Urteil des OLG Köln vom 06.03.2007

OLG Köln: flughafen, cmr, beförderung, ablieferung, abtretung, beweislast, transportrecht, luftfrachtvertrag, absender, verzollung

Oberlandesgericht Köln, 3 U 122/06
Datum:
06.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 122/06
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 16 O 20/05
Schlagworte:
Beweislast für ein vom Montrealer Übereinkommen 1999
Normen:
Montrealer Übereinkommen (Mü) Art. 1, 18 Abs. 1,3, 22 Abs. 3, 38 Abs. 1
Leitsätze:
abweichendes Haftungsregime
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten gegen das am 21.6.2006 verkündete
Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn (16 O
20/05) wird dieses abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G R Ü N D E:
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I.
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Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 540 Abs.1, 2 ZPO abgesehen.
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II.
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Die formell einwandfreie, insgesamt zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von
6.415,-- € im Hinblick auf zwei auf dem Transport von F. D. / Kalifornien / USA nach
Köln bzw. Bonn abhanden gekommenen Interface Adapter Cards zu.
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Hierbei geht der Senat zunächst davon aus, dass streitgegenständlich die Sendung
gemäß Luftfrachtbrief (A. W.) Nr. xxxx xxxx 6225 war, die nach dem genannten
Luftfrachtbrief von 1.10.2004 (amerikanische Schreibweise 10/1/04) per Luftfracht vom
Flughafen San Diego zum Flughafen Köln (CGN) transportiert werden sollte.
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Weiter kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin als
Transportassekuradeurin aufgrund der Abtretung, die auf die A. W. #6225 ausdrücklich
Bezug nimmt, aktiv legitimiert ist. Ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz ist
nicht erkennbar, denn die Klägerin ist als Assekuradeur ein Versicherungsagent mit
speziellen Vollmachten, die ihn berechtigen, wie ein Versicherer aufzutreten,
insbesondere Schäden im eigenen Namen zu regulieren (vgl. KG Berlin, Urt. v.
9.11.2004 – 14 U 27/03, NJW-RR 2005, 179). Soweit die Beklagte in diesem
Zusammenhang meint, durch die Abtretung habe die Klägerin einen Übergang des
Anspruchs auf die Versicherung verhindert, was gegen das Aufgabeverbot nach § 67
Abs.1 S.3 VVG verstoße, geht dies aufgrund der Stellung der Klägerin als
Assekuradeurin, also als Bevollmächtigter der beteiligten Versicherungen, fehl.
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Maßgebliches Haftungsregime für den streitigen Schadensfall ist das Montrealer
Übereinkommen vom 28.9.1999 (MÜ).
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Das MÜ galt zum Zeitpunkt des Verlustes der streitgegenständlichen Sendung sowohl
am Ort der Absendung, nämlich den USA (seit November 2003), als auch am Zielort der
Sendung, nämlich in der Bundesrepublik Deutschland (seit 28. Juni 2004).
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Es ist auch entgegen der Auffassung der Klägerin davon auszugehen, dass die
Sendung während der Luftbeförderung abhanden gekommen ist, so dass gemäß Art. 1,
38 Nr.1 MÜ das MÜ Anwendung findet.
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Nach dem seitens der Klägerin vorgelegten Luftfrachtbrief war zwischen der
Absenderin, der Fa. H., und der Beklagten ein Lufttransport vom Flughafen San Diego
(SDM = San Diego – Brown Field Municipal) zum Flughafen Köln (CGN = Flughafen
Köln/Bonn Konrad Adenauer) vereinbart. Am Flughafen Köln ist die
streitgegenständliche Sendung jedoch nie angekommen. Es ist vielmehr zwischen den
Parteien unstreitig, dass sie zum letzten Mal am Flughafen Charles de Gaulles in Paris
von der Beklagten gescannt wurde und der Verbleib der Sendung ab diesem Zeitpunkt
unklar ist. Nach dem – bestrittenen und als verspätet gerügten – Vortrag der Beklagten
sollte die Sendung vom Flughafen Paris nach Frankfurt verflogen werden. Legt man
dies zugrunde, ist die Sendung während der Obhut des Luftfrachtführers gemäß Art. 18
Nr.3 MÜ abhanden gekommen, denn dann wäre ein Weitertransport vom Flughafen in
Paris per Luftfracht nach Frankfurt erfolgt. Aber auch wenn man diesen Vortrag der
Beklagten außer Acht läst, ergibt sich im Ergebnis keine andere Bewertung. Denn dann
ist zunächst von der auf dem Luftfrachtbrief dokumentierten vertraglichen Vereinbarung
auszugehen, nach der die Sendung – unabhängig davon, ob während der Beförderung
ein Umschlag auf einem oder mehreren Flughäfen erfolgt – vom Flughafen San Diego
zum Flughafen Köln/Bonn per Luftfracht befördert werden sollte. Auch dann wäre also
davon auszugehen, dass die Sendung während der vertraglich vereinbarten
Luftbeförderung, nämlich vor Ankunft auf dem Zielflughafen Köln, abhanden gekommen
ist, so dass die Anwendung des MÜ eröffnet ist.
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Soweit demgegenüber die Klägerin mit der Begründung, die Sendung hätte vom
Flughafen Charles de Gaulles im Wege des Luftersatzverkehrs, der von der Beklagten
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bestritten wird, mit einem LKW nach Deutschland transportiert werden sollen, meint,
dass das Haftungsregime der CMR Anwendung finden muss, geht dies fehl. Denn die
diesbezügliche Behauptung stellt sich als bloße Mutmaßung dar. Tatsächliche
Kenntnisse über den geplanten Transportverlauf hat die Klägerin nicht, was sich nicht
zuletzt dadurch zeigt, dass sie zunächst vermutete, die Sendung sei auf dem Flughafen
in Lüttich angekommen. Nachdem die Beklagte dann mitgeteilt hat, die Sendung sei in
Paris zuletzt gescannt worden, stellte die Klägerin ihren Vortrag schlicht dahingehend
um, dass ein LKW-Transport von Frankreich nach Deutschland geplant gewesen sei,
ohne hierfür einen tatsächlichen Anhaltspunkt benennen zu können. Dies ist nach
Auffassung des Senats jedoch nicht ausreichend. Will sich der Anspruchsteller trotz
vereinbarter Luftfracht auf das ihm günstigere Haftungsregime der CMR stützen, obliegt
es ihm darzulegen und ggfls. zu beweisen, dass abweichend von der vereinbarten
Beförderung ein grenzüberschreitender Straßentransport durchgeführt oder zumindest
seitens des Frachtführers geplant wurde. Die bloße, nicht auf tatsächlichen
Anhaltspunkten fußende und nicht unter Beweis gestellte Behauptung, es sei eine
Beförderung im Luftersatzverkehr durchgeführt worden, vermag eine Haftung des
Frachtführers nach der CMR nicht zu begründen, denn letztlich obliegt demjenigen, der
sich auf eine Haftung des Frachtführers nach der CMR beruft, die Beweislast dafür, dass
die Voraussetzungen ihrer Anwendbarkeit gegeben sind (Koller, Transportrecht, 5.A.,
Art. 1 CMR, Rdnr.12). Die Klägerin geht fehl, wenn sie sich zur Stützung ihrer
gegenteiligen Auffassung auf den zu den Akten gereichten Beschluss des
Bundesgerichtshofs vom 24.11.2005 (I ZR 103/05) stützen möchte, denn dieser auf die
Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 12.5.2005 (9 U 164/04, NJW-RR 2005, 1123)
ergangene Beschluss des Bundesgerichtshofs befasst sich mit einer gänzlich anderen,
mit dem Streitfall nicht vergleichbaren, Problematik. Dort war bei unstreitiger
Anwendbarkeit der CMR die Frage zu klären, ob der Vortrag des Frachtführers zu einem
bestimmten Schadensort und Sicherungsmaßnahmen zugrunde gelegt werden darf,
wenn der diesbezügliche Vortrag mit Nichtwissen bestritten, aber nicht unter Beweis
gestellt bzw. bewiesen ist. Diese Fallgestaltung ist mit derjenigen im Streitfall nicht
vergleichbar, denn vorliegend geht es um die Frage, ob die bloße Behauptung, es sei
ein Straßentransport durchgeführt worden und währenddessen die Sendung abhanden
gekommen, eine Anwendbarkeit der CMR eröffnet, obwohl ein Luftfrachtvertrag
geschlossen wurde, die Sendung zuletzt an einem Flughafen gescannt wurde und sie
noch nicht am vertraglich vereinbarten Zielflughafen angekommen war.
Findet nach alledem das MÜ Anwendung, kann die Klägerin aus abgetretenem Recht
grundsätzlich gemäß Art. 18 Nr.1 MÜ von der Beklagten als Luftfrachtführerin
Schadensersatz für die abhanden gekommenen Computerteile verlangen. Im Ergebnis
scheidet ein Schadensersatzanspruch im Streitfall aber deshalb aus, weil gemäß Art. 22
Nr.3 MÜ eine Haftungshöchstgrenze von 17 SZR/kg Frachtgewicht besteht, so dass
angesichts des Gewichts der Sendung von 3 lbs. (= 1,361 kg) und der an die
Absenderin erfolgten Zahlung von 100 US-Dollar, die sich die Klägerin entgegenhalten
lassen muss, der Anspruch bereits erfüllt ist. Ein weitergehender Anspruch ergibt sich
auch nicht daraus, dass im Luftfrachtbrief der Wert der Sendung mit 7.665 US-Dollar
angegeben ist, denn gemäß Art.22 Nr.3 MÜ gelten die Haftungshöchstgrenzen nur dann
nicht, wenn der Absender das Interesse an der Ablieferung bei Übergabe angegeben
hat und er – sofern verlangt – einen Zuschlag bezahlt hat. Diese Voraussetzungen sind
vorliegend jedoch nicht erfüllt, denn abweichend von der – insbesondere auch wegen
der Verzollung notwendigen –Wertangabe enthält der Luftfrachtbrief unter der Rubrik
"total declared value for damage" die Eintragung "100". Damit hat die Absenderin das
Interesse an der Ablieferung auf 100 US-Dollar beschränkt, so dass ein darüber
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hinausgehender Ersatzanspruch nicht auf Art. 22 Nr.3 MÜ gestützt werden kann.
Die Frage, ob der mit dieser Zahlung intendierte Vergleichsschluss nach kalifornischem
Recht wirksam ist und ob ein etwaiger Vergleich auch die Ansprüche des Empfängers
ausschließt, auf die sich die Klägerin stützt, kann damit im Ergebnis offen bleiben.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs.1, 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO.
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Ein Anlass, gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht
nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange
der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
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Streitwert für das Berufungsverfahren:
18
6.415,-- €
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