Urteil des OLG Köln vom 14.11.1997

OLG Köln (zustimmung, eigentum, eigentümer, anlage, miteigentümer, wohnung, wohnungsbau, mindeststandard, gemeinschaftsrecht, auslegung)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 275/97
Datum:
14.11.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 275/97
Normen:
WEG § 14 NR. 1;
Leitsätze:
Verpflichtung zu besonderen Schallschutzmaßnahmen innerhalb der
Wohnungseigentümergemeinschaft
WEG § 14 Nr. 1 Die Gemeinschaftsordnung kann wirksam vorschreiben,
daß die Eigentümer innerhalb ihres Sondereigentums über die
gesetzlichen oder sich aus DIN-Normen ergebenden Standards zur
Lärmvermeidung hinaus weitergehende Lärmschutzmaßnahmen treffen
müssen (hier: erhöhter Schutz gegen Trittschall). Eine solche
Einschränkung des Rechts der Sondereigentümer, mit ihrem Eigentum
nach eigenem Gutdünken zu verfahren, ist nicht unbillig.
Rechtskraft:
unanfechtbar
G r ü n d e
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Die in förmlicher Hinsicht gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 27, 29 FGG nicht zu
beanstandende sofortige Beschwerde hat jedenfalls insofern einen vorläufigen Erfolg,
als die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht
zurückzuverweisen war. Die angegriffene Entscheidung ist nicht frei von Rechtsfehlern
(§ 27 Abs. 1, 561 FGG). Das Landgericht hat nämlich für die Entscheidung wesentlichen
Tatsachenstoff unberücksichtigt gelassen.
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Das Landgericht hat übersehen, daß - wie bereits in der Antragsschrift vorgetragen - die
Gemeinschaftsordnung spezielle Regelungen für bauliche Maßnahmen innerhalb des
Sondereigentums enthält, die die gesetzlich geregelten Pflichten der Eigentümer aus
dem Gemeinschaftsverhältnis (§ 14 Nr. 1 WEG) modifizieren und in Bezug auf die hier
streitige Frage des Trittschallschutzes verschärfen.
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§ 10 Abs. 1 der Gemeinschaftsordnung hat nämlich folgenden Wortlaut:
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,Bauliche Veränderungen in und an den Räumen, die im Sondereigentum stehen, wie
Um-, An- und Einbauten sowie größere Installationen bedürfen der vorherigen
schriftlichen Zustimmung des Verwalters. Dieser kann die Zustimmung versagen, wenn
sie oder ihre Vornahme sich auf das gemeinschaftliche Eigentum und seine Benutzung
oder auf das Sondereigentum anderer Miteigentümer nachteilig auswirken."
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Nach dieser Bestimmung ist der Antragsgegner verpflichtet, auf das Verlangen der
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Nach dieser Bestimmung ist der Antragsgegner verpflichtet, auf das Verlangen der
Antragstellerin den Trittschallschutz wiederherzustellen, wie er vor der Verlegung des
Fliesenbodens in seinem Sondereigentum bestand, wenn sich die
Geräuschübertragung durch den Austausch des bis dahin vorhandenen Teppichbodens
nicht unwesentlich verschlechtert haben sollte. Die in diesem Zusammenhang noch
offenen tatsächlichen Fragen wird das Landgericht im weiteren Verfahren zu klären
haben.
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Zwar steht nach § 5 Abs. 1 WEG der Bodenbelag im Sondereigentum der einzelnen
Wohnungseigentümer. Nach der gesetzlichen Wertung des § 14 Nr. 1 WEG sind die
Wohnungseigentümer daher grundsätzlich befugt, nach eigenen Vorstellungen den
Bodenbelag ihrer Wohnung zu ändern und zu wählen (BayObLG, WE 1994, 312
m.w.N.). Diese Gestaltungsbefugnis der Wohnungseigentümer endet dort, wo das
Gemeinschaftseigentum beginnt, also beim Fußbodenaufbau jedenfalls an einer
Trittschall-Dämmschicht auf der Rohdecke (OLG Düsseldorf, Beschluß vom 18.12.1996
- 3 Wx 311/ 94 -). Dem Landgericht ist auch einzuräumen, daß grundsätzlich bei der
Entscheidung, ob durch die Wahl eines bestimmten Fußbodenmaterials ein Nachteil im
Sinne des § 14 Nr. 1 WEG entsteht, auf objektivierbare Maßstäbe abzustellen ist und
insofern insbesondere die Vorschriften der DIN Bedeutung gewinnen.
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Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Eigentümer durch rechtsverbindliches
Gemeinschaftsrecht - wie im vorliegenden Fall durch die Gemeinschaftsordnung - einen
anderen, höheren Standard festgeschrieben haben. In diesem Fall ist nicht auf die DIN-
Vorschriften, die nur einen Mindeststandard sichern, sondern auf die besonderen
Festlegungen der individuellen Eigentümergemeinschaft abzustellen. Nach dem
Wortlaut und Sinn des § 10 der Teilungserklärung, wie er sich für den objektiven
Betrachter als naheliegende Auslegung erschließt, zielt diese Bestimmung auf die
Wahrung des baulich vorgegebenen Standards im ,Rheinsternhaus" ab. Sie erweitert
den Schutzumfang des § 14 Nr. 1 WEG, indem sie ,Um-, An- und Einbauten sowie
größere Installationen" unbeschadet der Eigentumsfrage der Zustimmung des
Verwalters unterwirft und diesem eine Versagungskompetenz verleiht, falls die
genannten baulichen Maßnahmen für andere Miteigentümer nachteilig sind. Damit wird
das Recht der Sondereigentümer, mit ihrem Eigentum nach eigenem Gutdünken zu
verfahren, über die gesetzliche Wertung des § 14 Nr. 1 WEG hinaus insofern
eingeschränkt, als jede nicht unerhebliche Verschlechterung des nachbarschützenden
Standards der Wohnungseigentumsanlage grundsätzlich verboten werden kann. Die
Zulässigkeit der nach der Teilungserklärung weit auszulegenden baulichen
Veränderungen innerhalb des Sondereigentums orientiert sich damit nicht an den im
allgemeinen Wohnungsbau geltenden Standards oder allgemeinen sozialen
Vorstellungen, sondern Maßstab ist ausschließlich das in der konkreten Anlage
vorhandene bauliche Niveau. Eine derartige Regelung ist zur Wahrung eines von den
Eigentümern gewünschten Niveaus der Eigentumsanlage sinnvoll und unzweifelhaft
zulässig.
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Das Landgericht wird demnach zu prüfen haben, ob entsprechend der Behauptung der
Antragstellerin die Verlegung des Fliesenbodens in der Wohnung des Antragsgegners
zu einer nicht unerheblichen Verschlechterung des Trittschallschutzes geführt hat.
Hierbei kann auf Trittschallmessungen in Vergleichswohnungen der Anlage
zurückgegriffen werden. Sollte sich aufgrund der durchzuführenden Beweisaufnahme
ergeben, daß nachteilige Veränderungen aufgrund der Auswechslung des Bodenbelags
eingetreten sind, wird das Landgericht anhand der zuvor dargestellten strengen
Maßstäbe festzustellen haben, ob die Verschlechterung des Trittschallschutzes
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erheblich ist. Sollte dies der Fall sein, ist der Antragsgegner zur Beseitigung der
nachteiligen Auswirkungen der von ihm veranlaßten baulichen Veränderung
verpflichtet.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlaßt.
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Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 48 Abs. 3 WEG: 10.000,00 DM
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