Urteil des OLG Köln vom 13.01.1998

OLG Köln (treu und glauben, rechnung, kläger, anrechenbare kosten, auskunft, unterlagen, berechnung, nachforderung, generalunternehmervertrag, gespräch)

Oberlandesgericht Köln, 22 U 131/97
Datum:
13.01.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 131/97
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 7 O 43/97
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.04.1997 verkündete Urteil
des Landgerichts Bonn - 7 O 43/97 - abgeändert und wie folgt neu
gefaßt: Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die
anrechenbaren Kosten des Neubaus des St. Hotels B. gemäß § 10
HOAI zu erteilen, indem sie dem Kläger die dafür gem. DIN 276
maßgeblichen Un-terlagen herausgibt. Dabei ist nach folgenden
Kostengruppen aufzuschlüsseln: 3.1 Baukonstruktionen 3.5.1
Besondere Baukonstruktionen 3.5.5.9 Sonstige künstl. Gestaltung am
Bauwerk 3.2 Installationen 3.3 Zentrale Betriebstechnik 3.4 Betriebliche
Einbauten 3.5.2 Besondere Installationen 3.5.3 Besondere zentrale
Betriebssystem 3.5.4 Besondere betriebliche Einbauten 1.4 Herrichten
2.2 Nichtöffentliche Erschließung 3.5.5.1 Kunstwerke 3.5.5.2
Künstlerisch gestaltete Bauteile 4. Geräte 5.3 Abwasser- und
Versorgungsanlagen 5.4 Wirtschaftsgegenstände 6.1.1 bis 5 zusätzliche
Maßnahmen bei der Erschließung 6.2.1 bis 6 zusätzliche Maßnahmen
am Bauwerk 6.3.1 bis 4 zusätzliche Maßnahmen bei den
Außenanlagen. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten
des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist
vorläufige vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung des
Klägers hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 242
BGB ein Anspruch auf Auskunft in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu.
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I.
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Zwar ist ein Anspruch auf Auskunft über die Baukosten und auf Vorlage von
Rechnungen oder Rechnungskopien in der HOAI nicht ausdrücklich vorgesehen. Wie
auch bei anderen Rechtsbeziehungen ist aber ein solcher Anspruch nach Treu und
Glauben gegeben, wenn der Berechtigte über das Bestehen und den Umfang seines
Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewißheit
erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Unter diesen Voraussetzungen kann auch
ein Architekt einen Anspruch auf Auskunft über Baukosten und auf Vorlage von
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Rechnungen haben (vgl. OLG Frankfurt BauR 1993, 497 ff). Dem Architekten kann der
aus § 242 BGB abgeleitete Auskunftsanspruch jedoch nur dann zugebilligt werden,
wenn es für die Berechnung seines Gebührenanspruchs auf anrechenbare Kosten
überhaupt ankommt, etwa dann, wenn eine wirksame Pauschalpreisvereinbarung nicht
getroffen worden ist, z. B. wegen Unterschreitung der Mindestsätze oder Überschreitung
der Höchstsätze, oder wenn er an die von ihm erteilte Rechnung nicht gebunden ist,
etwa weil sie keine Schlußrechnung darstellt oder, selbst wenn es eine Schlußrechnung
sein sollte, er gleichwohl berechtigt ist, eine auf der Grundlage von
Kostenzusammenstellungen berechnete Nachforderung zu stellen.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
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1. Zwar hält der Senat nach erneuter Überprüfung - entgegen der Ansicht des Klägers -
an seiner bereits im Urteil vom 20.11.1990 - 22 U 71/90 - vertretenen Ansicht fest, daß
es sich bei der Rechnung des Klägers vom 20.01.1989 um eine Teilschlußrechnung
gehandelt hat. Diese entfaltet grundsätzlich dieselbe Bindungswirkung wie eine
umfassende Schlußrechnung (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 8. Auflage, Rdnr. 808
m.w.N.). Dies entspricht im übrigen auch der Regelung in § 4 Abs. 2 AVA, auf die der
Architektenvertrag der Parteien Bezug nimmt (vgl. Bl. 9 f d. A.).
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Bis zum Jahre 1993 hat der Bundesgerichtshof die Ansicht vertreten, daß die
Schlußrechnung des Architekten stets bindend sei. Im Jahr 1993 ist jedoch infolge der
Kritik der Literatur an dieser Rechtsprechung eine Modifizierung in der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs festzustellen. Zwar hält der Bundesgerichtshof daran fest, daß
eine Bindungswirkung weiterhin möglich sei. Diese ergibt sich allerdings noch nicht
allein aus der Erteilung der Schlußrechnung, sondern setzt nach Ansicht des
Bundesgerichtshofs eine umfassende Interessenabwägung voraus. Eine Nachforderung
zur Schlußrechnung stellt danach nicht stets ein treuwidriges Verhalten nach § 242 BGB
dar (vgl. BGHZ 120, 133 ff). Dabei hat der Bundesgerichtshof folgende
Prüfungsvoraussetzung aufgestellt:
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a) Einerseits kann der Auftragnehmer "gute Gründe" für eine nachträgliche Änderung
der Schlußrechnung haben,
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b) andererseits kann sich die Schutzwürdigkeit des Auftraggebers insbesondere daraus
ergeben, daß er auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und
sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, daß ihm eine Nachforderung nach Treu und
Glauben nicht mehr zugemutet werden kann (dies ist letztendlich derselbe Gedanke,
den der Bundesgerichtshof nunmehr auch auf die Verbindlichkeit von
Pauschalabsprachen übertragen hat in dem von der Beklagtenseite zu den Akten
gereichten Urteil vom 22.05.1997 - VII ZR 290/95 -).
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2. Vorliegend kann der Kläger "gute Gründe" für eine nachträgliche Abänderung der
Rechnung vom 20.01.1989 haben, da nicht auszuschließen ist - vielmehr nach Ansicht
des Senats sogar einiges dafür spricht -, daß die Pauschalpreisvereinbarung der
Parteien wegen Unterschreitung der Mindestsätze unwirksam ist, und der Kläger die
Abrechnung in Unkenntnis der Unterschreitung vorgenommen hat. Denn der Kläger hat
bis heute die Unterlagen nicht vorliegen, die ihn in die Lage versetzen, die
anrechenbaren Kosten gemäß § 10 HOAI festzustellen und daraufhin zu überprüfen, ob
durch die Veränderungen im Rahmen der Bauentwicklung die
Pauschalhonorarvereinbarung wegen nachträglich eingetretener Unterschreitung der
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Mindestsätze unwirksam geworden ist.
a) Der Kläger war zu dieser Berechnung auch nicht etwa aufgrund des
Generalunternehmervertrages in der Lage. Zum einen ist aus dem Vorprozeß 22 U
71/90 OLG Köln gerichtsbekannt, daß es schon nicht bei dem Pauschalpreis des
Generalunternehmers verblieben ist, daß vielmehr insbesondere im Zusammenhang mit
der Erstellung der Baugrube, aber auch in anderen Bereichen erhebliche weitere
Forderungen seitens des Generalbauunternehmers an die Beklagte gestellt worden
sind. Zum anderen sind ausweislich § 10 HOAI in Verbindung mit DIN 276 Grundlage
der Berechnung der anrechenbaren Kosten nicht nur allein die durch den
Generalunternehmervertrag mit der Firma Z. abgedeckten Baukosten, sondern eine
Vielzahl nicht vom Generalunternehmervertrag erfaßter Kostengruppen. Der Kläger
konnte folglich zunächst nur aufgrund des vereinbarten Pauschalhonorars abrechnen.
Er war daher, für die Beklagten erkennbar, wegen Fehlens der Unterlagen über die
Gesamtbaukosten nicht in der Lage zu überprüfen, ob die Pauschalpreisabrede
unwirksam geworden war.
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b) Dem unter diesen Umständen schutzwürdigen Verlangen des Klägers auf Auskunft
steht im Rahmen der gemäß § 242 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung kein
schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten auf die Endgültigkeit der Rechnung des
Klägers vom 20.01.1989 entgegen. Nach Überzeugung des Senats hat die Beklagte
tatsächlich zu keinem Zeitpunkt darauf vertraut, und sich dementsprechend darauf auch
nicht eingerichtet, daß die Rechnung vom 20.01.1989 - abgesehen von der noch
ausstehenden abschließenden Abrechnung der Leistungsphase 9 - die
Honoraransprüche des Klägers endgültig erledigen sollte.
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Der Tatsache allein, daß seit Erstellung der Teilschlußrechnung bis zur - schriftlich
belegten - Anforderung der Abrechnungsunterlagen ca. 7 1/2 Jahre vergangen sind,
kommt hier deshalb keine entscheidende Bedeutung zu, da in all den Jahren immer
wieder Gespräche zwischen den Parteien über das endgültige Honorar des Klägers
stattgefunden haben. Diese Darstellung des Klägers, die u.a. belegt wird durch den
Vergleichsvorschlag vom Dezember 1994 (Bl. 47 f d. A.) hat der Geschäftsführer der
Beklagten bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat in erkennbar honoriger
Offenheit letztlich eingeräumt. Zwar hatte er an den Vergleichsvorschlag keine konkrete
Erinnerung, wußte aber, daß er "über ähnliches" telefoniert habe. Zudem hat nach
seinen Angaben Ende 1995 / Anfang 1996 zwischen ihm und dem Kläger ein Vier-
Augen-Gespräch stattgefunden, bei dem es - wenn auch nach seinen Angaben nur als
"Abfallprodukt" - u.a. auch um Honorarnachforderungen des Klägers ging. Dabei war
seinen Ausführungen in diesem Zusammenhang zu entnehmen, daß er die
Honorarnachforderung des Klägers nicht etwa deshalb als "Abfallprodukt" angesehen
hat, weil er davon ausging, daß die Honoraransprüche des Klägers endgültig
abgerechnet seien. Vielmehr beruhte seine Wertung erkennbar darauf, daß der
Beklagten seiner Ansicht nach Gegenansprüche zustanden, die die vom Kläger geltend
gemachte Nachforderung überstiegen. Der Geschäftsführer der Beklagten hat weiterhin
angegeben, daß nach dem Scheitern des Vier-Augen-Gesprächs auch der
Verwaltungsratsvorsitzende der Betreibergesellschaft noch ein Gespräch mit dem
Kläger über den Gesamtkomplex geführt habe, wobei es auch bei diesem Gespräch
letztlich darum gegangen sei, über die Ansprüche der Beklagten und die
Honoraransprüche des Klägers eine Einigung zu erzielen. Auch dies wäre
unverständlich, wenn die Beklagte davon ausgegangen wäre, der Kläger habe ohnehin
keinerlei Honoraransprüche mehr, da die Teilschlußrechnung vom 20.01.1989
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endgültigen Charakter gehabt habe. Gegen eine derartige Sicht der Beklagten spricht
letztlich auch, daß der Geschäftsführer der Beklagten auf das Schreiben des Klägers
vom 05.06.1996 (Bl. 13 f d. A.) nicht etwa mit völligem Unverständnis über die verlangte
Auskunft reagiert, vielmehr lediglich um eine Fristverlängerung zwecks Aufschlüsselung
der anrechenbaren Kosten gebeten hat. Eine solche Reaktion ist nach Überzeugung
des Senats nur erklärlich, wenn die Beklagte auch im Jahre 1996 noch davon ausging,
daß eine endgültige Abrechnung des Architektenhonorars des Klägers noch ausstand.
c) Soweit die Beklagte zur Begründung ihres schutzwürdigen Interesses auf das
Anlagerisiko der Kommanditisten hinweist, ist dies jedenfalls angesichts der unter I. 2 b)
dargestellten Gründe allein nicht geeignet, die Bindungswirkung der
Teilschlußrechnung zu bejahen. Die Tatsache, daß nach Darstellung der Beklagten das
Anlagerisiko u.a. an dem Pauschalhonorar des Klägers festgemacht worden ist, reicht
zur Begründung eines schutzwürdigen Vertrauens nicht aus. Das Risiko einer
Nachschußverpflichtung besteht bei Bauvorhaben derartigen Umfangs stets - wie nicht
zuletzt auch die - gerichtsbekannte - Erhöhung des Generalunternehmerbaupreises
zeigt, deretwegen den Kommanditisten auch eine Nachzahlung nicht erspart werden
konnte unter Hinweis darauf, daß Grundlage der Abschätzung des Anlagerisikos der
Pauschalpreis des Generalunternehmers gewesen sei.
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3. Da die Unterlagen für die Ausführung bzw. die Kosten der nicht durch den
Generalunternehmervertrag abgedeckten Leistungen der Beklagten vorliegen, ist der
Auskunftsanspruch des Klägers - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht allein
wegen der Existenz des Generalunternehmervertrages auf eine unmögliche Leistung
gerichtet. Nach dem Inhalt des Schreibens des Geschäftsführers der Beklagten vom
08.07.1996 (Bl. 15 d.A.) steht fest, daß die Beklagte im Besitz sämtlicher relevanter
Unterlagen ist, die zur Ermittlung der anrechenbaren Kosten erforderlich sind.
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Nach alledem war das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte in dem aus
dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Auskunft zu verurteilen. Klarstellend ist
hinzuzufügen, daß der Kläger die ihm zu treuen Händen zu übersendenden Unterlagen
nach angemessener Zeit unverändert zurückzugeben hat.
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II.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer für die Beklagte:
45.000,00 DM.
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