Urteil des OLG Köln vom 25.07.2001

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Oberlandesgericht Köln, 11 U 201/00
Datum:
25.07.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 201/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 18 O 458/97
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.10.2000 verkündete Urteil
der 18. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 18 O 458/97 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht
zurückverwiesen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung ist führt zu einem vorläufigen Erfolg des Klägers.
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Das Landgericht hat die Klage verfahrensfehlerhaft abgewiesen. Nach dem
Verfahrensstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht hätte dem Vortrag des Klägers nachgegangen oder er zumindest zu
weiterem Beweisantritt aufgefordert werden müssen.
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1. Der Senat folgt dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung nicht,
soweit dort davon ausgegangen wird, auf die Frage, ob das Fahrzeug seinerzeit
gestohlen wurde, komme es nicht an. Falls das Fahrzeug dem Vorbesitzer R.V. nicht
gestohlen, sondern von diesem zum Zweck des Versicherungsbetruges weggegeben
wurde, hat der Kläger gutgläubig Eigentum erworben (§§ 932 Abs. 1, 935 Abs. 1 BGB).
Der Beklagte haftet in diesem Fall nicht für die Nichterfüllung der ihm nach § 433 Abs.
1 Satz 1 BGB obliegenden Eigentumsverschaffungspflicht, mithin auch nicht gemäß §
440 Abs. 2 BGB. Das fehlende Eigentum hat der Kläger als Käufer zu beweisen
(Palandt/Putzo, 60.Aufl., §§ 440, 441 Rn. 6 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch § 442
BGB).
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Dieser Beweis erübrigt sich nicht deshalb, weil das Fahrzeug im Rahmen der
Ermittlungen wegen des Diebstahlsverdachts sichergestellt wurde und deshalb von
einem Rechtsmangel auszugehen ist. Der Kläger beruft sich darauf, die Sicherstellung
sei gemäß § 94 StPO erfolgt. Bereits daran bestehen nach dem Inhalt der
Ermittlungsakte Zweifel. Es ist daraus nicht klar zu erkennen, aufgrund welcher
Rechtsgrundlage die Sicherstellung erfolgte. Ebenso wenig ist erkennbar, auf welcher
Grundlage der Kläger es gestattet hat, dass die streitverkündete belgische
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Versicherungsgesellschaft das Fahrzeug durch ein Transportunternehmen bei ihm hat
abholen lassen (vgl. in diesem Zusammenhang auch das an das Landgericht
gerichtete Schreiben des Polizeipräsidiums T. vom 30.06.1998, Bl. 61 d.A., und die
darauf folgende Mitteilung der Kammer vom 13.07.1998, Bl. 42 R d.A.). Nach dem
Akteninhalt liegt dem wohl die in dem Schreiben des Bundeskriminalamtes an die KI
W. vom 13.07.1998 (Bl. 46 d.A.) vertretene Auffassung zugrunde, die belgische
Versicherungsgesellschaft sei "die legale Eigentümerin", das Fahrzeug könne an sie
ausgehändigt werden (tatsächlich wurde das Fahrzeug der Rückholfirma am
22.07.1998 übergeben, vgl. Schriftsatz des Klägers vom 14.09.1998, Bl. 50 d.A., und
die Übergabebescheinigung, Bl. 51 d.A.). Worauf allerdings die Einschätzung des
Bundeskriminalamtes beruhte, ist nicht nachvollziehbar. Ein berechtigter Anlass zur
Herausgabe an den Versicherer, den der Beklagte gegen sich gelten lassen muss,
bestand jedenfalls nur dann, wenn das Fahrzeug tatsächlich gestohlen worden war,
der Kläger es also an den Eigentümer bzw. den diesen entschädigenden Versicherer
herausgeben durfte. Die Sicherstellung des Fahrzeugs als solche, auch soweit sie
gemäß § 94 StPO erfolgt sein sollte, begründet keinen Rechtsmangel und mithin
keinen Anspruch des Klägers aus § 440 Abs. 2 BGB (vgl. LG Bonn NJW 1977, 1822 f.;
Palandt/Putzo, a.a.O., § 434 Rn. 7; Soergel/Huber, 12.Aufl., § 434 Rn. 69;
Staudinger/Köhler, 13.Aufl., § 434 Rn. 11; zweifelnd MK-H.P. Westermann, 3.Aufl., §
434 Rn. 10; a.A. Erman/Grunewald, 10.Aufl., § 434 Rn. 5).
2. Fehlerhaft ist das Landgericht davon ausgegangen, es könne den Kläger
hinsichtlich der danach streitentscheidenden Frage, ob das Fahrzeug gestohlen war,
als beweisfällig ansehen und die Klage abweisen. Damit hat das Landgericht
verfahrensfehlerhaft seiner Pflicht zur Beweiserhebung und seiner Hinweispflicht (§
139 Abs. 1 ZPO) nicht genügt.
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Der Kläger hat sich in erster Instanz für den Diebstahl des Fahrzeugs auf das Zeugnis
der ermittelnden Polizeibeamten bezogen; der Beklagte hat für den von ihm
behaupteten Versicherungsbetrug ebenfalls den KOK B. und weitere Zeugen, darunter
den (früheren) Eigentümer und einen Mitarbeiter der Streitverkündeten, benannt und
ferner Beweis für Indiztatsachen angetreten, die gegen einen Diebstahl sprechen
können.
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Der Rechtsstreit nahm sodann folgenden Verlauf: Der Berichterstatter hat mit
Verfügung vom 12.03.1998 die Parteien darauf hingewiesen hatte, dass
möglicherweise eine Beweislastumkehr in Betracht zu ziehen sei (Bl. 29 f. d.A.). In
dem Hinweisbeschluss vom 23.10.1998 (Bl. 65 ff. d.A.) hat das Landgericht sodann
Zweifel an der Identität des vom Kläger gekauften Fahrzeugs mit dem in der
Ermittlungsakte behandelten Fahrzeug geäußert. Mit Verfügung vom 02.12.1998 (Bl.
83 f. d.A.) hat der Berichterstatter sodann darauf hingewiesen, dass es sich empfehle,
den Rechtsstreit bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens auszusetzen,
insbesondere um im Rahmen des vorliegenden Zivilrechtsstreits eine zeit- und
verfahrensaufwendige Rechtshilfevernehmung der "zentralen Zeugen" in Belgien zu
vermeiden. Die Aussetzung ist sodann erfolgt. Mit Schriftsatz vom 03.08.1999 hat der
Kläger um Fortsetzung des Rechtsstreits gebeten, da sich der Diebstahl des PKW aus
der Ermittlungsakte ergebe. Mit dem Hinweis, dass die beigezogenen Ermittlungsakten
für das "Verschwinden des Fahrzeugs" nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wenig
aufschlussreich seien und wegen der Einstellung des Verfahrens nach § 205 StPO
(Verschwinden des Beschuldigten) weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten seien, hat
das Landgericht sodann die Anordnung der Aussetzung des Rechtsstreits aufgehoben
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(Bl. 95 d.A.) und nach mündlicher Verhandlung das angefochtene Urteil verkündet.
Das Landgericht hat offenbar gesehen, dass die Klage in Anbetracht des
Verfahrensablaufs nicht ohne Weiteres mit der Begründung abgewiesen werden
durfte, die Beweisantritte des Klägers seien unzureichend. Es führt in dem
angefochtenen Urteil aus, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe im
Verhandlungstermin erklärt, die benannten Zeugen hätten keine über den Inhalt der
Strafakte hinaus gehenden Erkenntnisse. Der Kläger bestreitet in der
Berufungsbegründung unter Beweisantritt, dass sein Prozessbevollmächtigter eine
solche Äußerung im Termin getan habe. Dem muss nicht weiter nachgegangen
werden. Selbst wenn der Anwalt sich derart geäußert haben sollte, reichte es nicht
aus, ihn - wie in dem angefochtenen Urteil weiter ausgeführt wird - nunmehr im Termin
darauf hinzuweisen, die früher erwogene Beweislastumkehr komme angesichts des
Inhalts der Ermittlungsakte nicht in Betracht, die Kammer halte den Kläger für
beweispflichtig und dieser Beweis sei nicht geführt. Es erscheint bereits verfehlt, die
Erklärung des Anwalts dahin zu interpretieren, aus einer Vernehmung der
Polizeibeamten würden keine über den zum Teil unklaren Inhalt der Ermittlungsakte
hinaus gehenden Erkenntnisse gewinnen lassen. Immerhin ergeben sich aus der Akte,
insbesondere dem Vorgang der zur Aushändigung des Fahrzeugs an den Versicherer
geführt hat, Anhaltspunkte für einen über den Akteninhalt hinaus gehenden
Kenntnisstand der Ermittlungsbehörden, von denen der Kläger keine Kenntnis hat und
zu denen er naturgemäß keine Einzelheiten vortragen kann. Darüber hinaus hätte der
Kläger mit ausreichender Deutlichkeit darauf hingewiesen werden müssen, dass nach
der nunmehr, nach fast dreijähriger Prozessdauer, von der Kammer vertretener
Auffassung eine Klageabweisung nur durch Ergänzung der Beweisangebote, etwa
durch Benennung der "zentralen" belgischen Zeugen auch durch den Kläger
verhindert werden konnte. Aus dem der angefochtenen Entscheidung zu
entnehmenden Hinweis, auf den der Terminsvertreter des Klägers offensichtlich nicht
richtig reagiert hat, ergab sich dies nicht.
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Das angefochtene Urteil beruht auf dem Verfahrensverstoß. Bei zutreffender
Verfahrensweise hätte sich der Kläger - wie jetzt in der Berufungsbegründung -
ergänzend Beweis durch Benennung des Zeugen V. antreten können.
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3. Der Senat verweist den Rechtsstreit gemäß § 539 ZPO an das Landgericht zurück.
Über den bisher unter dem Vorbehalt der Notwendigkeit der Bestellung eines
zugelassenen Anwalts gestellten Antrag des Streitverkündeten soll daher ebenfalls
nicht im Berufungsverfahren entschieden werden; ob und mit welchen Anträgen die
Streitverkündete ihr mit Schriftsatz vom 04.05.2001 angekündigtes Rechtsschutzziel
weiter verfolgen will, wird anlässlich der Fortsetzung des Rechtsstreits in erster Instanz
zu klären sein.
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Von einer eigenen Sachentscheidung (§ 540 ZPO) hat der Senat abgesehen, da die
Streitverkündete, der belgische Versicherer, aufgrund der erst im Berufungsverfahren
erfolgten Streitverkündung erstmals dort aufgetreten ist, und es daher nicht sinnvoll
erscheint, erstmals in zweiter Instanz Beweis zu erheben.
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Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht zu übertragen, da noch nicht feststeht,
welche Partei endgültig obsiegt. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Beschwer keiner Partei übersteigt 60.000,00 DM.
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Berufungsstreitwert: 48.200,00 DM
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