Urteil des OLG Köln vom 28.01.1993

OLG Köln (eintritt des versicherungsfalles, kläger, vvg, geschwindigkeit, unfall, eintritt, zpo, versicherungsfall, versicherungsnehmer, verhalten)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 66/91
Datum:
28.01.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 66/91
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 O 99/89
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 27. Februar 1991 verkündete
Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 99/89 - wird
zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist in der Sache selbst
nicht be-gründet.
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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Dem Kläger stehen wegen des Unfallschadens vom 06.07.1988 an seinem Pkw aus
der abgeschlossenen Vollkaskoversicherung Ansprüche gegen die Beklagte nicht
zu.
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Die Beklagte ist von der Verpflichtung zur Lei-stung frei, weil der Kläger den
Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat, § 61 VVG.
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Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden
Entscheidungsgründe des an-gefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 1
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ZPO).
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Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist ledig-lich ergänzend auszuführen:
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Die Beweiswürdigung des Landgerichts unterliegt keinen durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Auch nach Überzeugung des Senats ist der Kläger im
Unfallzeitpunkt mit einer Geschwindigkeit von 170 bis 180 km/h gefahren, obwohl auf
dem von ihm befahrenen Streckenabschnitt der Autobahn K.-A. 100 km/h angeordnet
und durch Zeichen . (§ 40 Abs. 6 StVO) vor Wildwechsel gewarnt war. Aufgrund der
glaubhaften Angaben des Zeugen W. steht fest, daß der Kläger die von ihm
gefahrene Geschwindigkeit bei der Unfallaufnahme mit 170 bis 180 km/h angegeben
hat. Nach Überzeugung des Senats ist diese Angabe des Klägers zutreffend und
entspricht seine spätere Angabe, seine Geschwin-digkeit habe nur knapp über 100
km/h gelegen, nicht den Tatsachen. Nach der weiteren glaubhaf-ten Aussage des
Zeugen W. hat der Kläger seine Geschwindigkeitsangabe nämlich erst
abgeschwächt, als er vom Zeugen auf die bestehende Geschwindig-
keitsbeschränkung hingewiesen worden war. Nach Überzeugung des Senats ist dies
der Grund für die spätere, niedrigere Geschwindigkeitsangabe und nicht etwa ein
ursprünglicher Irrtum des Klägers.
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Die Angaben des Zeugen L. stehen nicht entgegen, da der Zeuge über die vom
Kläger unmittelbar vor dem Unfall gefahrene Geschwindigkeit nichts aussa-gen
konnte.
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Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das Fahrzeug des Klägers zu einer
Begutachtung nicht mehr zur Verfügung steht, hält der Senat auch die Einholung
eines vom Kläger beantragten Sachver-ständigengutachtens zur Ermittlung der
Geschwin-digkeit anhand der Unfallschäden für untunlich.
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Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, der Kläger sei nicht mehr in der Lage gewesen,
am Unfallort zu-treffende Angaben zum Sachverhalt und insbesondere zur
gefahrenen Geschwindigkeit zu machen, haben sich nicht ergeben, dies auch unter
Berücksichti-gung der Verletzungen des Klägers.
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Der Sachverständige Prof. Dr. A. hat in seiner schriftlichen Äußerung vom 24.04.1992
aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen keinen Anhalt für die Annahme einer
unfallbedingten Hirnbeteiligung und damit für eine zentral-nervöse Störung nach dem
Unfall festgestellt. Der Kläger war offenbar in der Lage, zum Unfallzeitpunkt und nach
dem Unfall nicht nur entscheidende Ereignisse orientiert wahrzunehmen, sondern
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auch erinnerungsmäßig zu reproduzieren. Unter diesen Umständen gibt es kei-ne
vernünftige medizinisch begründbare Erklärung dafür, daß die Angaben des Klägers
zur gefahrenen Geschwindigkeit, die zur gleichen Zeit geäußert wurden, nicht
zutreffend sein sollen.
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Weitergehende Erkenntnisse hat der Senat auch nicht durch die Vernehmung des
vom Kläger benann-ten Zeugen Dr. J. gewinnen können, der den Kläger im
Krankenhaus B. behandelt hat. Der Zeuge hatte an den Kläger und die Umstände
seiner Behandlung keine Erinnerung mehr.
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Daß das Verhalten des Klägers sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht
als grob fahrläs-sig einzustufen ist, hat bereits das Landgericht zutreffend festgestellt.
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Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises ist davon auszugehen, daß die ganz
erheblich überhöhte Geschwindigkeit des Klägers ursächlich dafür gewe-sen ist, daß
er die Verkehrssituation bei Auftau-chen des Wildschweins im Scheinwerferlicht nicht
mehr beherrscht hat und bei seinem Brems- und Aus-weichmanöver ins Schleudern
und in die Leitplanken geraten ist. Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast,
daß der Unfall bei einem nicht grob fahrlässigen Verhalten ebenfalls eingetreten
wäre (vgl. Prölss/Martin VVG, 25 Aufl. Anm. 6 zu § 61). Das Vorbringen in der
Berufungsbegründung, der Kläger hätte in gleichem Umfang die Beherrschung über
sein Fahrzeug verloren und wäre gegen die Leitplanke geprallt, wenn er (statt mit 170
bis 180 km/h) nur mit zulässigen 100 km/h gefahren wä-re, ist mangels näherer
Substantiierung eine nicht nachvollziehbare Unterstellung und gibt keinen Anlaß zur
Einholung des beantragten Sachverständi-gengutachtens.
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2.
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Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt des
Rettungskostenersatzes gemäß §§ 62 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 1 Satz 1 VVG gerecht-
fertigt.
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Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, bei dem Eintritt des Versicherungsfalles
nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen.
Aufwendungen, die er gemäß § 62 VVG macht, fallen, auch wenn sie erfolglos
bleiben, dem Ver-sicherer zur Last, soweit der Versicherungsnehmer sie den
Umständen nach für geboten halten durfte. Die in § 62 Abs. 1 Satz 1 VVG normierte
Rettungs-pflicht des Versicherungsnehmers setzt nicht vor-aus, daß der
Versicherungsfall bereits eingetreten ist. Es genügt vielmehr, daß er unmittelbar
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bevor-steht. Das ergibt sich daraus, daß der Versiche-rungsnehmer schon "bei" dem
Eintritt des Versiche-rungsfalles für die Abwendung und Minderung des Schadens
tätig werden soll, also nicht erst nach dem Eintritt des Versicherungsfalles. Im Bereich
der Kraftfahrtversicherung bedeutet § 7 AKB dabei keine Abänderung der gesetzlich
geregelten Ret-tungspflicht. Allein daraus, daß in § 7 I Abs. 2 AKB und in der
Überschrift dazu nur Obliegenheiten "im" Versicherungsfall erwähnt werden, kann
eine Änderung der gesetzlichen Regelung der §§ 62, 63 VVG nicht entnommen
werden (vgl. BGH r + s 91, 116, 117 = VersR 91, 459).
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Vorliegend kommt ein Rettungskostenersatzanspruch des Klägers wegen seines
grob fahrlässigen Verhal-tens jedoch nicht in Betracht. Ersatzfähig sind nur die
Rettungskosten, die der Versicherungsneh-mer für geboten halten durfte, wobei ihm
grob fahrlässiges Verhalten schadet (vgl. Prölss/Martin a.a.O. Anm. 2 a zu § 63). Im
Streitfall hat der Kläger - wie unter 1. dargelegt - den Versiche-rungsfall grob
fahrlässig herbeigeführt, so daß die Beklagte insgesamt leistungsfrei ist.
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3.
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Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer des Klägers: 52.500,--
DM.
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