Urteil des OLG Köln vom 23.01.2009

OLG Köln: befristung, solidarität, arbeitslosigkeit, krankheit, unterhaltspflicht, verantwortlichkeit, rente, alter, bedürftigkeit, datum

Oberlandesgericht Köln, 21 WF 14/09
Datum:
23.01.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
21 WF 14/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 301 F 14/08
Schlagworte:
keine Befristung des Altersunterhalts
Normen:
§§ 1571, 1578 b BGB
Leitsätze:
1. Kann die unterhaltsberechtigte Ehefrau ihren angemessenen
Lebensbedarf im Hinblick auf ihr Alter und nur geringe Rentenansprüche
nicht selbst decken, so kommt eine Befristung des auf den
angemessenen Bedarf begrenzten Altersunterhaltsanspruchs auch bei
Fehlen ehebedingter Nachteile nicht in Betracht.
2. Eine Entscheidung über die Frage der Befristung ist bei klaren
tatsächlichen Verhältnissen auch im
Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren möglich.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 27. Dezember 2008
gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht - Köln vom 11.
Dezember 2008 (301 F 14/08) wird zurückgewiesen.
G r ü n d e:
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Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich der Senat zu eigen macht, hat das
Amtsgericht dem Antragsteller zur Verteidigung gegen den Antrag der Antragsgegnerin
auf Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 300 € die begehrte
Prozesskostenhilfe verweigert. Die hiergegen gerichteten Einwände sind nicht
durchgreifend.
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Zutreffend hat das Amtsgericht darauf abgestellt, dass ein Anspruch der
Antragsgegnerin auf Altersunterhalt nicht zur Voraussetzung hat, dass ihre Bedürftigkeit
auf ehebedingten Nachteilen beruht. Dieser Grundsatz, den der Bundesgerichtshof in
der von dem Amtsgericht zitierten Entscheidung, abgedruckt in FamRZ 1982, 28,
ausgesprochen hat, ist nicht durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom
21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3189) überholt. Der Gesetzgeber des
Unterhaltsänderungsgesetzes hat vielmehr ausdrücklich betont, dass die nach der Ehe
fortwirkende Verantwortung sich nicht im Ausgleich ehebedingter Nachteile erschöpft,
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sondern dass beispielsweise die Unterhaltsansprüche wegen Alters, Krankheit oder
Arbeitslosigkeit auch dann bestehen, wenn Krankheit oder Arbeitslosigkeit ganz
unabhängig von der Ehe und ihrer Ausgestaltung durch die Ehegatten eintreten
(Gesetzentwurf der BReg. v. 15. Juni 2006, BT-Drucks. 16/1830 S. 19).
Allerdings kann auch in diesen Fällen eine uneingeschränkte Fortwirkung der
nachehelichen Solidarität unter Billigkeitsgesichtspunkten unangemessen sein. Ob dies
der Fall ist, muss im Spannungsfeld zwischen fortwirkender Verantwortung und dem
Grundsatz der Eigenverantwortung in jedem Einzelfall ermittelt werden, um eine
angemessene und beiden Seiten gerecht werdende Lösung zu schaffen; Grundlage
hierfür ist die für alle Unterhaltstatbestände geltende Billigkeitsregelung in § 1578b BGB
(Gesetzentwurf der BReg. v. 15. Juni 2006, BT-Drucks. 16/1830 S. 20).
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Die Vorschrift des § 1578b Abs. 1 BGB, die eine Herabsetzung des
Unterhaltsanspruchs auf den angemessenen Lebensbedarf vorsieht, steht einem
Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe monatlich von 300 € nicht entgegen.
Denn zusammen mit ihrer Rente von 539, 84 € und auch unter Berücksichtigung der
nach Durchführung des Versorgungsausgleichs ihr erwachsenden weiteren
Versorgungsanwartschaften ist sie nicht in der Lage, ohne eine Unterhaltszahlung von
zumindest monatlich 300 € durch den Antragsteller ihren angemessenen Lebensbedarf,
der nach den Unterhaltsleitlinien des OLG Köln bei 1.000 € liegt, sicherzustellen. Die
Unterhaltspflicht des Antragstellers geht der Inanspruchnahme von Leistungen aus
öffentlichen Kassen, zB. der von dem Antragsteller angesprochenen Grundsicherung,
vor.
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Auch eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578b Abs. 2 BGB
kommt nicht in Betracht. Zwar erfasst die Vorschrift auch die Fälle, in denen es nicht um
eine zeitliche Kompensation "ehebedingter Nachteile", sondern allein um das Ausmaß
der darüber hinausgehenden ehelichen Solidarität geht. Dabei kommt insbesondere der
Dauer der Ehe Bedeutung für das Ausmaß der fortwirkenden Verantwortlichkeit zu. Zu
Recht hat das Amtsgericht hier aber darauf abgestellt, dass die Ehe der Parteien im
Jahre 1999 begründet worden ist und bisher über neun Jahre gedauert hat. Es handelt
sich also nicht um eine kurze Ehe. Die Antragsgegnerin ist jetzt 72 Jahre alt und ist zur
Sicherung eines angemessenen Lebensstandards auf die Unterhaltszahlungen des
Antragstellers angewiesen, da es ihr nicht mehr möglich ist, ihren Lebensunterhalt
selbst sicherzustellen. Unter diesen Umständen hat das Amtsgericht in seiner
ausführlich und überzeugend begründeten Entscheidung eine Billigkeitsentscheidung
im Einzelfall getroffen, die in keiner Weise zu beanstanden ist.
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Entgegen der Auffassung des 8. Senats der OLG Düsseldorf (Beschl. v. 7.7.2008 – II- 8
WF 109/08, FF 2009, 34) handelt es sich bei der Entscheidung der Frage, ob der
Unterhaltsanspruch nach § 1578b BGB zu befristen ist, auch nicht in jedem Fall um eine
höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfrage, so dass unter diesem Gesichtspunkt
Prozesskostenhilfe zu bewilligen wäre. Es geht hier vielmehr um die Bewertung der
konkreten Umstände des Einzelfalls an Hand der Billigkeitsvorschrift des § 1578b BGB,
die weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten
aufweist und die das Amtsgericht zutreffend vorgenommen hat.
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