Urteil des OLG Köln vom 20.07.1993

OLG Köln (land, zpo, sohn, offenkundig, beschwerde, auszahlung, rechtsnachfolge, ausfertigung, öffentlich, zahlung)

Oberlandesgericht Köln, 25 WF 79/93
Datum:
20.07.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 WF 79/93
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 324 F 99/83
Tenor:
Die als Beschwerde geltende Erinnerung des Landes Nordrhein-
Westfalen gegen den Beschluß der Rechtspflegerin des Amtsgerichts -
Familiengericht - Köln vom 22. Januar 1993 wird zurückgewiesen. Die
Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt das Land Nordrhein-Westfalen.
G r ü n d e
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Der Antragsgegner ist der eheliche Vater des am 28. Dezember 1969 geborenen
Studenten Peter Z. Er hat am 7. März 1985 vor dem Amtsgericht - Familiengericht -
Köln mit seiner Ehefrau einen Prozeßvergleich abgeschlossen, in welchem er sich
unter anderem verpflichtet hat, an diese für den gemeinsamen Sohn Unterhalt zu
zahlen in Höhe von monatlich 520,00 DM. Der nunmehr volljährige Sohn des
Antragsgegners hat inzwischen ein Studium be-gonnen, BAföG-Leistungen beantragt
und solche auch bewilligt bekommen. Mit Rücksicht hierauf hat das Land Nordrhein-
Westfalen beantragt, ihm wegen der monatlichen Beträge von 520,00 DM für die Zeit
von November 1990 bis September 1992, insgesamt wegen eines Betrages von
11.960,00 DM, eine vollstreckba-re Teilausfertigung des erwähnten
Prozeßvergleiches zum Zwecke der Zwangsvollstreckung zu erteilen. Zur
Begründung dieses Antrages hat es - jeweils in öffentlich beglaubigter Ablichtung -
zwei Bewilli-gungsbescheide, zwei an den Antragsgegner gerichte-te
Übergangsanzeigen und die beiden zu diesen gehö-renden Zustellungsurkunden
vorgelegt.
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Mit Beschluß vom 22. Januar 1993 hat die Rechts-pflegerin des Amtsgerichts -
Familiengericht - Köln den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, die
Rechtsnachfolge sei weder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden
nachgewiesen noch offenkundig. Gegen diese Entscheidung hat das Land
Nordrhein-Westfalen am 3. April 1993 Erinnerung eingelegt, ihr haben die
Rechtspflegerin und der zuständige Abteilungsrichter, dieser gemäß seiner
Verfügung vom 14. April 1993, nicht abgeholfen.
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Die Beschwerde ist zulässig. Die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung ist in
den Fällen von § 727 ZPO dem Rechtspfleger übertragen, § 20 Ziff. 12 RpflG. Gegen
seine Entscheidung ist die Erinnerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RpflG gegeben. Sie
gilt, nachdem weder der Rechtspfleger noch der Richter der Erinnerung abgeholfen
haben, als Beschwerde gegen die vom Rechtspfleger erlassene Entscheidung, § 11
Abs. 2 Satz 5 RpflG.
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Die als Beschwerde geltende Erinnerung des Landes Nordrhein-Westfalen ist aber
nicht begründet. Die Rechtspflegerin hat den Antrag auf Erteilung einer
vollstreckbaren Ausfertigung mit Recht zurückgewie-sen, weil, wie sie zutreffend
ausgeführt hat, die Rechtsnachfolge weder bei dem Gericht offenkundig noch durch
öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen worden ist.
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Hat ein Auszubildender für die Zeit, für die ihm Ausbildungsförderung nach den
Bestimmungen des BAföG gezahlt wird, nach bürgerlichem Recht einen
Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern, so geht dieser mit der Zahlung bis zur Höhe
der geleisteten Aufwendungen auf das Land über, § 37 Abs. 1 BAföG. Maßgebendes
Faktum für den Rechtsübergang ist nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung die
Zahlung, sie ist der Umstand, der kraft Gesetzes zum Übergang des
Unterhaltsanspruches des Auszu-bildenden gegen seine Eltern auf das Land führt.
Die Bewilligung von BAföG-Leistungen ist hier nicht maßgebend, ebensowenig eine
Übergangsanzeige, wie das Land Nordrhein-Westfalen sie dem Antragsgegner
zugestellt hat. Die gesetzliche Ausgestaltung des Rechtsüberganges unterscheidet
sich damit etwa von derjenigen gem. §§ 90 ff. BSHG, dort kommt es nicht schon allein
durch die Gewährung von Sozial-hilfeleistungen zu einem Rechtsübergang, bedarf
es vielmehr einer Überleitungsanzeige. Der so beschaffenen gesetzlichen Regelung
trägt das Land Nordrhein-Westfalen im Text der dem Antragsgeg-ner zugestellten
Übergangsanzeigen übrigens auch durchaus Rechnung, heißt es in ihnen doch unter
anderem: "Nachdem dem genannten Auszubildenden Ausbildungsförderung...
gewährt worden ist, ist dessen Unterhaltsanspruch gegen Sie... gem. § 37 Abs. 1
BAfög auf das Land Nordrhein-Westfalen über-gegangen".
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Nach dem Vorgesagten kommt die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nach
§ 727 ZPO also nur dann in Betracht, wenn die die Rechtsnachfolge auslösende
Zahlung der BAföG-Leistungen an den Sohn des Antragsgegners bei Gericht
offenkundig oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Ur-kunden
nachgewiesen worden ist. Das aber ist nicht geschehen.
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Darauf, daß die Zahlungen urkundlich nachgewiesen worden seien, beruft das Land
Nordrhein Westfallen sich selbst nicht. Und die Auffassung, ein "Fall der
offenkundigen Rechtsnachfolge" sei "hier gege-ben, da durch Einreichung der
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beglaubigten Kopien der Bewilligungsbescheide sowie der Übergangsan-zeigen und
Zustellungsurkunden in Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung des § 37
BAföG der Offenkundigkeitsnachweis im Sinne von § 291 ZPO gegeben" sei, hat die
Rechtspflegerin mit Recht zurückgewiesen. Offenkundig im Sinne von § 291 ZPO
und § 727 ZPO ist eine Tatsache zunächst dann, wenn sie allgemeinkundig ist.
Allgemeinkundig sind aber nur solche Tatsachen, die entweder allgemein verbreitet
sind, ein allgemein anerkanntes Wissen enthalten, oder solche Tatsachen, die von so
vielen Personen wahrgenommen sind oder wahrgenommen werden können, daß es
auf die Kenntnis eines Einzelnen nicht ankommt (vgl. z.B. OLG Karlsruhe FamRZ
1987, 852 (853) m.w.N.). Daß BAföG-Zahlungen an den Sohn des Antragsgegners in
diesem Sinne nicht allge-meinkundig sind, bedarf keiner näheren Darlegung.
Offenkundig im Sinne der hier in Rede stehenden Bestimmungen sind darüber
hinaus auch gerichtsbe-kannte Tatsachen, also solche, die dem jeweiligen
Rechtspflegeorgan aus seiner amtlichen Tätigkeit, etwa aus früheren
Rechtsstreitigkeiten oder einem früher eingeholten Sachverständigengutachten, be-
kannt sind (vgl. z.B. Baumbach-Lauterbach Anm. 1 B zu § 291 m.w.N.). Auch das
aber ist hier nicht der Fall. Woher das Gericht Kenntnis davon haben soll, daß an den
Sohn des Antragsgegners BAföG-Leistungen gezahlt worden sind, gar in welcher
Höhe und zu welcher Zeit, ist nicht ersichtlich.
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Das Vorbringen des Landes Nordrhein-Westfalen läuft im Ergebnis darauf hinaus,
daß aus der Bewilligung bestimmter BAföG-Leistungen als mehr oder minder
selbstverständlich auch auf deren Auszahlung geschlossen werden soll. Das aber
hat mit Offenkun-digkeit nichts zu tun. Das Land Nordrhein-Westfalen hat schon im
Verfahren vor dem Familiengericht und erneut im Rahmen seiner Beschwerdeschrift
dar-gelegt, daß Zuständigkeiten und Verwaltungsverfah-ren im Zusammenhang mit
der Bearbeitung von BAföG-Anträgen durch Verwaltungsvorschriften im einzelnen
geregelt sind. Die so vorgegebenen Verwaltungs-abläufe mögen, davon kann
ausgegangen werden, in aller Regel dazu führen, daß ein Auszubildender eine
BAföG-Leistung, wenn sie ihm bewilligt worden ist, auch erhält. Die betreffenden
Verfahren und Abläufe sind aber weder allgemein noch gerichts-bekannt. Im übrigen
ist hier darauf hinzuweisen, daß das Gesetz selbst nicht die Bewilligung einer BAföG-
Leistung, sondern die Auszahlung als die den Rechtsübergang auslösende Tatsache
festgelegt hat. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß schon der
Bewilligungsbescheid die den Rechtsübergang rechtfertigende Tatsache wäre und
die nachfolgende Auszahlung allenfalls noch Bedeutung für den Umfang der kraft
Gesetzes übergehenden Unterhaltsansprüche hätte, dann hätte nichts näher
gelegen, als eine entsprechende Regelung zu treffen.
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Insgesamt kann danach davon, daß die Auszahlung der BAföG-Leistungen an den
Sohn des Antragsgegners offenkundig, gem. § 727 ZPO eine vollstreckbare
Ausfertigung zu erteilen sei, keine Rede sein (im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe
FamRZ 1981, 72 und a.a.O.; OLG Stuttgart FamRZ 1987, 82 = NJW-RR 1986, 1504
m.w.N.; MünchKomm.-ZPO-Wolfsteiner Rn. 47 zu § 727; Stein-Jonas-Münzberg Rn.
37 zu § 727; Zöller-Stöber Rn. 21 zu § 727 (alle mit weiteren Nachweisen)).
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Der Senat hat den Antrag des Landes Nordrhein- Westfalen dem Antragsgegner zur
Kenntnis und etwaigen Stellungnahme zugeleitet, er hat sich aber nicht geäußert.
Hieraus ergibt sich für das Land Nordrhein-Westfalen keine Besserstellung, denn im
Klauselerteilungsverfahren und nach § 727 ZPO ist § 138 Abs. 3 ZPO nicht, auch
nicht rechtsähnlich, anwendbar (vgl. OLG Nürnberg MDR 1993, 685 m.w.N., auch zur
Gegenmeinung).
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Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß auch keine erkennbare
Notwendigkeit besteht, auf den Nachweis der Zahlung zu verzichten. Es mag sein,
daß die Bearbeitung von BAföG-Anträgen innerhalb der Verwaltung des Landes
Nordrhein-Westfalen in einzelnen Abschnitten verschiedenen Dienststellen obliegt.
Es ist aber nicht ersichtlich, wieso es dem Land Nordrhein-Westfalen etwa unmöglich
sein soll, die Auszahlung bestimmter BAfög-Leistungen nachzuweisen. Andernfalls
wäre jeder BAföG-Bezieher versucht und in der Lage, mit der Behauptung, er habe
die ihm bewilligten Leistungen noch nicht er-halten, immer wieder erneut Zahlungen
zu verlangen - was sicherlich nicht der Fall ist -.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Gebührenstreitwert für die als Erinnerung geltende Beschwerde: 11.960,00 DM
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