Urteil des OLG Köln vom 26.07.1993

OLG Köln (versammlung, zahl, teilnahme, verhandlung, sache, zutritt, begriff, einladung, teil, verteilung)

Oberlandesgericht Köln, Ss 307/93 - 149 -
Datum:
26.07.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 307/93 - 149 -
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die
Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die
Ko-sten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bonn
zurückverwie-sen.
G r ü n d e
1
2
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag wie folgt begründet:
3
4
5
Die formell nicht zu beanstandende Revision der Angeklagten, mit der die
Verletzung des materiellen Rechts gerügt wird, hat (vorläu-fig) Erfolg.
6
7
8
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zu-lässigkeit des Bannmeilengesetzes
sind aller-dings nicht ersichtlich (Maunz-Dürig, Art. 8, Rdn. 114; OLG Köln,
Beschluß vom 18. Mai 1993 - Ss 188/93 -). Es schränkt in sachlich be-gründeter und
nicht gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit verstoßender Weise die
Grundrechte der Versammlungs- und Meinungs-freiheit ein (§ 1 Bannmeilengesetz
des Bun-des vom 6. August 1955 i.V.m. §§ 16 Abs. 1, Abs. 2, 20
Versammlungsgesetz).
9
10
11
Auch die Auffassung der Revision, ein Bun-destagsabgeordneter könne nicht Täter
einer Bannkreisverletzung im Sinne des § 106 a StGB sein, geht fehl. Der Wortlaut
12
dieser Vor-schrift sieht Ausnahmen irgendwelcher Art nicht vor.
13
14
Sie wären auch nicht gerechtfertigt. Der Sta-tus des Bundestagsabgeordneten gibt
diesem das Recht, durch Äußerungen und Anträge in den dafür vorgesehenen
verfassungsmäßigen Gremien auf deren Meinungsbildung Einfluß zu nehmen. Ein
darüber hinausgehendes Bedürfnis, Kundge-bungen von Abgeordneten innerhalb
der Bannmei-le aus verfassungsrechtlichen Gründen zuzulas-sen, ist nicht
erkennbar.
15
16
17
Die Feststellungen des angefochtenen Urteils sind jedoch in tatsächlicher Hinsicht
unvoll-ständig (§ 267 StPO) und so nicht geeignet, den Schuldspruch zu tragen.
18
19
20
Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegan-gen, daß die Angeklagte an einer
Versammlung teilgenommen hat (zum Begriff der Versammlung vgl. SenE a.a.O.
m.w.N.). Die Feststellungen lassen aber nicht erkennen, daß die Angeklagte an
einer öffentlichen Versammlung teilgenommen hat. Öffentlich ist eine Versammlung,
wenn der Zutritt zu ihr nicht auf einen individuell bezeichneten Personenkreis
beschränkt, sondern grundsätzlich jedermann gestattet ist, ohne Rücksicht darauf,
ob die Einladung zur Teil-nahme an der Versammlung eingeschränkt war oder nicht
(BayObLGSt 1965, 155, OLG Köln a.a.O.). Es muß die den Teilnehmern bewußte
Möglichkeit bestehen, daß individuell nicht bestimmte Menschen in unbegrenzter
Zahl an der Versammlung teilnehmen können (OLG Köln MDR 1980, 1040).
21
22
23
Ob jedermann die Teilnahme an der Aktion gestattet war und ob sich die
Angeklagte bewußt war, daß individuell nicht bestimmte Menschen in unbegrenzter
Zahl daran teilnehmen könnten, hat das Amtsgericht nicht erörtert, obwohl sich dies
aufdrängte. "Auf der Grundla-ge der bisher getroffenen Feststellungen ist nicht
auszuschließen, daß nur einige gleichge-sinnte Abgeordnete durch Verteilung von
Druck-schriften und durch Plakate vor dem Kanzleramt Anwesende über ihre
Haltung zur Asylfrage un-terrichten wollten, ohne daß sie die Teilnahme anderer
Personen wünschten oder sich der Mög-lichkeit bewußt waren, individuell nicht be-
stimmte Menschen könnten daran teilnehmen" (zu vgl. SE vom 18. Mai 1993 - Ss
188/93 -).
24
25
26
Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß dazu noch Feststellungen getroffen
werden können, ist die Sache zur erneuten Verhandlung zurück-zuverweisen.
27
28
Dem stimmt der Senat zu.
29