Urteil des OLG Köln vom 23.06.1999

OLG Köln: miteigentümer, prämie, sicherheitsleistung, vgb, gestatten, rechtsnatur, versicherungsschutz, bankbürgschaft, sachversicherung, vollstreckung

Oberlandesgericht Köln, 11 U 251/98
Datum:
23.06.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 251/98
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 10 O 195/98
Schlagworte:
Gebäudeversicherer Wohnungseigentümer
Normen:
VVG § 67 Abs. 1
Leitsätze:
Reguliert der Gebäudeversicherer aufgrund eines von einer
Wohnungseigentümergemeinschaft abgeschlossenen
Gebäudeversicherungsvertrages den Schaden, den ein einzelner
Wohnungseigentümer leicht fahrlässig an fremdem Sonder- und
Miteigentum verursacht hat, so kann er gegen den schädigenden
Wohnungseigentümer nicht nach § 67 Abs. 1 VVG Rückgriff nehmen.
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 06.10.1998 verkündete Urteil
der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 10 O 195/98 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der
Klägerin zur Last. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500 DM
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
der genannten Höhe leistet. Beide Parteien dürfen die Sicherheit durch
selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen
zugelassenen Kreditinstituts erbringen. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Beklagte ist Wohnungseigentümerin. Für die Wohnungseigentumsanlage besteht
eine Wohngebäudeversicherung, die die Wohnungseigentümergemeinschaft bei der
Klägerin abgeschlossen hat; die (anteilige) Prämie ist Bestandteil des Wohngeldes. In
der Wohnung der Klägerin kam es zu einem Wasseraustritt, durch den das
Gemeinschaftseigentum, ihr Sondereigentum und fremdes Sondereigentum
beschädigt wurden. Die Klägerin hat den Schaden reguliert. Sie nimmt nun die
Beklagte gemäß § 67 Abs. 1 VVG in Regreß für die Schäden, die an fremdem
Sondereigentum und an den Miteigentumsanteilen der anderen Wohnugseigentümer
entstanden und von ihr reguliert worden sind.
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Sie hat behauptet, die Beklagte habe den Schaden leicht fahrlässig verursacht. Sie
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meint, hinsichtlich der Fremdschäden sei die Beklagte "Dritte" i.S. des § 67 Abs. 1
VVG, so daß für den Schaden, der sich auf die Klagesumme belaufe, insoweit sie (und
letztendlich ihr Haftpflichtversicherer) einzutreten habe.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 19.979,34 DM nebst 5,5% Zinsen seit dem
18.02.1998 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist dem Vortrag der Klägerin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht
entgegengetreten.
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Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen
Sachvortrags und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat die Klage
abgewiesen.
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Mit der zulässigen Berufung greift die Klägerin das Urteil des Landgerichts aus
Rechtsgründen unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags an.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach ihren erstinstanzlichen
Schlußanträgen zu erkennen und Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zu
gestatten.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen und Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft zu
gestatten.
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Die Beklagte wiederholt und vertieft gleichfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen.
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Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird
auf die Schriftsätze Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die
Beklagte keinen Rückgriffsanspruch.
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Für die Entscheidung kommt es auf die grundsätzliche Rechtsfrage an, ob der
Gebäudeversicherer einer Wohnungseigentümergemeinschaft wegen eines von einem
einzelnen Wohnungseigentümer schuldhaft verursachten Schadens gegen diesen als
"Dritten" nach § 67 Abs. 1 VVG Rückgriff nehmen kann, soweit der Schaden an
fremdem Sonder- und Miteigentum reguliert wurde. Nach Ansicht des Senats hat das
Landgericht diese Frage im Ergebnis zutreffend verneint.
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Die Voraussetzungen für einen Rückgriff der Klägerin nach § 67 Abs. 1 VVG liegen
nicht vor. Die Beklagte ist nicht "Dritte" i.S. der genannten Vorschrift. Sie ist
Versicherungsnehmerin; zudem ist das Interesse, wegen dessen Ersatz die Klägerin
hier Rückgriff nimmt, versichert. Versichern Wohnungseigentümer gemeinsam das
Gebäude, so deckt der Vertrag auch das Sachersatzinteresse jedes
Wohnungseigentümers am Gemeinschaftseigentum und am Sondereigentum der
übrigen Eigentümer (Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 26.Aufl. 1998, Vor § 51 Rn. 63
und Prölss, ebendort, § 80 Rn. 31 mit weiteren Nachweisen). Dies ergibt sich aus
folgenden Überlegungen:
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1. Grundsätzlich schließt die Rechtsnatur der Gebäudeversicherung als
Sachversicherung die Einbeziehung eines Sachersatzinteresses in den
Versicherungsschutz nicht aus (vgl. Kollhosser a.a.O. Rn. 27 ff.; Armbrüster NJW 1997,
177 f.; ders. VersR 1994, 893, 894 ff.). Ob die Einbeziehung solcher Interessen Dritter,
die nicht Versicherungsnehmer und nicht Versicherte sind, unter Hinweis auf die
Rechtsnatur einer "reinen" Sachversicherung - wie der Gebäudeversicherung - ohne
weiteres verneint werden kann (vgl. etwa BGH NJW-RR 1991, 527 f. -
Leitungswasserversicherung -; NJW 1992, 980 f. - Gebäudefeuerversicherung - ;
VersR 1994, 85 ff. - Kfz-Kaskoversicherung -jeweils mit weiteren Nachweisen; dazu
kritisch insbesondere Armbrüster a.a.O.), kann dahinstehen. Ebenso kann
dahinstehen, ob das Sachersatzinteresse eines schadensverursachenden
Wohnungseigentümers geschützt ist, wenn der geschädigte Wohnungseigentümer nur
"sich" versichert hat und sein Versicherer den Schaden ersetzt (dafür Prölss a.a.O.). Im
Streitfall, in dem eine einheitliche Gebäudeversicherung sämtlicher
Wohnungseigentümer besteht, nehmen jedenfalls alle auch mit ihrem
Sachersatzinteresse an dem Versicherungsschutz teil.
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Der Vertragslage ist - entgegen der von der Klägerin zuletzt in dem Schriftsatz vom
30.04.1999 vertretenen Ansicht - zu entnehmen, daß die von der
Wohnungseigentümergemeinschaft abgeschlossene Gebäudeversicherung ein
einheitliches Versicherungsverhältnis und nicht etwa eine Mehrheit von
Versicherungsverhältnissen mit unterschiedlichen Risiken darstellt. § 25 Ziffer 3 VGB
88 (entsprechend Klausel 841 zu den VGB 62, abgedruckt bei Martin,
Sachversicherungsrecht, 2.Aufl. 1986, S. 271 f., und Klausel 8.07 gemäß
Genehmigung des BAA in VA 1960, 198, zitiert bei Möller in Bruck/Möller, VVG,
8.Aufl., § 611 Anm. 63) geht deshalb zutreffend davon aus, daß - gerade wegen der
Einheitlichkeit des Versicherungsverhältnisses - an sich das vertragswidrige Verhalten
einzelner Wohnungseigentümer zur Leistungsfreiheit des Versicherers insgesamt
führen würde (vgl. BGH NJW-RR 1991, 1372 f. - Feuerversicherung durch
Miteigentümer -; Prölss, a.a.O., § 6 Rn. 41 jeweils mit weiteren Nachweisen). Diese
Folge soll wegen der besonderen Ausgestaltung des Wohnungseigentums und aus
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Billigkeitsgründen vermieden werden (vgl. Erläuterungen zu Klausel 8.07 bei Möller
a.a.O.); allerdings soll der Wohnungseigentümer, in dessen Person der
Verwirkungstatbestand vorliegt, verpflichtet sein, dem Versicherer die auf seinen
Miteigentumsanteil entfallende Entschädigungsleistung, die den anderen
Wohnungseigentümern zur Wiederherstellung des gemeinschaftlichen Eigentums zu
erbringen ist, zu erstatten (Ziffer 3 b) a.E.).
2. Es ist sachgerecht, aus dieser Einheitlichkeit des Versicherungsverhältnisses die
Folge abzuleiten, daß die auf den Erhalt des gesamten Wohnungseigentumsobjekts
gerichteten Interessen der Wohnungseigentümer mitversichert sind.
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Dafür spricht zum einen das von Prölss (a.a.O. § 80 Rn. 31) hervorgehobene
Argument, daß die Wohnungseigentümer naturgemäß gesteigerte
Einwirkungsmöglichkeiten auf das gesamte Gemeinschaftseigentum und das fremde
Sondereigentum haben und deshalb ein erkennbares Interesse des
Versicherungsnehmers (also der Gemeinschaft) daran besteht, nicht in die drohenden
Auseinandersetzungen des Versicherers mit dem haftpflichtigen Mitglied der
Gemeinschaft hineingezogen zu werden.
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Dafür spricht aber auch, daß das Sachersatzinteresse des einzelnen
Wohnungseigentümers stets auch von dem Interesse an der Erhaltung der gesamten
Sache überlagert wird. Er ist Miteigentümer des Grundstücks und der nicht im
Sondereigentum stehenden Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes (§ 1 Abs.
2, 5 WEG); eine ungestörte und wirtschaftliche Nutzung des Sondereigentums setzt in
vielfacher Hinsicht voraus, daß das Gesamtobjekt in Ordnung gehalten wird. Eine
Beeinträchtigung des Sacherhaltungsinteresses anderer Wohnungseigentümer
tangiert demgemäß auch das Sacherhaltungsinteresse des schädigenden
Wohnungseigentümers als Miteigentümer.
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Diesen Gesichtspunkt läßt die Argumentation der Klägerin außer acht. Logisch zu
Ende gedacht müßte auf der Grundlage ihrer Rechtsansicht angenommen werden,
daß, auch wenn kein Wohnungseigentum besteht, jeder Miteigentümer eines
Gebäudes (und Mitversicherungsnehmer), der einen Gebäudeschaden verursacht, im
Umfang der Miteigentumsanteile der anderen Miteigentümer nach § 67 Abs. 1 VVG in
Regreß genommen werden kann. Das kann nicht richtig sein und würde den
Gebäudeversicherungsschutz gerade dort, wo er wirtschaftlich am notwendigsten ist,
etwa bei im Miteigentum von Ehegatten stehenden Familienwohnheimen, zu einem
guten Teil entwerten.
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3. Durchschlagende Interessen der Klägerin, die die vorstehende Wertung verbieten,
sind nicht ersichtlich. Der Gebäudeversicherer muß damit rechnen, für einen Schaden
an dem Gesamtobjekt aufkommen zu müssen, ohne daß ein Ersatzpflichtiger
vorhanden ist oder ermittelt werden kann. Ob an einem Objekt Wohnungseigentum
besteht oder ob es sich im Alleineigentum einer Person befindet, ist für die Frage, ob
ein Versicherungsvertrag abgeschlossen wird, in der Regel ohne Interesse; gegenüber
dem - leicht fahrlässig - schädigenden Alleineigentümer muß der Versicherer den
Schaden aber ohne jede Rückgriffsmöglichkeit regulieren.
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Nicht zu überzeugen vermag demgegenüber der Hinweis der Klägerin darauf, daß die
in Fällen der vorliegenden Art entrichtete Gesamtprämie von den einzelnen
Wohnungseigentümern nur anteilig aufgebracht wird. Dabei handelt es sich um einen
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internen Vorgang, der für die Berechnung der Prämie durch den Versicherer ohne
Bedeutung ist. Die Prämie richtet sich nach dem Versicherungswert, dieser nach dem
Wert des Gebäudes (vgl. §§ 13, 14 VGB 88). Wäre der Standpunkt der Klägerin richtig,
so wäre eine Gebäudeversicherung für den Versicherer trotz gleichen
Versicherungswerts und gleicher Prämie um so lukrativer, je mehr Miteigentümer zum
Prämienaufkommen beitragen, denn je kleiner die Miteigentumsquote des
schädigenden Miteigentümers ist, umso größer wäre der im Wege der
Rückgriffshaftung dem Versicherer zu erstattende Betrag.
4. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auch darauf, daß der den Miteigentümern
entstandene Schaden nach den Bedingungen für die Privathaftpflichtversicherung von
dem Haftpflichtversicherer der Beklagten abzudecken wäre. Ob der
Gebäudeversicherer gegen einen schädigenden Wohnungseigentümer Rückgriff
nehmen kann, hängt nicht davon ab, ob dieser Eigentümer haftpflichtversichert ist und
ob und inwieweit der regulierte Schaden (auch) durch die Haftpflichtversicherung
gedeckt wäre.
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Angesichts der aufgezeigten Rechtslage kann dahinstehen, ob zugunsten der
Beklagten etwas aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.12.1995
betreffend die Haftungsbeschränkung des Wohnungsmieters bei der Verursachung
von Brandschäden (NJW 1996, 715 ff.) hergeleitet werden könnte, etwa dahingehend,
daß die Wohnungseigentümer in der Regel stillschweigend davon ausgehen, ein
schädigendes Gemeinschaftsmitglied solle den anderen nur in dem Umfang haften, in
dem der Schaden nicht durch gemeinsam finanzierte Versicherungen gedeckt ist.
Dahinstehen kann auch, ob die Beklagte den Schaden schuldhaft verursacht hat und
deshalb den geschädigten Wohnungseigentümern auf Ersatz haftet würde,
insbesondere wie insoweit die Beweislast zu verteilen ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Revision wird zugelassen, weil die Frage, ob ein schädigender
Wohnungseigentümer im Hinblick auf die Fremdschäden Dritter i.S. des § 67 Abs. 1
VVG ist, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
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Berufungsstreitwert und Beschwer der Klägerin: 19.979,34 DM
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