Urteil des OLG Köln vom 26.05.2004

OLG Köln: produkt, arzneimittel, rat der europäischen union, lebensmittel, schutz der gesundheit, verbraucher, dosierung, internet, werbung, unterlassen

Oberlandesgericht Köln, 6 U 136/02
Datum:
26.05.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 136/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 112/02
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.06.2002 verkündete Urteil
der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 31 O 112/02 – wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die gegen sie
gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch
schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft
eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu
erbringen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
B e g r ü n d u n g :
1
I.
2
Die Klägerin ist ein deutsches Pharmaunternehmen, das unter anderem das als
Arzneimittel zugelassene Präparat "E" mit dem Wirkstoff Glucosaminsulfat und der
Indikation "zur Funktionsverbesserung und Schmerzlinderung bei leichter bis
mittelschwerer Gonarthrose" vertreibt. Ein Dragee "E" enthält 250 mg Glucosaminsulfat.
Die Dosieranleitung empfiehlt die Einnahme von 1 bis 2 Dragees 3 x pro Tag, also eine
Tagesdosis zwischen 750 und 1500 mg.
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Die in den Niederlanden ansässige Beklagte zu 1., deren – was im Berufungsrechtszug
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unstreitig geworden ist – Geschäftsführerin die Beklagte zu 2. ist, vertreibt in
Deutschland ein Produkt namens "H Q" in Kapselform, das die Klägerin für ein
Arzneimittel hält. Jede Kapsel des von der Beklagten zu 1. ausdrücklich zur
"Nahrungsergänzung" angebotenen, weder in den Niederlanden noch in der
Bundesrepublik Deutschland als Arzneimittel zugelassenen "H Q" enthält 300 mg
Glucosaminsulfat, 175 mg "Methylsulfonylmethan", 60 mg Ackerschachtelhalmkraut (6%
Silicium), 50 mg Tanacetum parthenium (0,7% parthenolide), 38 mg Chondroitininsulfat
90%, 7,5 mg Zink, 5 mg Mangan und 0,75 mg Kupfer. Als Hilfsstoff ist ihm Zellulose
zugesetzt. Auf der Ware steht unter der Produktbezeichnung "H Q" das Wort
"Nahrungsergänzung". Die "Verzehrsempfehlung" lautet, man solle täglich 2 Kapseln
bei einer Mahlzeit mit Wasser nehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im
nachfolgenden zweitinstanzlichen Klageantrag der Klägerin wiedergegebenen
Schwarz-/Weiß-Fotografien und das sich bei den Akten befindliche Original eines
solchen Produkts verwiesen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Produkt "H Q" sei kein Lebens-, sondern
ein Arzneimittel und daher in der Bundesrepublik Deutschland mangels Zulassung
durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht verkehrsfähig. Das
ergebe sich zum einen aus der Art und Weise, wie das Produkt im Internet präsentiert
werde. Namentlich die Darreichungsform in Kapseln sowie die empfohlene Art der
Einnahme (30 bis 40 Minuten vor den Mahlzeiten mit etwas Obstsaft) seien
arzneimitteltypisch. Auf ein Arzneimittel deute auch der Hinweis auf eine Indikation am
Ende der Produktbeschreibung hin. Die "Verkehrsempfehlung" – so behauptet die
Klägerin – werde dahin verstanden, dass täglich 2 Kapseln vor jeder Mahlzeit
einzunehmen seien, insgesamt also täglich 1.800 mg. Hinzu komme, dass das Produkt
der Beklagten in der empfohlenen Dosierung pharmakologische Wirkungen habe. Die
Aufbereitungsmonographie des Bundesgesundheitsamtes aus dem Jahre 1992 gehe
bereits bei einer Dosierung von 3 x 250 mg täglich von sicheren arzneilich-
therapeutischen Wirkungen aus.
5
Die Klägerin hat beantragt,
6
1.
7
die Beklagte zu 1. zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00
€, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die
Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und
insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,
8
das Präparat H Q mit dem Wirkstoff Glucosaminsulfat in Deutschland wie
nachfolgend wiedergegeben anzubieten, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst
in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben, solange für dieses Produkt
keine Zulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte
nach §§ 21 ff. AMG vorliegt::
9
pp.
10
11
2.
12
die Beklagte zu 2. zu verurteilen,
13
es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise
Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die
Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, den
Absatz des Präparats H Q mit dem Wirkstoff Glucosaminsulfat durch die
Beklagte zu 1. in der Weise zu fördern, dass sie ihre Adresse für Bestellungen
dieses Produkts zur Verfügung stellt und/oder eingehende Bestellungen an
die Beklagte zu 1. weiterleitet, solange für dieses Produkt keine Zulassung
des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff. AMG
vorliegt;
14
3.
15
die Beklagte zu 1. zu verurteilen,
16
der Klägerin Auskunft über den Umfang der vorstehend in Ziffer 1.
bezeichneten Handlungen zu erteilen, und zwar unter Vorlage eines
Verzeichnisses, das sämtliche Empfänger von H Q enthält,
17
4.
18
festzustellen, dass die Beklagte zu 1. der Klägerin zum Ersatz desjenigen
Schadens verpflichtet ist, der dieser durch die in Ziffer 1. beschriebenen
Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
19
Die Beklagten haben beantragt,
20
die Klage abzuweisen.
21
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf
die wegen der weiteren Einzelheiten, auch des weiteren Sachvortrags der Parteien,
verwiesen wird (Bl. 197 ff. d.A.), hat es im wesentlichen ausgeführt, bei dem von der
Beklagten zu 1. vertriebenen Produkt "H Q" handele es sich nicht um ein
zulassungspflichtiges Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG, sondern um ein
Lebensmittel. Das pharmakologische Verhalten von Glucosaminsulfat bei Menschen sei
weitgehend unbekannt. Für eine bereits bestehende Verkehrsauffassung über die
arzneiliche Zweckbestimmung von Glucosaminsulfat gebe es keine hinreichenden
Anhaltspunkte. Deshalb komme es maßgeblich auf die Art und Weise der
Produktdarstellung an, wie sie dem Verbraucher entgegentrete. Dabei sprächen die
ganz überwiegenden Gesichtspunkte gegen eine arzneiliche Zweckbestimmung. Das
Produkt werde unter der Überschrift "F Nahrungsergänzung" im Internet präsentiert, die
ausdrücklich angegebene Zweckbestimmung "Nahrungsergänzung" werde auch durch
die Produktbeschreibung unterstützt. Es werde eine Verzehrsempfehlung
ausgesprochen und keine Dosierungsanleitung gegeben. Von den bei Arzneimitteln
typischen Hinweisen auf Gegenanzeigen oder Nebenwirkungen sei nicht die Rede. Die
Verzehrsempfehlung könne nur so verstanden werden, dass täglich 2 Kapseln mit je
300 mg Glucosaminsulfat eingenommen werden sollen. Damit liege die
Verzehrsempfehlung deutlich unter der in der Aufbereitungsmonographie des
22
Bundesgesundheitsamtes empfohlenen Dosierung von zumindest 3 x 250 mg
Glucosamin täglich. Es sei auch nicht gesichert, dass die Einnahme einer geringeren
Menge als 750 mg Glucosaminsulfat pro Tag pharmakologische Wirkungen habe. Die
von der Klägerin weiter aufgeführten Umstände, wie zum Beispiel die Darreichung in
Kapselform könnten die Arzneimitteleigenschaft von "H Q" nicht begründen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt
und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und behauptet, nach dem heutigen Stand
und Kenntnis der Wissenschaft komme Glucosamin bei einer Tagesdosis von 600 mg
therapeutische Wirkung zu, jedenfalls sei das bei dem von der Beklagten zu 1.
vertriebenen Präparat H Q in seiner konkreten Zusammensetzung mit weiteren
Inhaltsstoffen wie Chondroitinsulfat, Mutterkraut, Methylsulfonylmethan und
Schachtelhalm der Fall. Im übrigen – so meint die Klägerin – sei "H Q" selbst dann nicht
verkehrsfähig, wenn es kein Arznei-, sondern ein Lebensmittel sei. Der Wirkstoff
Glucosaminsulfat sei dann als Zusatzstoff im Sinne des § 2 Abs. 1 LMBG zu
qualifizieren. Da Glucosaminsulfat in der Zusatzstoffzulassungsverordnung bzw. ihren
Anlagen nicht aufgeführt sei, sei die Verwendung nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LMBG
verboten.
23
Die Klägerin beantragt,
24
1.
25
die Beklagte zu 1. zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu €
250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist
und insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, das Präparat H Q mit
dem Wirkstoff Glucosaminsulfat (300 mg pro Kapsel) in Deutschland wie
nachfolgend wiedergegeben anzubieten, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst in
den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben, solange für dieses Produkt keine
Zulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff.
AMG vorliegt:
26
2.
27
die Beklagte zu 2. zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu €
250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
wobei die Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,
den Absatz des Präparates H Q mit dem Wirkstoff Glucosaminsulfat (300 mg pro
Kapsel) durch die Beklagte und Berufungsbeklagte zu 1. in der Weise zu fördern,
dass sie ihre Adresse für Bestellungen dieses Produktes zur Verfügung stellt
und/oder eingehende Bestellungen an die Beklagte und Berufungsbeklagte zu 1.
weiterleitet, solange für dieses Produkt keine Zulassung des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff. AMG vorliegt;
28
3.
29
die Beklagte zu 1. zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über die von der
vorstehend in Ziffer 1. bezeichneten Handlungen zu erteilen, und zwar unter
30
Vorlage eines Verzeichnisses, das sämtliche Empfänger von H Q enthält;
4.
31
festzustellen, dass die Beklagte zu 1. der Klägerin zum Ersatz desjenigen
Schadens verpflichtet ist, der dieser durch die in Ziffer 1. beschriebenen
Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
32
Die Beklagten beantragen,
33
die Berufung zurückzuweisen.
34
Auch sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und sind weiterhin
der Auffassung, ihr Produkt "H Q" unterfalle keiner Zulassungsverpflichtung, weil es sich
um ein Nahrungsergänzungs- und nicht um ein Arzneimittel handele. § 11 Abs. 1 Nr. 1
LMBG sei nicht einschlägig.
35
Der Senat hat in Durchführung seines Beweisbeschlusses vom 28.03.2003 (Bl. 433 f.
d.A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis erhoben
über die Behauptungen der Klägerin, nach heutigem Stand und heutiger Kenntnis der
Wissenschaft komme Glucosamin bei einer Tagesdosis von 600 mg therapeutische
Wirkung zu, jedenfalls gelte das für "H Q" in seiner konkreten Zusammensetzung.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das von dem Sachverständigen
Prof. Dr. B. zu den Akten gereichte Sachverständigengutachten vom 04.11.2003 (Bl. 473
ff. d.A.), seine ergänzende Stellungnahme (Bl. 536 ff. d.A.) und den Inhalt der
Sitzungsniederschrift vom 31.03.2004 (Bl. 551 ff. d.A.) Bezug genommen. Wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die mit Ausnahme des
nachgelassenen Schriftsatzes der Klägerin vom 23.04.2004 sämtlich Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren.
36
II.
37
Das Landgericht hat die auf § 1 UWG in Verbindung mit den Zulassungsbestimmungen
der §§ 21 ff. AMG gestützte Unterlassungsklage nebst den geltend gemachten
Annexansprüchen in Form des Auskunfts- und Schadenersatzfeststellungsbegehrens
zu Recht abgewiesen. Der zulässigen Berufung der Klägerin bleibt deshalb in der
Sache der Erfolg versagt.
38
1.
39
Nach § 21 Abs. 1 dürfen Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder
Abs. 2 Nr. 1 AMG sind, im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes nur in den Verkehr
gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind
oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der
Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art. 3 Abs. 1
oder Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur
Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von
Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die
Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. EG Nr. L 214 S. 1) erteilt hat. Der Verstoß gegen die
Zulassungsbestimmungen des Arzneimittelgesetzes, die dem Schutz der Gesundheit
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der Bevölkerung und damit eines hochrangigen Gemeinschaftsguts dienen, haben
Wettbewerbsbezug. Er hat damit regelmäßig die Unterlassungsverpflichtung nach § 1
UWG zur Folge, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssten.
Die von den Parteien unterschiedlich gesehene und streitentscheidende Frage, ob das
von den Beklagten auch in der Bundesrepublik Deutschland angebotene Produkt "H Q"
ohne Zulassung verkehrsfähig ist, hängt maßgeblich davon ab, ob es als ein dem
Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes einschließlich der dort formulierten
Zulassungspflicht unterfallendes Arzneimittel einzuordnen ist. Arzneimittel sind gemäß §
2 Abs. 1 Nr. 1 AMG unter anderem Stoffe, die nach ihrer Art und allgemeinen
Bestimmung ausschließlich oder überwiegend dazu dienen, durch Anwendung am oder
im Körper Leiden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten.
Demgegenüber sind nach der in § 1 Abs. 1 LMBG enthaltenen allgemeinen
Begriffsbestimmung Lebensmittel Stoffe, die ihrer Zweckbestimmung nach aus Gründen
der Ernährung und/oder des Genusses verzehrt werden. Eine – als solche gesetzlich
nicht definierte – Form der Lebensmittel stellen die sogenannten
Nahrungsergänzungsmittel dar, die wegen ihres Nährwerts verzehrt werden, um die
tägliche gewöhnliche Nahrung gesunder Personen zu ergänzen, deren Zufuhr an einem
oder mehreren Nährstoffen aus dieser gewöhnlichen Nahrung möglicherweise marginal,
zweifelhaft oder (vorübergehend) unzureichend ist. Das angestrebte Ziel ist eine
ausreichende Versorgung des Körpers mit diesen Nährstoffen. Aus den
ineinandergreifenden Vorschriften des § 2 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 1 AMG einerseits und des §
1 Abs. 1 LMBG anderseits folgt zum einen, dass ein Erzeugnis nicht gleichzeitig Arznei-
und Lebensmittel sein kann. Die Qualifizierung als Arznei- oder Lebensmittel schließt
sich vielmehr begrifflich gegenseitig aus (BGH ZLR 2000, 375, 378 "L-Carnitin"). Zum
anderen bleiben arzneiliche Zweckbestimmungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und
Nr. 5 AMG, welche neben dem Ernährungszweck bestehen, für die
Lebensmitteleigenschaft eines Produkts solange ohne Bedeutung, als sie gegenüber
dem Ernährungszweck nicht überwiegen. Lässt sich eine überwiegende arzneiliche
Zweckbestimmung nicht feststellen, ist das Produkt als Lebensmittel anzusehen. Auch
bei einem gleichwertigen Zweck bleibt der Stoff ein Lebensmittel; im Zweifel ist also von
einem Lebensmittel auszugehen (BGH NJW 1976, 1154 "Fencheltee", siehe auch BGH,
2. Strafsenat, Urteil vom 25.04.2001, NJW 2001, 2812, 2813; Kammergericht, Urteil vom
24.09.2002, ZLR 2003, 94, 95 "L-Carnitin plus Vitamin C"; VGH München, NJW 1998,
845, 846; siehe auch Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Band 1, § 2 AMG Rdn. 30,
Meyer, Lebensmittelrecht, Seite 9, jeweils m.w.N., und Köhler, WRP 2001, 363, 365
m.w.N.).
41
Entscheidend für die Einordnung eines Produkts als Arznei- oder Lebensmittel ist seine
an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für
einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbraucher darstellt. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (vgl. BGH ZLR 2002, 660 ff. = MD 2002, 817 ff. "Sportlernahrung";
BGH MD 2002, 975, 979 = WRP 2002, 1141 ff. = GRUR 2002, 910 ff.
"Muskelaufbaupräparate"; BGH ZLR 2000, 375, 379 = WRP 2000, 510 ff. = GRUR 2000,
528 ff. = Pharma Recht 2000, 184 ff. "L-Carnitin" und BGH GRUR 1995, 419, 420 =
WRP 1995, 386 ff. "Knoblauchkapseln"). Die Verkehrsauffassung knüpft regelmäßig an
eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre
Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten
solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung der Verbraucher von der
Zweckbestimmung des Produkts kann weiter durch die Auffassung der
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pharmazeutischen und medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die
dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und
Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher
allgemein entgegentritt. Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang insbesondere den
pharmakologischen Eigenschaften eines Mittels zu, da ein verständiger
Durchschnittsverbraucher im allgemeinen nicht annehmen wird, dass ein als
Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat tatsächlich ein Arzneimittel ist, wenn
es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat (BGH, Urteil
vom 03.04.2003, GRUR 2003, 631, 632 = WRP 2003, 883 ff. = ZLR 2003, 487 ff. =
Pharma Recht 2003, 297 ff. "L-Glutamin"; BGHZ 151, 286, 292 = WRP 2002, 1141 ff. =
GRUR 2002, 910 ff. = MD 2002, 975, 979 "Muskelaufbaupräparate" und BGH ZLR 2000,
375, 379 = WRP 2000, 510 ff. = GRUR 2000, 528 ff. = Pharma Recht 2000, 184 ff. "L-
Carnitin").
2.
43
Danach ist die Entscheidung des Landgerichts, das Produkt "H Q" der Beklagten weise
in den Augen des Verkehrs nach den Gesamtumständen keine überwiegend arzneiliche
Zweckbestimmung auf und sei daher nicht als Arzneimittel, sondern als Lebensmittel
einzustufen, nicht zu beanstanden. Im Ausgangspunkt kann dahinstehen, ob und
welche Auswirkungen der Umstand auf den Ausgang des Rechtsstreits hat, dass die
Klägerin ihren im Berufungsverfahren formulierten Unterlassungsantrag geändert hat,
indem sie nunmehr nicht mehr den Internet-Auftritt der Beklagten zu 1. als konkrete
Verletzungsform, sondern "H Q" in seiner konkreten Verpackung/Aufmachung zum
Gegenstand ihres Klageantrags gemacht hat. Mit diesem Klageantrag stellt die Klägerin
nämlich nicht mehr auf die werbliche Selbstdarstellung der Beklagten ab, sondern
möchte den weiteren Vertrieb von "H Q" in seiner konkreten Aufmachung unabhängig
von dem Internet-Auftritt der Beklagten stets für den Fall verboten sehen, dass die
Beklagten für "H Q" nicht über eine arzneimittelrechtliche Zulassung nach §§ 21 ff. AMG
verfügen. Andererseits kann gerade auch die Bewerbung eines Produkts mit
Indikationshinweisen und Gebrauchsanweisungen ein Faktor sein, der das
Vorstellungsbild des Verbrauchers beeinflusst und ihn im Zusammenwirken mit anderen
Umständen ggf. zu dem Schluss führt, dieses in bestimmter Form beworbene Produkt
sei letztlich doch kein Lebens-, sondern ein Arzneimittel. Darauf kommt es indes
entscheidend nicht an. Denn selbst wenn nicht nur die Produktaufmachung selbst,
sondern auch der werbliche Auftritt der Beklagten insbesondere auch im Internet
Berücksichtigung zu finden hat, verhilft das dem Klagepetitum nicht zum Erfolg. Insoweit
teilt der Senat nämlich vollumfänglich die Auffassung des Landgerichts, dass die
Beklagten ihr Produkt werblich nicht als Arznei-, sondern als Lebensmittel präsentieren.
Auch vor dem Hintergrund, dass das Vorstellungsbild des Verbrauchers dadurch
beeinflusst oder gar geprägt sein mag, dass ihm das glucosaminhaltige Präparat E der
Klägerin über mehr als 30 Jahre hinweg stets als Arzneimittel begegnet ist, spricht im
Streitfall nichts Entscheidendes dafür, trotz des jeweilig ausdrücklichen und schlichtweg
nicht zu überlesenden Hinweises der Beklagten in der Werbung und auf dem Produkt,
"H Q" diene der Nahrungsergänzung, könnte der Verkehr zu der Annahme gelangen, in
Wirklichkeit sehe er dennoch ein Arzneimittel oder eine Werbung hierfür vor sich.
Anders als in einem Fall, den der Senat im Jahre 2003 in dem Verfügungsverfahren 6 U
140/02 OLG Köln zu entscheiden hatte (veröffentlicht u.a. in ZLR 2004, 94 ff.), werden
von den Beklagten in ihrer Werbung und erst recht auf dem Produkt selbst nämlich keine
augenfälligen Begriffe verwendet, die der Verbraucher im Zusammenhang mit der
Bewerbung und dem Vertrieb von Arzneimitteln kennt, wie zum Beispiel die für
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Arzneimittel charakteristischen Begriffe "therapeutische Wirkungen", "Patienten",
"Therapie", "Placebo", "Nebenwirkungen", "Therapiedauer" etc. Es wird eine
Verzehrsempfehlung ausgesprochen und keine Dosierungsanleitung gegeben, von den
bei Arzneimitteln typischen Hinweisen auf Gegenanzeigen oder Nebenwirkungen ist im
Streitfall keine Rede. Das hat das Landgericht ebenso zutreffend herausgestellt wie den
Umstand, dass es an einer an den Verbraucher gerichteten Darstellung der
Anwendungsgebiete, das heißt der krankhaften Zustände, deren Bekämpfung das Mittel
dienen soll, fehlt. Stattdessen ist in der Internet-Werbung der Beklagten allgemein die
Rede von der Regeneration der Knorpel, ohne dass ein konkreter krankhafter Befund
vorausgesetzt wird. Auch die ausgesprochene "Verzehrsempfehlung", die der
Verbraucher im Wortsinne dahin versteht, es sollten pro Tag 2 Kapseln genommen
werden, die jeweils 300 mg Glucosaminsulfat enthalten, und zwar vor einer (nicht: jeder)
Mahlzeit, ist für den Verbraucher keine arzneimitteltypische Dosierungsanleitung. Für
ihn ist das umgekehrt ein Hinweis darauf, dass "H Q" zum Verzehr bestimmt und
deshalb kein Arznei-, sondern ein Nahrungs(ergänzungs)mittel ist. Der Senat nimmt die
diesbezüglichen und die weiteren Ausführungen des Landgerichts hierzu ausdrücklich
als in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht richtig in Bezug. Dies gilt namentlich auch
insoweit, als das Landgericht ausgeführt hat, der Indikationshinweis "Unterstützung bei:
Erkrankungen der Gelenke und des Bindegewebes, Verbesserung des Stoffwechsels,
Verbesserung der Entgiftungsfunktionen" sei nicht ausschließlich arzneimitteltypisch,
sondern auch bei Nahrungsergänzungsmitteln verbreitet.
Auch derjenige Verbraucher, der das Produkt "H Q" der Beklagten sieht, mag er deren
sonstige Werbung nun kennen oder nicht, wird aufgrund der Aufmachung, die das
Produkt erfahren hat, nicht auf die Idee kommen, bei "H Q" handele es sich entgegen
dem augenfälligen und nicht zu übersehenden Hinweis im Zusammenhang mit der
Produktbezeichnung, es diene der "Nahrungsergänzung", dennoch um ein Arzneimittel.
Der Kreis der zumindest durchschnittlich informierten und aufmerksamen Verbraucher,
zu dem sich die Mitglieder des Senats ebenso zählen wie die Mitglieder der Kammer,
wird vielmehr aufgrund dieses deutlichen Hinweises "Nahrungsergänzung", aber auch
der "Verzehrsempfehlung" und dem wiederholten Hinweis auf die
"Nahrungsergänzung" im Zusammenhang mit der Firmenbezeichnung der Beklagten zu
1. und dem dort abgebildeten Logo sowie dem lebensmitteltypischen Hinweis darauf,
dass jede Kapsel "H Q" bestimmte "Zutaten" enthalte, nicht zu der Annahme gelangen,
bei dem ihm so vorgestellten Produkt handele es sich gleichwohl um ein Arzneimittel.
Daran ändern auch die Aufforderungen "Kühl und trocken aufbewahren" und "Von
Kindern fernhalten" ebenso wenig wie der Hinweis "Dieses Produkt unterliegt einer
ständigen Qualitätskontrolle". Diese Mitteilungen begegnen dem Verkehr nämlich
keinesfalls nur im Zusammenhang mit Arzneimitteln und sind daher nicht geeignet, die
Vorstellung des Verbrauchers in diese Richtung zu lenken.
45
Zum Arzneimittel wird das von der Beklagten zu 1. vertriebene Produkt "H Q" auch nicht
deswegen, weil ihm bei einer Tagesdosis von 600 mg Glucosaminsulfat therapeutische
Wirkung zukommen könnte. Aus der stofflichen Zusammensetzung des Produkts "H Q"
folgt seine Arzneimitteleigenschaft nicht. Was die Frage nach der objektiven
pharmakologischen Wirkung von "H Q" in der vorgegebenen Verzehrsempfehlung von
600 mg pro Tag angeht, hat der vom Senat mit der Beantwortung der Beweisfragen im
Beweisbeschluss vom 28.03.2003 beauftragte Sachverständige B. in seinem
schriftlichen Gutachten nebst Ergänzung und auch im Anhörungstermin vom 31.03.2004
sinngemäß und auf den Kern reduziert ausgeführt, Glucosamin sei im Knorpelgewebe
des menschlichen Körpers vorhanden, unter gewissen Voraussetzungen könne die
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körpereigene Bildung des Glucosamin für die optimale Versorgung des Knorpels
unzureichend sein. So könnten nicht nur fortgeschrittenes Alter und Krankheit, sondern
auch ernährungsabhängige Faktoren zum mehr oder weniger schnellen Abbau des
Knorpels beitragen. Glucosamin werde dem Körper unter anderem mit der natürlichen
Ernährung zugeführt, und zwar schon mit der Muttermilch. Kristallines Glucosaminsulfat,
der in Frage stehende Wirkstoff, löse sich nach Einnahme der Kapseln im Magen in die
von dem Sachverständigen in seinem Gutachten im einzelnen näher bezeichneten
Bestandteile auf. Glucosaminsulfat habe keine erkennbaren eigenen
pharmakologischen Sofortwirkungen bei oraler Verabreichung. Eine solche
pharmakologische Wirkung lasse sich selbst bei der Verwendung von Glucosamin bei
höherer Mittelverabreichung nicht feststellen. Sogar die intravenöse Verabreichung der
enormen Menge von 100 g Glucosamin und Acetyl-Glucosamin habe keine
pharmakologisch feststellbare Wirkung ergeben. Selbst bei einer langfristigen
Anwendung einer mit zumindest 1.500 mg pro Tag hoch dosierten Verabreichung von
Glucosaminsulfat seien in bisherigen Versuchsreihen nur geringe Wirkungen
feststellbar gewesen. Darunter sei eine nicht signifikante Wirksamkeit zu verstehen, die
einer denkbaren, aber nicht nachgewiesenen Wirksamkeit gleichstehe. In allen bisher
bekannten Versuchsreihen mit Glucosaminsulfat seien keinerlei Interaktionen im Körper
festgestellt oder nachgewiesen worden, die auf der Zuführung des Mittels beruhten. Die
Versuchsreihen hätten lediglich zu Ergebnissen geführt, die die Vermutung nahe legten,
dass eine langfristige Anwendung des Mittels bei einer hohen Dosierung zu einer
Verbesserung des Patientenempfindens führen könne. Es sei zu betonen, dass
Glucosamin ein Baustein sei, der sich ohnehin im Körper befinde und der auch von klein
auf mit alltäglichen Lebensmitteln weiter zugeführt werde. Testreihen, die zu dem
signifikanten Ergebnis geführt hätten, dass längerfristig behandelte Patienten ein
deutlich besseres Krankheitsbild aufwiesen als unbehandelte Patienten, gebe es im
Zusammenhang mit Glucosaminsulfat bis heute nicht. Seien aber die in den
vorhandenen Versuchsreihen im Glucosaminsulfat attestierten Erfolge bei langfristiger
Anwendung und entsprechend hoher Dosis nicht groß gewesen, folge daraus zugleich,
dass bei einer Dosierung von lediglich 600 mg pro Tag eintretende Erfolge mit
Sicherheit noch viel geringer seien. Ob es bei einer derart geringen Tagesdosis von 600
mg überhaupt zu Erfolgen komme, sei sehr zweifelhaft, festgestellt worden seien sie
bislang jedenfalls nicht. Die Zugabe von Stoffen wie Chondroitinsulfat, Mutterkraut,
Schachtelhalm etc. führe zu keinem anderen Ergebnis.
Der Senat folgt diesen Ausführungen des Sachverständigen. Namentlich leuchten ihm
seine Ausführungen, bei Einnahme von 1.500 mg Glucosaminsulfat über einen längeren
Zeitraum könnten Erfolge durchaus zu verzeichnen sein, die Frage, ob der Eintritt dieser
Erfolge auf einer pharmakologischen Wirkung von Glucosaminsulfat in bestimmter
Darreichungsmenge beruhe, sei bislang indes unbeantwortet geblieben, jedenfalls aber
seien bei einer Dosierung von nur 600 mg pro Tag die Erfolge mit Sicherheit noch viel
geringer, als offensichtlich richtig ein. Dann aber kann offen bleiben, ob die Kritik der
Klägerin, der Sachverständige habe bestimmte Dinge wie zum Beispiel die
Metaanalyse von Cochrane nicht fehlerfrei bewertet und irrig die Nichtveröffentlichung
einer bestimmten Studie angenommen, in der Sache zutreffend ist. Denn selbst wenn
einzelne Kritikpunkte der Klägerin berechtigt sein sollten und im Ergebnis entgegen den
Ausführungen des Sachverständigen davon ausgegangen werden müsste, jedenfalls
bei einer über einen längeren Zeitraum eingenommenen Tagesdosis von 1.500 mg
Glucosaminsulfat komme diesem Wirkstoff therapeutische Wirkung zu, besagt das
nichts über die therapeutische Wirksamkeit einer Tagesmenge von 600 mg. Der
Rückschluss oder gar eine Rückrechnung der therapeutischen Wirksamkeit von 1.500
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mg einerseits auf 600 mg andererseits ist nicht zulässig. Es gibt nämlich – das hat die
Klägerin auf eine entsprechende Auflage des Senats mit ihrem nachgelassenen
Schriftsatz vom 23.04.2004 als richtig einräumen müssen – keinerlei Untersuchungen,
bei denen eine Tagesdosis von 600 mg oder eine geringere Dosis zur Anwendung
gebracht worden ist. Das bedeutet, dass es nach dem eigenen Sachvorbringen der
Klägerin in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen B. bis heute
keinerlei Studien und/oder Untersuchungen gibt, die sich mit der Frage der
therapeutischen Wirksamkeit von Glucosamin in einer Tagesdosis von 600 mg
überhaupt befasst hätten. Ist es damit nach dem jetzt unstreitigen Sachvorbringen der
Parteien aber so, dass nach dem heutigen Stand und Kenntnis der Wissenschaft
keineswegs mittels entsprechender Untersuchungen geprüft oder gar positiv festgestellt
worden ist, dass Glucosamin bei einer täglichen Einnahme von 600 mg therapeutisch
wirksam ist, besteht kein Anlass zu der Annahme, gleichwohl könne das auch noch
ausdrücklich und optisch hervorgehoben als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnete
Produkt "H Q" aus der Sicht des Verbrauchers die objektive Zweckbestimmung eines
Arzneimittels haben.
Dass die Zugabe weiterer Inhaltsstoffe wie zum Beispiel Mutterkraut oder
Schachtelhalm nicht zur therapeutischen Wirksamkeit führt, hat der Sachverständige
ebenfalls überzeugend dargestellt. Nähere Ausführungen hierzu erscheinen dem Senat
entbehrlich, weil die Klägerin die Richtigkeit der diesbezüglichen Ausführungen des
Sachverständigen selbst nicht in Zweifel gezogen hat. Jedenfalls hat sie hierzu
schriftsätzlich nichts vorgetragen.
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Für die von der Klägerin beantragte Einholung eines weiteren
Sachverständigengutachtens besteht kein Grund. Die Voraussetzungen des § 412 Abs.
1 ZPO liegen nicht vor, weil die Ausführungen des Sachverständigen B. dem Senat eine
verlässliche Grundlage für seine Entscheidung geben. Der Senat ist auch nicht mit
Rücksicht auf das im Termin zur mündlichen Verhandlung von der Klägerin
vorgebrachte und vom Senat in der Verhandlung beschiedene Ablehnungsgesuch an
der Verwertung der Ausführungen des Sachverständigen gehindert, womit zugleich
gesagt ist, dass auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 412 Abs. 2 ZPO nicht
erfüllt sind. Denn wie der Senat mit den Parteien im Termin zur mündlichen
Verhandlung vom 31.03.2004 bereits ausführlich erörtert hat, gibt namentlich die
Tatsache, dass der Sachverständige vor seiner Beauftragung von dem für die Beklagten
gutachterlich tätig gewordene öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen S.
aufgesucht worden ist, der Klägerin keinen vernünftigen Anlass, die Objektivität des
Sachverständigen anzuzweifeln, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung des
Umstandes, dass der Sachverständige dies nicht von sich aus offenbart hat, ohne zuvor
danach gefragt worden zu sein. Angesichts der Schilderungen des Sachverständigen B.
zu seinem Kontakt mit dem Zeugen S. im Termin zur mündlichen Verhandlung vom
31.03.2004, die in der Sitzungsniederschrift protokolliert worden sind, liegen keine
objektiven Gründe vor, die bei vernünftiger Betrachtungsweise das Misstrauen der
Klägerin in die Unparteilichkeit des Sachverständigen wecken könnten. Ihre
Mutmaßung, die Beklagten hätten den Zeugen S. zu dem Sachverständigen im Vorfeld
dieses Prozesses geschickt, um ihn später als Sachverständigen vorzuschlagen und ihn
zuvor noch "mit Unterlagen zu munitionieren", ist spekulativ und schon aus diesem
Grunde nicht anerkennenswert. Deshalb kommt es im übrigen nicht darauf an, dass eine
solche dem Sachverständigen nicht offenbar gewordene Absicht der Beklagten der
Klägerin ohnehin keinen berechtigten Anlass geben könnte, die Unparteilichkeit des
Sachverständigen anzuzweifeln.
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Die Auffassung der Klägerin, in dem Fall, dass das Produkt "H Q" als
Nahrungsergänzungsmittel anzusehen sei, sei es dennoch nicht verkehrsfähig, weil der
Wirkstoff Glucosaminsulfat dann als Zusatzstoff im Sinne des § 2 Abs. 1 LMBG zu
qualifizieren wäre, dessen Verwendung nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LMBG verboten sei, trifft
nicht zu. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die von den Beklagten in ihrem
Schriftsatz vom 22.03.2004 (Bl. 526 ff. d.A.) vorgenommene Differenzierung nach
deutschem und europäischem Zusatzstoffrecht an. Namentlich ist es irrelevant, ob nach
europäischem Zusatzstoffrecht Zusatzstoffe im Sinne der EU-Zusatzstoffrichtlinie
ausschließlich solche Stoffe sein können, die zu technologischen Zwecken zugesetzt
werden. Denn wenn "H Q" Nahrungsergänzungs- und damit das Lebensmittel selbst ist,
das der Verbraucher gegebenenfalls zu sich nimmt, ist es bereits begrifflich
ausgeschlossen, dieses Glucosamin zugleich als Zusatzstoff anzusehen.
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3.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
ZPO liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu
noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof. Es handelt sich
vielmehr um eine Entscheidung im Einzelfall, die der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs namentlich in den vorerwähnten Entscheidungen
"Knoblauchkapseln", "L-Carnitin" und "Muskelaufbaupräparate" Rechnung trägt und die
maßgeblich auch auf tatrichterlichem Gebiet liegt und.
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Richterin am OLG Wagner
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ist in Urlaub und deshalb an
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der Unterschriftsleistung
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gehindert.
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