Urteil des OLG Köln vom 06.05.2002

OLG Köln: verschulden, datum, report, verzug, ratenzahlung, bewilligungsverfahren, widerruf, rechtskraft, abrechnung, leistungsfähigkeit

Oberlandesgericht Köln, 2 W 59/02
Datum:
06.05.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 W 59/02
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 3 O 259/00
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 4. Dezember 2001 wird der
Beschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Bonn vom 29.
November 2001 - 3 O 295/00 - aufgehoben.
G r ü n d e
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1. Durch Beschluß vom 28. Dezember 2000, dessen dem Antragsteller
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übermittelte Ausfertigung kein Datum trägt, hat das Landgericht Bonn dem
Antragsteller für eine Klage gegen Herrn M.B. und Frau T.B. mit Wirkung ab
dem 29. November 2000 Prozeßkostenhilfe bewilligt und bestimmt, daß der
Antragsteller auf die Prozeßkosten ab Januar 2001 monatliche Raten in Höhe
von DM 60,-- zu entrichten hat. Der gegen die Festsetzung der Raten gerichtete
Beschwerde des Antragstellers vom 20. Februar 2001 hat das Landgericht Bonn
durch Beschluß vom 8. März 2001 nicht abgeholfen. In dieser Entscheidung hat
die Kammer im einzelnen dargelegt, wie die Höhe der von dem Antragsteller zu
leistenden Raten errechnet worden ist. Durch Beschluß vom 4. April 2001 - 2 W
57/01 - hat der Senat die Beschwerde vom 20. Februar 2001 mit der
Begründung zurückgewiesen, daß das Landgericht die Höhe der Raten auf der
Grundlage der Angaben des Antragstellers in dessen Erklärung vom 3. Mai
2000 über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zutreffend
festgesetzt und daß der Antragsteller der Berechnung der Raten im Beschluß
vom 8. März 2001 sachlich nichts entgegen gesetzt hatte.
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Der Antragsteller hat bisher keine Raten entrichtet. Über sein Vermögen ist
durch Beschluß des Amtsgerichts Bonn vom 20. April 2001 - 96 IK 32/00 - das
Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Schreiben vom 9. Juli 2001 hat die
Geschäftsstelle des Landgerichts Bonn den Antragsteller aufgefordert, die
Zahlungen der nach dem Beschluß des Landgerichts vom 28. Dezember 2000
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ab Januar zu entrichten monatlichen Raten unverzüglich ab dem
Fälligkeitsdatum aufzunehmen. Mit Verfügung vom 4. Oktober 2001 hat die
Rechtspflegerin des Landgerichts dem Antragsteller angekündigt, daß mit der
Aufhebung des Bewilligungsbeschlusses vom 28. Dezember 2000 nach § 124
Nr. 4 ZPO gerechnet werden müsse, wenn er die im Oktober 2001 fällige Rate
von DM 60,-- und die Rückstände von weiteren DM 540,-- für die Zeit von
Januar bis September 2001 nicht "bis zum 1.11.00" zahlen sollte. Durch
Beschluß vom 29. November 2001, dessen dem Antragsteller übermittelte
Ausfertigung kein Datum trägt, hat die Rechtspflegerin des Landgerichts den
Beschluß der Zivilkammer vom 28. Dezember 2000 gemäß § 124 Nr. 4 ZPO
aufgehoben, weil der Antragsteller bislang keine der seit dem 1. Januar 2001
fälligen Raten entrichtet habe und damit länger als drei Monate mit der
Ratenzahlung in Verzug geraten sei.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Antragsteller mit der am 14. Dezember
2001 bei dem Landgericht eingegangenen Beschwerde vom 4. Dezember 2001,
der der Rechtspfleger des Landgerichts gemäß Beschluß vom 10. April 2002
nicht abgeholfen hat.
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1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß der Rechtspflege-
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rin vom 29. November 2001 ist gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F., 11
Abs. 1 RPflG zulässig. Bei dem Rechtsmittel handelt es sich - entgegen seiner
Bezeichnung im Nichtabhilfebeschluß des Landgerichts vom 10. April 2002 -
nicht um eine "sofortige Beschwerde". Die Bestimmung des § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO n.F., nach der - u.a. gegen eine Entscheidung nach § 124 Nr. 4 ZPO - die
sofortige Beschwerde stattfindet, ist vorliegend noch nicht anzuwenden. Nach §
26 Nr. 10 EGZPO finden für Beschwerden und für die Erinnerung die am 31.
Dezember 2001 geltenden Bestimmungen weiter Anwendung, wenn die
anzufechtende Entscheidung vor dem 1. Januar 2002 verkündet oder, soweit
eine Verkündung nicht stattgefunden hat, der Geschäftsstelle übergeben
worden ist. Der hier angefochtene Beschluß der Rechtspflegerin vom 29.
November 2001 ist dem Antragsteller am 3. Dezember 2001 zugestellt worden.
Er hat mithin der Geschäftsstelle vor dem nach § 26 Nr. 10 EGZPO
maßgeblichen Stichtag vorgelegen.
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Die Beschwerde ist auch begründet. Die Voraussetzungen für die - mit dem
angefochtenen Beschluß ausgesprochene - Aufhebung des
Bewilligungsbeschlusses vom 28. Dezember 2000 gemäß § 124 Nr. 4 ZPO
liegen nicht vor.
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Daß über das Vermögen des Antragstellers durch Beschluß des Amtsgerichts
Bonn vom 20. April 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, stand
allerdings dem (späteren) Erlaß einer Entscheidung im Verfahren nach § 124
ZPO nicht entgegen. Daß mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
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Vermögen einer Partei der Rechtsstreit in der Hauptsache nach § 240 ZPO
unterbrochen wird, stellt keinen Grund dar, der eine Entscheidung im
Prozeßkostenhilfeverfahren hindert (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1999, 276; OLG
Koblenz, AnwBl. 1989, 178; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl.
2002, § 118, Rdn. 4 und § 249, Rdn. 8; Kilger/Karsten Schmidt,
Insolvenzgesetze, 17. Aufl. 1997, § 10 KO, Anm. 1 a; Thomas/Putzo, 24. Aufl.
2002, § 249, Rdn. 6; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, vor § 239, Rdn. 8). Für
das Verfahren nach § 124 ZPO gilt nichts anderes. Der Schutz des Schuldners
gebietet nicht die entsprechende Anwendung des § 240 ZPO. Denn darauf, daß
er nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen der in § 80 Abs. 1 InsO
bestimmten Wirkungen nicht mehr in der Lage ist, die im Bewilligungsbeschluß
bestimmten Raten zu entrichten, kann eine Aufhebung der Prozeßkostenhilfe
nach § 124 Nr. 4 ZPO nicht gestützt werden, weil diese Bestimmung einen
schuldhaften Verstoß gegen die Verpflichtung zur Ratenzahlung voraussetzt, an
dem es fehlt, wenn dem Schuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
die Befugnis entzogen ist, über sein Vermögen zu verfügen.
Im Streitfall sind entgegen der Auffassung des angefochtenen Beschlusses die
Voraussetzungen des § 124 Nr. 4 ZPO nicht erfüllt, weil der Antragsteller nicht
schuldhaft gegen die Verpflichtung zur Zahlung der im Beschluß vom 28.
Dezember 2000 festgesetzten Raten verstoßen hat. Gemäß § 124 Nr. 4 ZPO
kann das Gericht die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe aufheben, wenn die
Partei länger als drei Monate mit der Zahlung in Rückstand ist. Während nach
überwiegender Meinung (vgl. OLG Frankfurt a.M., FamRZ 1983, 1046; OLG
Köln, Rpfleger 1984, 200 [201]; OLG Düsseldorf, JurBüro 1987, 914; OLG
Bamberg, JurBüro 1992, 250 [251]; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., §
124, Rdn. 53; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und
Beratungshilfe, 2. Aufl. 1999, Rdn. 849; Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 124,
Rdn. 5) hiermit ein - schuldhafter - Verzug gemeint ist, erfordert nach der
Gegenmeinung zwar nicht der Begriff des Rückstandes ein Verschulden, doch
hat das Gericht nach ihr im Rahmen der von ihm zu treffenden
Ermessensentscheidung - es "kann" die Bewilligung aufheben - zu
berücksichtigen, ob der Rückstand unverschuldet ist (vgl. OLG Bremen, FamRZ
1984, 411 [412]; Zöller/Philippi, a.a.O., § 124, Rdn. 19). Unabhängig von der Art
der Begründung ist ein Widerruf nach der genannten Bestimmung nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, jedenfalls dann
unzulässig, wenn die Nichtzahlung der Raten nicht auf einem Verschulden des
Betroffenen beruht (vgl. BGH NJW 1997, 1077; vgl. auch KG JurBüro 1984,
1251 [1252]; OLG Zweibrücken, Rpfleger 1992, 117; OLG Hamm, Rpfleger
1992, 257; OLG Celle, JurBüro 1993, 691; OLG Brandenburg, FamRZ 2001,
633). So liegt es hier.
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Der Rechtspfleger des Landgerichts weist in seiner Nichtabhilfeentscheidung
vom 10. April 2002 zwar zutreffend darauf hin, daß sich die wirtschaftlichen
Verhältnisse des Antragstellers in der Zeit zwischen dem Erlaß des
Bewilligungsbeschlusses des Landgerichts vom 28. Dezember 2000 und der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen nicht verschlechtert
haben und daß der Antragsteller diejenigen Umstände, auf die er sich im
Verfahren nach § 124 Nr. 4 ZPO beruft, schon im Bewilligungsverfahren bzw.
mit der - durch den Beschluß des Senats vom 4. April 2001 beschiedenen -
Beschwerde hätte geltend machen können und sollen. Darauf kommt es indes
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nicht an. Vielmehr ist das Gericht im Verfahren nach § 124 Nr. 4 ZPO nicht an
die Feststellungen und Bewertungen im Rahmen des ursprünglichen
Bewilligungsbeschlusses gebunden (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, JurBüro
1987, 914; OLG Hamm, FamRZ 1986, 1127; OLG Karlsruhe OLG-Report 1998,
368; OLG Koblenz, OLG-Report 1999, 120; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs,
a.a.O., Rdn. 850). Zwar ist im Verfahren nach § 124 Nr. 4 ZPO nicht die
Richtigkeit der Bewilligungsentscheidung zu überprüfen. Gegenstand der
Prüfung ist hier aber die Voraussetzung der Aufhebungsentscheidung, daß den
Betroffenen ein Verschulden daran trifft, daß er die festgesetzten Raten nicht
entrichtet hat (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rdn. 850).
Jedenfalls für diese Verschuldensprüfung erwachsen die der früheren
Anordnung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen nach allgemeinen
Regeln nicht in Rechtskraft (vgl. BGH NJW 1997, 1077). Das Gericht darf die
Bewilligung deshalb nicht mit der Begründung aufheben, der Betroffene, der die
Raten nicht entrichtet hat, habe keine nachträgliche Änderung der Verhältnisse
dargetan. Vielmehr hat das Gericht im Verfahren nach § 124 Nr. 4 ZPO auch
neuen Vortrag darüber zu berücksichtigen, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse
des Bedürftigen von Anfang an ungünstiger waren als im Bewilligungsverfahren
vorgebracht worden war (vgl. BGH, a.a.O.).
Im Streitfall hat der Antragsteller durch die erstmals mit der Beschwerdeschrift
vom 4. Dezember 2001 vorgelegten Unterlagen, insbesondere durch die
Lohnabrechnung seines Arbeitgebers für den Monat Oktober 2000, belegt, daß
er zur Aufbringung einer monatlichen Rate in Höhe von DM 60,-- nicht in der
Lage war. Vielmehr ergibt sich, wenn man statt der im Beschluß des
Landgerichts vom 8. März 2001 berücksichtigten Darlehensrate von DM 569,00
die in dieser Abrechnung ausgewiesenen Abtretungen in Höhe von zusammen
DM 1.100,-- in Ansatz bringt, ein einzusetzender Einkommensbetrag von DM
0,00, so daß der Antragsteller zur Zahlung von Raten auf die Prozeßkosten
nicht in der Lage war. Zwar kann es nur durch grobe Nachlässigkeit erklärt
werden, daß der Antragsteller die jetzt eingereichten Unterlagen nicht schon im
Verfahren zur Entscheidung über seinen Antrag auf Prozeßkostenhilfe oder
jedenfalls im Verfahren der - durch den Beschluß des Senats vom 4. April 2001
beschiedenen - Beschwerde gegen die Festsetzung der Raten im Beschluß des
Landgerichts vom 28. Dezember 2000 vorgelegt hat. Verschuldet hat der
Antragsteller damit aber nur, daß von ihm zu entrichtende Raten festgesetzt
worden sind, die er nicht leisten konnte, nicht hingegen, daß er - mangels
gegebener Leistungsfähigkeit - diese Raten nicht entrichtet hat. Da die
Voraussetzungen nach § 124 Nr. 4 ZPO für einen Widerruf der Bewilligung
somit nicht erfüllt sind, muß der angefochtene Beschluß der Rechtspflegerin
vom 29. November 2001 aufgehoben werden.
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Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlaßt.
Die Voraussetzungen, unter denen nach § 574 Abs. 2 und 3 ZPO die
Rechtsbeschwerde zuzulassen wäre, sind vorliegend nicht erfüllt: Die hier
entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch den vorstehend wiederholt
angeführten Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 9. Januar 1997 (NJW 1997,
1077 f) geklärt. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
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