Urteil des OLG Köln vom 06.02.2003

OLG Köln: verlängerung der frist, befristung, hauptsache, wohnung, verkündung, meinung, zutritt, hausfriedensbruch, drohung, verhinderung

Oberlandesgericht Köln, 14 UF 249/02
Datum:
06.02.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
14. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 UF 249/02
Vorinstanz:
Amtsgericht Bergisch Gladbach, 26 F 166/02
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Be-schluss
des Amtsgerichts - Familiengericht - Bergisch Gladbach vom 3.
Dezember 2002 - 26 F 166/02 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass das gegenüber dem Antragsgegner ausgesprochene
Betretungsverbot bis zum 7. März 2003 befristet wird.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Parteien sind Eheleute. Sie haben 3 Kinder im Alter von 15, 12 und 8 Jahren. Die
Ehewohnung steht im Alleineigentum des Antragsgegners. Seit September 2002 lebten
die Parteien innerhalb der Ehewohnung getrennt, wobei allerdings aufgrund der
baulichen Gegebenheiten eine vollständige räumliche Trennung nicht möglich war. Als
die Antragstellerin in der Nacht vom 31.10. zum 1.11.2002 nach einem Besuch in einer
Gaststätte - ihrer im Laufe des Verfahrens korrigierten Darstellung zufolge war sie bei
einem Elternstammtisch gewesen - in die Ehewohnung zurückkehren wollte, gelang es
ihr nicht, die Wohnungstür zu öffnen, weil der Antragsgegner aus Verärgerung über die
Abwesenheit der Antragstellerin den Schlüssel von innen auf dem Türschloss hatte
stecken lassen. Die gemeinsamen Kinder befanden sich zu diesem Zeitpunkt bei einer
Schwester des Antragsgegners. Am 1.11.2002 holte die Antragstellerin einige
Gegenstände bei dem Antragsgegner ab. Ob sie bei dieser Gelegenheit in die
Ehewohnung gelangte, ist nicht geklärt. Am folgenden Tag, dem 2.11.2002, tauschte der
Antragsgegner die Türzylinder an der Wohnungstüre aus. Die Antragstellerin schaltete
am Nachmittag desselben Tages die Polizei ein, die der Antragstellerin Zutritt zu der
Wohnung verschaffte, den Antragsgegner der Wohnung verwies und ihm gegenüber ein
Rückkehrverbot bis zum 12.11.2002 aussprach.
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Die Antragstellerin hat, gestützt auf die Vorschriften des Gewaltschutzgesetzes,
beantragt, dem Antragsgegner für mindestens 3 Monate zu verbieten, die Ehewohnung
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zu betreten. Zugleich hat sie den Erlass einer hierauf gerichteten einstweiligen
Anordnung beantragt.
Das Amtsgericht hat zunächst durch Beschluss vom 7.11.2002 im Wege der
einstweiligen Anordnung ohne mündliche Verhandlung gegen den Antragsgegner ein
Betretungsverbot bis zum 3.12.2002 verhängt. An diesem Tage hat es die einstweilige
Anordnung nach mündlicher Verhandlung durch den jetzt angefochtenen Beschluss
aufrechterhalten und durch weiteren Beschluss vom 17.12.2002 klargestellt, dass das
Betretungsverbot bis zur Verkündung einer Entscheidung in der Hauptsache befristet
sei. Den Termin zur Verkündung einer Entscheidung in der Hauptsache hat das
Amtsgericht auf den 7.1.2003 festgesetzt. Dieser Termin ist nach Einlegung der
Beschwerde aufgehoben worden.
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Mit der form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde möchte der Antragsgegner die
Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 3.12.2002 erreichen. Die Antragsgegnerin
erstrebt die Zurückweisung der Beschwerde. In der Beschwerdeerwiderung hat sie unter
anderem vorgetragen, der Antragsgegner habe sie am Silvestertag 2002 im
Treppenhaus des Hauses, in welchem sich die Ehewohnung befinde, ins Gesicht
geschlagen, um sie daran zu hindern, die im gleichen Hause gelegene Wohnung des
Bruders des Antragsgegners aufzusuchen. Zu diesem Vorbringen hat der
Antragsgegner nicht Stellung genommen.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt. Der zuständige Einzelrichter hat das Verfahren dem Senat zur
Entscheidung überragen.
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II.
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Die gemäß §§ 64b III 2 FGG, 620c Satz 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen formell
unbedenkliche Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die angefochtene
Entscheidung mit der aus der Beschlussformel ersichtlichen zeitlichen Beschränkung im
Ergebnis nicht zu beanstanden ist.
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1. Ob der Begründung des Amtsgerichts gefolgt werden kann, erscheint allerdings
zweifelhaft. Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz setzen die Verletzung
bestimmter Rechtsgüter - Körper, Gesundheit, Freiheit - oder die Drohung mit einer
dahingehenden Rechtsgutsverletzung voraus. Darüber hinaus sieht das Gesetz den
Schutz gegen Hausfriedensbruch und bestimmte Belästigungen vor. Das Amtsgericht
hat angenommen, der Antragsgegner habe mit dem Aussperren der Antragstellerin
deren Freiheit verletzt. Das ist indes fraglich, wenn man mit der herrschenden Meinung
davon ausgeht, dass eine Verletzung der oben beschriebenen Rechtsgüter nur unter
den Voraussetzungen angenommen werden kann, die auch für § 823 I BGB gelten (so
z.B. Palandt/Brudermüller, BGB 62. Aufl. 2003, Rdn. 5 zu § 1 GewSchG). Eine
Freiheitsverletzung im Sinne von § 823 I BGB ist nämlich in demselben Sinne zu
verstehen wie die in § 239 StGB unter Strafe gestellte Freiheitsberaubung. Darunter
fallen nach allgemeiner Meinung nur Vorgänge, die dem Betroffenen die Möglichkeit
nehmen, einen bestimmten Ort zu verlassen, nicht hingegen Handlungen, durch welche
der Zutritt verhindert wird (vgl. statt vieler Staudinger/Hager, BGB, 13. Aufl. 1999,
Randbem. B 54 zu § 823).
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2. Vereinzelt wird allerdings auch die Auffassung vertreten, der Begriff der
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Freiheitsverletzung im Sinne des Gewaltschutzgesetzes sei wesentlich weiter zu fassen
(Grziwotz, Schutz vor Gewalt in Lebensgemeinschaften und vor Nachstellungen, NJW
2002, 872ff. [873]). Der Senat braucht diese Streitfrage im vorliegenden Fall jedoch nicht
zu entscheiden. Denn mit dem in der Berufungserwiderung vorgetragenen und von dem
Antragsgegner nicht in Abrede gestellten tätlichen Angriff am Silvestertag 2002 sind
jedenfalls die Eingriffsvoraussetzungen für Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz
erfüllt worden. Ob zur Verhinderung weiterer tätlicher Angriffe das angeordnete
Betretungsverbot ausreicht oder weitere Maßnahme geboten sind, ist im Rahmen dieses
Beschwerdeverfahrens nicht zu klären.
3. Das Betretungsverbot war wie aus der Beschlussformel ersichtlich zeitlich zu
begrenzen, weil § 1 GewSchG eine solche Befristung fordert (vgl. auch zur Befristung
der Wohnungsüberlassung § 2 II GewSchG). Das Amtsgericht hat insoweit offenbar
übersehen, dass mit der Aufhebung des Verkündungstermins vom 7.1.2003 auch die
nachträglich im Wege der Klarstellung dem angefochtenen Beschluss beigegebene
Befristung weggefallen war mit der Folge, dass das Betretungsverbot zeitlich
unbeschränkt galt. Dem trägt der Senat mit der jetzt vorgenommenen Befristung
Rechnung, wobei er davon ausgeht, dass innerhalb dieses Zeitraums die nur wegen
des Beschwerdeverfahrens aufgeschobene Entscheidung in der Hauptsache ergehen
kann. Andernfalls müsste über eine Verlängerung der Frist befunden werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a I 2 FGG.
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Beschwerdewert: 2.000,00 EUR, §§ 100a, 30 II KostO
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