie jedoch aufgrund einer
Verwertungsvereinbarung dem Kläger überlassen. Zur Inanspruchnahme des
Ankaufsangebots der Beklagten durch die HLB ist es infolgedessen nicht
gekommen.
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Nach Auffassung des Klägers hat die Beklagte durch die Erlösauskehrung an die
HLB eine nach §§ 32 a und b GmbHG zu beurteilende Entlastung erfahren und ist
verpflichtet, den Gegenwert zur Konkursmasse zurückzuzahlen. Dieselbe
Verpflichtung soll sich auch nach den zu den §§ 30, 31 GmbHG entwickelten
Rechtsprechungsgrundsätzen ergeben.
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Außerdem hat der Kläger u.a. geltend gemacht, bei der von ihm durchgeführten
Versteigerung habe ein - restlicher - Warenbestand statt eines zu
Einstandspreisen aktivierten Wertes von 534.433,74 DM, zu dem die Beklagte nach
ihrem Kaufangebot diesen Restbestand hätte übernehmen müssen, lediglich
einen Nettoerlös von 157.614,38 DM eingebracht. Den Mindererlös habe die
Beklagte durch die Weigerung, ihrer Ankaufverpflichtung nachzukommen,
verschuldet.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 126.141,66 DM zzgl. 4 % Zinsen seit dem
24.7.1997 zu zahlen.
8
Die Beklagte hat beantragt,
9
1.
die Klage abzuweisen.
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Sie ist dem Vorbringen des Klägers im wesentlichen mit Rechtsausführungen
entgegengetreten.
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Mit Urteil vom 5.12.1997, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das
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Landgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen das ihm am 11.12.1997
zugestellte Urteil am 12.1.1998 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist
nach entsprechender Fristverlängerung am 12.3.1998 eingereicht worden.
Der Kläger wiederholt und ergänzt sein früheres Vorbringen und setzt sich mit der
Rechtsauffassung des Landgerichts, die er für verfehlt hält, auseinander.
13
Er beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an
den Kläger 126.141,66 DM zzgl. 4 % Zinsen seit dem 24.7.1997 zu zahlen,
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dem Kläger nachzulassen, erforderliche Sicherheiten durch
selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder
öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu stellen.
16
Die Beklagte stellt den Antrag,
17
1.
die Berufung zurückzuweisen.
18
Auch sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.
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Wegen aller weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden
Rechtszügen gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst den zugehörigen
Anlagen ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
22
I.
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Mit einer entsprechenden Anwendung des § 32 b GmbHG läßt sich die
Klageforderung schon deswegen nicht begründen, weil die Entlastung der
Beklagten, aus der der Kläger seine Erstattungsforderung ableiten will, durch eine
erst nach der Konkurseröffnung von dem Kläger selbst als Konkursverwalter
vorgenommene Zahlung an die HLB bewirkt worden ist. Leistungen des
Konkursverwalters werden nach überwiegender Meinung, der auch der Senat
folgt, von § 32 b GmbHG nicht erfaßt (vgl. OLG Düsseldorf ZIP 96, 465 m.w.H.). Die
Beschränkung der Anfechtbarkeit im Sinne dieser Vorschrift auf Begünstigungen,
die vor der Eröffnung des Konkursverfahrens eingetreten sind, folgt aus der
Gleichartigkeit der Erstattungsforderung mit sonstigen Forderungen aus einer
Konkursanfechtung. Es wäre ein Widerspruch in sich, Handlungen des
Konkursverwalters der Konkursanfechtung zu unterwerfen.
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Die am 1.1.1999 in Kraft tretende neue Fassung des § 32 b GmbHG gibt keinen
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Anlaß, dies anders zu beurteilen. In der Neufassung wird die für die Anfechtbarkeit
maßgebliche Frist nur in einer Richtung, nämlich rückwärts, erweitert. Sie beginnt
dann nicht mehr erst ein Jahr vor der Verfahrenseröffnung, sondern bereits ein
Jahr vor Stellung des Eröffnungsantrags. Daß auch der Zeitraum zwischen
Antragstellung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfaßt bleibt, versteht sich
von selbst und wird durch die Worte "oder nach diesem Antrag" ausgedrückt, die
sich ebenso in den neuen Anfechtungsregeln der Insolvenzordnung finden.
Vorangestellt ist diesen Anfechtungsregeln in § 129 InsO der Grundsatz, daß (nur)
Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen
worden sind, der Anfechtung unterliegen. Daß dieser Grundsatz ebenso für die
Anfechtung nach § 32 b GmbHG gilt, läßt sich auch aus der Unterwerfung des
Rückzahlungsanspruchs unter die - ebenfalls neue - Verjährungsbestimmung des
§ 146 InsO ableiten: die Berechnung einer Verjährungsfrist ab Eröffnung des
Insolvenzverfahrens setzt das Entstehen des Anspruchs vor diesem Zeitpunkt
voraus.
II.
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Die Klageforderung ist aber auch nicht mit der entsprechenden Anwendung der
zu den §§ 30, 31 GmbHG (a.F.) entwickelten Rechtsprechungsregeln zu
begründen.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte als ein einem Gesellschafter der
Gemeinschuldnerin gleichzusetzender Dritter anzusehen ist und eine von ihr
gestellte Sicherheit für den der Gemeinschuldnerin von der HLB eingeräumten
Kredit als Eigenkapital ersetzende Zuwendung angesehen werden könnte. Auch
wenn dies unterstellt wird, rechtfertigt der vorgetragene Sachverhalt den vom
Kläger geltend gemachten Rückzahlungsanspruch nicht. Denn er erlaubt keine
Feststellungen dazu, ob oder gegebenenfalls in welchem Umfang die Zahlung des
Klägers an die HLB zu einer Haftungsfreistellung der Beklagten geführt hat. Eine
derartige Entlastung ergibt sich nicht aus der Zahlung als solcher und
korrespondiert nicht zwangsläufig mit deren Höhe.
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Mit der Abgabe des unwiderruflichen Kaufangebots vom 11.10.1993 hat die
Beklagte keine direkte Sicherheit für die Kreditforderung der HLB gegen die
Gemeinschuldnerin gestellt. Sie besicherte lediglich die Werthaltigkeit der von der
Gemeinschuldnerin durch Sicherungsübereignung ihres Warenlagers bestellte
Primärsicherheit. Nach den Bedingungen des Kaufangebots geschah das zudem
in einer Weise, die eine Inanspruchnahme der Beklagten ohne gleichzeitige
Inanspruchnahme des Sicherungsgutes ausschloß. Insofern bildete das
Kaufangebot weder eine neben einer Gesellschaftssicherheit bestehende noch
eine nachrangige - einer Ausfallbürgschaft vergleichbare -, aber doch ebenfalls
selbständige sog. Gesellschaftersicherheit. Es war also keineswegs so, daß die
HLB, statt sich gemäß § 32 a GmbHG auf die Gesellschaftersicherheit verweisen
zu lassen, auf dem ihr rechtlich möglichen Zugriff auf die Gesellschaftssicherheit
beharrte. Ohne diesen Zugriff war auch die - zusätzliche - Inanspruchnahme der
Beklagten aus dem Kaufangebot gar nicht denkbar.
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Die Abhängigkeit der eventuellen Eintrittspflicht der Beklagten vom Bestand des
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Die Abhängigkeit der eventuellen Eintrittspflicht der Beklagten vom Bestand des
von der Gemeinschuldnerin gestellten Sicherungsgutes hatte zur Folge, daß das
Kaufangebot der Beklagten mit der Veräußerung des Warenbestandes der
Gemeinschuldnerin gegenstandslos wurde, und zwar völlig unabhängig davon,
ob diese im normalen Geschäftsablauf vorgenommen wurde oder im Rahmen
einer Verwertung zugunsten der HLB als Sicherungseigentümerin und im
Konkurs Absonderungsberechtigte. Die Auszahlung der 126.141,66 DM aus dem
Verwertungserlös an die HLB hatte für die Haftungssituation der Beklagten keine
Bedeutung mehr.
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Schon aus diesem Grunde ist es nach Auffassung des Senats nicht möglich, die
Zahlung der Beklagten an die HLB als mittelbare unzulässige Auszahlung an die -
insoweit an die Stelle des Gesellschafters E. der Gemeinschuldnerin getretene -
Beklagte i.S. des § 30 GmbHG anzusehen.
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Davon abgesehen müßte die Klage aber auch daran scheitern, daß aus dem
Vortrag des Klägers nicht entnommen werden kann, ob das Absehen von der
Einbeziehung der Beklagten in die Verwertung des Warenbestandes der
Gemeinschuldnerin nach Maßgabe ihres Kaufangebots wirtschaftlich betrachtet
überhaupt zu einer Entlastung der Beklagten geführt hat und gegebenenfalls in
welchem Ausmaß.
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Der Einsatz von Eigenmitteln der Beklagten zur Befriedigung der
Darlehnsforderung der HLB konnte nach den Bedingungen des Kaufangebots
niemals die volle Höhe der gesicherten Forderung erreichen, er war von
vornherein beschränkt auf einen Anteil entsprechend der Differenz zwischen dem
vorgegebenen Übernahmepreis, dem "Einstandspreis" der Gemeinschuldnerin,
und dem realisierbaren Verkaufswert der dem Sicherungseigentum der HLB
unterliegenden Gegenstände. Keinen dieser Werte hat der Kläger mitgeteilt. Es ist
nicht bekannt, in welcher Höhe der Darlehnsanspruch der HLB insgesamt noch
bestand. Es ist ebenfalls nicht bekannt, ob bei Konkurseröffnung dem
Sicherungseigentum der HLB unterfallende Warenbestände vorhanden waren
und wieweit deren Übernahmewert die Forderung der Bank abgedeckt hätte.
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Unbekannt ist ferner der von dem etwa vorhandenen Sicherungsgut verkörperte
aktuelle Marktwert oder auch nur der vom Kläger bei der Verwertung dafür
tatsächlich erzielte Erlös.
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Die Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 6.11.1997 (Bl. 34 d.A.) beziehen sich
nur auf diejenigen Restbestände, die im Wege der Versteigerung verwertet
wurden, so daß deren Erlös nicht ohne weiteres mit dem Verkaufswert an sich im
Sinne des objektiven Marktwertes gleichgesetzt werden kann und auch für den
insgesamt für den Warenbestand erzielten Erlös nicht repräsentativ ist. Im übrigen
ist auch bezüglich dieser Restbestände unklar, ob sich überhaupt Sicherungsgut
der HLB darunter befand oder ob sie noch dem Vorbehaltseigentum der
Lieferanten unterlagen. Hinsichtlich der zuvor anderweitig veräußerten
Warenbestände, zu denen überhaupt keine Wertangaben vorliegen, gilt das nicht
minder.
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Eine Abgrenzung der verschiedenen Sicherungsrechte an dem Warenbestand der
Gemeinschuldnerin hat offenbar nicht stattgefunden. Zur Vermeidung des damit
verbundenen Aufwandes hat der Kläger stattdessen mit den Lieferanten und der
HLB eine Verwertungsvereinbarung - deren Inhalt er ebenfalls nicht mitteilt -
getroffen. Die Rekonstruktion der durch ihr Kaufangebot vom 11.10.1993
begründeten wirtschaftlichen Einbindung der Beklagten in die Besicherung des
Kredits der HLB ist damit unmöglich geworden. Auch für eine grobe Schätzung -
wenn eine solche denn hier überhaupt statthaft wäre - fehlen ausreichende
Anknüpfungspunkte.
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Zu Unrecht macht der Kläger in diesem Zusammenhang geltend, die Beklagte
habe die Entscheidung für die Verwertungsweise zu verantworten, weil sie sich
geweigert habe, ihre Kaufverpflichtung zu erfüllen. Eine solche Verpflichtung
bestand nicht, solange das Kaufangebot nicht von der HLB angenommen wurde.
Das ist niemals geschehen. Die Beklagte ist aber auch niemals gefragt worden, ob
sie bereit sei, im Falle einer solchen Annahmeerklärung ihre
Übernahmeverpflichtung zu erfüllen. Sie ist lediglich mit Schreiben des damals im
Konkurseröffnungsverfahren als Sequester amtierenden Klägers vom 16.4.1996
(Bl. 10 ff. d.A.) aufgefordert worden, bis 19.4., 13 Uhr zu erklären, ob sie bereit sei,
sogleich "die in den Geschäftsräumen der Schuldnerin befindlichen Waren zum
Einkaufspreis zu erwerben" oder "die nach Beendigung des Ausverkaufs
vorhandenen Gegenstände zu den vorbezeichneten Konditionen" zu
übernehmen. Diese Ansinnen gingen, wie dargelegt, weit über das hinaus, wozu
die Beklagte aus ihrem Kaufangebot verpflichtet werden konnte. Mit dem Ankauf
des gesamten Warenbestandes hätte sie zu einem erheblichen Teil nicht zur
Befriedigung der HLB, sondern der Lieferanten und Vorbehaltseigentümer
beigetragen. Aus der Nichtbeantwortung der Anfrage des Klägers - die die
Beklagte einräumt, während sie eine darüber hinausgehende ausdrückliche
Weigerung, wie sie der Kläger ohne nähere Angaben behauptet, bestreitet -
können ihr nachteilige Folgerungen deshalb nicht gezogen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren
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und Beschwer des Klägers: 126.141,66 DM.
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