Urteil des OLG Köln vom 21.03.2003

OLG Köln: geschäftsführung ohne auftrag, culpa in contrahendo, abmahnung, rechtsgrundlage, gefälligkeit, erfüllung, rechtsberatung, aufklärungspflicht, vollstreckbarkeit, subsumtion

Oberlandesgericht Köln, 6 U 150/02
Datum:
21.03.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 150/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 33 O 133/02
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.07.2002 verkündete
Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 133/02 - wird
zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen
G R Ü N D E
1
I.
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Die Klägerin wirft dem Beklagten unzulässige Rechtsberatung vor wegen eines von ihm
unter der Firmierung "V. Beratung" versandten Schreibens vom 28.12.2001. Die
zunächst auf Unterlassung gerichtete Klage hat die Klägerin in erster Instanz geändert
auf Feststellung der Kostentragungspflicht des Beklagten. Das Landgericht hat die
Klage abgewiesen.
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II.
4
Die in formeller Hinsicht einwandfreie, insgesamt zulässige Berufung hat in der Sache
keinen Erfolg.
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Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein materiell-rechtlicher
Schadensersatzanspruch auf Kostenerstattung zu.
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1.
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Zu Recht hat das Landgericht die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs aus § 1
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UWG wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG verneint.
a)
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Der Sachvortrag des Beklagten zu den Umständen, unter denen sein Schreiben vom
28.12.2001 zustande gekommen ist, ist auch im Berufungsverfahren als unstreitig zu
behandeln. Soweit die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren diesen Sachvortrag
bestreitet, ist sie hiermit gemäß §§ 529 Abs. 2 Nr. 2, 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen.
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In zutreffender Würdigung des erstinstanzlichen Sachvortrags der Klägerin ist im
Tatbestand des angefochtenen Urteils festgehalten, dass sie die entsprechenden
Ausführungen des Beklagten nicht bestritten hat. Eines vorherigen gerichtlichen
Hinweises gemäß § 139 Abs. 2 ZPO auf die Entscheidungserheblichkeit eines
Bestreitens bedurfte es nicht. Die Hinweispflicht des Gerichts ist beschränkt auf
Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat.
Für das Landgericht war nicht erkennbar, dass die Klägerin die Notwendigkeit eines
Bestreitens übersehen oder gar den Sachvortrag des Beklagten für unerheblich
gehalten haben könnte, nachdem sie in der Replik vom 17.05.2002 zu der
Klageerwiderung vom 08.05.2002 den "Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt"
erklärt und die Klage geändert hatte unter Bezugnahme darauf, dass der Beklagte
nunmehr "erstmalig die Hintergründe der persönlichen Beziehung zwischen den an der
Sache beteiligten Personen dargelegt hatte". Die Voraussetzungen der
Ausnahmevorschrift des § 531 Abs. 2 Ziff. 3 ZPO sind erkennbar nicht gegeben.
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b)
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG
liegen nicht vor.
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Unzulässig ist eine ohne Erlaubnis ausgeübte rechtsbesorgende Tätigkeit nur dann,
wenn sie geschäftsmäßig erfolgt. Geschäftsmäßigkeit setzt eine selbständige, mit
Wiederholungsabsicht erfolgende Tätigkeit voraus, die nicht nur aus besonderen
Gründen als Gefälligkeit ausgeübt wird (BGH NJW 2000, 1560, 1561; 2001, 3541,
3542), z.B. wegen verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Beziehungen.
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Der Beklagte hat sich nicht geschäftsmäßig i.S. des Art. 1 § 1 RBerG betätigt.
Insbesondere hat er nicht schon deshalb geschäftsmäßig gehandelt, weil er das
fragliche Schreiben unter dem Briefkopf der "V. Beratung" versandt hat. Inhaberin der
"V. Beratung", welche ausweislich der von dem Beklagten vorgelegten
Gewerbeanmeldung vom 17.11.1998 "Wirtschaftsberatung" betreibt, ist nicht der
Beklagte selbst, sondern seine Ehefrau. Dem Sachvortrag des Beklagten folgend,
wurde an ihn und seine Ehefrau im Rahmen einer Familienfeier von dem
Lebensgefährten der Schwester seiner Ehefrau die Bitte herangetragen, im
Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Probleme ein vom diesem bereits
vorgefertigtes Schreiben unter dem Briefkopf des Beratungsunternehmens der Ehefrau
des Beklagten an einen Dritten zu richten. Das dem vorgefertigten Entwurf folgende
Schreiben vom 28.12.2001 wurde sodann von dem Beklagten unterzeichnet, weil seine
Ehefrau abwesend war. Der Beklagte hat folglich nicht im Rahmen einer beruflichen
Tätigkeit gehandelt, sondern es einmalig und aus Gefälligkeit für ein Familienmitglied
übernommen, eine fremde Rechtsangelegenheit zu besorgen.
15
2.
16
War die auf § 1 UWG i.V. mit Art. 1 Abs. 1 RBerG gestützte Unterlassungsklage mangels
Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen einer unzulässigen Besorgung
fremder Rechtsangelegenheiten unbegründet, so fehlt es auch dann an einer
Rechtsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die Handlung des
Beklagten objektiv den Eindruck eines Wettbewerbsverstosses erweckt und damit eine
Abmahnung und gerichtliche Inanspruchnahme provoziert hat.
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Zwischen Abmahnendem und zu Unrecht Abgemahntem entsteht keine Rechte und
Pflichten auslösende Sonderrechtsbeziehung (BGH GRUR 1995, 167 "Kosten bei
unbegründeter Abmahnung"; OLG Köln GRUR 2001, 525; Teplitzky
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 8. Aufl., 41. Kap., Rn. 57 ff). Ansprüche nach § 311
Abs. 2 BGB n.F. bzw. nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo kommen nicht in
Betracht, weil durch eine ohne vorherige Kontaktaufnahme ausgesprochene
Abmahnung kein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis begründet wird (BGH a.a.O.;
OLG Köln a.a.O.). Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheitern daran, dass
eine unbegründete Abmahnung weder auf die Erfüllung einer Pflicht des Abgemahnten
im Sinne des 679 BGB hinwirken kann, noch dem mutmaßlichen Willen des
Abgemahnten entspricht (BGH a.a.O.; OLG Köln a.a.O.).
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Ebenso wenig kommt mangels Vergleichbarkeit mit den Besonderheiten des
Vollstreckungsverfahrens eine analoge Anwendung der Aufklärungspflicht des
Drittschuldners nach § 840 ZPO in Betracht (BGH a.a.O.; OLG Köln a.a.O.). Die
Voraussetzungen deliktischer Ansprüche nach §§ 823, 826 BGB sind weder
vorgetragen noch ersichtlich. Eine analoge, reziproke Anwendung des § 93 ZPO
scheidet aus, weil § 93 ZPO ausschließlich prozessuale Kostenerstattungsansprüche
betrifft und keine Rechtsgrundlage für einen materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch
bietet.
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III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
ZPO n. F. in Verbindung mit § 26 Nr. 7 EGZPO liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt
weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Rechtsfortbildung oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den
Bundesgerichtshof. Streitentscheidend ist vielmehr eine über den entschiedenen Fall
nicht hinausweisende Subsumtion eines individuellen, auch tatrichterlich zu
beurteilenden Sachverhalts unter Normen und Rechtsgrundsätze, die in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung, namentlich in den vorerwähnten Entscheidungen,
bereits eine Klärung erfahren haben.
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Streitwert im Berufungsverfahren: 3.000,- EUR
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