Urteil des OLG Köln vom 30.05.1995

OLG Köln: eintritt des versicherungsfalles, treu und glauben, erfüllungs statt, aufrechnung, versicherungsvertrag, hausrat, vergleich, bankrecht, bereicherungsanspruch, entziehen

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 9 U 346/94
30.05.1995
Oberlandesgericht Köln
9. Zivilsenat
Urteil
9 U 346/94
Landgericht Köln, 24 O 17/94
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. August 1994 verkündete
Urteil der 24. Ferienzivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 17/94 -
abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Die Klage wird abgewiesen. Die
Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die statthafte, in der gesetzlichen Form und innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegte
und begründete Berufung ist zulässig.
Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die Klage ist nicht begründet; dem Kläger steht ein Anspruch in der geltend gemachten
Höhe gegen die Beklagte nicht mehr zu.
Ursprünglich bestand zwar aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen
Versicherungsvertrages nach dem Eintritt des Versicherungsfalles am 7. August 1993 bzw.
aufgrund des im Hinblick darauf zwischen den Parteien am 4. Oktober 1993
abgeschlossenen Vergleichs über die Schadensregulierung ein Anspruch des Klägers
gegen die Beklagte in einer Höhe von 15.000,- DM.
Dieser Anspruch ist nicht schon dadurch erloschen, daß die Beklagte in der Folgezeit
einen Betrag in dieser Höhe auf das bei ihr gespeicherte Girokonto des Klägers
überwiesen hat.
Denn diese Überweisung auf sein Konto stellt keine Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten
gemäß § 362 BGB dar, weil sich die Parteien bei den Verhandlungen über die
Schadensregulierung am 4. Oktober 1993 ausdrücklich darüber geeinigt hatten, daß die
Beklagte diesen von ihr anerkannten Betrag nicht auf dieses Konto des Klägers
überweisen sollte; sie war nach den getroffenen Absprachen vielmehr verpflichtet, den von
ihr geschuldeten Betrag ausschließlich in der Weise dem Kläger zukommen zu lassen, daß
sie ihm einen Verrechnungsscheck übergeben sollte.
Bei einer solchen Überweisung auf ein Girokonto handelt es sich nur um eine Leistung an
Erfüllungs Statt, die das Schuldverhältnis lediglich dann zum Erlöschen bringen kann,
wenn der Gläubiger diese Leistung als Erfüllung gemäß § 364 Abs. 1 BGB annimmt (vgl.
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OLG Köln NJW RR 1991 S. 50 und OLG Hamm 1988 S. 2115 m.w.N.) bzw. die vorherige -
Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung dazu erteilt.
Eine derartige Annahme der Überweisung als Erfüllung seitens des Klägers ist im
vorliegenden Fall jedoch weder ausdrücklich noch konkludent weder vor noch nach der
von der Beklagten vorgenommenen Überweisung erklärt worden. Die Parteien hatten - wie
dargelegt - vielmehr eine Leistung in dieser Weise ausdrücklich ausgeschlossen. Die
Beklagte sollte eben gerade nicht den geschuldeten Betrag überweisen. Danach kam eine
Erfüllung durch diese Zahlungsweise der Beklagten nicht in Betracht (vgl. hierzu BGHZ 98
S. 30; BGH in WM 1995 S. 149; LAG Stuttgart in NJW 1985 S. 2728).
Der Anspruch des Klägers ist aber durch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit
einem sich aus §§ 812, 818 Abs. 2 BGB ergebenden Gegenanspruch erloschen. Dieser
Gegenanspruch aus den Grundsätzen der ungerechtfertigen Bereicherung ergibt sich
aufgrund der Einzahlung der hier von dem Kläger geforderten Summe seitens der
Beklagten auf das Konto des Klägers.
Diese Zahlung stellt eine Leistung an den Kläger und nicht etwa an seine Bank dar, weil
die Bank hier lediglich als "Zahlstelle" des Kontoinhabers anzusehen ist (vgl. BGH in NJW
1985 S. 2700 m.w.N.; BGH in WM 1995 S. 149 und Palandt, BGB, 53. Aufl., § 362 Rdz. 9
m.w.N.).
Der Kläger hat durch diese Überweisung einen Vermögensvorteil erlangt, weil er durch die
Gutschrift dieses Betrages auf seinem überzogenen Konto von einer entsprechenden
Verbindlichkeit gegenüber seiner Bank in gleicher Höhe befreit ist (vgl. BGH NJW 1985 S.
2700 und BGH in WM 1995 S. 149; LAG Stuttgart in NJW 1985 S. 2728). Er hat gemäß §
818 Abs. 2 BGB den Wert dieser Schuldbefreiung - 15.000,00 DM - der Beklagten zu
ersetzen.
Diese Bereicherung ist auch nicht etwa durch die Verrechnung der Bank mit den vorher auf
dem Girokonto des Klägers aufgelaufenen Schulden wieder entfallen (vgl. BGH NJW 1985
S. 2700). Der Kläger ist vielmehr auf Dauer bereichert, indem er eine Befreiung von diesen
Verbindlichkeiten seiner Bank gegenüber erlangt hat.
Ein Rechtsgrund liegt dieser dem Kläger zugewachsenen Bereicherung nicht zugrunde.
Wie bereits dargelegt ist, ergibt sich aufgrund der Ansprüche des Klägers aus dem
Versicherungsvertrag bzw. aus dem Vergleich über die Schadensregulierung kein
Rechtsgrund für diese Leistung, weil die Parteien ja vereinbart hatten, daß die Zahlung
ausschließlich durch Übergabe eines Verrechnungsschecks erfolgen sollte und weil die
Überweisung damit keine Erfüllung der hier bestehenden Verbindlichkeiten darstellen
konnte.
Da somit die Voraussetzungen für einen Bereicherungsanspruch gemäß § 812 BGB in
vollem Umfange gegeben sind, stehen dem Schuldner entsprechende
Rückzahlungsansprüche bzw. Wertersatzansprüche zu (vgl. BGH in NJW 1985 S. 2700
und in WM 1995 S. 149 sowie BGH Z 98 S. 30; LAG Stuttgart in NJW 1985 S. 2728;
Canaris, Bankrecht, 3. Aufl., Rdnr. 473).
Soweit sich der Kläger darauf berufen hat, es handele sich um eine sogenannte
"aufgedrängte Bereicherung", die er nicht zurückzuerstatten habe (vgl. Canaris a.a.O.), ist
sein diesbezüglicher Einwand berechtigt:
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Dieses Argument könnte allenfalls dann greifen, wenn der Kläger den auf seinem Konto
eingegangenen Betrag zurückgewiesen hätte oder in sonstiger Weise zum Ausdruck
gebracht hätte, daß er eine Gutschrift nicht wünscht. Dies hat er aber nicht getan. Er hat die
Zahlung nicht etwa ignoriert, sondern sich zugute kommen lassen. So hat er sich nämlich
weder um eine weitere Begleichung der bei der Bank aufgelaufenen Schulden in Höhe
dieses Betrages bemüht noch hat er etwa hierfür weiter Zinsen an die Bank für die
Überziehung dieses Betrages geleistet. Daß es ihm auf Dauer gelungen wäre, sich der
Begleichung seiner Bankschulden zu entziehen, trägt er nicht substantiiert vor, ganz
abgesehen davon, daß er sich redlicherweise auf ein solches Verhalten nicht berufen
dürfte. Er hat also mit der Überweisung einen realen, ihm nützlichen und willkommenen
und keineswegs "aufgedrängten" Vorteil erlangt.
Der Kläger kann dem Anspruch der Beklagten aus § 812 BGB auch nicht den
Rechtsgedanken einer unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten, der es dieser etwa
verbieten könnte, den Anspruch aus § 812 BGB geltend zu machen (vgl. hierzu LAG
Stuttgart in NJW 1985 S. 2728).
Diesem Einwand könnte dann nachgegangen werden, wenn die Beklagte mit ihrer
Überweisung eine Schädigung des Klägers bezweckt hätte. Hierfür hat der Kläger aber
nichts dargetan. Die Beklagte hat offensichtlich versehentlich den Betrag auf das Konto des
Klägers überwiesen, welches ihr bekannt war, weil sie als seine Arbeitgeberin hierauf
regelmäßig seinen Arbeitslohn überwiesen hat.
Der Kläger war im vorliegenden Falle auch nicht etwa aus existentiellen Gründen auf eine
unmittelbare Auszahlung der Versicherungssumme angewiesen. Er verfügte seinerzeit
über ein geregeltes Einkommen und konnte seinen Lebensunterhalt davon bestreiten. Wie
in der Berufungserwiderung (Bl. 92 d.A.) vorgetragen, hat er sich mit anderweitigem Kredit
den durch den Versicherungsfall verlorenen Hausrat neu beschafft, steht also nach Tilgung
seines Girokontokredits durch die Überweisung seitens der Beklagten und Neuaufnahme
eines anderen Kredits vermögensmäßig nicht wesentlich anders da als wenn die Beklagte
durch Schecküberweisung gezahlt hätte und er den Hausrat bar bezahlt hätte. Auch unter
diesem Blickwinkel können einer Aufrechnung seitens der Beklagten die Grundsätze von
Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht entgegenstehen.
Nach alledem sind die Ansprüche des Klägers aus dem Versicherungsvertrag bzw. aus
dem Vergleich über die Schadensregulierung durch die von der Beklagten erklärte
Aufrechnung mit einem entsprechenden Gegenanspruch in gleicher Höhe aus § 812 BGB
erloschen.
Entsprechend der in § 389 BGB enthaltenen gesetzlichen Regelung war der Anspruch des
Klägers auf die Versicherungssumme wegen der von der Beklagten erklärten Aufrechnung
bereits in dem Zeitpunkt erloschen, in dem der von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte
Gegenanspruch auf Rückzahlung des überwiesenen Betrages entstanden war. Dieser
Gegenanspruch ergab sich bereits mit der Überweisung, so daß die Forderung des Klägers
bereits vor Klageerhebung erloschen ist. Demgemäß sind auch die geltend gemachten
Zinsansprüche nicht berechtigt.
Die Klage war damit insgesamt als unbegründet abzuweisen. Auf die Berufung der
Beklagten war dementsprechend das Urteil des Landgerichts abzuändern.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
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Berufungsstreitwert und Beschwer für den Kläger: 15.000,- DM.