Urteil des OLG Köln vom 07.10.1998

OLG Köln (umfang, höhe, mithaftung, begründung, forderung, annahme, konto, betrag, behauptung, kreditkarte)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 88/98
Datum:
07.10.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 88/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 217/97
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 25. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 5. März 1998 - 25 O 217/97 - teilweise
abgeändert und wie folgt neu ge-faßt:
Die Beklagte wird unter Klageabweisung im übrigen verurteilt, an die
Klägerin 2.000,00 DM nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem
jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank seit dem 01.07.1996
zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin zu
9/10, die Beklagte zu 1/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache überwiegenden Erfolg.
2
Der Klägerin steht gegen die Beklagte gem. §§ 607 Abs. 1, 421 BGB ein Anspruch auf
Rückzahlung des auf dem Girokonto mit der Nr. xxxxxx/xx bestehenden Debetsaldos zu;
allerdings ist die gesamtschuldnerische Mithaftung der Beklagten auf den Betrag von
2.000,00 DM beschränkt.
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1. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ausgleich eines Debetsaldos auf dem
obengenannten Konto in Anspruch. Hierbei handelt es sich um eine Forderung auf
Rückzahlung eines gewährten Darlehens i. S. d. § 607 Abs. 1 BGB.
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Dem steht nicht entgegen, daß eine Darlehensvereinbarung zwischen den Parteien i. S.
d. Gewährung eines Überziehungskredites nicht zustande gekommen ist, weil die
streitige Forderung auf einer von der Klägerin nur geduldeten Überziehung durch den
weiteren Kontoinhaber, Herrn C., entstanden ist, denn auch die Inanspruchnahme von
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Geldmitteln im Rahmen einer solchen geduldeten Überziehung ist rechtlich als
Darlehensgewährung einzustufen (vgl. Schimanski/Bunte/Lowski, Bankrechtshandbuch,
§ 81 Rndnr. 45).
2. Mit der Unterzeichnung des Kontoeröffnungsantrages vom 17.08.1995 hat die
Beklagte sich, wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat, wirksam
verpflichtet, für alle Verbindlichkeiten aus dem hiermit begründeten Gemeinschaftskonto
als Gesamtschuldnerin zu haften. Diese Verpflichtung der Beklagten ergibt sich aus
Ziffer 4 der im Kontoeröffnungsantrag enthaltenen Vertragsbedingungen der Klägerin.
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Die Beklagte vermag sich nicht mit Erfolg darauf zu berufen, sie habe - was unstreitig ist
- dem Abschluß eines Kreditvertrages nicht zugestimmt, so daß nach Ziffer 2 a S. 1 der
genannten Vertragsbedingungen, der eine Mitwirkung aller Kontoinhaber für derartige
Verträge zwingend vorsieht, kein Darlehensvertrag zustande gekommen sei.
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Die Beklagte verkennt die Bedeutung der Regelung in Ziffer 2 a S. 2 der genannten
Bedingungen. Danach ist jeder Kontoinhaber selbständig berechtigt, "... von der
Möglichkeit vorübergehender Kontoüberziehungen im banküblichen Rahmen"
Gebrauch zu machen. Eine derartige, von der Bank ohne ausdrückliche
Darlehensvereinbarung geduldete Kontoüberziehung unterfällt - entgegen der von der
Beklagten vertretenen Auffassung - jedoch nicht der in Ziffer 2 a S. 1 der
Vertragsbedingungen für den Abschluß von Darlehensverträgen aufgestellten
Voraussetzung der Zustimmung sämtlicher Konteninhaber. Nach dem eindeutigen
Wortlaut von Ziffer 2 a, S. 2 des Eröffnungsantrages bedarf es zur wirksamen
Begründung einer Darlehensverpflichtung wegen einer vom Kreditinstitut lediglich
gebilligten Überziehung des Kontos gerade nicht eines solchen Einverständnisses.
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Ein solches Erfordernis ergibt sich auch nicht aus dem engen räumlichen und
systematischen Zusammenhang der betreffenden Regelung mit Ziffer 2 a S. 1 der
Vertragsbedingungen. Satz 2 stellt schon nach dem Wortlaut eindeutig eine
unabhängige Alternative zu S. 1 dar, wie sich bereits aus dem zur Einleitung des Satzes
2 verwendeten Wort "jedoch" ergibt.
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Darüber hinaus kann auch nach dem weiteren Inhalt und dem Sinn der in Satz 2
enthaltenen Regelung kein Zweifel daran bestehen, daß es sich hierbei um eine
selbständige Alternative zu Satz 1 handelt, denn anders als dieser enthält die in Satz 2
den einzelnen Kontoinhabern eingeräumte Möglichkeit eine wesentliche Einschränkung
auf "vorübergehende Kontoüberziehungen im banküblichen Rahmen". Sie ist mithin von
ganz anderen, wesentlich engeren Voraussetzungen abhängig, so daß es eines
weitergehenden Schutzes der Kontomitinhaber vor der eigenmächtigen Begründung
gesamtschuldnerischer Verpflichtungen durch die übrigen Konteninhaber jedenfalls
nicht in gleichem Maße bedarf.
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Die fragliche Bestimmung in den Vertragsbedingungen der Klägerin, die im übrigen im
Bankgeschäft allgemein üblich ist (vgl. das Vertragsmuster in Schimanski/Bunte/Lowski,
Bankrechtshandbuch, Anhang 1 zu § 35) führt daher im Streitfall dazu, daß die Beklagte
auch ohne ihr Einverständnis grundsätzlich auch für solche Verbindlichkeiten als
Gesamtschuldnerin einzustehen hat, die ihr früherer Lebensgefährte, Herr C., durch
einseitige Kontenverfügung begründet hat, wenn diese zu einer von der Klägerin
geduldeten Kontoüberziehung geführt haben. Denn in der betreffenden Regelung liegt
zugleich eine welchselseitige Bevollmächtigung der mehreren Kontoinhaber, den nicht
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handelnden Kontomitinhaber in Höhe des durch die Überziehung in Anspruch
genommenen Kredites zu verpflichten (vgl. BGH WM 1991, 313;
Schimanski/Bunte/Lowski, a.a.O., § 35 Rndnr. 9).
Die von der Klägerin gewählte Vertragsbestimmung trägt ferner dem in der
letztgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs getroffenen Feststellung
Rechnung, wonach Formularklauseln, in denen sich die Antragsteller bei der
Konteneröffnung gegenseitig bevollmächtigen, in unbegrenzter Höhe weitere
Verbindlichkeiten zu Lasten des Gemeinschaftskontos einzugehen, gegen §§ 3, 9 Abs.
1 AGBG verstoßen. Im Gegensatz zu der der genannten höchstrichterlichen
Entscheidung zugrunde liegenden Fallgestaltung sind der nach den
Vertragsbedingungen der Klägerin ebenfalls bestehenden Möglichkeit der Verpflichtung
des Kontomitinhabers durch einseitige Begründung von Darlehensverpflichtungen enge
Grenzen gesetzt. Auch unter diesem Gesichtspunkt begegnet die von der Klägerin
verwandte Vertragsbestimmung mithin keinen Bedenken.
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3. Einer Inanspruchnahme der Beklagten steht auch nicht entgegen, daß der Zeuge H.,
der die Klägerin beim Vertragsschluß vertreten hat, der Beklagten ausdrücklich
zugesichert hätte, sie könne wegen vo ihrem damaligen Lebensgefährten C.
vorgenommener Kontoverfügungen grundsätzlich nicht in Anspruch genommen werden.
Diese Behauptung der Beklagten ist nach dem Ergebnis der in 1. Instanz
durchgeführten Beweisaufnahme nicht bewiesen; die diesbezüglich vorgenommenen
Beweiswürdigung des Landgerichts ist auch unter Berücksichtigung eines gewissen
Eigeninteresses des Zeugen nicht zu beanstanden.
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4. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist schließlich nicht nach § 6 des
Verbraucherkreditgesetzes nichtig. Dies ergibt sich schon daraus, daß die
Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes nach § 3 Nr. 3 VerbrkrG hier keine
Anwendung finden.
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5. Die demzufolge dem Grunde nach bestehende gesamtschuldnerische Mithaftung der
Beklagten für von dem Kontomitinhaber C. veranlaßte Kontenüberziehungen ist
indessen auf einen Betrag von 2.000,00 DM beschränkt, denn nur die Höhe dieser
Summe ist vom Vorliegen einer "vorübergehenden Kontoüberziehung im banküblichen
Rahmen" auszugehen.
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Unter "banküblichem Umfang" ist in der Regel ein Betrag von etwa 10 % über dem
Volumen eines eingeräumten Überziehungskredites i. S. v. § 5 Abs. 1 VKG zu
verstehen. Dieser beträgt in der Regel drei Nettomonatsgehälter oder das dreifache
Monatseinkommen der Kontoinhaber (vgl. Schimanski/Bunte/Lowski, a.a.O., Anhang 1
zu § 35, Erläuterungen, Ziffer 3 und § 81 Rndnr. 30). Da ein Überziehungskredit hier
unstreitig überhaupt nicht vereinbart war, ist anzunehmen, daß sich der bankübliche
Umfang von Überziehungen lediglich auf ca. 10 % des Volumens eines hier nach den
Umständen möglichen Überziehungskredits beläuft. Demgemäß ist insoweit,
ausgehend von den Einkommensverhältnissen der Beklagten, die die Klägerin - von der
Beklagten bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat unbestritten - mit 6.000,00
DM monatlich angegeben hat, aber auch nach dem Umfang der der Beklagten auf
anderen Konten durch die Klägerin eingeräumten Überziehungskredite, von einer
Größenordnung von ca. 18.000,00 DM auszugehen. Vor dem Hintergrund des
letztgenannten Gesichtspunkts sieht sich der Senat nicht gehalten, der im übrigen
verspätet vorgebrachten Behauptung der Beklagten nachzugehen, sie verfüge nur über
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monatliche Nettoeinkünfte von 3.000,00 DM.
Unter Berücksichtigung dessen sind Kontenüberziehungen von maximal bis zu 2.000,00
DM als noch "banküblich" anzusehen.
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Die Annahme eines höheren Betrages, etwa mit Rücksicht auf die hier allerdings nicht
vorgetragenen Einkommensverhältnisse des Kontenmitinhabers C., verbietet sich
bereits deshalb, weil von dessen Seite keinerlei regelmäßige Zahlungen auf das Konto
erfolgt sind und im übrigen eventuelle Einkünfte des im Ausland wohnhaften Herrn C.
der Klägerin nicht zugänglich sind.
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Die Annahme eines höheren "banküblichen Umfanges läßt sich entgegen der Annahme
des Landgerichts auch nicht daraus herleiten, daß - wie der Beklagten bekannt war -
das gemeinschaftliche Konto ausschließlich der Abwicklung der mit einer dem
Kontenmitinhaber C. überlassenen Kreditkarte getätigten Umsätze diente. Zwar waren
nach den hier zugrundeliegenden Kreditkartenbedingungen Verfügungen mittels der
Karte bis zu einer Höhe von 20.000,00 DM monatlich möglich, es bestand insoweit
jedoch die Abrede, daß das für die Kreditkartenverfügungen unmittelbar haftende
Unterkonto grundsätzlich als Guthabenkonto geführt werden sollte. Diese Regelung war
auch der Beklagten bekannt, die demzufolge mit der Duldung einer soweitgehenden
Überziehung durch die Klägerin nicht rechnen mußte.
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Wenn die Klägerin eine über den banküblichen Umfang geduldeter
Kontoüberziehungen hinausgehende gesamtschuldnerische Mithaftung der Beklagten
für sämtliche Verfügungen begründen wollte, die Herr C. mit der ihm überlassenen
Kreditkarte vornahm, so hätten hierfür im übrigen andere Vertragsgestaltungen zur
Verfügung gestanden. So hätte hinsichtlich des haftenden Kontos ein
Überziehungskredit eingerichtet werden können, für dessen Begründung allerdings das
Einverständnis beider Kontoinhaber erforderlich gewesen wäre.
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6. Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte die geltend
gemachte Forderung der Klägerin anerkannt hat. Die Beklagte hat den diesbezüglichen
Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 11.08.1997 (Bl. 96 ff. d. A.) substanziiert
bestritten. Dem ist die Klägerin nicht mit ebenso spezifizierten Behauptungen entgegen
getreten. Ein Anerkenntnis läßt sich mithin dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen.
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7. Unbeachtlich ist jedoch andererseits der Vortrag der Beklagten, soweit diese die
Richtigkeit der von der Klägerin vorgenommenen Berechnung des Debetsaldos
bestreitet. Die Klägerin hat des Zustandekommen dieses Saldos durch Vorlage
sämtlicher Belege lückenlos dargestellt. Angesichts dessen hätte es eines qualifizierten
Bestreitens durch die Beklagte bedurft, zumal, wie eine Durchsicht der vorgelegten
Belege ergibt, eine Vielzahl der Kontenverfügungen anläßlich der gemeinsamen von
der Beklagten und Herrn C. durchgeführten Weltreise erfolgt ist, so daß anzunehmen ist,
daß der Beklagten die diesbezüglichen Kreditkartenverfügungen durchaus zumindest in
einem Umfang bekannt sind, der die Summe ihres Haftungsbetrages von 2.000,00 DM
überschreitet.
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Eine gesamtschuldnerische Mithaftung der Beklagten besteht nach alledem lediglich in
Höhe eines Betrages von 2.000,00 DM, so daß das angefochtene Urteil im tenorierten
Umfang abzuändern war.
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Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus den §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 19.634,36 DM.
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Wert der Beschwer für beide Parteien: unter 60.000,00 DM.
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