Urteil des OLG Köln vom 23.01.2001

OLG Köln: gesetzliche vermutung, vgb, versicherungsnehmer, reparatur, fahrlässigkeit, obliegenheit, versicherer, heizungsanlage, wohnung, lebenserfahrung

Oberlandesgericht Köln, 9 U 114/00
Datum:
23.01.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 114/00
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 7 0 412/99
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 23.03.2000 verkündete Urteil der
7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 7 0 412/99 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung
der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn den Klägern steht ein
Anspruch auf Entschädigung aus der bei der Beklagten abgeschlossenen
Leitungswasserversicherung nicht zu.
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts haben die Kläger jedoch ihre Behauptung,
der Schaden sei bereits 1996 eingetreten, ausreichend substantiiert vorgetragen. Im
vorliegenden Fall darf die Substantiierungslast nicht überspannt werden, da im
November 1996 gerade kein konkretes Schadenereignis eingetreten ist, welches von
den Klägern im einzelnen dargelegt werden könnte. Es war lediglich ein Wasserverlust
in der Heizung festzustellen; die Ursache dafür war zunächst nicht bekannt. Der Eintritt
des Schadens im November 1996 ergibt sich nach Auffassung der Kläger allein aus der
Schlußfolgerung, daß nach der im Februar 1997 erfolgten Reparatur von zwei undichten
Heizungssträngen in der Wohnung Winterberg kein Wasserverlust in der
Heizungsanlage mehr aufgetreten sei. Dieser Vortrag beschreibt die Schadenursache
ausreichend. Geht man davon aus, daß dieser Vortrag zutreffend ist, so kämen als
Grund für den Wasserverlust der Heizung im November 1996 nur die beiden
Undichtigkeiten an den Heizungssträngen in der Küche der Wohnung Winterberg in
Betracht, denn wenn der Wasserverlust der Heizung auf einer anderen Ursache
beruhen würde, hätte auch nach der Reparatur weiterhin ein Wasserverlust der
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Heizungsanlage festgestellt werden müssen.
Einer Beweisaufnahme zu dieser Frage bedarf es indes nicht, weil die Beklagte wegen
Obliegenheitsverletzungen der Kläger im Falle ihrer Leistungspflicht leistungsfrei
geworden ist.
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Die Beklagte beruft sich zu Recht auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung
gemäß § 15 Ziffer 1 a) VGB 62, weil die Kläger bzw. die WEG-Verwalterin den
Schadenfall verspätet gemeldet hat.
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Nach § 15 Ziffer 1 a) der hier geltenden VGB 62 hat der Versicherungsnehmer dem
Versicherer oder seinem Agenten drei Tage nach Kenntniserlangung den Eintritt des
Versicherungs-falles schriftlich oder mündlich anzuzeigen. Bei Verletzung dieser
Obliegenheit ist gemäß § 15 Ziffer 3 VGB 62 Leistungsfreiheit nach Maßgabe von § 6
Abs. 3 VVG vereinbart.
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Kenntnis vom Versicherungsfall hat spätestens vorgelegen, als der Elektriker am
20.01.1997 feststellte, daß der Sicherungskasten durch herabfließendes Wasser
ausgefallen war, die Zeugin P. angab, die hinter dem Sicherungskasten befindliche
Wand sei schon seit ca. 2 Monaten durchfeuchtet und der Eigentümer K. dies der WEG-
Verwalterin mitteilte. Schon allein aus der Angabe der Zeugin P. (Bl. 92 d.A.) folgt, daß
das Schadenereignis bereits im Jahr 1996 stattgefunden haben muß, so daß auch die
Schadenanzeige an die Beklagte und nicht an die Volksfürsorge hätte erfolgen müssen.
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Die Meldung des Schadens an die Beklagte ist durch die WEG-Verwalterin erst am
02.04.1997, also mehr als zwei Monate nach ihrer Kenntnis vom Schaden erfolgt. Damit
ist die Frist von 3 Tagen nicht gewahrt; auch von einer unverzüglichen Schadenanzeige
gemäß § 33 Abs. 1 VVG kann nicht mehr gesprochen werden.
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Das Verhalten der WEG-Verwalterin müssen die Kläger sich zurechnen lassen, denn
die WEG-Verwalterin ist im Verhältnis zur Beklagten als ihre Repräsentantin
anzusehen. Repräsentant ist, wer im Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko
gehört, befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für
den Versicherungsnehmer zu handeln (BGH r+s 93, 201; 223 und 321 = VersR 93, 828).
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Nach dem zwischen den Klägern und der Verwalterin abgeschlossenen
Verwaltervertrag war diese umfassend bevollmächtigt. Sie war u.a. auch berechtigt und
verpflichtet, alle Versicherungsangelegenheiten selbständig abzuwickeln (Ziff. 1. der
Vollmachtsurkunde Bl. 7 d.A.). Zu ihren Pflichten gehörte damit auch, die in einem
Versicherungsfall erforderlichen Erklärungen rechtzeitig und vollständig gegenüber dem
Versicherer abzugeben. Spätestens nach erneuter Einschaltung der Fa. W. Ende
Januar/Anfang Februar 1997 mußte die WEG-Verwalterin der Beklagten den Schaden
unverzüglich anzeigen. Darüber hinaus hatte sie die Weisungen der Beklagten
einzuholen (§ 15 Ziff. 1 b) VGB 62). Dies hat die Fa. D. KG nicht getan, sondern sie hat
mit der ersten Schadenanzeige an die Volksfürsorge bis zum 14.03.1997, also fast zwei
Monate gewartet. Zu dieser Zeit waren bereits sämtliche Arbeiten ausgeführt, so daß
schon für die Volksfürsorge Versicherung keinerlei Möglichkeit mehr bestand, vor
Beginn der Arbeiten Beweise zu sichern oder möglicherweise Einfluß auf Art und
Umfang der Reparatur zu nehmen.
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Selbst wenn man daher zugunsten der Kläger den ersten Termin berücksichtigt, an dem
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überhaupt eine Schadenanzeige erfolgt ist, liegt eine Obliegenheitsverletzung der
Kläger vor. Die Kläger können sich nicht darauf berufen, daß die Frist des § 15 Ziff. 1 a)
VGB 62 erst am 26.03.1997 (Eingang des Schreibens der Volksfürsorge vom
24.03.1997 bei der WEG-Verwalterin, in welchem eine Regulierung abgelehnt wird, Bl.
16 d.A.) zu laufen begonnen hat. Zum einen war für die Hausverwaltung aus den
Umständen zu erkennen, daß der Schaden 1996 entstanden war, so daß der Schaden
sofort der Beklagten anzuzeigen war. Bei Zweifeln hätte eine Schadenanzeige bei
beiden Versicherern gemacht werden müssen. Selbst wenn man aber zugunsten der
Kläger davon ausgeht, für die Hausverwaltung sei nicht ausreichend deutlich erkennbar
gewesen, daß die Beklagte die zuständige Ansprechpartnerin für den aufgetretenen
Schaden war, hätte für eine rechtzeitige Schadenanzeige bei der Volksfürsorge gesorgt
werden müssen. Deren Ablehnung und die Erkenntnis, die Beklagte in Anspruch
nehmen zu müssen, hätten dann noch in einem für die Beklagte zumutbaren Zeitrahmen
erfolgen können. Außerdem hätte möglicherweise die Volksfürsorge für die Beklagte
verwertbare Schadenfest-stellungen treffen können.
Vorsätzliches Handeln der WEG-Verwaltung wird nach § 6 Abs. 3 VVG vermutet,
welches die Kläger sich wiederum zurechnen lassen müssen, weil die Verwalterin als
ihre Repräsentantin anzusehen ist. In Fällen der Verletzung der Schadenmeldepflicht
sieht die Rechtsprechung die gesetzliche Vorsatzvermutung in der Regel allerdings als
leichter widerlegbar an (vgl. grundlegend BGH VersR 81, 321; OLG Köln, r+s 97, 355;
99, 517). Dies beruht auf dem Gedanken, daß sich nach der Lebenserfahrung
normalerweise kein vernünftiger Versicherungsnehmer bereits durch die Verletzung der
Obliegenheit, den Schaden bedingungsgemäß anzumelden, um seinen
Versicherungsschutz bringen will.
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Ob die Vorsatzvermutung hier widerlegt werden kann, bedarf jedoch keiner
abschließenden Entscheidung, denn jedenfalls hat die Fa. D. grob fahrlässig gehandelt,
indem sie den Schaden erst gemeldet hat, nachdem er bereits beseitigt war. Auch
hinsichtlich der groben Fahrlässigkeit enthält § 6 Abs. 3 S. 1 VVG eine gesetzliche
Vermutung, die die Kläger vorliegend nicht widerlegt haben. Um dem Vorwurf grober
Nachlässigkeit und subjektiv unentschuldbaren Fehlverhaltens zu entgehen, muß sich
der Versicherungsnehmer bzw. hier sein Repräsentant informieren und entsprechend
handeln. Zudem handelt es sich bei der Fa. D. um eine professionell tätige
Hausverwaltung, die über die grundlegenden Pflichten eines Versicherungsnehmers im
Schadenfall ohnehin informiert sein müßte. Bei Wahrnehmung der ihr obliegenden
Informationspflichten hätte sie von der Pflicht, den Schaden binnen 3 Tagen melden zu
müssen, gewußt.
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Auch die gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 VVG erforderliche Kausalität im Falle der groben
Fahrlässigkeit ist gegeben. Die Kläger haben den insoweit erforderlichen
Kausalitätsgegenbeweis nicht geführt. Durch die verspätete Schadenanzeige hat die
Verwalterin eine eigene Untersuchung durch die Beklagte vereitelt. Gerade bei
Leitungswasserschäden liegt das Interesse der Beklagten an einer frühzeitigen
Untersuchung auf der Hand. Sehr häufig beruhen Feuchtigkeitserscheinungen, deren
Beseitigung erhebliche Kosten verursachen, gerade nicht auf einem versicherten
Schaden. Hier hat die Verwalterin mit der Beseitigung des Schadens und der
Durchführung sämtlicher Folgearbeiten vollendete Tatsachen geschaffen, bevor die
Beklagte auch nur die Möglichkeit hatte, ihrerseits die notwendigen Feststellungen zum
Versicherungsfall oder zu ihrer Leistungspflicht zu treffen. Die Beklagte ist somit
insgesamt gemäß § 15 Ziff. 1 a), Ziff. 3; § 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei, so daß die
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Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für die 2. Instanz und Beschwer der Kläger:
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