Urteil des OLG Köln vom 15.05.1998

OLG Köln (treu und glauben, vertragsstrafe, wirtschaftliches interesse, agb, höhe, gesetz, anlage, allgemeine geschäftsbedingungen, subunternehmer, interesse)

Oberlandesgericht Köln, 19 U 25/98
Datum:
15.05.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 25/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 85 0 116/97
Schlagworte:
Vertragsstrafenregelung AGB
Leitsätze:
1) Eine Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG findet auch bei im
vollkaufmännischen Geschäftsverkehr verwendeten
Vertragsstrafenklauseln statt. 2) Zur Frage, ob eine in Form eines zeitlich
beschränkten Wettbewerbsverbots geregelte nachvertragliche
Kundenschutzklausel den Vertragspartner des Klauselverwenders
entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteiligt. 3) Eine in Höhe von 50.000,00 DM formularmäßig
ausbedungene Vertragsstrafe ist unter Berücksichtigung ihrer
Druckfunktion nicht unangemessen hoch, wenn der Klauselverwender
ein erhebliches wirtschaftliches Interesse daran hat, daß der von ihm zur
Erledigung eines Auftrags als Subunternehmer eingeschaltete
Vertragspartner den Kunden, bei dem weitere Großprojekte anstehen,
nicht abwirbt. Der Eintritt eines konkreten Wettbewerbsnachteils muß
nicht Voraussetzung für die Verwirkung der Vertragsstrafe sein. 4) § 343
BGB ist auf Individualvereinbarungen, nicht dagegen auf
Vertragsstrafenklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
zugeschnitten, die der Inhaltskontrolle nach dem AGBG unterliegen.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Köln vom 21. Oktober 1997 - 85 0
116/97 - wird auf ihre Kos-ten zurückgewiesen. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
2
Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe
von 50.000,-- DM nebst Verzugszinsen ab Rechtshängigkeit an die Klägerin verurteilt.
Der Anspruch ergibt sich aus § 339 Satz 2 BGB i. V. m. § 10 Ziffern 1 und 4 des
Subunternehmervertrages vom 13./27.06.1994 und Ziffern 6.2. und 7. der von den
Parteien am 29.01./02.02.1996 unterzeichneten Anlage A zu diesem Vertrag.
3
1.
4
Die in den genannten Vertragsbestimmungen enthaltene Vertragsstrafenklausel ist
entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach den Vorschriften des AGB-Gesetzes
unwirksam.
5
a)
6
Es ist davon auszugehen, daß es sich bei den maßgeblichen Bestimmungen im
Subunternehmervertrag und der ergänzenden Anlage A um von der Klägerin bei
Vertragsschluß gestellte und für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte
Vertragsbedingungen handelt, mithin um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne
von § 1 AGB-Gesetz. Dies stellt sie auch nicht in Abrede. Es ist nicht ersichtlich, daß
auch die Beklagte hinsichtlich des Vertragsinhalts Gestaltungsspielraum zur Wahrung
eigener berechtigter Interessen gehabt hätte, es ihr also möglich gewesen wäre, die
inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen, insbesondere hinsichtlich der
Voraussetzungen und der Höhe der Vertragsstrafe, zu beeinflussen (vgl. hierzu etwa
BGH NJW 1977, 624, 625; BGHZ 85, 305, 308).
7
b)
8
Da die Parteien als Handelsgesellschaften gem. § 6 Abs. 1 HGB Vollkaufleute sind und
der Subunternehmervertrag nebst ergänzender Anlage A zum Betrieb ihres jeweiligen
Handelsgewerbes gehörte, beurteilt sich die Frage der Wirksamkeit der
Vertragsstrafenklausel nicht nach § 11 Nr. 6 AGB-Gesetz (§ 24 Satz 1 Nr. 1 AGB-
Gesetz). Die Klausel unterliegt jedoch der Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz. Denn
eine solche Kontrolle findet auch bei im kaufmännischen Geschäftsverkehr verwendeten
Vertragsstrafenklauseln statt, wird insbesondere nicht durch §§ 348, 351 HGB verdrängt,
wonach eine Vertragsstrafe, die von einem (Voll-)Kaufmann im Betrieb seines
Handelsgewerbes versprochen ist, nicht aufgrund der Vorschriften des § 343 BGB
herabgesetzt werden kann (§ 24 Satz 2 AGB-Gesetz; vgl. hierzu BGH NJW-RR 1990,
1076, 1077 m. N.; WM 1992, 2104, 2108; Canaris, Handelsrecht, 22. Aufl., § 24 Anm. I 1.
a); Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 348 Rdnr. 5, 7).
9
Eine im Sinne von § 9 AGB-Gesetz gegen die Gebote von Treu und Glauben
verstoßende Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders kann dabei
auch in der unangemessenen Höhe der Vertragsstrafe liegen (vgl. BGH NJW 1988,
1373, 1374; BGH NJW-RR 1990, 1076, 1077 m. w. N.).
10
c)
11
Im vorliegenden Fall ist die mit 50.000,-- DM vereinbarte Vertragsstrafe jedoch weder
unangemessen hoch noch benachteiligen die mit ihr im Zusammenhang stehenden
einschlägigen Kundenschutzbestimmungen die Beklagte in sonstiger Weise entgegen
den Geboten von Treu und Glauben.
12
aa)
13
Gemäß § 10 Ziffer 1 des als Rahmenvertrag ausgestalteten Subunternehmervertrages
war die Beklagte verpflichtet, der Klägerin gemäß Ziffer 6 der Anlage A Kundenschutz
einzuräumen. Die maßgebliche Kundenschutzklausel, auf die die Klägerin ihr
Zahlungsbegehren im Ausgangspunkt stützen kann, findet sich in Ziffer 6.2. der Anlage
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A. Danach war die Beklagte verpflichtet, für die Dauer von 9 Monaten nach Beendigung
des auf die speziell auf die B. AG bezogenen Einzel-Subunternehmerauftrags keine
Projekte und keine Tätigkeit für diese Firma zu übernehmen bzw. aufzunehmen; dies
galt sowohl für mittelbare als auch für unmittelbare, den Geschäftskreis der B. AG
betreffende Aktivitäten. Diese Regelung stellt sich ihrem Inhalt nach als
nachvertragliche Kundenschutzklausel in Form eines zeitlich beschränkten
Wettbewerbsverbots dar. Sie benachteiligt die Beklagte nicht in unangemessener Weise
entgegen den Geboten von Treu und Glauben und ist damit wirksam.
Fehl geht zunächst der Einwand der Beklagten, die in dieser Klausel enthaltene
Unterlassungsverpflichtung sei mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam, weil in
völlig unspezifizierter Art und Weise die Kontaktaufnahme mit der B. AG untersagt
werde. Die Klausel ist vielmehr insoweit klar und eindeutig, als sie die Verpflichtung
enthält, für die Dauer von 9 Monaten nach Vertragsende jegliche Tätigkeit mittelbarer
oder unmittelbarer Natur für die B. AG zu unterlassen. Die Gefahr, daß diese Regelung
von der Beklagten hätte mißverstanden werden können, besteht nicht.
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Die Klausel beinhaltet auch weder in zeitlicher noch in gegenständlicher Hinsicht eine
unangemessene Beschränkung der Berufsausübung der Beklagten. Die Klägerin hat
ein anerkennenswertes Bedürfnis zu verhindern, daß ein von ihr eingeschalteter
Subunternehmer nach Beendigung dieser Tätigkeit zu ihr in der Weise in Konkurrenz
und Wettbewerb tritt, daß er einen ihrer Auftraggeber als Kunden abwirbt, zu dem er
selbst nur aufgrund seiner Einschaltung als Subunternehmer durch die Klägerin
Verbindung gewinnen konnte. Die Klausel dient damit dem Schutz der wirtschaftlichen
Interessen der Klägerin. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann es dabei keinen
Unterschied machen, ob der Subunternehmer nach Beendigung des konkreten
Vertragsverhältnisses für den betreffenden Kunden lediglich im Rahmen eines Auftrags
geringeren Volumens tätig wird, den die Klägerin möglicherweise persönlich nicht
übernommen hätte. Schutzwürdig ist vielmehr auch bereits das Interesse der Klägerin
an einer dauerhaften Geschäftsbeziehung zu einem von ihr gewonnenen Kunden, in
deren Rahmen es ihr unbenommen sein soll zu entscheiden, ob sie künftige kleinere
Aufträge selbst übernimmt bzw. wieder durch einen Subunternehmer ausführen läßt. Die
in Ziffer 6.2. der Anlage A enthaltene Kundenschutzklausel stellt keine unzulässige über
die schützenwerten Interessen der Klägerin hinausgehende Beschränkung der
Berufsausübung der Beklagten dar. Der gegenständliche Bereich des
Wettbewerbsverbots ist insoweit eng auf jeweils nur den konkreten Auftraggeber
begrenzt, in dessen Betrieb die Beklagte als Subunternehmerin tätig war. Der Zeitraum
von 9 Monaten, für den die Beschränkung der Berufsausübung gelten soll, ist als
angemessen anzusehen. Er berücksichtigt das berechtigte Interesse der Klägerin an der
Fernhaltung der Beklagten und schränkt diese in ihrer wirtschaftlichen
Bewegungsfreiheit nicht unbillig ein. Die Kundenschutzklausel läuft nämlich nicht auf
eine vollständige Ausschaltung der Beklagten als Wettbewerber für den betreffenden
Zeitraum hinaus (vgl. zum Ganzen BGHZ 91, 1, 6/7).
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bb)
17
Die gemäß § 10 Ziffer 4 des Rahmenvertrages in Verbindung mit Ziffer 7 der
ergänzenden Anlage A für das konkrete Vertragsverhältnis formularmäßig
ausbedungene Vertragsstrafe von 50.000,-- DM ist entgegen der Ansicht der Beklagten
auch nicht unangemessen hoch mit der Folge, daß ihre Vereinbarung gemäß § 9 AGB-
Gesetz insgesamt unwirksam wäre (vgl. hierzu BGHZ 85, 305, 314/315; BGH NJW-RR
18
1990, 1076, 1077).
Zweck und Zielrichtung einer Vertragsstrafe liegt zum einen darin, dem Gläubiger im
Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung ohne
Einzelnachweis zu eröffnen, zum anderen aber auch darin, einen wirkungsvollen Druck
auf den Schuldner auszuüben, um diesen zur ordnungsgemäßen Erbringung der
versprochenen Leistung anzuhalten (vgl. BGHZ 85, 305, 312/313 m. N.; BGH NJW
1984, 919, 920 m. N.; BGH NJW-RR 1990, 1076, 1077 m. N.). Da die Druckfunktion der
Vertragsstrafe nicht der bloßen Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Gläubigers
losgelöster Geldforderungen dienen soll, muß ihre Höhe in einem vernünftigen
Verhältnis zum möglichen Schaden stehen (vgl. BGHZ 85, 305, 313/314). Bei der
Beurteilung der Angemessenheit der Höhe ist unter Anlegung eines generellen
überindividuellen Maßstabes (vgl. BGH NJW-RR 1990, 1076, 1077 m. N.) zu prüfen, ob
berechtigte und schützenswerte Interessen des Gläubigers die Festlegung einer
Vertragsstrafe in der betreffenden Höhe angemessen erscheinen lassen (vgl. BGH NJW
1984, 919, 921).
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Danach ist die ausbedungene Vertragsstrafe von 50.000,-- DM nicht unverhältnismäßig
hoch. Die Klägerin hat vielmehr ein anerkennens- und schützenswertes Interesse an
einer hohen Vertragsstrafenverpflichtung der Beklagten. Die Beklagte trägt selbst vor,
daß bei der B. AG zwei EDV-Großprojekte in Millionenhöhe anstehen bzw. ins Auge
gefaßt sind, für die u.a. die Klägerin als potentielle Auftragnehmerin in Betracht kommt
oder jedenfalls kam. Deshalb hatte die Klägerin ein erhebliches wirtschaftliches
Interesse daran, daß ihr geschäftlicher Kontakt zu der B. AG in Zukunft nicht dadurch
beeinträchtigt oder gefährdet würde, daß die Beklagte selbst unter Umgehung der
Klägerin den allein durch ihre Einschaltung als Subunternehmerin hergestellten Kontakt
zur B. AG zum Abschluß eigener Verträge mit dieser ausnutzen und damit in
unmittelbaren Wettbewerb zu ihr treten würde. Eine solche Wettbewerbssituation ist
entgegen der Ansicht der Beklagten auch und insbesondere dann zu bejahen, wenn sie
lediglich Aufträge kleineren Umfangs übernahm, die aber jedenfalls in den
Tätigkeitsbereich der Klägerin fielen und die diese im Interesse einer Aufrechterhaltung
und Pflege der Geschäftsbeziehung zur B. AG auch selbst hätte übernehmen und
wiederum durch Einschaltung von Subunternehmern hätte ausführen können. Deshalb
ist es unerheblich, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, der von ihr übernommene
Auftrag der B. AG habe mit den beiden von dieser ausgeschriebenen
Großentwicklungsprojekten nichts zu tun, sondern lediglich die Installation und
Konfiguration einer bereits vorhandenen Software, also eine einfache administrative
Tätigkeit zum Gegenstand gehabt. Bezeichnenderweise hat sich die Beklagte zu der
Höhe der Vergütung, die sie für diese "niederen" Arbeiten erhalten hat bzw. erhalten
soll, erst auf den Hinweis des Senats im Verhandlungstermin mit Schriftsatz vom
28.04.1998 geäußert. Daraus geht hervor, daß sie der B. AG für Tätigkeiten im Zeitraum
vom 11.09. bis zum 08.11.1996 immerhin rund 41.000,00 DM in Rechnung gestellt hat.
Ein Beweisantritt fehlt.
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Angesichts der in Frage stehenden erheblichen wirtschaftlichen Interesses der Klägerin
ist es für die Beurteilung der Angemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe unerheblich,
daß die Regelung in § 10 Nr. 4 des Rahmenvertrages in Verbindung mit Ziffer 7 der
Anlage A nicht auf den Erfolg oder das Ausmaß der Gefährdung im einzelnen
Zuwiderhandlungsfall abstellt. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sich die
Höhe der Vertragsstrafe auch nicht an der Vergütung von brutto 41.400,-- DM zu
orientieren, die sie im Rahmen des die B. AG betreffenden Subunternehmer-
21
Einzelvertrags von der Klägerin erhalten hat.
Ein wirksamer Schutz der erheblichen wirtschaftlichen Interessen der Klägerin war
vielmehr nur bei Festlegung einer spürbaren Vertragsstrafe zu erwarten. Ein Betrag von
50.000,-- DM erscheint deshalb nicht als unangemessen hoch. Im übrigen zeigt die
tatsächliche Entwicklung, daß nicht einmal dieser Betrag als Druckmittel ausgereicht
hat, die Beklagte davon abzuhalten, unter Ausnutzung des mit Hilfe der Klägerin
begründeten Kontakts zu der B. AG mit dieser unmittelbar Geschäfte abzuwickeln.
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Ob das Verhalten der Beklagten im Ergebnis tatsächlich zu einem wirtschaftlichen
Schaden der Klägerin geführt hat oder noch führen wird, spielt für die Frage der
Angemessenheit der Vertragsstrafenhöhe keine Rolle (vgl. BGH NJW 1984, 919, 921).
23
cc)
24
Die formularmäßige Vertragsstrafenregelung verstößt auch nicht aus anderen Gründen
gegen § 9 AGB-Gesetz. Insbesondere weicht sie nicht von dem auch im
kaufmännischen Verkehr geltenden Rechtsgedanken des § 340 Abs. 2 BGB ab, wonach
Schadensersatz wegen Nichterfüllung und eine ausbedungene Vertragsstrafe nicht
kumulativ nebeneinander gefordert werden können (vgl. BGHZ 63, 256, 258; BGH NJW
1992, 1096, 1097; Canaris a.a.0.). Denn § 10 Ziffer 4 des Subunternehmervertrages
enthält im zweiten Halbsatz die Regelung, daß (lediglich) die Geltendmachung eines
die Vertragsstrafe übersteigenden Schadensersatzanspruches vorbehalten bleibt. Dies
steht in Einklang mit § 340 Abs. 2 Satz 2 BGB.
25
2.
26
Die Beklagte hat die wirksam versprochene Vertragsstrafe gemäß § 339 Satz 2 BGB in
Verbindung mit § 10 Ziffer 4 des Subunternehmervertrags verwirkt, indem sie der in § 10
Ziffer 1 des Vertrags in Verbindung mit Ziffer 6.2. der Anlage A übernommenen
Unterlassungsverpflichtung zuwidergehandelt hat, innerhalb von 9 Monaten nach
Beendigung des betreffenden Subunternehmervertrags eine Tätigkeit für die B. AG
aufzunehmen. Daß diese Zuwiderhandlung schuldhaft (vgl. zu diesem Erfordernis BGH
NJW 1972, 1893, 1895; LG Berlin NJW 1996, 1142) erfolgt ist, kann angesichts des
klaren und unmißverständlichen Wortlauts der betreffenden Kundenschutzklausel
keinen ernsthaften Bedenken unterliegen , wird auch von der Beklagten nicht in Abrede
gestellt. Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, daß eine vorsätzliche
Zuwiderhandlung zu bejahen ist.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten spielt es für den Anspruch keine Rolle, ob ihre trotz
des Versprechens begangene Handlung zu einer konkreten Gefährdung oder gar
Schädigung der wirtschaftlichen Interessen der Klägerin geführt hat. Die Auslegung der
Regelungen in § 10 Nr. 4 des Subunternehmervertrages und in Ziffer 6.2. der Anlage A
ergibt nicht, daß die Beklagte ausnahmsweise nur bei einer konkreten Gefährdung oder
Schädigung von Interessen der Klägerin zur Zahlung der Vertragsstrafe verpflichtet sein
sollte. Dies läßt sich insbesondere auch nicht aus der Höhe der versprochenen Strafe
herleiten, denn nach dem eindeutigen Wortlaut der Kundenschutzklausel und der
Unterwerfungserklärung sollte die Vertragsstrafe schon allein bei Aufnahme einer
Tätigkeit der Beklagten für die B. AG innerhalb eines Zeitraums von 9 Monaten nach
Beendigung des betreffenden Subunternehmervertrages verwirkt sein. Die
Vereinbarung stellte somit ersichtlich nicht auf den Erfolg oder das Ausmaß der
28
Gefährdung im einzelnen Verletzungsfall ab. Vielmehr sollte sie in ihrer Funktion als
Druckmittel der Klägerin bereits einen in das Stadium vor Eintritt eines konkreten
Wettbewerbsnachteils vorverlegten vorbeugenden und deshalb besonders wirksamen
Schutz ihrer wirtschaftlichen Interessen verschaffen (vgl. zu einem ähnlich gelagerten
Fall BGH NJW 1984, 919, 920).
3.
29
Die Beklagte kann der Geltendmachung der Vertragsstrafe durch die Klägerin auch
nicht mit Erfolg den Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegenhalten. Zwar kann die
Einforderung einer Vertragsstrafe im Einzelfall gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB)
verstoßen, etwa weil der Gläubiger das die Verwirkung der Strafe auslösende Verhalten
des Schuldners selbst bewußt herbeigeführt hat, was hier nicht der Fall ist. Der von der
Beklagten erhobene Einwand des Rechtsmißbrauchs läßt sich jedoch nicht damit
begründen, durch die Zuwiderhandlung seien die wirtschaftlichen Interessen der
Klägerin weder beeinträchtigt noch konkret gefährdet worden (BGH NJW 1984, 919,
920).
30
4.
31
Schließlich kommt auch die von der Beklagten hilfsweise geltend gemachte
Herabsetzung der Vertragsstrafe auf einen Betrag von 5.000,-- DM bis 10.000,-- DM
nicht in Betracht.
32
Eine Herabsetzung aufgrund der Vorschriften des § 343 BGB scheidet gemäß § 348
HGB aus. Sie würde, da § 343 BGB auf Individualvereinbarungen zugeschnitten ist,
also nicht auf Vertragsstrafeklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die der an
Treu und Glauben orientierten richterlichen Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz
unterliegen, zudem selbst dann nicht in Betracht kommen, wenn § 348 HGB nicht
einschlägig wäre (vgl. BGHZ 85, 305, 314/315; BGH NJW-RR 1990, 1076, 1077).
33
Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht auch nicht die Möglichkeit einer
gerichtlichen Überprüfung und Herabsetzung der Höhe der Vertragsstrafe nach § 315
Abs. 3 Satz 2 BGB. Die von ihr hierzu angeführten Literaturstellen beziehen sich
allesamt auf die hier nicht gegebene Fallkonstellation , daß die Höhe der Vertragsstrafe
noch nicht genau festgelegt, sondern in die Entscheidung des anderen Vertragsteils
oder eines Dritten gestellt ist. Nur dann ist Raum für eine gerichtliche Billigkeitskorrektur
gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.
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Dagegen unterliegt im vorliegenden Fall die Höhe der ausbedungenen Vertragsstrafe
bereits nach § 9 AGB-Gesetz einer richterlichen Inhaltskontrolle, der sie standhält.
35
5.
36
Die Kostentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
37
Das Urteil ist gem. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.
38
Streitwert für das Berufungsverfahren
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und Wert der Beschwer der Beklagten: 50.000,00 DM.
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