Urteil des OLG Köln vom 22.09.1999

OLG Köln: anschlussberufung, verfügung, nachbehandlung, kritik, anfang, krankenkasse, inverzugsetzung, klageerweiterung, vollstreckbarkeit, schmerzensgeld

Oberlandesgericht Köln, 5 U 37/99
Datum:
22.09.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 37/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 109/97
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten sowie die Anschlussberufung der
Klägerin wird das am 20.1.1999 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer
des Landgerichts Köln -25 O 109/97- teilweise abgeändert und
insgesamt wie folgt neu gefasst: Der Beklagte wird verurteilt, an die
Klägerin 8.000,-DM sowie 3.961,20 DM nebst 4 % Zinsen von 3.961,20
DM für den Zeitraum vom 14.3.1997 bis zum 31.7.1997 und 9,1 %
Zinsen von 3.961,20 DM seit dem 1.8.1997 zu zahlen. Die
weitergehende Klage wird abgewiesen. Die weitergehende Berufung
und die weitergehende Anschlussberufung werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtstreits erster Instanz tragen die Klägerin 37 %
und der Beklagte 63 %. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter
Instanz tragen die Klägerin 69 % und der Beklagte 31 %. Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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1.
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist nur hinsichtlich des angegriffenen
Feststellungsausspruchs begründet; im übrigen hat sie in der Sache keinen Erfolg.
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Den Rückzahlungsanspruch den geleisteten Eigenanteil der Klägerin betreffend hat das
Landgericht auch nach Auffassung des Senats in der auf die überzeugenden
Ausführungen des eingeholten Gutachtens gegründeten Annahme einer im wesentlich
unbrauchbaren Leistung des Beklagten zutreffend bejaht.
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Die erstmals jetzt erhobenen Angriffe des Beklagten gegen das Gutachten sind
verspätet und gemäß § 528 Abs. 1 ZPO nicht mehr zuzulassen.
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Dem Beklagten ist erstinstanzlich nach Übersendung des Gutachtens vom Landgericht
unter ausdrücklichem Hinweis auf §§ 411 Abs. 4, 296 Abs. 1 und 4 ZPO eine noch
mehrfach verlängerte Einwendungsfrist gesetzt worden, die ohne jede Begründung nicht
wahrgenommen worden ist. Selbst als das Landgericht, worauf die Klägerin jetzt
zutreffend hinweist, in seinem schon nach Fristablauf am 08.07.1998 erfolgten
Hinweisbeschluss vom 25.08.1998 ausdrücklich hervorgehoben hat, dass der Beklagte
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dem Ergebnis der Beweisaufnahme wohl in Ansehung der Richtigkeit der Begutachtung
nicht mehr entgegengetreten sei, ist anschließend keine Kritik des Beklagten am
Gutachten mehr erfolgt.
Die Voraussetzungen von § 528 Abs. 1 ZPO, wonach neue Angriffs- und
Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür gesetzten Frist nicht
vorgebracht worden sind, nur zuzulassen sind, wenn nach der freien Überzeugung des
Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde, liegen
deshalb vor mit der Folge, dass der Beklagte mit seinen jetzigen Einwendungen gegen
die Begutachtung von Dr. Kühn nicht mehr gehört werden kann. Die jetzt begehrte
Einholung eines weiteren (ergänzenden) Gutachtens oder auch nur die ergänzende
mündliche Anhörung des Sachverständigen würde die Erledigung des Rechtsstreits
naturgemäß verzögern; die jetzigen Behauptungen des Beklagten, das vom
Sachverständigen herangezogene undatierte Röntgenbild stamme nicht von Dr. M.,
außerdem habe er die festgestellten Keramikabsplitterungen nicht zu vertreten, würden
eine Beweisaufnahme dazu unumgänglich machen, denn die Klägerin hat Dr. M. als
Zeugen für die Richtigkeit der diesbezüglichen Annahmen des Sachverständigen
benannt.
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Der Beklagte hat auch keine genügende Entschuldigung gemäß § 528 Abs. 1 ZPO für
die verspäteten Einwendungen dargetan. Trotz eines entsprechenden Hinweises der
Klägerin in ihrer Berufungserwiderung vom 15.07.1999 ist seitens des Beklagten hierzu
nichts weiter vorgetragen worden. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass etwa erst in
der Berufungsinstanz neue Erkenntnisse hinsichtlich einer Kritikwürdigkeit des
Gutachtens gewonnen werden konnten, die erstinstanzlich noch nicht zur Verfügung
gestanden hätten.
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Soweit der BGH gefordert hat, dass das Berufungsgericht auf einen verspäteten Antrag
einer Partei auf Erläuterung oder
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Ergänzung des erstinstanzlich eingeholten Gutachtens zu prüfen habe, ob der
Sachverständige von Amts wegen zur Erläuterung des Gutachtens zu laden gewesen
wäre (vgl. BGH in NJW-RR 1997, 1487; Zöller-Greger, ZPO, 21. Auflage, Randnummer
5 a zu § 411), erachtet der Senat das Gutachten als so klar und einleuchtend, dass eine
Erläuterung von Amts wegen ganz sicher nicht geboten war.
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Ergänzend weist der Senat daraufhin, dass die -verspäteten- Einwendungen des
Beklagten gegen das Sachverständigengutachten auch in der Sache ohnehin nicht
erheblich sind.
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Die inhaltliche Kritik des Beklagten am Gutachten von Dr. Kühn beschränkt sich nämlich
darauf, einige wenige Punkte, die mit den Feststellungen weiterer mit
"Sanierungsmaßnahmen" bei der Klägerin befaßt gewesener Zahnärzte nicht
vollständig in Übereinstimmung stehen, hervorzuheben. Soweit der Sachverständige
hinsichtlich einiger der aufzuklärenden Punkte auf mangelnde Dokumentation und
Nachprüfbarkeit hingewiesen hat, macht dies entgegen der Ansicht des Beklagten
deutlich, dass der Sachverständige sich dieses Umstands durchaus bewußt gewesen
ist und seine Festellungen deshalb auch ausdrücklich mit entsprechenden
Einschränkungen versehen getroffen hat. Gleichwohl hat er sehr überzeugend eine
Vielzahl doch ganz eindeutig festzustellender Mängel aufgelistet, sodass der sichere
Rückschluss auf eine dadurch bedingte insgesamt vorliegende Unbrauchbarkeit der
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zahnärztlichen Versorgung durch den Beklagten auch nach Auffassung des Senats
ohne weiteres gerechtfertigt erscheint.
Entgegen der Annahme der Beklagten konnte der Sachverständige die in Rede
stehende Röntgenaufnahme sehr wohl zeitlich einordnen (Praxis Dr. M., 27.08.1996).
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Auch unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen selbst eingeräumten
Aufklärungseinschränkungen ergeben sich folgende von ihm sicher getroffenen
Feststellungen:
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1. nicht nachbesserungsfähige überkonturierte Kronenränder zu-
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mindest an 5 Kronen (17, 16, 26, 35, 48)
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2. insgesamt zu breite paradontalhygienisch unzureichende Unterkieferbrücken
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3. mangelhafte Vorversorgung vor Überkronung des Zahns 23
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4. allenfalls unzureichende Beseitigungsmöglichkeit der links
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bestehenden Nonocclusion
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5. durch den unzureichenden Randschluss bedingte Blutungsneigung.
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Diesen Feststellungen vermag die Berufungsbegründung nichts Substantiiertes
entgegenzuhalten.
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Unabhängig von der Verspätung des Beklagtenvortrags gibt dieser deshalb auch
inhaltlich keinen Anlass zu weiterer Sachaufklärung.
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Die Berufung des Beklagten ist aber begründet, soweit sie sich gegen die zugunsten der
Klägerin ausgeurteilte Feststellung seiner Einstandspflicht für weitere materielle
Schäden richtet.
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Ihren Feststellungsantrag hinsichtlich des angeblich noch zu besorgenden
immateriellen Schadens hat die Klägerin in der Berufungsinstanz ausdrücklich nicht
weiterverfolgt.
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Ihr darüberhinausgehender Feststellungsantrag hinsichtlich des materiellen
Zukunftsschadens ist unzulässig, weil die Klägerin -und zwar von Anfang an- insoweit
einen bezifferten Zahlungsantrag hätte stellen können und müssen.
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Unwidersprochen stehen die Kosten für die erforderlich gewordene Nachbehandlung
nämlich bereits seit langem fest. Unabhängig davon, wie das Landessozialgericht über
die Frage entscheiden wird, ob und in welchem Umfang die Klägerin die Kosten der -
privat veranlassten- Nachbehandlung von ihrer gesetzlichen Krankenkasse erstattet
verlangen kann oder nicht, lässt sich jedenfalls der im Rahmen einer grundsätzlich als
erstattungsfähig anzusetzenden Sanierungsmaßnahme anfallende Eigenanteil
problemlos ermitteln. Die Klägerin gesteht denn auch in ihrer Berufungserwiderung zu,
dass sich unabhängig vom Ausgang des Verfahrens der gegebenenfalls fiktiv zu
errechnende Eigenanteil jedenfalls doch zwanglos errechnen lasse. Die danach geltend
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zu machende Differenz beider Eigenanteile ist deshalb ohne weiteres ermittelbar;
unstreitig hat die Rechnung des nachbehandelnden Arztes auch bereits vor
Klageerhebung vorgelegen mit der Folge, dass das Feststellungsbegehren von Anfang
an unzulässig war.
2.
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Die unselbständige Anschlussberufung der Klägerin ist ebenfalls zulässig, in der Sache
aber nur hinsichtlich des geltend gemachten Zinsanspruchs erfolgreich.
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Die zeitliche Erweiterung des Zinsanspruchs auf den Zeitraum vom 14.03. bis zum
01.07.1997 ist begründet; das vorgelegte Mahnschreiben vom 7.3.1997 genügt den
Anforderungen an eine wirksame Inverzugsetzung zum 14.03.1997.
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Auch den ab 1.8.1997 geltend gemachten erhöhten Zinssatz von 9,1 % hat das
Landgericht zu Unrecht zurückgewiesen. Kann nämlich die Klägerin zu Recht die
Rückzahlung zum begehrten Zeitpunkt verlangen, hätte sie sodann das Geld zur
Verfügung gehabt und es hätte zur Finanzierung weiterer Geldausgaben jedweder Art
und Ursache keiner Kreditaufnahme bedurft.
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Unbegründet ist die Anschlussberufung dagegen, soweit die Klägerin damit -teilweise
im Wege einer Klageerweiterung- eine Erhöhung des ausgeurteilten
Schmerzensgeldbetrags um weitere 4.000,-- DM begehrt.
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Der vom Landgericht als Schmerzensgeld in Ansatz gebrachte Betrag von 8.000,00 DM
erscheint angesichts der geschilderten Beschwerden und erforderlichen
Nachbehandlungen auch nach Auffassung des Senats angemessen und ausreichend;
der von der Klägerin herangezogene Umstand, dass der Beklagte ihrer Ansicht nach
uneinsichtig weiterhin die Auffassung verteidigt, er habe weitgehend mängelfrei
gearbeitet, rechtfertigt für sich gesehen keine Anhebung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 12.961,20 DM
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Wert der Beschwer: für beide Parteien unter 60.000,-DM
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