Urteil des OLG Köln vom 30.03.1994

OLG Köln (kläger, auskunft, kenntnis, kind, subjektive unmöglichkeit, vater, erklärung, zpo, hotel, person)

Oberlandesgericht Köln, 26 U 56/92
Datum:
30.03.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
26. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 U 56/92
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 13 0 403/91
Schlagworte:
AUSKUNFT VATER MUTTER NAMENSÄNDERUNG
UNMÖGLICHKEIT BEWEISLAST
Normen:
ART 2 GG; § 282 BGB; § 888 ZPO
Leitsätze:
Zur Beweislast bei der Auskunftsklage eines nichtehelichen Kindes
gegen die Kindesmutter auf Nennung des Namens seines Erzeugers,
wenn die Kindesmutter behauptet, den Namen nicht (mehr) zu wissen.
Sachverhalt: Der Kläger ist 1957 nichtehelich geboren und kurz nach der
Geburt von der Beklagten - der Kindesmutter - in ein Heim gegeben
worden. Nach etwa 14 Jahren kam es auf Initiative des Klägers zu einem
ersten Kontakt zwischen den Parteien, bei dem es dem Kläger u.a.
darum ging, den Namen seines Vaters zu erfahren. Die Beklagte hat
behauptet, sie sei seinerzeit von dem Kindesvater - einem Koch in
einem Hotelbetrieb, in dem auch sie damals als Serviererin beschäftigt
gewesen sei - vergewaltigt worden. Seinen Namen wisse sie nicht. Ob
sie seinen Nachnamen überhaupt je gekannt habe, könne sie nicht mehr
sagen. Man habe sich im Hotel nur mit Vornamen angeredet. Diesen
habe sie vergessen. Unmittelbar nach der Vergewaltigung habe sie
fluchtartig das Hotel verlassen. Das LG hat der Klage des Klägers auf
Auskunft stattgegeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist es
davon ausgegangen, daß die Beklagte entgegen ihrer Behauptung den
Namen des Kindesvaters kenne. Auf die Berufung der Beklagten hat das
OLG die Klage nach erneuter Beweisaufnahme abgewiesen.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn
vom 17. September 1992 - 13 0 403/91 - dahin abgeändert, daß die
Klage abgewiesen wird. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem
Kläger auferlegt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig
vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
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Mit dem Landgericht geht auch der Senat davon aus, daß der Kläger grundsätzlich ein
Recht hat auf Auskunft über seine Abstammung, welches allein Gegenstand des
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Berufungsverfah- rens ist. Ein solches Recht ist Ausfluß des allgemeinen Persönlich-
keitsrechts und überlagert den Anspruch der Beklagten auf Schutz ihrer Intimsphäre
(vgl. LG Passau NJW 1988, 144 und BVerfG NJW 1988, 3010; NJW 1989, 891, 892).
Dies stellt die Beklagte im übrigen nicht mehr in Zweifel, so daß sich wei- tergehende
Vertiefungen zu diesen einschlägigen Rechtsfra- gen erübrigen.
Der Senat stimmt desweiteren dem Landgericht auch darin zu, daß die Erklärung der
Beklagten, sie wisse nicht, wer der Vater des Klägers sei, noch nicht die Erfüllung der
geschuldeten Auskunft enthält. Dieser Einwand der Beklagten betrifft vielmehr die
subjektive Unmöglichkeit, das kläge- rische Begehren zu erfüllen.
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Der vom Kläger begehrten Verurteilung der Beklagten, ihm Auskunft über die Person
seines leiblichen Vaters - dessen Namen und Adresse - zu erteilen, steht hier aber
entgegen, daß nicht erwiesen ist, daß die Beklagte in der Lage ist, die geforderten
Angaben zu machen. Die Beklagte bestreitet, auch nur den Namen des Erzeugers des
Klägers zu kennen. Die Beweisaufnahme erster und zweiter Instanz hat nicht mit der zur
Verurteilung erforderlichen Sicherheit ergeben, daß die Beklagte ihre Kenntnis
wahrheitswidrig in Abrede stellt.
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Im einzelnen läßt sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten:
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Der Senat folgt nicht der Beurteilung des Landgerichts, das ausgehend von der
Prämisse, daß eine Mutter in der Regel den Namen des Vaters ihres Kindes kenne, dies
im Falle der Beklagten durch die Aussage der Zeugin St. (Schwester C. ) bestätigt sieht.
Denn der Senat hält diese Prämisse durch die Aussage der Zeugin St. nicht für
bestätigt.
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Zwar ist die Aussage der Zeugin als durchaus glaubhaft, sie selbst als glaubwürdig zu
erachten. Gleichwohl ist damit nicht bewiesen, daß die Beklagte den Namen des
Erzeugers ihres Kindes - des Klägers - tatsächlich noch kennt. Die Zeugin St. hat zwar
durchgängig, sowohl in ihren schriftli- chen Angaben als auch vor dem Landericht,
erklärt, daß sie - anläßlich des ersten Zusammentreffens der Parteien Anfang der
siebziger Jahre - von der Kenntnis der Beklagten fest überzeugt gewesen sei. Sie hat
diese Überzeugung indessen nicht aus einer entsprechenden Erklärung der Beklagten,
daß diese den Namen des Kindesvaters kenne, gewonnen, sondern nur aus eigenen
Rückschlüssen aus dem Verhalten der Beklag- ten. Die Zeugin spricht selbst von einer
(bloßen) Vermutung ihrerseits. Ihr Rückschluß mag zutreffend sein, ist es jedoch nicht
zwingend in der Weise, daß damit die Kenntnis zur Gewißheit des Senats feststände.
Denn außer der per- sönlichen Überzeugung der Zeugin St. fehlt es an weiteren
tragfähigen Indizien.
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Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang als Indiz gewertet hat, daß die
Beklagte dem Kläger nach Aussage der Zeugin St. gedroht habe, sie gehe gegen ihn
gerichtlich vor, wenn er weiter nach seinem Vater forsche, vermag der Senat sich dem
nicht anzuschließen. Das Landgericht schließt aus dieser Drohung, daß sie
ausgebracht worden ist, um den Kläger von weiteren Nachforschungen nach seinem
Vater abzuhalten. Dem stimmt der Senat zu. Nicht zu folgen ist aber der weiteren
Folgerung des Landgerichts, zu der Drohung hätte keine Veranlassung bestanden,
wenn der Beklagten die Person des Vaters unbekannt gewesen wäre. Dieser
Rückschluß ist vor dem Hintergrund des damaligen Geschehens nicht zwingend. Der
Beklagten ging es bei ihrer Drohung ganz offensichtlich darum , daß ihr Ehemann, dem
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zum damaligen Zeitpunkt die Existenz des Klägers noch nicht bekannt war, nichts von
diesem ihrem zweiten nichtehelichen Kind erfuhr. Nachforschungen des Klägers
brachten die Gefahr der Aufdeckung. Dabei ist nicht erkennbar, inwiefern es eine Rolle
gespielt haben sollte, ob sie selbst den Na- men des Erzeugers kannte oder nicht.
Die weitergehenden Behauptungen des Klägers zu bestimmten Erklärungen der
Beklagten, aus denen er folgert, daß diese den Namen (und die Anschrift) seines
Erzeugers doch kenne, sind durch die Zeugenvernehmung nicht bestätigt worden. Die
einzelnen Beweisfragen folgen aus dem Beweisbeschluß des Landgerichts vom
14.10.1991 und des Senats vom 03.11.1993. Die Zeugen P., H. W. und G. haben diese
entwe- der verneint oder sinngemäß in einen anderen Zusammenhang gestellt. Die
Bekundung des Zeugen K. ist zu unbestimmt ge- halten, so daß sich alleine hieraus
kein tragfähiger Schluß auf die Richtigkeit der Darlegung des Klägers herleiten läßt.
Insbesondere läßt sich auch nichts daraus gewinnen, daß die Beklagte gegenüber der
Zeugin St. geäußert habe, wenn der Kläger glaube, er könne ein großes Erbe machen,
dann müsse sie (die Beklagte) ihn enttäuschen, der Vater sei sehr arm gewesen ... und
habe sie heimlich verlassen (Bl. 8, 168, 349 GA). Diese im übrigen von der Beklagten
bestrittenen Äußerungen können ebenso wie die behaupteten Drohungen, den Kläger
von weiteren Nachforschungen bei Meidung gerichtli- cher Schritte abzuhalten, als
Ausdruck der Abwehr von Ver- letzungen ihrer Intimspähre verstanden werden. Selbst
wenn derartige Äußerungen gefallen sein sollten, läßt sich hieraus kein zwingender
Schluß auf den behaupte- ten Kenntnisstand der Beklagten ziehen.
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Auch aus weiteren Indizien läßt sich nicht mit einer zur Verurteilung erforderlichen
Sicherheit herleiten, daß die Beklagte den Namen des Kindesvaters kennt.
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Soweit Gegenteiliges aus der Formulierung der eidesstattli- chen Versicherung der
Beklagten vom 28.03.1990 (Bl. 11 d. A.), "niemand, außer mir, weiß, wer der Vater des
Kindes ist" , zu entnehmen sein könnte, hat die Beklagte diese Erklärung von Beginn
des Verfahrens an wie folgt interpre- tiert: Sie wisse zwar, wer der Kindesvater sei, habe
seinen Namen jedoch nicht mehr in Erinnerung. In diesem Sinne kann die Urkunde,
ohne daß ihr Gewalt angetan würde, verstanden werden: Die Beklagte kennt die Person
des Erzeugers; sie weiß , daß es der damalige Koch an ihrem Arbeitsplatz war, sie
kennt seine Identität. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß die
Erklärung von der Prozeßbevoll- mächtigten der Beklagten aufgesetzt wurde und so
eine miß- verständliche Formulierung entstanden ist. Die Beklate hat diese Erklärung
selbst vorgelegt, was nahe legt, daß sie in dem von ihr schon vor dem Amtsgericht
Rheinbach dargelegten Sinne aufzufassen ist, nämlich dahin- gehend, daß sie davon
ausgehe, den Vornamen des Mannes ge- kannt zu haben, sie diesen heute jedoch nicht
mehr wisse.
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Schließlich muß nach Auffassung des Senats auch dem Umstand Rechnung getragen
werden, daß das Verhalten der Beklagten sich durchaus nicht zwingend als vollständige
Blockade gegenüber den Bemühungen des Klägers, seine blutmäßige Ab- stammung
aufzuklären, darstellt. Sie hat durch Vorlage der Versicherungskarte betr. ihr da- maliges
Beschäftigungsverhältnis in dem Hotel-Restaurant T. in W. dem Kläger Möglichkeiten zu
weitergehenden Nachfor- schungen eröffent. Sie hat im übrigen im Termin am
24.03.1993 vor dem Senat - wenn auch erst nach deutlicher Vorhaltung - erklärt, sie
wolle dem Kläger durchaus Hilfe im Bereich des ihr Möglichen geben und diese Absicht
gemäß dem Schreiben vom 02.04.1993 an die Zeugin T. auch umgesetzt. All dies paßt
nicht unbedingt zu der Annahme, sie ver- schweige dem Kläger der Wahrheit zuwider
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den Namen seines Erzeugers.
Soweit sich ein Indiz für die Kenntnis der Beklagten vom Namen des Kindesvaters
daraus ergeben könnte, daß sie im Verlaufe des Verfahrens die Vorgänge um die
Zeugung des Klägers unrichtig dargestellt hätte - weil dies möglicher- weise den
Rückschluß zuließe, auch ihr Bestreiten der Na- menskenntnis sei wahrheitswidrig -, so
haben sich auch da- für keine Anhaltspunkte ergeben. Die vom Senat durchgeführ- te
Beweisaufnahme zu den Örtlichkeiten im Hotel T. durch Vernehmung der Zeugin P. K.-
T., der damaligen Mitinhaberin des Hotels, in dem die Beklagte und der Kindesvater zur
fraglichen Zeit gearbeitet haben, hat nichts ergeben, was die Richtigkeit der Angaben
der Beklagten in Frage stellt.
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Es gibt insbesondere - entgegen der Behauptung des Klägers - ein Zimmer in dem Hotel
entsprechend den Angaben der Beklagten zu ihrer damaligen Unterbringung, nämlich
eine Notunterkunft neben der Wäschekammer. Nach der Bekundung der Zeugin K.-T.
hat das Personal zwar damals nicht im Ho- tel gewohnt und sei es mangels sanitärer
Anlagen unmöglich gewesen, daß dort ein Hotelangestellter über 4 Wochen ge-
schlafen habe. Andererseits hat die Zeugin eingeräumt, daß der Raum in Sonderfällen
durchaus als Schlafraum benutzt worden sei - sogar für Hotelgäste -, so daß es
jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheint, daß auch die Beklagte dort - kurzzeitig -
untergebracht war und daß sich die heute 78 Jahre alte Zeugin daran nach über 35
Jahre nur nicht mehr erinnern kann.
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Was die Schilderung der Beklagten anlangt, wie der Kindes- vater in ihrem Schlafraum
gekommen sei, nämlich durch das Oberlicht, so hat die Zeugin K.-T. das Vorhandensein
eines solches Oberlichtes bestätigt, es allerdings von den Maßen her für nicht möglich
gehalten, daß ein erwachsener Mann hindurchgelangen konnte. Entgegen der
Auffassung der Zeugin erscheint dem Senat nach den Maßangaben der Zeugin ein
Durchstieg indessen als durchaus möglich , nämlich dann, wenn das Oberlichtfenster
ausgehängt worden ist. Im übrigen kommt es darauf letztlich nicht an, da die Angaben
der Beklagten zum Einstieg des Kindesvaters in ihr Zimmer nur Schlußfolgerungen sind
- sie hat ihn erstmals gesehen, als er bereits im Zimmer stand . Es ist also auch möglich,
daß er durch die Tür gekommen ist, wenn sie diese - ihr mögli- cherweise nicht bewußt -
nicht verschlossen hatte.
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Auch die Vernehmung der Stiefschwester des Klägers , der Zeugin I.Sch. , hat nichts
ergeben, was als Indiz für die Kenntnis der Beklagten vom Namen des Kindesvaters
spräche. Unstreitig kennt die Beklagte den Erzeuger I. namentlich; unstreitig ist der
Zeugin der Name ihres Vaters nicht be- kannt. Soweit der Kläger behauptet hat, die
Zeugin habe die Beklagte danach gefragt, ohne eine positive Antwort erhal- ten zu
haben, so hat die Zeugin dies nicht bestätigt. Sie hat vielmehr bekundet, zwar nach
ihrem Vater gefragt und darauf auch Auskunft bekommen zu habe; sie habe aber nicht
dessen Namen wissen wollen.
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Anhaltspunkte, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zwei- feln, sieht der Senat nicht,
wenngleich es nach der allge- meinen Lebenserfahrung eher ungewöhnlich anmutet,
daß ein Kind nicht Genaueres über seine Herkunft erfahren und nicht die Person seines
Vaters kennenlernen möchte. Indessen sind dies derart persönliche Dinge, die von
Mensch zu Mensch in jedem Fall unterschiedlich gehandhabt werden, so daß daraus
keine allgemeingültigen Rückschlüsse abzuleiten sind, was die Glaubhaftigkeit einer
Aussage und die Glaubwürdigkeit der Zeugin anlangt. Im vorliegenden Fall kommt
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hinzu, daß die Zeugin I.Sch. gegenüber der streng bis zuweilen sogar herrisch
wirkenden Beklagten möglicherweise bisher nicht den Mut zu näheren Fragen dieser Art
aufgebracht hat aus dem Gefühl heraus, der Beklagten seien derartige Fragen nicht
recht.
Mangels näherer Substantiierung des Klägers, wann die Zeu- gin Schreck ihm gemäß
seiner Behauptung Gegenteiliges ge- sagt habe, daß sie nämlich nach dem Namen
ihres Vaters ge- fragt habe, bestand für den Senat auch keine Veranlassung, weiter in
die Zeugin zu dringen, zumal auch die Parteien weitere Fragen nicht an die Zeugin
gestellt haben.
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Schließlich haben sich auch aus der Bekundung der vom Senat nochmals
vernommenen Zeugin H. W., der älteren Schwester der Beklagten, keine Anhaltspunkte
ergeben, aus denen der Senat die zu einer Verurteilung notwendige Überzeugung
gewinnen vermochte, die Beklagte behaupte wahrheitswidrig, den Namen des Vaters
des Klägers nicht zu kennen. Für den Senat neu ergibt sich zwar aus dieser Aussage,
daß die Weg- gabe des Klägers in ein Heim und seine Freigabe zur Adop- tion nicht auf
einem eigenen Entschluß der Beklagten beruh- te, sondern durch die Zeugin W.
veranlaßt worden war, weil diese das Aufziehen zweier nichtehelicher Kinder
angesichts der häuslichen und beruflichen Umstände, in denen die Schwestern lebten,
für zu belastend hielt. Die Zeugin hat dazu weiterhin bekundet, die Beklagte sei nicht
begeistert gewesen und habe das Kind eher behalten wollen. Die daraus ersichtliche
positive Einstellung der Beklagten zum Kläger harmoniert - jedenfalls auf den ersten
Blick - nicht mit ihren Angaben bei der vorangegangenen persönlichen Befra- gung
durch den Senat , bei der sie den "Vorgang" - gemeint ist die Schwangerschaft mit dem
Kläger - als schwere Schan- de bezeichnet hatte, an die sie nicht mehr erinnert werden
möchte. Indessen läßt sich der Widerspruch, einerseits das Kind behalten zu wollen,
andererseits es als Makel zu empfinden, durch den Ablauf des Geschehens erklären.
Die Beklagte mag das von ihr ausgetragene Kind - unter welchen Umständen es auch
immer gezeugt worden ist - zunächst als ihr Kind akzeptiert und deshalb den Wunsch
gehabt haben, es behalten zu wollen. Durch den Einfluß ihrer älteren Schwester, mit der
sie zusammenwohnte, ist sie sodann entgegen ihren eigenen Vorstellungen veranlaßt
worden, sich von dem Kind zu trennen. Die Rechtfertigung vor sich selbst dafür, das
eigene Kind wegzugeben, kann durch die Betonung der Schande, die dieses Kind als
(zweites) nichteheliches bedeutete, erfolgt sein, so daß diese Einstellung fortan im
Vordergrund gestanden haben mag.
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Dem Senat ist bewußt, daß dieser Erklärungsversuch keines- wegs zwingend ist;
gleichwohl führt er dazu, daß der oben aufgezeigte Widerspruch jedenfalls nicht mit
Sicherheit darauf schließen läßt, die Beklagte habe unrichtige Angaben zum Verlauf
des früheren Geschehens gemacht mit der weite- ren - weitergehenden - Folgerung,
auch ihre Angaben, den Namen des Erzeugers nicht zu kenenn, seien unwahr.
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Auch ist aus der Tatsache als solcher, daß es eine Zeit gab, in der die Beklagte dem
Kläger nicht ablehnend gegenüberstand, nicht sicher zu schließen, daß sie dann auch
den Namen des Kindesvaters in Erinnerung haben müßte - dies etwa deshalb, weil sie
die Schwangerschaft insofern jedenfalls partiell nicht als negativ erlebt hat und daher
auch keine Veranlassung gehabt hätte, den damit verbundenen Namen des
Kindesvates zu verdrängen. Eine solche Deduktion als zwingend anzunehmen, steht
zum einen schon das oben Ausgeführte entgegen: Durch Einflußnahme der Schwester
hat sich die positive Einstellung der Beklagten zum Kläger möglicherweise gewandelt.
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Zum anderen ist der Zeitablauf als solcher zu berücksichtigen: Die Beklagte ist vom
Kläger erstmalig mit der Namensfrage konfrontiert worden, als dieser 14 Jahre alt war.
Es erscheint dem Senat nicht ausgeschlossen, daß sie den Namen in der Zwischenzeit
durch intensive, langjährig praktizierte Verdrängungsmechanissmen vergessen hat.
Soweit das Landgericht angenommen hat, daß eine Mutter in der Regel den Namen des
Vaters ihres Kindes kennt bzw. behält, wenn sie ihn einmal gekannt hat, ist solch ein
Regelfall nicht unumstößlich, zumal es sich um innere und daher nicht überprüfbare
Vorgänge handelt. Neben dem bereits genannten Fall des Verdrängens bei negativen
Erlebnissen ist auch die Möglichkeit des bloßen Vergessens zu berücksichtigen: Das
Verlöschen der Erinnerung an einen Vorgang, der als erledigt betrachtet wird. Mit der
Weggabe des Klägers in ein Heim und der Freigabe zur Adoption - warum diese nicht
erfolgt ist, ist offen, was der Beklagten aber erst bekanntgeworden ist, als sich der
Kläger vier- zehnjährig an sie gewandt hat - konnte sich der Vorgang der zweiten
Schwangerschaft als für sie und ihr weiteres Leben abgeschlossen darstellen.
Die Nichtaufklärung der Frage , ob die Beklagte den Namen des Kindesvaters kennt
oder nicht, geht zu Lasten des Klä- gers; ihn trifft die Beweislast.
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Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich dies schon daraus ergibt, daß bei einer Klage
auf Auskunft über Namen und Adresse einer Person die Kenntnis der gewünschten
Angaben bzw. deren zumutbare Kenntniserlangung bereits ein klage- begründender
Umstand ist. Denn zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch dann nicht, wenn die
Frage der Kenntnis bzw. Unkenntis als ein Umstand einzuordnen ist, der die Möglichkeit
bzw. Unmöglichkeit der zu erbringenden Leistung betrifft, wovon das Landgericht
offensichtlich ausgegangen ist. Zwar trifft grundsätzlich den, der für sich gegenüber dem
Erfüllungsanspruch Rechte aus der Unmöglichkeit herlei- ten will, die Beweislast. Das
wäre hier die Beklagte, die sich darauf beruft, zur Auskunft nicht in der Lage zu sein.
Indessen ist hier zu berücksichtigen, daß die Beklagte dann - wegen des non liquet des
Beweisergebnisses - zur Abgabe einer Erklärung gezwungen würde, von der nicht
feststeht, daß sie tatsächlich in ihrem Kenntnisbereich steht. Die Si- tuation ist in
gewisser Weise der beim Widerruf unrichtiger Behauptungen vergleichbar:
Entsprechend dem dazu vom Bun- desgerichtshof (BGHZ 37, 187, 190) entwickelten
Grundsatz, daß niemand durch Richterspruch verpflichtet werden kann, etwas als
unrichtig zu bezeichnen, was möglicherweise wahr ist, gilt für den vorliegenden Fall ,
daß die Beklagte nicht zur Abgabe einer Erklärung gezwungen werden darf, die sie
möglicherweise nicht abgeben kann. Wie im Fall des Wi- derrufs müßte das Gericht
auch im vorliegenden Fall bei der Vollstreckung, da es sich um unvertretbare
Handlungen im Sinne von § 888 ZPO handelt, durch Geldstrafe oder Haft zur Abgabe
der Erklärung anhalten. Ein solcher Rechtszwang aber wäre bei Verurteilung zur
Auskunft ohne Kenntnis dessen, worüber Auskunft zu erteilen ist, ebenso wenig wie in
dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall zum Widerruf mit Art. 1 und 2 GG
vereinbar, auf die der Bundesgerichtshof bei seiner Entscheidung abgestellt hat.
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Ein Anscheinsbeweis scheidet aus, weil es bei der Frage der Kenntnis von Namen und
Adresse des Erzeugers des Klägers um eine innere Tatsache geht, auf die mangels
typischen Ge- schehensablaufs die Regeln des Anscheinsbeweises grundsätz- lich
nicht anwendbar sind (vgl. Stein-Jonas-Leipold, ZPO 20.Aufl., § 286 Rz. 117; Zöller-
Greger, ZPO, 18.Aufl., Rz. 31 vor § 284). Die Frage der Kenntnis des Erzeugers steht
hier im Zusammenhang mit einmaligen, vom individuellen Be- reich geprägten
Vorgängen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO (281 III ZPO), die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren, zugleich Wert der Beschwer für den Kläger:
4.000,-- DM
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