Urteil des OLG Köln vom 15.01.1999

OLG Köln (widerruf des geständnisses, behauptung, geständnis, zpo, höchstgeschwindigkeit, kind, stein, irrtum, unfall, geschwindigkeit)

Oberlandesgericht Köln, 20 U 106/98
Datum:
15.01.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 106/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 4 O 419/97
Schlagworte:
Wirkung prozessual Geständnis
Normen:
ZPO §§ 288, 290
Leitsätze:
1. Haben die Beklagten in erster Instanz zugestanden, daß die zulässige
Höchstgeschwindigkeit am Unfallort 30 km/h beträgt, bedarf es in zweiter
Instanz keiner Beweisaufnahme zu der Richtigkeit ihrer Behauptung, die
zulässige Höchstgeschwindigkeit betrage 50 km/h. 2. Zum Widerruf des
Geständnisses reicht die Vorlage einer Mitteilung des zuständigen
Sraßenverkehrsamtes, die Beschilderung sei nach dem Unfall ergänzt
worden, nicht aus.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25. März 1997 verkündete
Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 4 O 410/97 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsrechtszuges tragen die
Beklagten als Gesamtschuldner. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
1
Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache selbst nicht begründet.
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Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe der
angegriffenen Entscheidung Bezug genommen, die mit der Berufung ohne Erfolg
angegriffen werden.
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Das Landgericht hat, wie die Berufung hervorhebt, seine Entscheidung ganz wesentlich
darauf gestützt hat, dass der Unfall auf einem schuldhaften Verkehrsverhalten des
Beklagten zu 1. beruht, weil er die am Unfallort angeordnete Beschränkung der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h wesentlich überschritten hat. Die dem
erstmals in zweiter Instanz entgegengehaltene Behauptung der Beklagten, zum
Unfallzeitpunkt sei in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1. gesehen die Beschränkung der
höchst zulässigen Geschwindigkeit auf 30 km/h für den Unfallort noch nicht
ausgeschildert gewesen, greift, ohne dass es einer Aufklärung dazu bedarf, nicht durch.
Sie ist verfahrensrechtlich unbeachtlich, weil die Beklagten die Richtigkeit der
anderweitigen Behauptung des Klägers in erster Instanz mit der Wirkung des § 288 ZPO
zugestanden hat.
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Der Kläger hat in diesem Zusammenhang in der Klageschrift (S. 2 = GA 2) vorgetragen,
dass an der Unfallstelle eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h gelte. Zu dieser
ihnen ungünstigen Tatsache haben sich die Beklagten zunächst, in der
Klageerwiderung nicht ausdrücklich geäußert. In ihrer Erwiderung auf die Replik des
Klägers haben sie dann aber mit Schriftsatz vom 30.12.1997 (Seite 2 = GA 33) erklärt,
der Beklagte zu 1. habe nicht damit rechnen müssen, dass ein Kind aus einer
Hauseinfahrt blindlings auf eine Hauptdurchgangsstraße laufe. "Zwar besteht an der
Unfallstelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h; es handelt sich jedoch
nicht um einen verkehrsberuhigten Bereich im Sinne des § 42 Abs. 4 a StVO." Dieses
schriftsätzliche Vorbringen, über das in erster Instanz mündlich verhandelt worden ist,
erfüllt die Voraussetzungen eines Geständnisses im Sinne des § 288 Abs. 1 ZPO (zu
den Voraussetzungen vgl. auch Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 1985, § 288 Rdnr. 5 ff., 9) mit
der Folge, dass die Beweiserhebung über die Richtigkeit der anderweitigen
Behauptung der Beklagten verfahrensrechtlich ausgeschlossen ist (Stein/Jonas aaO,
Rdnr. 19).
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Zunächst ändert der mit dem Geständnis verbundene Zusatz, der Unfallort liege nicht in
einem verkehrsberuhigten Bereich im Sinne des § 42 Abs. 4 StVO, der dessen Inhalt
nicht einschränkt, an der verfahrensrechtlichen Bindungswirkung nichts.
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Die Bindungswirkung des Geständnisses ist auch nicht deshalb entfallen, weil die
Frage der am Unfallort zugelassenen Höchstgeschwindigkeit vor der mündlichen
Verhandlung wieder in Zweifel gezogen worden wäre und die Beklagten sich dies als
einen ihnen günstigen Umstand stillschweigend hätten zu eigen machen können. Dem
Protokoll sind keine dahingehenden konkreten Anhaltspunkte zu entnehmen. Der
Sachverständige H. ist bei seinem mündlich erstatteten Gutachten unter Hinweis auf
seine Kenntnisse vom Unfallort und den dahingehenden Inhalt der polizeilichen
Verkehrsunfallanzeige ebenfalls von einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h
ausgegangen. Dies ist auch von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden.
Danach kommt dem Umstand, dass der erstinstanzlichen Beweisaufnahme keine
mündliche Verhandlung vorangegangen ist, keine weitergehende Bedeutung zu.
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Das Geständnis der Beklagten beruht auch nicht auf einem Irrtum, was, wie die
Beklagten meinen, durch das von ihnen vorgelegte Schreiben des
Straßenverkehrsamtes des Erftkreises vom 08.04.1998 zugleich auch bewiesen sei.
Nach § 290 ZPO verliert das Geständnis seine Wirkung nur, wenn die das Geständnis
widerrufende Partei beweist, dass das Geständnis der Wahrheit nicht entspricht und
durch einen Irrtum veranlaßt ist. Diesen Voraussetzungen genügt die Behauptung der
Beklagten, zum Unfallzeitpunkt sei die zulässige Höchstgeschwindigkeit noch nicht auf
30 km/h beschränkt gewesen, nicht. Selbst wenn man die behauptete Tatsache als
zutreffend unterstellte, begründete dies allein noch nicht die Annahme, dass das
Geständnis durch einen Irrtum veranlaßt worden ist. Zum schlüssigen Vorbringen eines
begründeten Widerrufs gehört vielmehr die Darlegung von Tatsachen, die den
Zugestehenden an der Erkenntnis des wahren Sachverhalts hinderten oder die
unrichtige Darstellung herbeigeführt haben (Stein/Jonas, § 290 Rdnr. 4 m. w. N.). Dazu
ist dem Berufungsvorbringen nichts zu entnehmen. Die Beklagten tragen weder vor,
aufgrund welcher konkreten Umstände sie die streitentscheidende Behauptung des
Klägers zugestanden haben, noch, wessen Erklärung und/oder Erkenntnis - etwa des
Beklagten zu 1., eines Mitarbeiters der Beklagten zu 2. oder deren erstinstanzlichen
Prozeßbevollmächtigten - zu dem Geständnis geführt hat.
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Danach kann offenbleiben, ob die erstmals in zweiter Instanz erhobene Behauptung der
Beklagten zutrifft oder die für die Fahrtrichtung des Beklagten zu 1. bereits vorhandene
Ausschilderung einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h wegen der
Einmündung der Straße am F. später lediglich "ergänzt" worden ist, wie dem Schreiben
der Straßenverkehrsbehörde vom 08.04.1998 zu entnehmen ist.
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Soweit die Beklagten geltend machen, der Unfall sei für den Beklagten zu 1. auch dann
unabwendbar gewesen, wenn er eine Geschwindigkeit von 30 km/h eingehalten hätte,
kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil dann der hier geltend gemachte
Schaden, insbesondere die Schwere der Verletzungen des Kindes nicht eingetreten
wären.
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Das mit der vorstehenden Behauptung verbundene Argument der Beklagten, die
Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um mehr als 60 % sei, wofür sie
darlegungs- und beweisbelastet sind, nicht schadensursächlich geworden, beruht im
übrigen auf der Annahme, dass es auch bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 30
km/h zu einem Kontakt der Karosserie mit dem Kind gekommen wäre. Aber auch dies
steht nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit fest. Der Sachverständige hat in
seinem mündlich erstatteten Gutachten lediglich nicht ausschließen wollen, dass es
noch zu einem sehr geringfügigen Anstoß hätte kommen können, wenn das Kind, der
Bekundung der Zeugin V. folgend, aus der, in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1.
gesehen, zunächst gelegenen Ausfahrt auf die Fahrbahn gelaufen wäre, um sodann die
Straße, in seiner Laufrichtung gesehen, nach links hin in Richtung auf das große Tor
(GA 68 Bild 9) zu überqueren; das Kind dem Fahrzeug gewissermaßen
entgegengelaufen wäre.
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Zur Höhe greift die Berufung das landgerichtliche Urteil nicht an.
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Die Kostentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Berufungsstreitwert und Beschwer der Beklagten:
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(Zur Zahlungsklage: 10.169,90 DM,
16
zur Feststellungsklage: 5.000,00 DM)
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15.169,90 DM.
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