Urteil des OLG Köln vom 22.08.1996

OLG Köln (treu und glauben, freiwillige gerichtsbarkeit, beschwerde, rechtsmittel, verwirkung, vergütung, sache, festsetzung, frist, zustand)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 175/96
Datum:
22.08.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 175/96
Normen:
FGG § 19;
Leitsätze:
FGG § 19 Ein an sich unbefristet mögliches Rechtsmittel kann dann
infolge Verwirkung unzulässig werden, wenn das Rechtsmittel erst nach
einer unangemessen langen Zeit eingelegt wird und der Gegner infolge
des zwischenzeitlichen Verhaltens des Rechtsmittelführers (z.B.
vorbehaltlose Abrechnung aufgrund der später angefochtenen
Entscheidung) annehmen konnte, die Angelegenheit sei endgültig
abgeschlossen.
Rechtskraft:
unanfechtbar
G r ü n d e
1
Die weitere Beschwerde ist zulässig, §§ 27, 29 FGG. In der Sache führt sie zur
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an
das Landgericht.
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Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes, §§ 27 FGG,
550 ZP0. Zu Unrecht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß gegen die
Festsetzung der Vergütung nach § 1836 Abs. 1 BGB durch den Rechtspfleger die
befristete Erinnerung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 RpflG gegeben ist. Nach dieser Vorschrift
ist die Erinnerung binnen der für die sofortige Beschwerde geltenden Frist einzulegen,
wenn gegen die Entscheidung, falls sie der Richter erlassen hätte, die sofortige
Beschwerde oder kein Rechtsmittel gegeben wäre. Gegen die teilweise Ablehnung
seines Antrags auf Festsetzung der Vergütung wäre indes, falls sie vom Richter
erlassen worden wäre, die einfache Beschwerde nach § 19 FGG gegeben gewesen
(vgl. Bienwald, Betreuungsrecht, § 1836 BGB Rdn. 51; Damrau/Zimmermann,
Betreuung und Vormundschaft, 2. Aufl., § 1836 BGB, Rdn. 16). Bei dieser Sachlage
durfte das Rechtsmittel nicht wegen Versäumung der für die sofortige Beschwerde
geltenden Frist von zwei Wochen als unzulässig verworfen werden.
3
Der angefochtene Beschluß mußte daher aufgehoben und an das Landgericht zur
erneuten Entscheidung zurückverwiesen werden. Für die weitere Sachbehandlung
weist der Senat darauf hin, daß der abgelaufene Zeitraum von zwei Jahren zwischen
dem die Vergütung festsetzenden Beschluß vom 2. Dezember 1992 und der Einlegung
der Beschwerde am 20. Dezember 1994 allerdings Anlaß für die Prüfung geben dürfte,
ob in der Beschwerdeeinlegung eine unzulässige Rechtsausübung (Verwirkung) liegt.
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Eine Verwirkung kommt in Fällen in Betracht, in denen ein nicht fristgebundenes
Rechtsmittel nach einer unangemessen langen Zeit eingelegt wird. Eine späte
Einlegung eines Rechtsmittels kann im Einzelfall einen Verstoß gegen Treu und
Glauben bedeuten, der es rechtfertigt, das Rechtsmittel als unzulässig zu behandeln
(vgl. z. B. 0LG Frankfurt, MDR 1977, Seite 586; 0LG Frankfurt, FamRZ 1980, Seite 475,
476; 0LG Frankfurt, FamRZ 1992, Seite 1228; Bay0bLG, FamRZ 1989, Seite 214, 215).
Zu dem bloßen Zeitablauf müssen allerdings besondere Umstände hinzukommen, die
eine späte Rechtsbehelfseinlegung als mißbräuchlich erscheinen lassen (vgl.
Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Teil A, § 21 FGG, Rdn. 22 m. w. N.).
Dies kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn durch die angefochtene
Entscheidung ein Zustand geschaffen wurde, den die Beteiligten wegen des
Ausbleibens eines Rechtsmittels als endgültig angesehen haben und ansehen durften.
Im konkreten Fall könnte dies etwa dann anzunehmen sein, wenn, worauf die
Unterlagen Blatt 481, 484, 494 d. A. hindeuten, der ehemalige Betreuer die festgesetzte
Verfügung hat titulieren und zwangsweise durchsetzen lassen, ohne zugleich deutlich
zu machen, daß es mit diesem Betrag nicht sein Bewenden haben sollte. Als
Rechtsbeschwerdegericht sind dem Senat Feststellungen hierzu jedoch verwehrt.
Dem Beschwerdegericht war auch die Entscheidung über die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens vorzubehalten.
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Wert der weiteren Beschwerde: 672,-- DM.
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